Dienstag, 30. September 2014

Ein kleiner Versuch übers Erkennen ohne ein gutes Ende

Vorläufige Erwägungen zu einer Erkenntnistheorie,
ein logozentristischer Versuch

  1. Eine logozentrische Grundlegung

Wenn es erlaubt ist, ich präsumiere die Analogia entis Lehre, dann ist es erlaubt zu sagen, daß Gott sich als Kreator zur Kreatur ähnlich verhält wie der menschliche Künstler zur Kunst. Die Differenz ist die der creatio ex nihilo, der Künstler kreiert aus Vorhandenem.
Wenn so verstanden,kreieren heißt, etwas Ideeles in Wirklichkeit zu überführen, ist a) in Hinsicht auf die Ideen in Gott, nach denen er Etwasse realisiert, zu diskutieren, ob in Gott Ideen von den Einzeletwassen ist, so daß jedes Singuläre in Gott als präexistente Idee wäre oder ob in Gott Begriffe sind, die als Urbilder für die Realisierung von vielen Einzelexistenzen dieses Urbildes fungieren, ist b) in Hinsicht auf das Realisierte zu fragen, wie dann das Verhältnis von Realisiertem und der präexistenten Idee zu bestimmen ist. Wenn traditionell zwischen dem Sein von Etwas und seiner Erscheinung unterschieden wird, unterschieden wird zwischen Essenz und Existenz, Sein und Erscheinung, dann ist das Wahre als das Normative verstanden gesetzt in die präexistente Idee: sie sagt, wie ein Etwas oder eine Serie von Etwassen in Relation zum Urmodell sein sollen.

Wenn die Essenz des Menschen seiner Existenz vorausgeht und wenn unter Essenz so verstanden wird: wie der Mensch sein soll= wahrer Mensch, dann distinguiert sich seine Existenz von der Essenz, daß das Individuum Mensch sich frei/kontingent zu seiner Essenz verhaltend selbst bestimmen kann. Die Essenz determiniert den zur Selbstbestimmung bestimmten Menschen nicht.Gibt es im Kreatürlichen Bereich kontingente Ereignisse, im humanen den freien Willen, so kann die Existenz eines kreatürlichen Etwasses von seiner Essenz abweichen.

Die Existenz ist so, weil sie immer eine Einheit von Realisation und Nichtrealisation ist, weniger als die Möglichkeiten der Essenz und mehr, weil es realisiertes und nicht nur ideeles Sein ist.Aber man kann sagen, daß jedes Etwas eine bestimmte Realisation eines Begriffes ist in der Gestalt der Individuation. Deshalb würde ich nicht den Begriff, der sich individuiert als einen Aspekt nur des Etwasses bezeichnen, sondern als die Substanz des Etwasses.

Sehe ich verschiedenste Gewächse, kann ich leicht unter ihnen Bäume von Nichtbäumen unterscheiden. Die spannende Frage ist nun die: wie geht das, daß ich so mannigfaltigst verschiedene Einzeletwasse unter einen Begriff subsumieren kann, oder anders gefragt: worauf bezieht sich der Begriff des Baumes, wenn er adäquat so verschiedene Etwasse begreift. M. E.ergibt sich daraus, daß der Begriff von Etwas den Anspruch erhebt, das Wesen des Baumes zu begreifen. Zu diskutieren ist, ob der Begriff hält, was er verspricht. Das Begreifen des Wesens des Baumes (eines Etwasses) setzt immer voraus, daß wir zwischen der Substanz und dem Akzidentiellen unterscheiden. Könnten wir das nicht, könnten wir nicht so Verschiedenes, wie die Summe aller denkbaren Bäume unter den einen Begriff des Baumes subsumieren.

  1. Heißt erkennen, etwas unter seinen Begriff zu subsumieren?

Ich ringe um die Legitimität des Subsumierens und frage ob dem Begriffe des Baumes etwas, eine Realität entspricht, das in den Einzelbäumen ist. Als platonosierender Begriffsrealist stelle ich die These auf, daß dem Begriffe die Substanz des Einzeletwasses entspricht, denn das Einzelne ist ja nichts anderes als eine individuierte Realisation der präexistenten Idee. Als Gegenargument wäre der Einwand denkbar, daß zwischen der präexistenten Idee in Gott (wobei ich prae- existent wörtlich meine als Idee vor der Existenz, als Essenz vor der Existenz etc.) und dem sprachlichen Begriff keine Gemeinsamkeit ist. Dagegen setze ich die philosophisch- katholische Lehre der Analogia entis und sage, daß der Begriff des göttlichen Logos, und des menschlichen Logos nichtäquivok gebraucht sind: menschliche Vernunft partizipiert an den göttlichen. Es sei an die menschliche Gottebenbildlichkeit erinnert.

Der Begriff des Baumes und der unendliche Reichtum des Einzeletwases.
Man schreibe auf die eine Seite das Wort: Baum und auf die andere Seite beginne man, wahre Aussagesätze über einen bestimmten Einzelbaum aufzuschreiben, der Baum ist groß, hat die Eigenschaft a, b, c... der Baum kann verarbeitet werden zu: a,b,c.... Die Teile des Baumes...Unendlich viele wahre Aussagen können über einen einzigen Einzelbaum getätigt werden.
Die Spannung zwischen dem einen Begriff und der unendlichen Serie von möglichen wahren Aussagen über das Einzeletwas evoziert den Eindruck, daß der Begriff das Wesen des Einzeletwasses nicht begreifen kann. Der Irrtum dieser Meinung beruht darin, nicht zu distinguieren
zwischen dem, was den Baum als Baum konstituiert, d.i. sein Wesen von den mannigfaltigsten Eigenschaften, die ein bestimmter Baum aufweist, die aber nicht das Wesen des Baumes konstituieren. So kann ein Baum grüne Blätter tragen, aber er wäre auch ein Baum, hätte er Nadeln statt der Blätter! Ein Vogel kann ein Nest in der Krone des Baumes errichtet haben, aber auch das gehört nicht zum Wesen des Baumes. Das Wesen ist das, was allen möglichen Bäumen innewohnt als das, was sie zu Bäumen macht.

Zudem ist genau zu unterscheiden, ob ich nach dem Wesen eines Einzeletwasses frage, was macht das Baumsein des Baumes aus oder ob ich ontologisch nach dem Sein alles Seienden frage! Ich diskutiere hier erstmal nur die Verhältnisbestimmung von Begriff und Einzelrealität unter Berücksichtigung der unwiderlegbaren Einsicht Hegels, daß, wenn wir meinen, etwas Einzelnes in seiner sinnlichen Singularität zu benennen: Da ist ein Baum! die Sprache unser Meinen widerlegt,denn das Wort: Baum bezeichnet nicht etwas Einzelnes sondern ist ein Sprachbegriff, der beziehbar ist auf unendlich viele Einzelbäume, weil er sich auf das Wesen des Baumes, das, was jeden möglichen Baum zum Baume macht, bezieht! Die so vorgenommene Subsumption ist nur wahr,wenn der Begriff das Wesen des Einzeletwasses begreift. Kardinal Scheffczyk verdanke ich diese kluge Anmerkung: „Schon Platon dachte in dieser Hinsicht „supranaturalistisch“, wenn er einen göttlichen Ursprung der Sprache vertrat. Für ihn mußte die Sprache göttlichen Ursprunges sein,weil nur ein Gott garantieren könne, daß die Namen der Dinge richtig seien, d.h.der Wirklichkeit entsprächen.“ 1 Im Lichte der christlichen Gotteserkenntnis kann diese platonische Einsicht vertieft werden (ist das Christentum nicht vertiefter Platonismus nach Augustin, nach Nietzsche: verflachterPlatonismus?), wenn auf den göttlichen Logos reflektiert wird (vgl: Johannesprolog), aus dem alle Wirklichkeit ist und die menschliche Ratio, die logoshaftig die aus dem Logos seiende Realität begreifen kann, weil: Alles Seiende ist aus dem Logos und somit logoshaft (auch logisch) und der menschliche Logos ist bestimmt dazu, diese logoshafte geschaffene Welt zu begreifen. Es sei an den Zusammenhang von Logos und Sprache erinnert. Die Schöpfung ist ein Schaffen als sprachlicher Akt: Gott sprach und es war.

Ob dieser Erwägungen halte ich einen Skeptizismus, der meint, daß unsere Wirklichkeit, das Ding an sich, ganz anders wäre als die Welt, so wie wir sie im sprachlich-vernünftigen Denken begreifen
für nicht begründet, zumal die These der radicalen Differenz von Wirklichkeit und Denken ja nie einsichtig machen kann, woher sie denn weiß, daß die Wirklichkeit an sich so radical verschieden ist von der im vernünftigen Denken begriffenen Wirklichkeit. Zudem wird hierbei das Verhältnis von Vernunft und Wirklichkeit einseitig verkürzt: die Vernunft ist nicht reduzierbar auf ein die Wirklichkeit begreifen. Das ist nur die Aufgabe der theoretischen Vernunft.

3.Gibt es drei selbstständige Vernünfte?
Die praktische Vernunft frägt: Was soll sein? Und betrachtet die Welt der möglichen menschlichen Handlungen daraufhin, welche Möglichkeit zu realisieren ist und welche nicht, bzw. sie erörtert vergangene Taten, ob sie hätten sein sollen oder ob nicht. Hier ist die praktische Vernunft die Richterin über die Wirklichkeit,
in der theoretischen (z.B. in der Geschichtswissenschaft) ist das, wie es wirklich wahr, die Norm der
Wissenschaft. (Leopold von Ranke). Die ästhetische Vernunft dagegen frägt, ob das Ideal des Schönen in etwas realisiert ist oder wie es in etwas zu realisieren ist und gleicht so der praktischen Vernunft. Ob es jenseits dieser drei Vernünfte (nach Kant) noch die eine gibt, ist im nachkantischen Idealismus aufs tiefsinnigste untersucht worden, aber ich hege den Verdacht, daß alle Einheitskonzepte gescheitert sind und daß wir mit Lyotard für die Selbstständigkeit dieser drei Vernünfte votieren müssen!

Wichtig ist die Prüfung, ob die praktische Vernunft und die theoretische und die ästhetische nicht aufeinander reduzierbare Aussagensysteme sind. Allgemein anerkannt ist, daß aus indikativischen Aussagen nicht imperativische/ethische derivierbar sind (der naturalistische Fehlschluß). Können aus imperatischen indikativische deriviert werden?

Einschub: Luther und Kant zu Gesetz und Freiheit

Hier muß eine nicht geführte Debatte eingeleitet werden: nach Luthers Kritik des Gesetztes (der Kern der reformatorischen Einsicht Luthers) besagt das göttliche Gesetz nicht, daß das Gesollte der Mensch auch kann. Weil das Gesetz fordert, darf nicht gefolgert werden, daß dem Menschen ein freier Wille ist, so daß er kann, was er soll. Nach Luther kann nicht aus dem: Du sollst! Geschlossen werden: Du kannst kraft deines freien Willens. Nach Kant ist das Gesetz nur dann sinnvoll, wenn das Gesollte auch gekonnt wird, das heißt: aus dem Imperativ kann der Indikativ des freien Willens
abgeleitet werden. Freiheit ist ein Postulat der praktischen Vernunft, weil der Imperativ verlangt, daß ein freier Wille gedacht werden muß, weil sonst der Imperativ sinnlos wird. Ist also aus der praktischen Vernunft die theoretische als Ermöglichungsbedingung der Ethik derivierbar? Das könnte der Kerngedanke Fichtischer Philosophie sein. Trotzdem soll die These gewagt werden, daß dies ein idealistischer Fehlschluß ist: aus dem Sollen ist nicht einfach das Können ableitbar; die tägliche Lebenspraxis verifiziert die Differenz von Sollen und Können. Das Postulat der praktischen Vernunft bleibt eines im Raume der praktischen Vernunft.

