Dienstag, 30. September 2014

Der Feind-der Modernismus

Der Modernismus- ein vergessener Feind?

Mit dem Ausruf: „Feinde, es giebt keine Feinde! ruf ich, der lebende Thor.“, konterkariert Nietzsche den bekannten Ausspruch: „Freude, es giebt keine Freunde, so rief der sterbende Weise.“1 Könnten wir Christen nicht optimistisch gestimmt das Gebot des Heilandes: „Liebet eure Feinde!“so verstehen, daß ob der Objektivität der geschehenen Erlösung im Kreuze Christi es keine Feinde mehr gibt und daß so es des Christenpflicht wäre, im Feinde den schon auch mit mir Versöhnten zu erkennen und ihn so zu lieben? Modern pädagogisch ausgedrückt, also rauseauisch an das Gute in jedem Mitmenschen glauben, hieße dies,mein Feindbild aufzulösen, den Anderen wirklich wahrzunehmen, wie er ist, also auch in ihm den von Gott Geliebten zu sehen.

Aber eines irritiert dann: Nirgends in der Hl. Schrift wird von einer Liebe zu dem Feind schlechthin gesprochen, dem Satan, und den Daimonen. Und Jesus Christus ist nicht für die Sünden der gefallenen Engel am Kreuze gestorben, sondern ausschließlich für die der Menschen.

Was meinte Jesus, wenn er von der Feindesliebe sprach? Wohl nicht von dem Feinde schlechthin, sondern? C. Schmitt und W.Stapel verweisen hier exegetisch fundiert auf ein Problem der deutschen Übersetzung hin: während das Griechische wie das Lateinische zwischen dem privaten und dem öffentlichen Feind begrifflich unterscheiden, verfügt unsere deutsche Sprache dafür nur einen Begriff: den des Feindes.2 Aber Jesu Sprache ist hier klar: nicht ist der öffentliche, sondern der private Feind gemeint. Für die Privatbeziehungen gilt, daß wir hier unsere Feinde zu lieben haben, nicht aber den öffentlichen Feind. Das ist bei Schmitt und Stapel der, der das Existenzrecht eines Anderen bestreitet und ihn vernichten will. Das ist für den Staat der Staatsfeind, der innere wie der feindliche Fremdstaat und für die Kirche der Antichrist.

Ja, modernistisch gesonnene Katholiken feiern nun schon lange den Abschied vom Teufel, vom Daimonenglauben und können so einstimmen in den Ruf des Thoren: es gibt keinen Feind mehr! Die Welt ist nun ein unüberschaubar großes Reservoir von Meinungen und Ansichten, von Weltanschauungen und Religionen, die alle irgendwie nicht nur interessant sind als authentische Ausdrücke der Möglichkeiten des Sichverstehens des Menschen in der Welt, sondern alle auch bereichernd sein könnten für das eigene katholische Selbstverständnis, öffnete man sich ihnen nur im Dialog. Statt Mission offen sein für den inneren Reichtum der Anderen und der Dialog erschließt uns dann diesen Weltreichtum, das sind dann die Maximen dieses Optimismus, dem jeder Feind abhanden gekommen ist. Und innerchristlich gibt es nur noch Differenzen in Lehrfragen der Dogmatik und Moral, die aber alle angesichts des einen Glaubens an Jesus, Differenzen unter Glaubensgeschwistern sind, die im Geiste der Liebe auszutragen sind. Hier sei der Begriff des Feindes völlig deplaciert.

Aber, wenn der Thor in seinem Herzen spricht, es gibt keinen Gott, so irrt er. Er irrt auch, spricht er: es gibt keinen Feind mehr! Wer kann sich noch der massenmedialen Begeisterung beim Amtsantritt Papst Benedikt XVI. erinnern? Das Hosiannarufen hielt nicht lange vor, das: Kreuzigt ihn, kreuzigt ihn! ist nun zur Tagesparole geworden. Es sei an die Hetzkampagne wider den Papst anläßlich der Rücknahme der Exkommunikation der vier Piusbischöfe erinnert, an die darauf folgende Verteufelungskampagne wider das katholische Priestertum: jeder Priester ein potentieller Sexualverbrecher. Die Kirche, einst im Schutze des Thron- und Altarbündnisses segelnd, jetzt ungeschützt im Zielfernrohr der Feinde-Feuer frei heißt da die Tageskampfparole.

Hostis, lateinisch: der Fremde, der Feind. Fremd gleich Feind, das ist eine urmenschliche Grundhaltung, im Fremden gerade den potentiellen Feind zu sehen. Wenn Paulus den Tod als den letzten Feind bezeichnet, der zu vernichten sei, dann schließt er sich dieser menschlichen Grundhaltung an: der Tod als das absolut Fremde für den lebendigen Menschen ist ihm gerade deshalb auch der Feind! Hier wird der Tod als Feind nach außen projiziert, als externe tötende Kraft imaginiert.

