Dienstag, 28. Oktober 2014

Ein erfolgreicher Angriff auf das Christentum, oder die Vernebelung von Avalon!

Feuer frei- auf das Christentum-
oder eine neue Kirchenlehrerin?

Marion Zimmer Bradley erzählt in einem großen Epos, „Die Nebel von Avalon“ von der guten alten Zeit, der untergegangenen, als das Christentum kam und alles zerstörte. Im Gewand einer Nacherzählung der König Artus Sage malt die wirklich schriftstellerisch talentierte Autorin ein lebendiges Heidentum uns vor Augen, das seinem Feind, dem Christentum erlag. Der Kontrast: heidnisch-christlich bildet so den Hintergrund der großen Erzählung mit ihren Helden und ihren tragischen Schicksalen. Hier soll jetzt nur der Hintergrund interessieren. Denn in diesem Hintergrund eingeschrieben ist auch eine „Reformagenda“ für das jetzige Christentum: was müßte sich ändern, damit die christliche Religion wieder für uns heutige Menschen akzeptabel wird? In eigentümlicher Weise werden dabei die Normen postmodernen Denkens in die „vorchristliche“ Religion projiziert mit dem Anspruch, daß eine Rückbesinnung auf dies Gute das beste Therapeuticum für das Jetzt ist.

Ganz im Geiste der Postmoderne ertönt es gleich im Prolog: „Denn das wissen die Priester [die christlichen]mit ihrem Einen Gott und der Einen Wahrheit nicht: Die eine wahre Geschichte gibt es nie und nimmer. Die Wahrheit hat viele Gesichter, und die Wahrheit ist wie der alte Weg nach Avalon: Es hängt von deinem Willen und deinen Gedanken ab, wohin der Weg dich führt. Es hängt von dir ab,ob du am Ende die Heilige Insel der Ewigkeit errreichst, [Avalon als Ort gelebten Heidentums] oder ob du bei den Mönchen [den christlichen] mit ihren Glocken, ihrem Tod, ihrem Teufel, ihrer Hölle und ihrer Verdamnis ankommst...“1 Christentum heißt erstmal, daß es nur die eine Wahrheit gibt und daß der, der sich ihr nicht unterwirft mit dem Teufel, der Hölle und der Verdamnis zu rechnen hat. Den christlichen Priestern zur Seite gestellt sind ihre „Sklavinnen“2 die Nonnen, denen dann die guten heidnischen Priesterin gegenübergestellt werden.

Das Christentum: „aber die Anhänger Christi haben sich nicht dafür entschieden zu sagen, daß sie keine anderen Götter neben ihrem Gott haben, sondern daß es außer ihrem Gott keinen anderen Gott gibt .“3Das Christentum ist so die Religion der Intoleranz, weil sie die subkjektive Entscheidung, daß es für den Christen nur den einen Gott geben soll, in eine objektive Wahrheit veändern, als gäbe es nur den einen Gott! Dieser Ein-Gott-Glaube ist dann auch selbstverständlich zutiefst frauenfeindlich, denn der „Eine- Gott“ schließe die Geschlechtspolarität aus, daß es einen Gott und eine Göttin gebe. „Kein Gott kann allein über alle Dinge herrschen...und die Göttin, die Mutter...?“4Der Ausgrenzung der Göttin folge dann die Verteufelung der Frau: „Sie glauben, […]
daß es keine Göttin gibt. Denn das Wesen der Frau, so behaupten sie, sei das Wesen alles Bösen. Durch die Frau, so behaupten sie, kam das Böse in die Welt, und sie beweisen das mit der unwahrscheinlichen Geschichte von einem Apfel und einer Schlange.“5