  1. Ist eine der Vernünfte aus einer anderen ableitbar?

Kann nun etwa die ästhetische Vernunft aus der theoretischen oder praktischen deriviert werden? Wenn das Wahre und das Gute die Zen-tralbegriffe der theoretischen und der praktischen Vernunft sind, dann müßte das Schöne ein Derivat des Guten oder des Wahren sein. Wenn auch Gott traditioinell als die Einheit des Wahren, des Guten und des Schönen begriffen wird, so impliziert dies aber, daß in Gott das eine Einheit ist, was außerhalb von ihm als Selbstständiges erscheint. Wahr ist die Aussage, daß Goethe den Faust verfaßt hat, aber was hat das mit dem Begriff des Schönen zu tun. Wahr kann aber auch besagen, daß dieser dein wahrer Feind ist, hier meint wahr, daß eine empirische Realität mit ihrem Begriffe identisch ist, aber auch hier fehlt jede Verbindung zum Schönen. Daß das Gute mit dem Ästhe-tischen nicht in einem harmonischen Verhältnis zu einander steht, erinnert uns das Unbehagen, daß die Vorstellung einer moralischen Kunst evoziert. Wo Kunst primär dem Zwecke der Moralbe-lehrung dient, wird sie unästhetisch. (Es wäre diskussionswürdig, ob das nicht die Schwäche brechtscher Dramen ist, ja die Schwäche aller engagierter Kunst! Es sei en passant an Barthes Kritik des Schreibers als Problematik für die Ästhetik: die Kunst ist hier nur ein Darstellungsmittel für die Kunst fremde Anliegen, sie wird so heteronom bestimmt.2 Anders verhielte es sich, wenn im Sinne Hegels das Objekt der Kunst als das Absolute/Gott begriffen wird,3 denn das ist auch das Schöne, so daß hier in der religiösen Kunst nicht von einer Heteronomie gesprochen werden kann sondern: die Kunst findet erst in der Religion und durch sie zu ihrer wahren Bestimmung: dem Dienst am Schönen.

Deshalb soll vorbehaltlich besserer Einsicht von der Selbstständigkeit der drei Vernünfte ausgegangen werden, wobei das ihnen gemeinsam Konstituierende das rein Logische ist. (Logisch- Logoshaft) Thomas Hobbes demonstriert an, daß wenn die praktische Vernunft als das Unterscheiden von Gut und Böse aus Tatsachenerkenntnissen abgeleitet wird, aus indikativischen Aussagen abgeleitet wird, ihres normativen Anspruches beraubt wird. „Aber was auch immer das Objekt des Triebes oder Verlangens eines Menschen ist: Dieses Objekt nennt er für seinen Teil gut, das Objekt seines Hasses und seiner Abneigung böse und das seiner Verachtung verächtlich und belanglos. Denn die Wörter gut, böse und verächtlich werden immer in Beziehung zu der Person gebraucht, die sie benützt, denn es gibt nichts, das schlechthin und an sich so ist.“ 4 Nur selbstständig, als nicht abgeleitet aus etwas anderem kann die praktische Vernunft ihren normativen Aussagecharakter ergründen.



Als Antithese zur Pluralität der Vernünfte müßte es entweder eine Vernunft geben, die diesen drei vorausliegt, oder die als das bestimmt wird, was allen drei innewohnend sie zur Vernünftigkeit qualifiziert. Da aber keine den drei Vernünften vorausliegende bekannt ist, bleibt nur die These, daß das alle drei Selbstständige als vernünftig Qualifizierende die Logik ist. Und hier sei wieder auf die logozentridtische Ausgangs-these erinnert: alles ist aus dem Logos und so ist das Ontische wie das Noetisch logosgemäß, d.i.
in sich logisch strukturiert.


  1. Das Andere der Vernunft?

Einer der geistvollsten Kritiker des Vertrauens in die Kraft der Vernunft, das Ganze zu verstehen,ist sicher Lovecraft.5 „Die größte Gnade auf dieser Welt ist, so scheint es mir, das Nichtvermögen des menschlichen Geistes, all ihre inneren Geschehnisse miteinander in Verbindung zu bringen. Wir leben auf einem friedlichen Eiland des Unwissens inmitten schwarzer Meere der Unendlichkeit, und es ist uns nicht bestimmt, diese weit zu bereisen.“ Cthulhus Ruf, 1.Kapitel: Das Basisrelief).6Sein Genre, das des Horrors lebt ja gerade von der Thematisierung des Jenseitswelt der Vernunft,die in diese einbricht als das ganz Andere der natürlichen wie auch der übernatürlichen Vernunft
(Offenbarung).

Aber dieser Vernunftkritiker und Skeptiker verweist dann auf das Andere der Vernunft: den Mythos
und er bezeichnet den Uranfang als das, was sich der Vernunft entzieht. Theologisch und auch philosophisch kann darauf verwiesen werden, daß gerade das rein vernünftige Denken seine Grenzen erfaßt, indem es sich ausrichtet auf das Übervernünftige, das erst die Vernunfterkenntnis vollendet. So rekurriert Platon regelmäßig auf den Mythos als besondere Form des Wissens und so rekurriert auch die christliche Theologie auf das, was ihr nur als Offenbarungswissen gegeben ist.Nur ist die platonisch- christliche Antwort auf Lovecraft die, daß dem Vernünftigen nicht das Irrationale entgegensteht (Cthulhus Ruf) sondern das Übernatürliche. Oder könnte das Irrationale nicht auch noch als etwas begriffen werden, das in seinem Gegensatz zur Vernunft zur Vernunft gehört, als das, was durch seine Opposition erst die Vernunft als Vernunft konstituiert. Wenn Gott als reine Unbestimmtheit zu denken ist (als potentia absoluta), der sich dazu bestimmt,
Gott zu sein, dann inkludiert dies Selbstbestimmen den Ausschluß von und das so Ausgeschlossene ist das, was als Nichtseinsollendes ist als Möglichkeit aller kreatürlichen Freiheit, sich gegen das von Gott Gewollte selbst zu bestimmen. (Vgl: K.Barth Lehre vom Nichtigen). Gott als reine Unbestimmtheit zu denken, soll den hegelanisch inspirierten Einwand F. Wagners Rechnung tragen, daß das religiöse Bewußtsein Gott als das Absolute depedent von endlichen Bestimmungen denkt und nicht als Subjekt der Hervorbringung seiner Bestimmung und seiner Erkenntnis im religiösen Bewußtsein.7 Sich bestimmen inkludiert denknotwendig den Ausschluß von etwas, denn jedes Bestimmen ist auch ein Negieren. Da es unabhängig von Gott weder das Gute, das Wahre und das Schöne gibt und da das Wahre, Gute und Schöne auch nicht einfach als die Natur Gottes dem Selbstbestimmungsakt Gottes vorausliegend präsumiert werden darf, denn dann verhielte sich bei Gott Essenz zur Existenz wie in jedem kreatürlichen Wesen sich die Essenz zur Existenz, muß Gottes Selbstbestimmung zur Einheit des Wahren, Guten und Schönen (vgl: Ockham, Gott als potentia absoluta) als reine Dezision begriffen werden, durch die erst die Ordnung gesetzt wird, die als die vernünftige das Unvernünftige, was nicht sein soll, ausschließt und so es ermöglicht, daß endliche Freiheit im Akt der Selbstbestimmung wider ihre Natur, ihre Bestimmung von Gott her, sich bestimmt zu dem, was nicht sein soll.

Kunze faßt Ockhams Anliegen, Gott als Selbstbestimmung zu denken so zusammen: „Gottes Wesen sei sein allmächtiger Wille. Dieser sei die letzte Ursache der normativen Schöpfungsordnung. Alles Gut und Böse sei ein beliebiges Produkt göttlicher Willkür. Damit wandte Ockham sich ab von Platon und Thomas: Dieser hatte Gott für die unwandelbare Idee des Guten selbst erklärt und damit seine Allmacht verkürzt: Gottes Willen steckte damit im Käfig einer idealen Vernunftidee, über die selbst Gott sich nicht hinwegsetzen konnte.“8 Damit wird die Differenz von Gott als potentia absoluta und den Ideen Gottes als bestimmte reflektiert, indem Gott als reine Selbstbestimmung nicht selbst als bestimmt durch Ideen gedacht wird.

Das Geschaffene ist in sich vernünftig, aber es ist fundiert in einem reinen Dezisionsakt, der erst das Unvernünftige gesetzt hat als das, was nicht sein soll, und dieses Nichtgesollte ist sozusagen der Schatten des Geschaffenem im Lichte Gottes.

(Erwägenswert ist, ob nicht die buddistische Erlösungslehre wie auch viele Meditationspraktiken auf dies Nichts, -das was nicht sein soll als das Nichtrealisierte im Akt der Selbstbestimmung Gottes – oder auf Gott als das rein Unbestimmte sich kaprizieren.)

  1. Das Wesen von Etwas

Wenn zudem die Gesamtwirklichkeit als Realisierungsprozeß von präexistenten Ideen zu begreifen ist, dann heißt begreifen, die den Wirklichkeiten, den Einzeletwassen zu Grunde liegenden Ideen zu begreifen.

Irgendwo sagt Herder, daß die Völker Ideen Gottes sind. Herder geht es darum, die Legitimität der jeweiligen Volkstümer zu begründen wider die Utopie einer Vereinerleiung zu einer Menschheit. Volkstum meint nun, daß jedes Volk je seine eigene Berufung hat und daß das Volkstum die in geschichtlich- kontingenten Umständen Gestalt gewordene Berufung eines Volkes ist. Auch hier ist die Realisierungsgestalt immer auch eine durch die Ursünde und die menschlichen Unzulänglichkeiten, aber auch durch kontingente Zufälle verzeichnete Gestalt der Berufung und doch ist sie eine Manifestation göttlicher Berufung. (Ich vermute, daß das der Kerngedanke der bekannten und perhorreszierten Rektoratsrede M. Heideggers war.)


Wir haben also drei selbstständige Diskursordnungen, die der theoretischen, die der praktischen und die der ästhetischen Vernunft, denen es gemeinsam ist, eine objektiv gültige metaphysische Ord-nung zu explizieren. K. Kunze beschreibt das Seinsverständnis des sich in einer metaphysischen Ordnung wähnenden Menschen so: Der Mensch wähnt „sich selbst einer objektiven, aus sich selbst heraus geltenden Seinsordnung unterworfen.“9 Metaphysische Ordnung meint: „Die Dinge hinter den Dingen: das wahre, ewige Sein an sich.“10 Dem stellt er den Typus des Dezionisten entgegen:„Den Dezionisten beeindruckt eine Metaphysik nicht, die ihre Gewißheiten immer nur aus dem Hut zaubern kann wie einen deus ex machina. Für ihn sind Seinsordnungen bloße Gehirngespinste.“11
Gegen die Gültigkeit der metaphysischen Ordnung spräche die Vielfalt dieser behaupteten Ordnun-gen, die sich wechselseitig in ihren Wahrheitsansprüchen ausschlössen, die Frage der Verifizier- bzw. Falsifizierbarkeit ihres Wahrheitsanspruches und das prinzipielle Problem, daß selbst wenn es eine so objektive metaphysische Ordnung gäbe, ob sie dann vom Menschen überhaupt erkennbar sei. Als Alternative formuliert Kunze den radicalen Dezionismus, der realistisch präsumiert, daß die Welt ein einziges Chaos ist, das der Mensch durch willkürlich durch ihn allein produzierte und als gültig gesetzte Ordnungen zu domestizieren versucht. Rein voluntaristisch werden so diese menschlich- allzumenschlichen Ordnungen gesetzt. Dann wären diese drei metaphysischen Ordnungen nicht von Gott gesetzte und somit objektiv gültige Ordnungen des Wahren, Guten und Schönen, sondern reine Kunstprodukte menschlichen Entscheidens. Wir können das Problem so auf eines reduzieren: Gibt es von Gott gesetzte metaphysische Ordnungen oder nur jederzeit vom Menschen revozierbare willkürlich gesetzte Ordnungen, die irrigerweise objektive Gültigkeit für sich beanspruchen, indem sie ihren Willkürcharakter vergessen machen.
Der Mensch ist so entweder ein in metaphysischen Ordnungen Geborgener Mensch oder einer, der permanent Ordnungen setzen und stabilisieren muß, um das ihn umgebende und bedrohende Chaos
abzuwehren.

  1. Sprache und Wirklichkeit

Diese Problemanzeige verweist wieder auf das Problem von Sprache und Wirklichkeit zurück:schafft die menschliche Sprache mit ihren Gedankengebäuden erst Lebenswirklichkeiten, in denen der Mensch künstlich geschützt vor dem nihilistischen Chaos lebt, wobei diese Ordnungen aber ob ihres rein künstlichen Charakters sehr instabil sind oder begreift die menschliche Sprache mit ihren Gedankengebäuden das, was objektiv als metaphysische Ordnung ist, so daß er sich adäquat im Denken begreift? Um diese Frage zu diskutieren, muß nun, statt vom göttlichen Logos ausgehend,
das menschliche Denken als wahrheitsfähiges zu begreifen, gefragt werden, ob vom menschlichen Denken ausgehend dieses Denken als ermöglicht durch einen göttlichen Logos begriffen werden kann. Es kann aber geurteilt werden, daß das menschliche Denken nur als wahrheitsfähiges begriffen werden kann, wenn es als Analogon zum göttlichen Logos begriffen wird.( Descartes demonstriert ja schon an, wie der Gottesbegriff notwendig ist, um das menschliche Wissen als wahres, auf etwas Objektives Ausgerichtetes und es Begreifendes zu verstehen.)