Aber, wo begegnet Jesus Christus der Feind? In der Wüste, im Apostel Petrus und im Apostel Judas-also an einem religiös qualifizierten Ort, die Wüste als Ort der Gotteserfahrung und des Ortes der Gemeinschaft Gottes mit seinem Volke in der Wüstenwanderung und in zwei von ihm selbst erwählten Aposteln, dem Apostelfürsten Petrus, durch den ihn der Teufel vom Kreuzesweg abhalten will und in dem Verräter Judas, der ihn ausliefern wird zur Kreuzigung. Und der Leser möge diesen Verstoß wider die politische Korrektheit verzeihen: im jüdischen Gottesvolk, von den der Heiland sagt, es habe den Satan zum Vater, denn es wirke die Werke seines wahren Vaters.

Der Feind, hier kommt er nicht von außen, sondern mitten in der Kirche oder im Gottesvolk erhebt er sich wider Gott! Und es war Papst Paul VI. der mitten in der Kirche den Rauch Satans aufsteigen sah.Und der 1.Johannesbrief warnt vor den Irrlehrern, die aus der Kirche hervorgehen, um sie zu vernichten. (1.Joh 2,19)

Offenkundig steht hier die Kirche vor einem großen Problem. Selbstredend kennt das Urchristentum die urmenschliche Tradition der Ineinssetzung von dem Fremden und dem Feind. Sie kannte und erlitt diese Tradition: weil die Kirche nicht aus dieser Welt ist, wie auch Christus nicht aus dieser Welt ist, so haßt die Welt, wie sie Christus haßte, auch seinen Leib, die Kirche. Die Feindschaft der Welt gegen die Kirche ist so eine prinzipielle, weil die Kirche das Nichtweltliche ist. Die große Hoffnung der Möglichkeit der Christianisierung der Welt, der geistige Gehalt der konstantinischen Epoche, von Kaiser Konstantin bis Kaiser Wilhelm II während, verdeckte diese bittere Wahrheit. Jetzt, wo diese Epoche in der Postmoderne endgültig untergegangen ist, (die Ägide der Nationalstaaten mit dem Primat des Staates und dem Christentum als der politischen Religion des Nationalstaates kann als Verfallsstufe des Thron-und Altarbündnisses angesehen werden), steht die Kirche, wie einst im Urchristentum wider einer zusehens feindlich sich gebenden Umwelt gegenüber.

Aber das Eigentümliche: die Kirche steht nicht mehr geeint im Kampfe wider den Feind – sondern der Feind im Inneren der Kirche führt jetzt das Schwert wider den Leib Christi und nutzt dazu die Massenmedien, die diese Attacken willigst unterstützen.

Die Geschichte der modernistischen Bewegung muß neu geschrieben werden. Es ist nicht eine harmlose Reformbewegung, die für ein zeitgenössisches Christentum plädierte und die dann von reformunwilligen konservativen Päpsten perhorresziert und vernichtet worden ist. Sie endete nicht mit der Verurteillung durch das päpstliche Lehramt- sondern subkutan wirkte diese häretische Bewegung wie ein Sauerteig weiter und triumphiert heute.Und dieser Sieg zerstört nun die Substanz der Kirche. Es sei an den Höhepunkt der antikatholischen innerkirchlichen Feindschaft erinnert, als die gesamte (fast die gesamte) die deutsche Theologenzunft geschlossen wie ein Mann aufstand gegen den heiligen Vater, um seine Entscheidung der Rücknahme der Exkommunikationen der Piusbischöfe zu verteufeln. Das ist aber nur die Spitze des Eisberges einer Universitätstheologie, in der jeder lehrt, wie es ihm gefällt: nur rein zufällig ab und zu etwas der Lehre der Kirche Gemäßes!

Wie konnte der Modernismus nach seiner Verurteilung so viel Kraft entwickeln, daß er heuer zu der Grundhaltung universitärer Theologie werden konnte? Und warum tarnt sich das Kirchenvernichtungsprogramm des Modernismus als Reformprogramm der Kirche, als ginge es nur darum, die allzeits wahre Lehre der Kirche nur in eine zeitgemäße Sprache zu übersetzen, damit sie so die heutigen Menschen besser erreiche?

Eines ist hier entscheidend: den Feind von Irrenden zu unterscheiden. Die Weltanschauung des Modernismus ist kirchenzerstörrerisch, nicht ist aber jeder Anhänger ein Feind der Kirche, auch wenn er objektiv durch solches Dozieren hilft, die Kirche zu zerstören.

Der Verfasser sieht sich außer Stande, diese Fragen befriedigend respondieren zu können. Deshalb können hier nur erste Vorerwägungen präsentiert werden. Die Präsumption modernistischen Denkens ist die, daß der Faktor Zeit der wesentliche Indikator alles Kulturellen ist. Alle kulturellen Hervorbringungen haben ihren Sitz in ihrer Zeit und müssen, um dem Jetztmenschen zugänglich zu sein, in die Zeitsprache des Jetztmenschen übersetzt werden. Es wird dabei distinguiert zwischen dem eigentlich mit einer Aussage Gemeintem und dem Ausdruck, dem eine bestimmte Zeit diesem Eigentlichen gegeben hat. Es muß der Sinn einer Aussage so hinter der zeitgeschichtlich bedingten Aussageform eruiert und dann in eine zeitgemäße Form wieder ausgedrückt werden.Mit dieser einfachen Operation des eines Unterschiedsetzens von dem Eigentlichen und seiner zeitbedingten Aussageform konnte und kann der Modernismus unter der Tarnkappe der Hinwendung zum Zeitgenossen, damit der die Kirche verstehen könne, alle dogmatisch verbindlichen Aussagen auflösen, indem nun sie als nur zeitbedingte Aussageform entwertet wird. Das dahinter stehende Eigentliche, exemplarisch sei dafür an die historisch-kritische Leben Jesu-Forschung erinnert, ist dann faktisch eine weiße Projektionsfläche, in der alles und jedes – ganz nach persönlicher Vorliebe des Modernisieres- hineinprojiziert werden kann. Dabei wird die offenbarte Wahrheit der christlichen Religion so sehr in ihre zeitgeschichtliche Bedingtheit und Kontextualität hineingezogen, daß faktisch im zeitgeschichtlich Bedingten Gottes Offenbarsein zum Verschwinden gebracht wird. Nach seinem Sichoffenbarhaben wird Gott nachträglich wieder zum Geheimnis , so daß schlußendlich niemand mehr verbindliche Aussagen über Gott tätigen kann. Das heißt umgekehrt: alle religiösen Aussagen sind ob ihrer Zeitbedingtheit gleich wahr und gleich unwahr zu gleich. Daß in allen liberalen Theologiekonzeptionen eine unaufhebbare Aporie waltet,die zwischen der These der Unerkennbarkeit Gottes, sodaß keine Theologie sich als die wahre behaupten darf und somit auch keine Religion oder Kirche zu der These,daß des Gott gleichgültig sei, weil er die bedingungslose Liebe sei, was Menschen von ihm denken, ist unverkennbar. Diese Aporie resultiert aber notwendig aus der Apotheose des Dialogisierens als der höchsten Tugend religiöser Existenz: a) aus dem Verzicht, im Dialog zwischen wahr und unwahr unterscheiden zu wollen und b) dem Anliegen, damit der Dialog sinnvoll sei kann, jeder Meinungsäußerung prinzipiell einen Wahrheitsgehalt zuzusprechen.

Dieses Konzept findet gerade in der anbrechenden Ägide der Postmoderne ihre Anhänger, weil es ganz dem Geiste der Postmoderne gemäß jede erkannte Wahrheit als Bedrohung der Freiheit ansieht und jeden Totalitarismus zurückführt auf das Urteil, daß bestimmte Menschen im Besitz der Wahrheit sich wissend, den Andersdenkenden so diskriminieren, ja letztlich als letzten Feind vernichten wollen. Ein wesentliches Moment der Postmoderne, ihre Perhorreszierung der Vorstellung des Offenbarseins von Wahrheit und des Erkanntseins von Wahrheit ergibt sich meines Erachtens aus einer problematischen Verarbeitung der Erfahrung der zwei großen totalitären Systeme des 20.Jahrhundertes, des Kommunismus und des Nationalsozialismus. Jede Religion, die Gott als offenbar in ihr begreift, gerät so unter den Totalitarismusverdacht und wird als fundamentalistisch diffamiert. Eine erkannte und offenbare Wahrheit wäre so der Tod der Freiheit. Statt einer offenbarten Wahrheit sollen nun regional begrenzte Regeln des Dialogiseierens treten:Regeln, die jeder Kommunikationspartner einzuhalten hat, egal was er kommunizieren will, damit er partizipieren kann am öffentlichen Diskurs.
Die Reflexion auf die Zeitbedingtheit jeder theologischen Aussage ermöglicht es gerade so, die Theologie wieder in dieses postmoderne Konzept des Diskurses einzubringen auf Kosten ihres Wahrheitsgehaltes. Wahrheit ist nur noch das eigentlich in jeder zeitbedingten Aussage Gemeinte aber immer Geheinmnis Bleibende.