  1. Problemanzeigen
Aber es stellt sich nun noch ein trivialeres Problem. P. Sloterdijk macht darauf aufmerksam.Er spricht von der „Prämisse, daß Religionen wie Theorien und Kunstwerke im Laufe des 20. Jahrhundertes Handelsgüter und Dienstleistungen geworden sind und sich als solche auf allgemeine Marktbedingungen einlassen müssen.“12 Das heißt, daß die metaphysischen Ordnungen des Wahren, Guten und Schönen als Kriterien der Hervorbringung und der Beurteilung vom Denken ersetzt werden durch die Regeln des Marktes. Zur wichtigsten Frage avanciert dann die der Unterscheidung von Monopolanbietern und in Konkurrenz zueinander stehenden Anbietern. Der Tauschwert auf dem Markt ist dann das Qualitätskriterium der Prüfung von allen denkbaren Theorien und Kunbstprodukten. Offenkundig bilden Agnostizismus und die alleinige Bewertung von etwas nach seinem Marktwert, seiner Verkaufbarkeit zwei Seiten der einen Medaille und es ist nicht zu sagen, ob der Agnostizismus die Verabsolutierung des Marktwertes oder die Verabsolutierung des Marktwertes den Agnostizismus hervorgerufen hat. Wenn aber erst der freie Markt als das einzig legitime Ordnungsprinzip anerkannt ist, dann löst dies Prinzip alle anderen auf. Die ihrer obersten Werte (das Gute, das Wahre und das Schöne) beraubte Leben setzt mit dem Ideal des freien Marktes
die neue Wertordnung der idealisierten Markttugenden: zu produzieren und zu verkaufen gemäß dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage. Sind so gesehen alle metaphysischen Ordnungen entwertet, weil es nur noch das Ordnungsmodell des Marktes mit seinen Wertgesetzen gibt?

Muß, um es zu veranschaulichen wissenschaftliche Bücher neben obskurantistischen Geheimlehrenbücher, Kunst neben Kitsch und Moralhandbücher neben pornographischen Schriften in friedlicher Koexistenz auf einem freien Buchmarkt nebeneinander exponiert werden, damit der König Kunde frei sich das ihm Wohlgefällige auswählt unbekümmert ganz nach seiner reinen Willkür? Ist das der Kern der Postmoderne, in der wir jetzt leben, weben und sind?

Daß die Frage, was ist denn wahr, gut und schön? auf so wenig Interesse stößt, ist wohl ein Indiz dafür, daß die Frage nach dem Marktwert diese Frage als zu spekulativ fürs praktische (Geschäfts) Leben und als unnütz erachtet wird. Und so geht die exakte Wissenschaft des Geldzählens und Preiseabschätzens Hand in Hand mit der Bejahung eines Agnostizismus: Nichts Genaues weiß man! Dem Krämergeist ist die Frage der ästhetischen Qualität eines Kunstwerkes ein überflüssigeSpekulation, kennt er nur den erwartbaren Verkaufspreis. Syberberg sagt das so: „Und die Wirtschaft wurde als Maßstab aller Werte mit dem Kapital als Bibel des Materialismus zum Gegenwert erhoben, ehemals höherer Interessen eines Einheitsdenkens und in der Ganzheits-philosophie alter Provenienz.“13

Kann es in der Postmoderne noch diese drei metaphysischen Ordnungen als gültig anerkannte geben, wenn schon alles determiniert ist durch das eine Ordnungsprinzip des freien Marktes?In der Logik des Marktes können diese metaphysischen Ordnungen nur noch individuell als Hilfen bei der Selektion auf dem unbegrenzten Markt der Möglichkeiten fungieren, als Kontingenzbe-wältigungskonzepte: ich kaufe nur Schönes.14 Es sei en passant noch in Hinsicht auf die metaphysische Ordnung des Schönen und seiner Krise auf eine Einsicht von Hans Jürgen Syberberg verwiesen: „Das eine war jenes Wort von der Ästhetisierung der Politik, die Hitler betrieben habe, quasi indem er die Massen selbst als Kunstwerk seiner Politik- am treffendsten letztlich durch die Verfilmung in den Filmen von Leni Riefenstahl- zum Gegenstand seiner Kunst gemacht habe, und zwar mit den modernen Mitteln der Technik. Ästhetisch meinte hier schön und implizit magisch, im Sinne von Verzauberung, Mythos.“15 Die Entnazifizierung führte dann dazu, daß das Schöne als Lüge des Bösen einem Schönheitsverbot zum Opfer fiel. Seit dem gilt für Nachkriegsästgetik:
„Das Häßlichkeitsgebot beherrscht Leben wie Kunst, und die Ratte wird zum Symbol des Interessanten...“.16 Der Ästhetisierung der Politik folgt so eine Entästhetisierung der Kunst in der Perhorreszierung des Ideales der Schönheit ob seines Mißbrauches. Scharf pointiert: solange in Deutschland das Schaffenswerk von Leni Riefenstahl als ästhetisches Meisterwerk nicht gewürdigt werden darf ob der politischen Korrektheit, wird es bei uns kein ungetrübtes Verhältnis zum rein Schönen geben.

Im Fontane Roman: Der Stechlin findet sich folgender Kurzdialog: Wie hält es der Herr Rex den so mit der Religion. Nimmt er sie ernst, oder macht er bloß so mit? Geantwortet wird: „Ich denke mir, er steht so wie die meisten stehn; das heißt, er weiß es nicht.“ „Und weil er es nicht recht weiß, hat er sozusagen die Auswahl und wählt das, was gerade gilt und nach oben empfiehlt.“17 Es gibt hier einen dezidierten Zusammenhang zwischen dem agnostizistischen Standpunkt und dem Bedürfnis
jeweils das situationsbedingt Opportune und Karrierefördernde als seine Überzeugung in Religions-angelegenheiten als den eigenem Standpunkt zu bekennen. Tiefgründiger ist hier die Spannung zwischen Wahrheit und dem Auswählenwollen eingezeichnet. Gäbe es eine erkennbare Wahrheit. Wäre selbstverständlich die auch zu wählen. Wenn aber es nicht möglich ist, Wahrheit, das Gute, das Wahre und das Schöne zu erkennen, dann kann frei zwischen Beliebigem ausgewählt werdenund dann erst können ungestört Opportunitätserwägungen die Auswahl bestimmen.

Wie kann die Frage nach dem Wahren, Guten und Schönen wieder Relevanz gewinnen, wenn Relevanz auf die objektive Gültigkeit rekurrieren und nicht einfach den allgegenwärtigen Hedonismus nur noch forcieren soll, nach dem Motto, daß das Wahre, Gute und Schöne die Lebensqualität, die Freud am Leben intensivieren würde?

Festzuhalten gilt: es gibt nicht nur cognitive Erkenntnisprobleme in Hinsicht auf die Erkennbarkeit des Wahren, Guten und Schönen, es gibt auch viele Gründe, gar nicht das Wahre, Gute und Schöne erkennen zu wollen und es deshalb für unerkennbar zu bestimmen. Man kann diesen Problemkreis
bestimmen als das problematische Verhältnis von Wahrheit- Freiheit und Pluralität.Wenn unter Freiheit ganz im Geiste Ockhams die Willkür verstanden wird, denken und wollen zu dürfen, was man will, dann wäre eine erkennbare Wahrheit (jetzt verstanden als Erkenntnis des Wahren, Guten und Schönen), eine Beeinträchtigung dieser Freiheit: wie könnte die Wahl des Unwahren legitimiert werden, wäre das Gewählte eindeutig als das Unwahre erkennbar. Wie sollte es noch eine legitime Pluralität geben, wenn eindeutig die eine Wahrheit von den vielen Unwahrheiten zu unterscheiden wäre. K. Kunze in seinem Plädoyer für einen selbstkritischen Dezionismus verweist auf die gefahren einer erkennbaren Wahrheit und dem Besitz der Wahrheit als Quelle inqusitorischer Intoleranz.18

  1. Der Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnistheorie

Was ist der Gegenstand einer wissenschaftlichen Erkenntnistheorie? In Anlehnung an einen Ausspruch von Lyotard:unbestreitbar gibt es den Satz und wer das bezweifelt, tut dies selbst wiederum mit einem Satz,19 möchte ich vorschlagen, Sätze als die Materie der Erkenntnistheorie zu bestimmen, die untersucht werden auf ihren jeweiligen spezifischen Wahrheitsanspruch. Die kleinste Einheit der Erkenntnistheorie ist so ein Satz. Es gibt verschiedene Klassen von Sätzen und diese erheischen verschiedene Methoden der Verifizierung bzw. Falsifizierung. Die Vorstellung, Gegenstände seien der Gegenstand der Erkenntnistheorie, wie es etwa W. Hoeres in seiner brillanten Konzeption: „ Wesenseinsicht und Transzendentalphilosophie“ vorschlägt,20 erachte ich für eine Verkürzung der Erkenntnistheorie auf indikativische Aussagen des Präsens: Da ist das. Aber damit werden ganze wahrheitsbeanspruchende Satzklassen ausgeklammert: alle normativen Aussagen, alle Werturteile: Das ist ein wahrer Freund, denn dies Urteil besagt ja, das ein Mensch der Idee des Freundes entspricht.21 Was heißt es aber, von einem Etwas zu sagen, es sei wahr? Das meint, daß hier der Begriff des Etwasses und sein Sein in eins fallen. Und so impliziert auch die Erkenntnis eines Gegenstandes den Begriff von ihm und seine empirische Realität. Der Gegenstand ist nicht der Gegenstand der Erkenntnistheorie sondern die Aussage über den Gegenstand, wobei die Realität des Gegenstandes bei bestimmten Aussagen die Norm der Verifizierung der Aussage über den Gegenstand bildet. Man vergleiche die Aussage: Das da ist ein Stein! mit der: Diesen Stein darfst du nicht wegnehmen! in Hinsicht auf ihre verschiedenen Weisen der Verifizierung. Man beachte dabei den Zusammenhang von Imperativ und Norm: „Formal kann sich ein Befehl nämlich an ein individuelles Gegenüber richten oder an alle: Man bedient sich entweder bloß des Einzelbefehles an einen Mitmenschen oder des abstrakt-generellen Befehls an alle Mitmenschen.
Solche verallgmeinerten Befehle sind Normen.“22

Die Aussage, Goethe verfaßte den „Faust“ und die Aussage, Goethes „Faust“ ist ein Meisterwerk!verlangen ganz verschiedene Weisen der Verifikation bzw. Falsifikation. Deshalb muß eine Erkenntnistheorie berücksichtigen, daß verschiedene Wahrheitsansprüche gelten machende Sätzeverschiedene Methoden der Bewahrheitung verlangen. Kann dann von einer einheitlichen Erkenntnistheorie gesprochen werden? Auch ist das Verhältnis von Sätzen zur Wirklichkeit sehr verschieden; es sei an die Differenz von deskriptiven und präskriptiven Aussagen erinnert.So kann eine normative Aussage nicht bewahrheitet werden, indem auf die Wirklichkeit referriert wird und konjunktivische Aussagen können auch nicht durch den Verweis auf das Wirkliche verifiziert werden. Der Satz: Ich wäre gestern daheim geblieben, hätte die Sonne nicht geschienen, ist nicht verifizierbar und nicht falsifizierbar durch die Wirklichkeit des gestrigen Tages. Sätze beanspruchen in verschiedener Weise Wahrheit für sich.

Kann die Ästhetik verstanden werden als das System der Ermöglichung von wahren Sätzen über das Schöne? Dabei soll gelten: wie bei der Sprache zu unterscheiden ist zwischen dem System der Sprache und dem einzelnen gesprochenen Satz (der Parole), wie beim Schach das Regelsystem Schach und die einzeln gespielte Partie, so soll zwischen dem System der Ästhetik und einzelnen
ästhetischen Aussagen unterschieden werden. So kann ich nur Schach spielen, insofern es das Regelsystem Schach gibt, aber der einzelne Spielzug ist nicht determiniert durch das System, sondern dieses ermöglicht erst die Kontingenz einzelner Züge. Ist das Regelsystem Schach etwas , das sich auf nichts bezieht: es ist nur ein System zum Spielen, so frägt sich: bezieht sich das System der Ästhetik auf etwas unabhängig von der Ästhetik Seiendes, das Schöne oder gibt es das Schöne nur so in der Ästhetik wie es Schach Matt nur im Schachspiel gibt? Spontan wird man wohl respondieren, daß es real Schönes gibt. Aber ist dies Schöne nicht selbst wiederum ein Ausfluß einer Ästhetik?
Der Anfang der Ästhetik: Ich schaue auf mein Renoirbild und sage: ein schönes Bild. Es ist wahr, daß ich das gesagt habe. Aber die Ästhetik frägt:Ist die Aussage: Dies Bild von Renoir ist schön! wahr?