Der Hauptangriff wendet sich so nicht primär gegen den heutigen Zeitgenossen besonders anstößige Aussagen etwa der Morallehre, die katholische Sexualethik etwa sondern gegen das Zentrum der Kirche, des Glaubens an das Offenbarsein Gottes in seiner Kirche. Die Offenbarung Gottes in Jesus Christus und die „Antwort“ der Kirche auf sein Sichoffenbaren werden dabei soweit auseinandergerissen, diastatisch getrennt, daß die Antwort der Kirche, ihre einst als verbindlich anerkannte Lehre zur zeitgeistgeschichtlich bedingten Antwortversuch degradiert wird, dem der letztlich unerkennbare Gott gegenüber gestellt wird.

Der Modernismus- ein Feind der Kirche. Es muß unterschieden werden zwischen der besonderen Erscheinungsform dieser antikatholischen Ausrichtung, wie sie die Kirche verurteilt hat und seinem Wesen, das sich auch in neuen Kleidern anders präsentieren kann. Der Kern des Modernismus soll so verstanden werden in dem Willen, die Kirche der Zeit einzupassen: die Zeit, der Zeitgeist ist hier das Normative, die Kirche hat sich dem anzupassen. Im Hintergrund verbirgt sich ein naiveer Fortschrittsglaube, dem Entwicklung in der Zeit per se ein Progressieren ist. Progressiv ist, wer mit der Weiterentwicklung mithält, reaktionär, wer festhält an dem, was gestern wohl noch wahr war, heuer aber längst überholt ist.

Wenn Jesus Christus der Welt den Untergang verkündigte um des Reich Gottes willen, so verkündet der Modernismus der Kirche ihren Untergang, wenn sie nicht Schritt hält mit der progressiven Entwicklung der Welt. „Das ist nicht mehr zeitgemäß!“ ist so die Kampfparole des Modernismus. Und diese Parole ist so erfolgreich, weil sie sich ganz unmittelbar an der Evidenz des Progresses im naturwissenschaftlich-technischen Bereich anschließt Wer könnte bestreiten, daß hier technische Produkt selbst der Spitzentechnologie in kurzer Zeit veralten und ins Technikmuseum eingemottet werden. Aus dieser Sicht ist Tradition, die traditionelle Lehre der Kirche immer nur das schon längst Veraltete.

So vermengeln sich im heutigen Modernismus typisch aufklärerisch-moderne Intentionen, der Glaube an den Fortschritt mit spezifisch postmodernen Thesen, der des freiheitsgefährdenden Charakters von offenbarten und erkannten Wahrheiten und geben dem jetzigen Modernismus so seine, schwer auf den Begriff zu bringende eigentümliche Erscheinungsweise.

Aber, retour zur Ausgangsfrage der Feindesliebe. Christliche Feindesliebe kann nicht darin bestehen, dem Christentum gegenüber Feindliches zu lieben. Der öffentliche Feind der Kirche ist nicht der Adressat unserer Feindesliebe. Unter öffentlich ist hier im Sinne C. Schmitts politischer Theologie nicht einfach der sich öffentlich als Feind Bekennende gemeint sondern es sind damit nicht-private Feindschaftsverhältnisse gemeint. Öffentlich meint hier. Der Feind um einer Sache willen- der, der die Wahrheit der Kirche zerstören will, um sie in eine von er Welt geschätzten und geliebten Organisation zu verwandeln. Um des Beifalles der Menschen willen soll die Kirche aufhören, Kirche des Herren zu sein, um ganz nur noch für die Welt und ihren Wünschen und Begierden zu sein.

Viel Feind, viel Ehr. Sollten hier die Bataillone der Feinde der Kirche aufgezählt werden, der Essay fänd kein Ende . Auf eines dürfen wir dabei aber vertrauen: daß die göttliche Vorsehung der Kirche diese Feinde in den Weg stellt, damit sie im Kampfe wider sie als ecclesia militans wächst und reift. Die Zeiten des Lebens im Schutze des Thron-und Altarbundes sind vorbei- die Kirche muß wider sich rückbesinnen darauf, ecclesia militans zu sein. Dazu gehört die große Kunst, Feinde der Kirche, gerade die inneren von denen zu unterscheiden, die Reformen ersehnen um des Auftrages der Kirche willen. Es gibt keine Feinde mehr!, ist so eine der verhängnisvollsten Illusionen der Kirche. Der Modernismus ist dabei sicher gerade heute wieder der innere Hauptfeind der Kirche!

1Zitiert nach: Derrida, Jaques, Politik der Freundschaft, 2002, S.54.

2Vgl: Schmitt, C., Der Begriff des Politischen, 6.Auflage 1963, S.28-30 und Stapel, W., Der christliche Staatsmann 1932, S.40-42.   

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