Dies Urteil wird spontan gefällt. Wichtig ist die Differenz von unmittelbar und spontan. Unmittelbar ist mir nichts erkennbar! Denn ein Etwas ist immer nur in Differenz zu einem Anderen Etwas als etwas erkennbar. Ich erkenne etwas als in Differenz zu mir Verschiedenes (Nicht-Ich) und als Bestimmtes von Anderem Verschiedenes. Spontan erfassse ich so etwas aber immer vermittelt durch die Differenz von Ich zu Etwas und der Differenz dieses Etwas zu anderen Etwassen. So kann ich urteilen, das ist ein Tier, dann erfasse ich Gesehene in Differenz zu Nichttieren als Tier, ich kann aber auch urteilen, das ist eine Kuh und erfasse so das Gesehene in Differenz zu Tieren, die nicht Kühe sind und jede Gegenstandswahrnehmung setzt die Vermittlung durch die Differenz von Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmumg voraus. Das spontane Urteil impliziert, daß ich weiß, was schön ist und daß ich das Bild als dem Wert : Schön gemäß erachte. Das Befremdliche nun ist, daß ich im Akt des Urteilens weiß, was schön ist, und nach dem gefällten Urteil ratlos vor meinem Urteile stehe und die sprachliche Aussage selbst nicht zu ergründen weiß. Vorläufiger Schluß mit der Bitte um Ratschläge für ein Happy End für diesen Problemkomplex.

1Scheffczyk, Von der Heilsmacht des Wortes 1966, S.70.
2Vgl: Barthes, R., Schriftsteller und Schreiber, in. Barthes, Literatur oder Geschichte 3.Auflage 1981 S.44-53.
3Vgl: Hegel, Ästhetik
4Zitiert nach: Kunze, Mut zur Freiheit S.51.
5Selbstredend hätte hier auch Edgar Allen Poe und viele andere zitiert werden können. Lovecraft wird hier bevorzugt,
weil gerade: Cthulhus Ruf die Vernunftkritik expliziert und das Andere der Vernunft als Mythos bestimmt. Es ist kein Zufall, daß R. Bultmanns Programm der Entmythologisierung des Neuen Testaments und A. Rosenbergs: Mythos des 20. Jahrhundetes als Entmythologisierungs- und als Remythologisierungsprogramm sich gegenüberstehen.
6Lovecraft, H.P., Cthuulhus Ruf, in: Hüter der Pforten. H.P. Lovecraft und andere 2.Auflage 2003 S.19.
7Vgl: Wagner, Falk; Was ist Religion?
8Kunze, K. ,Mut zur Freiheit- Ruf zur Ordnung. Politische Philosophie auf dem schmalen Grat zwischen Fundamentalismus und Nihilismus 1995 S.13.
9Kunze, K., Mut zur Freiheit- Ruf zur Ordnung. Politische Philosophie auf dem schmalen Grat zwischen Fundamentalismus und Nihilismus 1995 S. 7.
10Kunze, K., Mut zur Freiheit S.8.
11Kunze, K., Mut zur Freiheit S.9.
12Sloterdijk, P., Heinrichs, H.-H., Die Sonne und der Tod 1. Auflage 2001 S.33.
13Syberberg, H.J., Vom Unglück und Glück der Kunst in Deutschland nach dem letzten Kriege 1990 S.40.
14Vgl: Luhmann, N., Funktion der Religion 1982.
15Syberberg, H.J., Vom Unglück und Glück der Kunst in Deutschland nach dem letzten Kriege 1990 S.34.
16Syberberg, Vom Unglück S.38.
17Fontane, Th., Stechlin Gesammelte Werke 1.Serie Bd 10 23/24. Auflage 1912 S.25.
18Vgl: Kunz, Mut zur Freiheit.
19Vgl: Lyotard, Der Widerspruch.
20Hoeres, W. Wesenseinsicht und Transzendentalphilosophie 2001 S.172-176.
21Vgl: Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I § 24 Zusatz 2.

22Vgl: Kunz, Mut zur Freiheit S.55.

Christliche Politik?

Wie viel Staat wollen wir? Grenzen und Probleme einer christlichen Politik in einer postchristlichen Gesellschaft 

Das Ideal des guten Königs, alttestamentlich ausgedrückt im Bild des Hirten hat sozialgeschichtlich gesprochen zwei grundverschiedene Sitze im Leben: als Herrschaftsideologie, ich euer König bin euer guter Hirte, hört und gehorcht mir, und als Anspruchsideologie des Volkes: König, regiere uns wie ein guter Hirte. Theologisch meldet sich hierbei der Gedanke an, daß Gott allein der wahre gute König ist und damit verbindbar: nur der wahrhaft gottgläubige König kann ein guter Hirte sein. Negativerfahrungen ließen dann aber auch den Gedanken aufkommen, daß nur Gott der wahre Hirte sein kann, sodaß das Volk erst im Reiche Gottes wahrhaft gut regiert wird. Dem steht aber in die theokratische Versuchung gegenüber, in einer Priesterherrschaft schon die Gotterherrschaft realisiert zu sehen.

Jetzt könnten wir meinen, daß das alles Ideen und Vorstellungen vergangener Zeiten wären, die in unserem demokratisch gesonnenen Zeitalter nur noch nostalgischen Wert hätten. Wir sind keine Monarchisten mehr und selbst die theologische Vorstellung von der Königsherrschaft Christi oder die mariologische der Himmelskönigin fristet nur noch ein Schattendasein in der kirchlichen Verkündigung und ist ersetzt durch die Vorstellung des alle Menschen gleichsam liebenden Gottes, der nichts mehr tut, als alle zu lieben wie die Sonne alle, die Guten und die Bösen gleichermaßen bescheint.

Aber doch finden wir subkutan gerade in den aktuellen politischen und moralischen Diskursen das Ideal des guten Königs wieder, aber morphologisch gewandelt als Appell an den Staat, daß er das und dies regulieren solle. Ja, der politische Diskurs hat sich nach der sogenannten Finanzkrise merklich gewandelt. Hieß einst die Parole des Zeitgeistes: Deregulieren, entstaatlichen, entbureaukratisieren und flexibilisieren, so heißt jetzt die Zeitgeistparole: wir wollen mehr Staat. Wofür und wozu der Staat mehr tun soll, darüber sind sich die Zeitgeister uneins, nur das eint sie: der Wille zu einem: Mehr an Staat. Biblisch ausgedrückt: das Bild des Hirten und seiner Herde impliziert immer, daß die Herde sich nicht selbst regieren kann und darum auf einen guten Hirten angewiesen ist. Das ist eigentlich ein mit demokratischen Vorstellungen inkompatibler Gedanke. Er kann sich damit aber verbinden, reduziert sich die Idee der Volksherrschaft, daß das Volk sich selbst regieren kann darauf, daß das Volk den wählt, der es regieren soll. Und er soll es dann gemäß dem Ideal des guten Hirten regieren, so das Anspruchsniveau des Wahlvolkes, das sich so bereit erklärt, sich regieren zu lassen.

Mehr Staat, diese Parole findet ihre lautesten Befürworter in der aktuellen „Bildungsdebatte“. Galt einst die Familie als der Ort der Erziehung und Bildung, ja stellten Gutsituierte gar Hauslehrer ein, um ihre Kinder Daheim zu unterrichten, so gelten nun Frauen, die ihre Kinder selbst erziehen wollen als Rabenmütter! Nur in der Kindertagesstätte und im Kindergarten würden Kinder adäquat erzogen! Und die Ganztagsschule sei überhaupt das beste für Schüler. Und selbstverständlich können Mütter und Väter ihre Kinder nicht richtig „aufklären“-das können nur staatlich geprüfte Erzieher, sodaß auch die „Aufklärung“ alleinige Staatsaufgabe ist. Nur der sehr aufmerksame Beobachter dieser Debatte hört die Untertöne: daß es um die Mobilmachung für den freien Arbeitsmarkt geht und das die „Reserveheer“ der Hausfrauen und Kinderselbsterzieher dafür einberufen werden soll in den Arbeitsdienst der freien Marktwirtschaft.

Mehr Staat, diese Forderung findet aber auch in conservativen Kreisen Zustimmung: die christliche Moral ist in unserer pluralistisch verfaßten Gesellschaft eine unter vielen geworden. Für sie kann und soll die Kirche und der Einzelchrist werben, auch und gerade in dem er sie selbst lebt und vorlebt. Aber: mit welchem Recht kann in einer säkularen Gesellschaft der Christ verlangen, daß seine Moral die ist, der der Staat per Staatsgewalt durchzusetzen hat? Es war und ist immer noch die große Idee der Konstantinischen Epoche, von Kaiser Konstantin bis Kaiser Wilhelm II., daß die Welt durch und mit Hilfe des Staates verchristlicht werden kann; so erst erfassen wir die tiefe Bedeutung der Idee des „Christlichen Abendlandes“. Nur, dies Abendland ist untergegangen. Wir leben nicht mehr in ihm. So sind conservativen Christen viele Morallehren der Kirche zum „eisernen Bestandteil“ einer humanen Kultur geworden: etwa das Verbot des Freitodes, das Nein zu freizügig gelebter und ausgelebter Sexualität, um nur die aktuellen Kontroversthemen zu nennen. Was aber fehlt ist eine klare Unterscheidung: was gehört allein in den Aufgabenbereich der Kirche, wie etwa die Verkündigung der Pflicht der Sonntagsmesse und was an zu lebender Moral gehört in den Aufgabenbereich des Staates in einer postchristlichen Gesellschaft: sicher nicht die Pflicht zum Besuch der Sonntagsmesse. Aber gehört die Androhung von Gewalt, als Androhung staatlicher Bestrafung des Selbstmordversuches und der Beihilfe zum Selbstmord zu den Aufgaben des Staates? Und wie viel „Gesundheitsförderung“? Reichen die obligatorischen Unterrichtsstunden zum Thema: „Wie gefährlich ist das Rauchen!“ in den staatlichen Schulen oder muß auch das Rauchen in Gaststätten, auf Volksfesten oder gleich ganz in der Öffentlichkeit verboten werden?

Der paternalistische Staat versteht sich als die Institution, die besser weiß als jeder Staatsbürger, was für ihn das Gute ist. Will er dann unvernünftig rauchen, und somit seine eigene Gesundheit gefährden, dann muß und will der Staat ihn vor dem Mißbrauch der eigenen Freiheit bewahren, indem er ihm dies und alles seine Gesundheit eventuell Gefährdende verbieten. Man denke hier auch an die Idee der „Grünen“, einen Zwangsvegetarierertag einzuführen. Für die Religion wird es dann gefährlich, wenn der Staat zwischen gesunder und die Gesundheit gefährdender Religion unterscheiden will und so bestimmte Religionen zu unterdrücken beginnt. Wir Christen könnten nun erleichtert aufatmen, solange es nur radikalislamische Gruppen trifft-aber es empöre sich dann Niemand, wenn plötzlich auch „reaktionäre“ Christengemeinschaften Opfer staatlicher Diskriminierung werden! Solange der Staat im Bunde mit der Kirche so die Gesellschaft gestaltete, mochte ein solches staatliches Reglementieren noch gut ausgehen, orientierte sich dies Reglementieren noch an den Geboten Gottes. Was aber, wenn anstelle der göttlichen Gebote die menschlichen Meinungen treten, was denn das Gute für jeden Menschen sei, sodaß jeder Staatsbürger sich daran zu halten habe?

Soll man so, um der individuellen Freiheit willen zu weniger Staat auffordern? Aber damit würden wir dem Wesen des Staates aus christlicher Sicht nicht gerecht werden: denn der Staat ist eine von Gott gewollte und von ihm gesetzte Ordnung! Gott regiert die Welt durch die Kirche und den Staat! Das sagst uns gerade der Apostelfürst Paulus im 13. Kapitel des Römerbriefes! Eigentlich ist das Ideal des Staates der Staat, der vernünftig regiert und der so auch nicht gegen die Kirche regiert, weil die Kirche als Träger der übernatürlichen Wahrheiten, nicht eine antivernünftige Kirche ist, sondern die ist, die sozusagen „vernünftiger“ ist als die Weltvernunft des Staates und so dem vernünftigen Staate nicht widerstreitet.

An aktuellen Einzelfällen kann man dies exemplarisch durchdenken:Wenn es keine strafbare Tat ist,sich selbst zu töten (auch wenn diese Tat aus christlicher Sicht unmoralisch ist), dann kann auch die Beihilfe zum Freitod keine strafbare Tat sein. Wie nun, wenn ein „Mobilitätsbeeinträchtigter“, um es politisch korrekt auszudrücken, sich töten möchte, diesen Willen aber nicht selbstständig realisieren kann-ob seiner Mobilitätsbeeinträchtigung, etwa daß er gelähmt ist-darf er dann eine Hilfe zum Freitod einfordern? Sonst würde ja gelten, daß er als Behinderter (Mobilitätsbeeinträchtigter) an einer erlaubten Tat gehindert wird, weil ihm die dazu notwendige Hilfe verwehrt wird, was eigentlich eine Diskriminierung des Behinderten wäre. Aus christlicher Sicht könnte man nun meinen: wie gut, daß ihn seine Behinderung an der Selbsttötung hindert! Aber wäre das nicht ein Akt der Benachteiligung von Behinderten, wenn man ihnen durch eine Unterlassung einer Beihilfe an einer strafrechtlich gesehen nicht verbotenen Tat daran hindert, zu tun, was sie möchten? Oder soll nun doch der Staat zumindest Mobilitätsbeeinträchtigte daran hindern, ihre Freiheit zu mißbrauchen, wenn der Staat schon generell auf eine Bestrafung des Mißbrauches der Freiheit zum Freitod verzichtet?

All diese Schwierigkeiten ergeben sich uns Christen aus dem Faktum, daß der demokratische Staat kein christlicher mehr ist, daß sein Erlauben und Verbieten mehr ein Produkt des Niederschlages der öffentlichen Moraldiskurse ist, als ein aus der Vernunft abgeleitetes Regieren und daß selbst sich christlich nennende Parteien kaum noch erkennbare christliche Politik betreiben. Spaßhaft könnte man sagen, daß die (Partei)Politik eher das vernünftige Regieren ersetzt. Christsein und das Mitgestalten der Politik im christlichen Sinne ist so gesehen eine sehr schwierige Aufgabe geworden.

Aktuell wird diese Problematik in der nicht nur auf Kath net geführten Debatte, ob man als Christ weiterhin in den C-Parteien die Hoffnung auf eine christliche Politik sieht oder eher in der AfD, die sich zwar nicht als christliche Partei versteht, aber nicht nur in familienpolitischen Fragen christliche Positionen einnimmt. Offenkundig leidet diese Debatte aber gerade an der Unklarheit, was denn unter einer christlichen Politik zu verstehen sei. Mehr Klarheit, mehr Licht in den dunklen Tagen unserer postchristlichen Gesellschaft!                 

Der Feind-der Modernismus

Der Modernismus- ein vergessener Feind?

Mit dem Ausruf: „Feinde, es giebt keine Feinde! ruf ich, der lebende Thor.“, konterkariert Nietzsche den bekannten Ausspruch: „Freude, es giebt keine Freunde, so rief der sterbende Weise.“1 Könnten wir Christen nicht optimistisch gestimmt das Gebot des Heilandes: „Liebet eure Feinde!“so verstehen, daß ob der Objektivität der geschehenen Erlösung im Kreuze Christi es keine Feinde mehr gibt und daß so es des Christenpflicht wäre, im Feinde den schon auch mit mir Versöhnten zu erkennen und ihn so zu lieben? Modern pädagogisch ausgedrückt, also rauseauisch an das Gute in jedem Mitmenschen glauben, hieße dies,mein Feindbild aufzulösen, den Anderen wirklich wahrzunehmen, wie er ist, also auch in ihm den von Gott Geliebten zu sehen.

Aber eines irritiert dann: Nirgends in der Hl. Schrift wird von einer Liebe zu dem Feind schlechthin gesprochen, dem Satan, und den Daimonen. Und Jesus Christus ist nicht für die Sünden der gefallenen Engel am Kreuze gestorben, sondern ausschließlich für die der Menschen.

Was meinte Jesus, wenn er von der Feindesliebe sprach? Wohl nicht von dem Feinde schlechthin, sondern? C. Schmitt und W.Stapel verweisen hier exegetisch fundiert auf ein Problem der deutschen Übersetzung hin: während das Griechische wie das Lateinische zwischen dem privaten und dem öffentlichen Feind begrifflich unterscheiden, verfügt unsere deutsche Sprache dafür nur einen Begriff: den des Feindes.2 Aber Jesu Sprache ist hier klar: nicht ist der öffentliche, sondern der private Feind gemeint. Für die Privatbeziehungen gilt, daß wir hier unsere Feinde zu lieben haben, nicht aber den öffentlichen Feind. Das ist bei Schmitt und Stapel der, der das Existenzrecht eines Anderen bestreitet und ihn vernichten will. Das ist für den Staat der Staatsfeind, der innere wie der feindliche Fremdstaat und für die Kirche der Antichrist.

Ja, modernistisch gesonnene Katholiken feiern nun schon lange den Abschied vom Teufel, vom Daimonenglauben und können so einstimmen in den Ruf des Thoren: es gibt keinen Feind mehr! Die Welt ist nun ein unüberschaubar großes Reservoir von Meinungen und Ansichten, von Weltanschauungen und Religionen, die alle irgendwie nicht nur interessant sind als authentische Ausdrücke der Möglichkeiten des Sichverstehens des Menschen in der Welt, sondern alle auch bereichernd sein könnten für das eigene katholische Selbstverständnis, öffnete man sich ihnen nur im Dialog. Statt Mission offen sein für den inneren Reichtum der Anderen und der Dialog erschließt uns dann diesen Weltreichtum, das sind dann die Maximen dieses Optimismus, dem jeder Feind abhanden gekommen ist. Und innerchristlich gibt es nur noch Differenzen in Lehrfragen der Dogmatik und Moral, die aber alle angesichts des einen Glaubens an Jesus, Differenzen unter Glaubensgeschwistern sind, die im Geiste der Liebe auszutragen sind. Hier sei der Begriff des Feindes völlig deplaciert.

Aber, wenn der Thor in seinem Herzen spricht, es gibt keinen Gott, so irrt er. Er irrt auch, spricht er: es gibt keinen Feind mehr! Wer kann sich noch der massenmedialen Begeisterung beim Amtsantritt Papst Benedikt XVI. erinnern? Das Hosiannarufen hielt nicht lange vor, das: Kreuzigt ihn, kreuzigt ihn! ist nun zur Tagesparole geworden. Es sei an die Hetzkampagne wider den Papst anläßlich der Rücknahme der Exkommunikation der vier Piusbischöfe erinnert, an die darauf folgende Verteufelungskampagne wider das katholische Priestertum: jeder Priester ein potentieller Sexualverbrecher. Die Kirche, einst im Schutze des Thron- und Altarbündnisses segelnd, jetzt ungeschützt im Zielfernrohr der Feinde-Feuer frei heißt da die Tageskampfparole.

Hostis, lateinisch: der Fremde, der Feind. Fremd gleich Feind, das ist eine urmenschliche Grundhaltung, im Fremden gerade den potentiellen Feind zu sehen. Wenn Paulus den Tod als den letzten Feind bezeichnet, der zu vernichten sei, dann schließt er sich dieser menschlichen Grundhaltung an: der Tod als das absolut Fremde für den lebendigen Menschen ist ihm gerade deshalb auch der Feind! Hier wird der Tod als Feind nach außen projiziert, als externe tötende Kraft imaginiert.

Aber, wo begegnet Jesus Christus der Feind? In der Wüste, im Apostel Petrus und im Apostel Judas-also an einem religiös qualifizierten Ort, die Wüste als Ort der Gotteserfahrung und des Ortes der Gemeinschaft Gottes mit seinem Volke in der Wüstenwanderung und in zwei von ihm selbst erwählten Aposteln, dem Apostelfürsten Petrus, durch den ihn der Teufel vom Kreuzesweg abhalten will und in dem Verräter Judas, der ihn ausliefern wird zur Kreuzigung. Und der Leser möge diesen Verstoß wider die politische Korrektheit verzeihen: im jüdischen Gottesvolk, von den der Heiland sagt, es habe den Satan zum Vater, denn es wirke die Werke seines wahren Vaters.

Der Feind, hier kommt er nicht von außen, sondern mitten in der Kirche oder im Gottesvolk erhebt er sich wider Gott! Und es war Papst Paul VI. der mitten in der Kirche den Rauch Satans aufsteigen sah.Und der 1.Johannesbrief warnt vor den Irrlehrern, die aus der Kirche hervorgehen, um sie zu vernichten. (1.Joh 2,19)

Offenkundig steht hier die Kirche vor einem großen Problem. Selbstredend kennt das Urchristentum die urmenschliche Tradition der Ineinssetzung von dem Fremden und dem Feind. Sie kannte und erlitt diese Tradition: weil die Kirche nicht aus dieser Welt ist, wie auch Christus nicht aus dieser Welt ist, so haßt die Welt, wie sie Christus haßte, auch seinen Leib, die Kirche. Die Feindschaft der Welt gegen die Kirche ist so eine prinzipielle, weil die Kirche das Nichtweltliche ist. Die große Hoffnung der Möglichkeit der Christianisierung der Welt, der geistige Gehalt der konstantinischen Epoche, von Kaiser Konstantin bis Kaiser Wilhelm II während, verdeckte diese bittere Wahrheit. Jetzt, wo diese Epoche in der Postmoderne endgültig untergegangen ist, (die Ägide der Nationalstaaten mit dem Primat des Staates und dem Christentum als der politischen Religion des Nationalstaates kann als Verfallsstufe des Thron-und Altarbündnisses angesehen werden), steht die Kirche, wie einst im Urchristentum wider einer zusehens feindlich sich gebenden Umwelt gegenüber.

Aber das Eigentümliche: die Kirche steht nicht mehr geeint im Kampfe wider den Feind – sondern der Feind im Inneren der Kirche führt jetzt das Schwert wider den Leib Christi und nutzt dazu die Massenmedien, die diese Attacken willigst unterstützen.

Die Geschichte der modernistischen Bewegung muß neu geschrieben werden. Es ist nicht eine harmlose Reformbewegung, die für ein zeitgenössisches Christentum plädierte und die dann von reformunwilligen konservativen Päpsten perhorresziert und vernichtet worden ist. Sie endete nicht mit der Verurteillung durch das päpstliche Lehramt- sondern subkutan wirkte diese häretische Bewegung wie ein Sauerteig weiter und triumphiert heute.Und dieser Sieg zerstört nun die Substanz der Kirche. Es sei an den Höhepunkt der antikatholischen innerkirchlichen Feindschaft erinnert, als die gesamte (fast die gesamte) die deutsche Theologenzunft geschlossen wie ein Mann aufstand gegen den heiligen Vater, um seine Entscheidung der Rücknahme der Exkommunikationen der Piusbischöfe zu verteufeln. Das ist aber nur die Spitze des Eisberges einer Universitätstheologie, in der jeder lehrt, wie es ihm gefällt: nur rein zufällig ab und zu etwas der Lehre der Kirche Gemäßes!

Wie konnte der Modernismus nach seiner Verurteilung so viel Kraft entwickeln, daß er heuer zu der Grundhaltung universitärer Theologie werden konnte? Und warum tarnt sich das Kirchenvernichtungsprogramm des Modernismus als Reformprogramm der Kirche, als ginge es nur darum, die allzeits wahre Lehre der Kirche nur in eine zeitgemäße Sprache zu übersetzen, damit sie so die heutigen Menschen besser erreiche?

Eines ist hier entscheidend: den Feind von Irrenden zu unterscheiden. Die Weltanschauung des Modernismus ist kirchenzerstörrerisch, nicht ist aber jeder Anhänger ein Feind der Kirche, auch wenn er objektiv durch solches Dozieren hilft, die Kirche zu zerstören.

Der Verfasser sieht sich außer Stande, diese Fragen befriedigend respondieren zu können. Deshalb können hier nur erste Vorerwägungen präsentiert werden. Die Präsumption modernistischen Denkens ist die, daß der Faktor Zeit der wesentliche Indikator alles Kulturellen ist. Alle kulturellen Hervorbringungen haben ihren Sitz in ihrer Zeit und müssen, um dem Jetztmenschen zugänglich zu sein, in die Zeitsprache des Jetztmenschen übersetzt werden. Es wird dabei distinguiert zwischen dem eigentlich mit einer Aussage Gemeintem und dem Ausdruck, dem eine bestimmte Zeit diesem Eigentlichen gegeben hat. Es muß der Sinn einer Aussage so hinter der zeitgeschichtlich bedingten Aussageform eruiert und dann in eine zeitgemäße Form wieder ausgedrückt werden.Mit dieser einfachen Operation des eines Unterschiedsetzens von dem Eigentlichen und seiner zeitbedingten Aussageform konnte und kann der Modernismus unter der Tarnkappe der Hinwendung zum Zeitgenossen, damit der die Kirche verstehen könne, alle dogmatisch verbindlichen Aussagen auflösen, indem nun sie als nur zeitbedingte Aussageform entwertet wird. Das dahinter stehende Eigentliche, exemplarisch sei dafür an die historisch-kritische Leben Jesu-Forschung erinnert, ist dann faktisch eine weiße Projektionsfläche, in der alles und jedes – ganz nach persönlicher Vorliebe des Modernisieres- hineinprojiziert werden kann. Dabei wird die offenbarte Wahrheit der christlichen Religion so sehr in ihre zeitgeschichtliche Bedingtheit und Kontextualität hineingezogen, daß faktisch im zeitgeschichtlich Bedingten Gottes Offenbarsein zum Verschwinden gebracht wird. Nach seinem Sichoffenbarhaben wird Gott nachträglich wieder zum Geheimnis , so daß schlußendlich niemand mehr verbindliche Aussagen über Gott tätigen kann. Das heißt umgekehrt: alle religiösen Aussagen sind ob ihrer Zeitbedingtheit gleich wahr und gleich unwahr zu gleich. Daß in allen liberalen Theologiekonzeptionen eine unaufhebbare Aporie waltet,die zwischen der These der Unerkennbarkeit Gottes, sodaß keine Theologie sich als die wahre behaupten darf und somit auch keine Religion oder Kirche zu der These,daß des Gott gleichgültig sei, weil er die bedingungslose Liebe sei, was Menschen von ihm denken, ist unverkennbar. Diese Aporie resultiert aber notwendig aus der Apotheose des Dialogisierens als der höchsten Tugend religiöser Existenz: a) aus dem Verzicht, im Dialog zwischen wahr und unwahr unterscheiden zu wollen und b) dem Anliegen, damit der Dialog sinnvoll sei kann, jeder Meinungsäußerung prinzipiell einen Wahrheitsgehalt zuzusprechen.

Dieses Konzept findet gerade in der anbrechenden Ägide der Postmoderne ihre Anhänger, weil es ganz dem Geiste der Postmoderne gemäß jede erkannte Wahrheit als Bedrohung der Freiheit ansieht und jeden Totalitarismus zurückführt auf das Urteil, daß bestimmte Menschen im Besitz der Wahrheit sich wissend, den Andersdenkenden so diskriminieren, ja letztlich als letzten Feind vernichten wollen. Ein wesentliches Moment der Postmoderne, ihre Perhorreszierung der Vorstellung des Offenbarseins von Wahrheit und des Erkanntseins von Wahrheit ergibt sich meines Erachtens aus einer problematischen Verarbeitung der Erfahrung der zwei großen totalitären Systeme des 20.Jahrhundertes, des Kommunismus und des Nationalsozialismus. Jede Religion, die Gott als offenbar in ihr begreift, gerät so unter den Totalitarismusverdacht und wird als fundamentalistisch diffamiert. Eine erkannte und offenbare Wahrheit wäre so der Tod der Freiheit. Statt einer offenbarten Wahrheit sollen nun regional begrenzte Regeln des Dialogiseierens treten:Regeln, die jeder Kommunikationspartner einzuhalten hat, egal was er kommunizieren will, damit er partizipieren kann am öffentlichen Diskurs.
Die Reflexion auf die Zeitbedingtheit jeder theologischen Aussage ermöglicht es gerade so, die Theologie wieder in dieses postmoderne Konzept des Diskurses einzubringen auf Kosten ihres Wahrheitsgehaltes. Wahrheit ist nur noch das eigentlich in jeder zeitbedingten Aussage Gemeinte aber immer Geheinmnis Bleibende.

Der Hauptangriff wendet sich so nicht primär gegen den heutigen Zeitgenossen besonders anstößige Aussagen etwa der Morallehre, die katholische Sexualethik etwa sondern gegen das Zentrum der Kirche, des Glaubens an das Offenbarsein Gottes in seiner Kirche. Die Offenbarung Gottes in Jesus Christus und die „Antwort“ der Kirche auf sein Sichoffenbaren werden dabei soweit auseinandergerissen, diastatisch getrennt, daß die Antwort der Kirche, ihre einst als verbindlich anerkannte Lehre zur zeitgeistgeschichtlich bedingten Antwortversuch degradiert wird, dem der letztlich unerkennbare Gott gegenüber gestellt wird.

Der Modernismus- ein Feind der Kirche. Es muß unterschieden werden zwischen der besonderen Erscheinungsform dieser antikatholischen Ausrichtung, wie sie die Kirche verurteilt hat und seinem Wesen, das sich auch in neuen Kleidern anders präsentieren kann. Der Kern des Modernismus soll so verstanden werden in dem Willen, die Kirche der Zeit einzupassen: die Zeit, der Zeitgeist ist hier das Normative, die Kirche hat sich dem anzupassen. Im Hintergrund verbirgt sich ein naiveer Fortschrittsglaube, dem Entwicklung in der Zeit per se ein Progressieren ist. Progressiv ist, wer mit der Weiterentwicklung mithält, reaktionär, wer festhält an dem, was gestern wohl noch wahr war, heuer aber längst überholt ist.

Wenn Jesus Christus der Welt den Untergang verkündigte um des Reich Gottes willen, so verkündet der Modernismus der Kirche ihren Untergang, wenn sie nicht Schritt hält mit der progressiven Entwicklung der Welt. „Das ist nicht mehr zeitgemäß!“ ist so die Kampfparole des Modernismus. Und diese Parole ist so erfolgreich, weil sie sich ganz unmittelbar an der Evidenz des Progresses im naturwissenschaftlich-technischen Bereich anschließt Wer könnte bestreiten, daß hier technische Produkt selbst der Spitzentechnologie in kurzer Zeit veralten und ins Technikmuseum eingemottet werden. Aus dieser Sicht ist Tradition, die traditionelle Lehre der Kirche immer nur das schon längst Veraltete.

So vermengeln sich im heutigen Modernismus typisch aufklärerisch-moderne Intentionen, der Glaube an den Fortschritt mit spezifisch postmodernen Thesen, der des freiheitsgefährdenden Charakters von offenbarten und erkannten Wahrheiten und geben dem jetzigen Modernismus so seine, schwer auf den Begriff zu bringende eigentümliche Erscheinungsweise.

Aber, retour zur Ausgangsfrage der Feindesliebe. Christliche Feindesliebe kann nicht darin bestehen, dem Christentum gegenüber Feindliches zu lieben. Der öffentliche Feind der Kirche ist nicht der Adressat unserer Feindesliebe. Unter öffentlich ist hier im Sinne C. Schmitts politischer Theologie nicht einfach der sich öffentlich als Feind Bekennende gemeint sondern es sind damit nicht-private Feindschaftsverhältnisse gemeint. Öffentlich meint hier. Der Feind um einer Sache willen- der, der die Wahrheit der Kirche zerstören will, um sie in eine von er Welt geschätzten und geliebten Organisation zu verwandeln. Um des Beifalles der Menschen willen soll die Kirche aufhören, Kirche des Herren zu sein, um ganz nur noch für die Welt und ihren Wünschen und Begierden zu sein.

Viel Feind, viel Ehr. Sollten hier die Bataillone der Feinde der Kirche aufgezählt werden, der Essay fänd kein Ende . Auf eines dürfen wir dabei aber vertrauen: daß die göttliche Vorsehung der Kirche diese Feinde in den Weg stellt, damit sie im Kampfe wider sie als ecclesia militans wächst und reift. Die Zeiten des Lebens im Schutze des Thron-und Altarbundes sind vorbei- die Kirche muß wider sich rückbesinnen darauf, ecclesia militans zu sein. Dazu gehört die große Kunst, Feinde der Kirche, gerade die inneren von denen zu unterscheiden, die Reformen ersehnen um des Auftrages der Kirche willen. Es gibt keine Feinde mehr!, ist so eine der verhängnisvollsten Illusionen der Kirche. Der Modernismus ist dabei sicher gerade heute wieder der innere Hauptfeind der Kirche!

1Zitiert nach: Derrida, Jaques, Politik der Freundschaft, 2002, S.54.

2Vgl: Schmitt, C., Der Begriff des Politischen, 6.Auflage 1963, S.28-30 und Stapel, W., Der christliche Staatsmann 1932, S.40-42.   

Sonntag, 28. September 2014

Putin-ein Geschenk des Himmels?

"Die 8 Millionen Russen auf dem Territorium der Ukraine sollte man mit Atomwaffen erschießen", forderte die prowestliche Oppositionsführerin Timoschenko in einem mitgeschnittenen Telephonat. Wer will angesichts eines solchen Ausrottungsaufrufes den Russen in der Ukraine es verübeln, daß sie nicht mehr in diesem Staat als Minderheit leben wollen. Demokratie ist bekanntlich, wenn zwei Wölfe und ein Schaf darüber entscheiden, was es am Sonntag als Braten zu essen gibt. Und den Russen in der Ukraine sollen nun die Rolle des Schafes in der Ukraine übernehmen. Versimplifiziert: eine demokratisch gewählte und legitime Regierung der Ukraine beschloß, ein weitreichendes Handelsabkommen mit der EU nicht zu raifizieren; ja die Regierung meinte, mit Rußland einen Vertrag mit günstigeren Conditionen für die Ukraine aushandeln zu können. Das war die Geburtsstunde der neu erwachten prowestlichen Opposition. Forderte sie zuerst nur ultimativ, daß das Abkommen mit dem Westen zu ratifizieren sei-und deshalb wurde diese demokratische Opposition massiv vom Westen unterstützt, so verlangte sie bald darauf den Sturz der Regierung und putschte sich selbst an die Macht.  Prowestlich richtete sie sich gegen Rußland außenpolitisch und innenpolitisch gegen die russische Minderheit in der Ukraine. Alle Russen der Ukraine sollte man ausrotten. so die Oppositionsführerin Timoschenko hieß ihr Programm/Progrom.
Jetzt wandelte sich die Ukraine, indem es durch dieses Progomprogramm gespalten wurde: es gab jetzt das Ukrainische Volk, das die prowestlichen Parteien vertrat und die einstige Regierungspartei, die so zu der Partei der russischen Minderheit wurde. Die Prowestler gewannen dann die Wahl, weil sie zu einer ethnischen Wahl wurde.Jetzt verlangte die Russische Minderheit ihr Selbstbetimmungsrecht: sie wollen nicht mehr in einem Staat als Minderheit leben, wenn das Regierungsprogramm aus Haßtiraden gegen diese Minderheit besteht.
Die Ukraine antwortete auf die Seperationsbestrebungen der russischen Minderheit: sie führt Krieg gegen die russische Minderheit in der Ostukraine. Plötzlich gibt es kein Selbstbestimmungsrecht der Völker mehr, plötzlich ist es legitim-aus Sicht des freien Westens, wenn demokratisch gewählte Regionalparlamente in russischen Wohngebieten die Unabhängigkeit fordern, die Ukraine Panzer schickt.
Jetzt soll Putin angeblich auch militärisch die Russen in der Ukraine unterstützen, genauer gesagt deren Wille zum Austritt aus dem ukrainischen Staat. Ich kann nicht beurteilen, ob es wahr ist, daß Rußland den Landsleuten in der Ukraine Militärhilfe gewährt. Aber es muß festgehalten werden, daß wenn in der Ukraine die ukrainische Mehrheit ganz demokratisch die russische Minderheit zu drangsalieren beschließt, am liebsten sie ausrotten möchte (das wäre dann das allseits bekannte Konzept der ethnischen Säuberung), dann gibt es auch ein moralisches Recht der Russen, in diesem Staate nicht mehr leben zu wollen. Wenn Putin dann seinen russischen Landsleuten Hilfe gewährt, auch militärische, dann mag das vielleicht völkerrechtlich nicht in Ordnung sein, moralisch ist es das aber. Putin ist eben nicht ein Parteipolitiker, sondern er will ein Staatsmann für alle Russen sein und darum fühlt er sich auch verantwortlich für das Ergehen seiner russischen Landsleute in der Ukraine. Wer hier Putin vorschnell verurteilt, der möge sich bitte an die prowestliche Oppositionspolitikerin Timoschenko erinnern: "Die 8 Millionen Russen auf dem Territorium der Ukraine sollte man mit Atomwaffen erschießen!"
Es gibt in der russisch-orthodoxen Kirche das Ideal des symphonischen Miteinanders von Staat und Kirche.Dies Ideal teilten in vielen Zeiten die russische Staatsführung, die Zaren und die Führung der Kirche.
Die kommunistische Revolution beendete dies bewährte Beziehung von Thron und Altar, nicht nur zum Schaden des Volkes und der Kirche, auch sich selbst schadete der Staat damit. Putin steht für den Prozeß einer Wiederherstellung eines solch harmonischen Kirche-Staat- Verhältnisses. Hier gibt es erfreuliche Entwicklungen, einen seit der bolschewistischen Revolution beschrittenen Irrweg wieder zu korrigieren.
Aus dem kommunistischen Saulus-Staat wird nicht auf einen Schlag ein Paulus-Staat! Aber es geht in die richtige Richtung, dank der russischen Staatsführung und der klugen Politik der russisch-orthodoxen Kirche.
Unter Lenin war Rußland der erste Staat, der die Abtreibung legalisierte-jetzt verhandelt Putin mit der Kirche, wie die Zahl der Abtreibungen in Rußland gesenkt werden können.Nebenbei:Joseph Stalin setzte gar ein völliges Verbot der Abreibung durch, aber dies wurde nach der Entstalinisierung leider wieder aufgehoben.
Was für ein Wunder wäre es, wenn in dem Staate, der als erster das Töten von noch nicht geborenen Kindern ihren Müttern erlaubte, ein deutliches Signal gegen diesen Kindermord ausginge!Wenn auch wohl nicht gleich eine Rückkehr zu Stalins Verbot zu erhoffen ist, so wäre doch jede Einschränkung dieser massenhaften Kindestötungen ein Schritt in die richtige Richtung.  Und gelänge das, dann wäre Putin allein darum schon ein Geschenk des Himmels. Und Putins eventuelles Engagement in der Ukraine, auch wenn es sich direkt um eine Militärhilfe handeln sollte, widerlegt diese positive Einschätzung Putins nicht.
Putin regiert eben nicht wie ein Parteipolitiker, sondern als ein Russischer Staatsmann, der sich verantwortlich weiß für das Wohl aller Russen und somit auch der in der Ukraine lebenden Russen!

Wollte man nun einwenden, daß diese eventuelle Militärhilfe aber gegen das Völkerrecht verstieße-nehmen wir mal an, das wäre so- dann möchte ich darauf erwidern: es gibt ein pharisäisches Verständnis vom Gesetz und vom Recht: das Gesetz steht über dem Menschen! Darum entwickelten sie eine praktisch ausgerichtete Sabbatordnung, was an ärztlicher Heilung an diesem Tage erlaubt und was nicht erlaubt war. So war bei akuter Lebensgefahr eine medizinische Behandlung erlaubt, bei einem chronisch Kranken, etwa Blindgeborenen nicht. Wer sein Leben lang blind war, dem könne zugemutet werden, noch einen Tag auf die Heilung zu warten. Jesus Christus sah das ganz anders: für ihn ist der Mensch wichtiger als das Gesetz: er heilte auch chronisch Kranke am Sabbat. Eine Politik, die das Gesetz immer höher stellt das Leben der Menschen, auch wenn es das Völkerrecht wäre, ist so gesehen eine pharisäische Politik. Christlich ist es, das Leben über das Gesetz zu stellen. So kann gerade ein Verstoßen gegen das Recht und die Gesetze, wenn es im Dienste und für das Volk geschieht, für das der Staatsmann verantwortlich ist, gerade christlich sein!  

     .

Dienstag, 23. September 2014

Eine Medizin nicht für alle verträglich

Eine Medizin, die nicht jedem bekommt- die Eucharistie

Wer Kinder Zuhause hat, der schließt sein Medikamentenschränkchen sorgfältig ab. Was für ein Unglück, wenn die Kleinen, „schau die bunten Smarties und die vielen Säfte in so niedlichen Fläschleins!“, einmal den Schrank ausräubern. Medikamente sind keine Süßigkeiten- aber, wenn das die Kleinen merken, dann könnte es schon zu spät sein: Vergiftung, vielleicht sogar eine tödliche. Eine Medizin ist etwas Gesundmachendes, wenn es richtig angewendet und eingenommen wird. Das eine Mittel, richtig, gemäß der Vorschrift des Arztes appliziert, heilt, unsachgemäß eingenommen kann es die schlimmsten Folgen zeitigen. Je wirksamer ein Mittel ist, desto destruktiver ist es auch, wird es vorschriftswidrig eingenommen. Die in einer Medizin schlummernde Kraft kann so zum Positiven wie zum Negativen sich realisieren, schwache Medizin setzt wenig Kraft frei zum Positiven wie Negativen, starke starke Kraft.

Es soll nun von der stärksten auf Erden bekannten Medizin die Rede sein: der Arznei zur Unsterblichkeit. In der alten Kirche lehrte man es so: Jesus Christus hat für uns kranke/sündige Menschen die beste aller denkbaren Medizinen bereitet, sein Blut und sein Fleisch,auf daß wir durch sie gesunden und von der Krankheit zum ewigen Tode befreit werden! Das Sakrament des Altares ist die Medizin Gottes für uns Kranke, die Kirche die Apotheke, in der dies Heilmittel ausgeteilt wird . (Daß die Eucharistie auch das Opfer Christi ist, wird in dieser Betrachtung außer acht gelassen.) Diese Medizin, wie jede muß vorschriftsmäßig sachgemäß eingenommen werden, damit sie wirklich eine Heilung wirkt, denn unsachgemäß eingenommen, wirkt sie Unheil.

Erschüttert muß der Apostelfürst Paulus feststellen, (1.Korintherbrief 11, 17-34) daß in der korinthischen urchristlichen Gemeinde die Eucharistie nicht gemäß den Willen des Heilandes gefeiert wird. Ja, Christen starben in Folge eines unsachgemäßen Umganges mit der Eucharistie: sie starben sozusagen an Eucharistievergiftung, wie Menschen auch an einer Tablettenvergiftung sterben können. Energisch wird der Ton des Apostels. Er muß die Gemeinde zur rechten Ordnung der Eucharistie zurückrufen.

Was ist die rechte Ordnung der Eucharistie? Diese Frage muß die Kirche verbindlich beantworten, damit diese Medizin, das Altarsakrament Gemeindegliedern nicht zum Unheil gereicht. Sie sperrt die Medizin in das Tabernakel ein und teilt es nur so aus, daß es zum Heil und nicht zum Unheil wirkt. Ja, man kann sich in der Eucharistie- wird sie sakrilegisch empfangen- wahrlich in die Hölle kommunizieren. So wirksam ist die Kraft dieses Sakramentes zum Unheil, denn, recht genossen, eröffnet sie uns ja das Tor zum Himmel.

Wem darf die Kirche, um Unheil zu verhindern, dieses Heilssakrament nicht spenden? Eindeutig lehrt hier die Kirche, daß Geschieden Wiederverheiratete dies Sakrament nicht empfangen dürfen, weil sie es für sich nur zum Unheil empfangen könnten. Es wäre verrückt, einer Mutter, die ihren Kindern nicht ihre Herztabletten zum Naschen austeilen will, einen Mangel an Liebe zu ihren Kindern vorzuwerfen. Aber der Mutter Kirche werfen Gläubige landauf-landab einen Mangel an Barmherzigkeit vor, wenn sie Menschen, um sie vor einer Eucharistievergiftung zu bewahren, dies Heilssakrament nicht spenden!

Es gibt Menschen, die können die eucharistische Medizin nicht zu ihrem Heil empfangen. Empfangen sie sie, dann zu ihrem Unheil. Ohne jetzt hier die katholische Lehre des Sakramentes der Ehe entfalten zu können- aus darstellungstechnischen Gründen- eines ist eindeutig: Es gibt keine legitime Scheidung einer sakramental gültig geschlossenen Ehe. Wer sich durch ein weltliches Gericht scheiden läßt, gilt vor den Augen des Staates als geschieden. In den Augen Gottes besteht diese Ehe aber weiter als gültige. Wer nun, so weltlich geschieden, wieder heiratet, von dem gilt, daß er als Verheirateter eine zweite unerlaubte Ehe eingeht. Er lebt so im permanenten Ehebruch wider die immer noch gültige Ehe und lebt außerehrlich mit jemanden wie in einer Ehe zusammen.
Wollte man die zweite Ehe als unerlaubt aber gültig geschlossen verstehen, dann wäre dies ein Fall von praktizierter Bigamie. Daß faktisch durch die heutige Scheidungs- und Wiederver-heiratungspraxis die Polygamie in sukzessiver Form wiedereingeführt worden ist, sei nur er passent erwähnt. Menschen, die so im permanenten Ehebruch leben und keine Bereitschaft zur Beendigung dieses sündigen Lebensstiles erkennen lassen, darf die Kirche die Eucharistie nicht austeilen, weil diese Menschen sie nur für sich zum Unheile empfangen könnten.

Die Beichte als Ausweg aus diesem Problem ist diesen im permanenten Ehebruch Lebenden versperrt, weil zur gültigen Beichte unbedingt die Absicht gehört, diese Sünde fernerhin zu meiden. Wo aber ein Sünder darauf beharrt, seine Sünde, die er beichten will, weiterhin zu praktizieren, da kann er von dieser nicht losgesprochen werden.

Wie sollte die Mutter Kirche Menschen die Eucharistie austeilen wollen, die in permanenter Sünde leben und die Absicht haben, dies Sündigen fortzusetzen? Wer so dyspositioniert das Blut Christi und seinen Leib empfängt, der kann diese Medizin wahrlich nur sich zum Unheile empfangen.Aus Liebe zu diesen ihren sündigenden Kindern versperrt die Mutter Kirche so diesen den Zugang zur Eucharistie wie jede liebende Mutter ihren Kindern den Medizinschrank verschließt.

Oder wollte man ernsthaft einwenden, daß ein Leben im permanenten Ehebruch nur eine läßliche Sünde sei, die nicht einen heilsamen Empfang des Sakramentes ausschlösse? Es ist aber unvorstellbar, daß ein so rabiater Verstoß gegen die heilige Ordnung der Ehe nur eine läßliche Sünde sein sollte! Wer so fordert, aus Barmherzigkeitsgründen wiederverheirateten Geschiedenen die Kirche das Sakrament des Altares auszuteilen, der gleicht einer Mutter, die ihren Kindern den Tablettenschrank auffuttern läßt, nach dem Motto: wenn ihnen die bunten Tabletten so gut schmecken!

Oder sollten wir sagen, daß jeder selbst zu entscheiden habe, ob er dies heilige Sakrament zu empfangen habe? Man stelle sich mal vor, der Staat erklärte, daß jeder, unabhängig davon, wie viel Alkohol er genossen hat, selbst zu entscheiden hätte, ob er noch fahrtüchtig sei. Das sei ferne! Es gibt eben objektive Kriterien, ab wann jemand nicht mehr fahrfähig ist. So ist es auch mit der Eucharistie: wer in der Sünde des Ehebruches lebt, der ist objektiv nicht befähigt, dies Sakrament zum Heile zu empfangen. Das Gewissen kann sich dabei sehr wohl irren wie auch Alkoholisierte ihr Fahrvermögen völlig irreal einschätzen können. Aber um des Heiles der Menschen willen muß die Kirche bestimmten Menschen das Sakrament verweigern. „Wer also unwürdig von dem Brot ißt und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und Blut des Herrn“, schreibt auch uns der Apostelfürst Paulus.



Uwe Christian Lay

Die Wiederkehr der politischen Religion

Die Wiederkehr der politischen Religion

Denken wir Deutsche an Religion und Politik, wem stünden da nicht grausigste Bilder des 30 jährigen Krieges vor Augen, wer stimmte nicht zu, daß die Religion von der Politik zu trennen sei, damit nicht noch einmal christliche Konfessionsdifferenzen den Grund zu einem europäischen Kriege geben. In deutscher Gründlichkeit klärten wir die Religion auf und pazifizierten sie. Das Projekt der deutschen Aufklärung, d.i. die Domestikation der Religion, gerade als das Alternativkonzept zum in Frankreich präferierten Atheismus und zum englischen Deismus ,der faktisch die Religion zur bloßen Morallehre verkümmern läßt, konzipiert, erwies sich als erfolgreich- so sehr, daß uns Heutigen die Vorstellung, daß eine Religion, und gar die christliche der Grund für einen Krieg sein könnte, unvorstellbar geworden ist. So forschen dann sich kritisch wähnende Historiker nach den wahren Hintergrundmotive des 30 jährigen Religionskrieges, um so noch einmal das Vorurteil zu bestätigen, daß im Raume der Politik die Religion immer nur zur Verschleierung der wahren Interessen diene. Hatte nicht so schon Burkhardt Kaiser Konstantins Religionspolitik so erfolgreich entidealisiert, indem er sie machtpolitisch rekonstruierte? Die christliche Religion privatisierte sich und schuf so erst den Freiraum für den sich herausbildenden Nationalstaat, dem der Patriotismus und nicht mehr die Einheit der Religion das Verbindende war.

Wer das große Reformkonzil der Katholischen Kirche , das 2. Vaticanum begreifen will, muß es lesen vom Hintergrund des nach dem Sturz der deutschen, österreichischen und russischen Monarchie eingeleitetenden Ende der konstantinischen Epoche. Der Ursprung des Zerfalles war der innerchristliche europäische Religionskrieg des 17. Jahrhundertes. Die Katholische Kirche gab es auf, die politische Religion Europas sein zu wollen, sie situierte sich neu in der postmodernistisch sich figuierenden pluralistischen Gesellschaft als eine Institution in der Gesellschaft neben anderen. Die säkularisierte Gesellschaft entstand so, der die Religion eben nur eine Privatangelegenheit vereinsmäßig Organisierter ist und sein soll.

Aber unser europäisch zentristisches Weltbild, dem die sich säkularisiert habende Gesellschaft der Hochpunkt humaner Entwicklung ist, anhebend im Animismus, über einen Polytheismus und Monotheismus zu einem Zeitalter postreligiöser Metaphysik, die ihr Ende im empiristisch- technisch- naturwissenschaftlichen Zeitalter findet, stößt nun an seinen Rändern auf Widerspruch. Heilige Gotteskrieger erklären dem freien Westen den Krieg, nicht nur dem angloamerikanischen Imperialismus, neuerdings als Globalisierung verzeichnet, sondern auch den Fundamenten der westlichen Kultur, der der Trennung von Staat und Kirche und dem des Primates der Ökonomie über alle anderen Bereiche. Die Illusion des Liberalismus ist, daß wenn der freie Markt zu dem einzigen Ordnungsmodell
der Welt werden würde, es keinen Bedarf an politischer Religion mehr gäbe, weil der totale Markt hinreichend die Weltgesellschaft zusammenhalten könnte. Die Renaissance der politischen Religionen, weltweit erweist dies als eine Überforderung der Integrationsleistungsfähigkeit des totalen Marktes.

Auch der enthusiasmierteste Befürworter des Ideales der säkukarisierten Gesellschaft kann nicht umhin, zu sehen, daß sich hier der Islam als politische Religion revitalisiert, eine Vitalität ausstrahlt, dem der Europäer nur noch die Pseudoideale einer Spaßgesellschaft entgegen zu stellen weiß. War es nicht der französische Starliterat Houellebecq, der vorschlug, den Islamismus durch das Verteilen kostenloser Kondome zu bekämpfen- Sex statt Religion?

Die Wiederkehr politischer Religion in Gestalt eines sich revitalisierenden Islam, das ist schon längst kein Alptraum mehr sondern politische Realität. Und wenn der lybische Staatschef in einer Ansprache kürzlich in Italien verkündete, daß Europas Zukunft islamisch sein wird, so ist das angesichts der demographischen Fehlentwicklung und der Zuwanderung aus islamischen Ländern keineswegs weltfremder islamischer Utopismus.

Verteidigt so das postchristliche Europa, einst das christliche Abendland genannt, so die Errungenschaften einer säkularisierten pluralistisch verfaßten Gesellschaft gegen die zukünftige Tyrannei von Gottesgelehrten? Ist die Wiederkehr der politischen Religion nur ein außereuropäisches Phänomen? Was verstehen wir überhaupt unter einer politischen Religion? Unter der politischen Religion soll hier verstanden werden die Religion oder ein Surrogat der Religion, die als öffentliche für das Gesamtgesellschaftssytem wie für seine Subsysteme die Funktion der Letztbegründung erfüllt, die von allen Staatsbürgern Anerkennung verlangt, die die Norm dafür ist, welche anderen Religionen und Weltanschauungen als private zulaßbar sind im Raum der Zivilgesellschaft. Im Hintergrund soll die These gelten, daß sich selbst säkularisiert verstehende Gesellschaften nicht ohne eine öffentliche Religion auskommen, sodaß wo immer die einst traditionell vorherrschende Religion privatisiert wurde, eine Ersatzreligion die Funktion der einstigen traditionellen Religion übernimmt.

Zur Anschauung sei an Robespieres Kult der Vernunft, an den pseudoreligiösen Charakter der Stalinverehrung erinnert. So schreibt I. Deutscher in seiner Stalinbiographie über Stalin:“ Wie sehr lebte in dem harten Parteifunktionär doch noch der Ex-Kleriker fort! Er sah ein Volk, das durch die Wüste in das Gelobte Land des Sozialismus wandertre, und die Partei zog voran wie die biblische Feuersäule, die den Weg erleuchtet. Wer sollte sonst das Volk leiten können in frohen und iun traurigen Zeiten, wenn nicht die Priester und Leviten der Parteiorganisation?“1

Beachtenswert sind die Erwägungen von Friedrich Ronig, Holocaust- die neue Weltreligion?, nachzulesen bei: couleurstudent at. Daß die politische Korrektheit samt der Holocaustindustrie den Status der politischen Religion in den westlichen Ländern erstrebt, zeigt eben auch an, daß die Vorstellung einer völlig säkularisierenden Gesellschaft, die ohne Religion auskommt, eine wirklichkeitsferne llusion war. Eine neue politische Religion wird etabliert und die christlichen Kirchen haben den Primat dieser Religion anzuerkennen.
Zwei Momente sind dabei zu unterscheiden: einerseits relativieren und depotenzieren sich die christlichen Kirchen und alle anderen Reliogionsgemeinschaften unter der Maxime der Anerkennung der Relihgionsfreiheit als gleich-gültige Religionen. Andererseits bedarf die postchristliche Gesellschaft einen homogen Einheitsgrund, ein Fundament, auf dem dann jeder seine Privatreligion erbauen kann. Dieser homogene Einheitsgrund, der die Auflösung der Gesellschaft in autonome Einzelgebilde verhindern soll, ist die politische Religion. Sie bestimmt, welche Bedingungen eine Privatreligion erfüllen muß, damit sie ein legitimer Teilnehmer der pluralistischen Gesellschaft sein kann. Um diese Funktion zu erfüllen, muß die öffentliche Religion selbstredend auch ein Mindestmaß an gesellschaftlich relevanten Funktionen erfüllen.Zu beachten ist, daß das Subjekt und der Adressat dieser öffentlichen Religion nicht das Einzelindividuum ist, sondern die postmoderne Gesellschaft, insofern sie trotz ihrer Tendenz zur Fragmentiesierung und Herausbildung von relativ selbstständigen Subsystemen einen Einheitsgrund braucht,um ein Auseinanderfallen der Gesellschaft zu verhindern. Für das organisierte Christentum heißt dies: das Christentum war bis zur Auflösung des Thron-und Altarbündnisses die politische Religion Europas. Das ist sie nach dem 1.Weltkrieg nicht mehr. Auch wenn sie es gerne weiterhin wäre.

Eine neue politische Religion versuchte sich so zu etablieren, um das Machtvakuum zu füllen, das einst das Christentum einnahm. Das Besondere der Weimaraner Republik kann darin gesehen werden, daß es eine Gesellschaftsformation ohne eine politische Religion war. Stattdessen kämpften organisierte Vertreter einer möglichen politischen Religion um die Luftherrschaft über Deutschland. Deutschland war das Schlachtfeld von Weltanschauungsparteien, aus dem der Nationalsozialismus als Sieger hervorging und so die politische Religion Deutschlands bestimmte. Nach 1945 entstand so ein Machtvakuum und die pluralistische Gesellschaft suchte nach einer neuen sie zusammenhaltenden politischen Religion. Dieser Kampf um die Vorherrschaft, wer wird die neue politische Religion, ist noch nicht endgültig entschieden, aber es schält sich deutlich der Favorit, eine Melange aus Politically Correctnes und der Holocaustreligion ab. Zwischenzeitlich könnte man die Melange aus Antikommunismus und der Apotheose des american way of live in Westdeutschland als die öffentliche Religion bis 1968 verstehen. In dieser Phase wurde die Kollektivschuldlehre zurückgefahren,wurden die Deutschen doch als Frondstaat gegen die SU gebraucht! Der Antikommunismus rehabilitierte in Westdeutschland den Deutschen! Durch die 68er Kulturrevolution zerbrach dann diese öffentliche Religion: statt Antikommunismus Antifaschismus und Hinwendung zum Marxismus in den Eliten, und ein Antiamerikanismus-man denke an das berühmte Asterixplakat, millionenfach gedruck (?):
Die Amis, die spinnen!“

Die christlichen Religionen sollen nun den Primat dieser neu sich etablierenden öffentlichen Religion anerkennen. Das war der Kern der Affaire von Bischof Willamson: ob die Katholische Kirche uneingeschränkt die Holocaustreligion als die öffentliche Religion der westlichen Welt anerkennt und sie sich ihr subordiniert. Der FAZ- Cheffeuilletonist Bahners sprach am 15. Oktober des Jahres von der „Zivilreligion des Menschenrechtsuniversalismus“, dem sich auch und gerade die Katholische Kirche zu unterwerfen hätte. (Vgl: Kat net, 23.Oktober 2010) und drückt damit das aus, was in diesem Artikel unter der Wiedergeburt der politischen Theologie verstanden sein soll. Nicht mehr die Ideologie des Säkularismus bestimmt den öffentlichen Diskurs, sondern die Frage: wer wird die neue politische Religion, der sich alle anderen unterzuordnen haben!

Stehen wir so in Europa auf den Trümmern des christlichen Abendlandes, das als christliches untergegangen ist mit dem Ende der konstantinischen Epoche, erleben und erleiden die Etablierung einer neuen politischen Religion, die der politischen Korrektheit verbunden mit der Holocaustreligion ((Romig) und nicht mehr vor den Toren Wiens, sondern schon mitten unter uns der sich revitalisierende Islam, der schon von einem Europa unter der Fahne des Propheten träumt!

Das Thema der politischen Religion gewinnt so neue Lebendigkeit- die Gretchenfrage steht wieder auf der Tagesordnung: Wie hältst du es mit der Religion? Und das Verblüffende: ein neuer Konsens! Ohne politische Religion geht es nicht! Die Parole der Säkularisierung Europas, geboren aus der bitteren Erfahrung eines Jahrhundertes innerchristlicher Religionskriege erweist sich so nur als Eintagsfliege. Nicht mehr heißt die Frage, ob es einer politischen Religion bedürfe, sondern wer diese Stellung in Europa einnehmen wird: das Christentum, die Holocaustreligion oder der Islam. Und angesichts der Islamschwelgerei des deutschen Ex-Bundespräsidenten Wulff- er war es, der als erster Ministerpräsident eine Türkin islamischen Glaubens zur Ministerin kürte und die, noch nicht im Amte, als erstes die Abschaffung aller Kreuze aus allen öffentlichen Gebäuden forderte- muß man die Option des Islam wohl ernster nehmen als es manchem Westeuropäer lieb ist, besonders wenn die demographische Fehlentwicklung in Europa mitberücksichtigt wird. Die christlichen Kirchen reagieren ja ob des Erstarkens des Islam und angesichts der eigenen Schwäche mit einer klassischen Appeasementpolitik.Nüchtern gesagt: da das organisierte Christentum in Europa sich nicht mehr zutraut, die öffentliche Religion Europas zu sein, will sie auch alle anderen von dem Vorzug, nur noch eine Privatreligion zu sein, eine Stimme im Meinungsbrei des Pluralismus. Aber um legitimer Teilnehmer am Markt der Möglichkeiten zu sein, muß das organisierte Christentum die Vorgaben und den Primat der öffentlichen Religion anerkennen.

Uwe Christian Lay

1Deutscher, I., Stalin, 1.Auflage 1990, S.102.