Der eine Gott ist so per se der Gott der Intoleranz. Ganz anders die Heiden: „denn in unserer Zeit [der heidnischen] gab es Anhänger anderer Götter, und sie achteten die Götter anderer.“6 „Unsere Welt [die heidnische], in der die Göttin und der Gehörnte, ihr Gefährte , herrschen, die Welt, die du kennst., die Welt vieler Wahrheiten [...]“7, das ist das Positive, in der die Göttin und der Satan , das ist der Gehörnte regieren. Dem wird die negative christliche Welt entgegengestellt, die der einen Wahrheit, in der gilt: Gott oder Satan.
Der christliche Gott „hat allen anderen Göttern den Krieg erklärt und jeden erschlagen, der ihn nicht verehren will [...]wir können nur beten, daß uns diese tödliche Liebe deines Gottes [der christliche]erspart bleibe.“8 Ja, der Gott der Christen wird dann stereotyp beschrieben als: „ Ja; ihr Gott schien ein Gott der Angst und der Strafen zu sein.“9 In der Totenmesse hört man: „wie der Priester düster vom Jüngsten Tag, von Gottes Gericht und seinem Zorn sang, wenn die Seele vielleicht der ewigen Verdammnis überantwortet wurde.“10 Die Christen wissen eben nicht, „daß der Tod nichts anderes war als die Pforte zu einer neuen Geburt. Deshalb konnte sie ihren Gemahl nicht verstehen. Wieso hat ein Christ solche Angst und zittert vor seinem ewigen Frieden? Sie erinnerte sich an einige der düsteren Psalmen, die der Vater Columba gesungen hatte. Ja, ihr Gott schien ein Gott der Angst und der Strafe zu sein.“11So wunderen wir uns nicht zu lesen: „ ...manchmal ist mir dieser Gott unerträglich und ich wünschte, ich könnte ohne die Androhung der Verdammnis den weisen Druiden glauben; sie sprechen nicht vom Gericht, sondern nur von dem, was der Mensch sich im Laufe seines Lebens selbst aufbürdet.“12 Interessant ist, wie gerade hier das postmoderne Ideal der unbegrenzten Pluralitätsbejahung in das gelebte Heidentum zuückprojiziert wird, um es dem jetzigen Leser als Zukunftsverheißung, so sollte es wieder sein, anzubieten.

Eines fällt sofort auf: das, was uns hier als das Bild des Christentums und der Kirche vor Augen gemalt wird, gleicht erstaunlich dem Zerrbild, das Modernisten von der vorkonzilisaren Kirche sich ausmalen. Ja, man könnte jetzt beruhigt urteilen,daß die Kirche seit dem Konzil doch schon die meisten der hier von Zimmer Bradley beklagten Mißstände beseitigt habe. Aber genau das müßte uns auch beunruhigen. Ist es denn legitim, all diese unerfreulichen Wahrheiten abzuschaffen, nur weil sie uns nicht gefallen. Daß von dem göttlichen Gericht, der Strafe nichts mehr gesagt wird, nicht etwa weil es unwahr wäre, sondern weil es die Menschen nicht mehr hören wollen, ist das Problematische dieser Reform des Christentumes. Diese Umformung verdankt sich ja nicht einem theologischen Erkenntniszugewinn oder einer vertieften theologischen Erkenntnis sondern einzig dem Wunsche, den Publikumsgeschmack zu treffen.

Und das besonders Problematische: wer sagt uns denn, daß es wahr ist, daß „alle Götter ein Gott sind“ wie es gleich im Prolog heißt?13 Aber wir können es nicht übersehen, daß das Friedensgebet zu Assisi dieser Vorstellung schon sehr nahe kam.

Eigentümlich ist dabei, daß einerseits von einer Pluralität von Wahrheiten ausgegangen wird und das andererseits gerade die Wahrheit des Christentums verneint wird. Die Wahrheiten der christlichen Religion gehören nicht zum legitimen Pluralismus.Es gibt kein göttliches Gericht, keine Verdammnis, keine Unterscheidung von dem wahren Gott und den Götzen.Wie kann eine so pluralistisch sich gebende „Religionsphilosophie“ so ausschließlich ihre Wahrheiten als Wahrheiten deklarieren?

Was ist denn nun die implizite Reformagenda dieses Schreckensbildes des Christentumes? Es soll all das abschaffen, was stört! Aus dem einen Gott soll ein Gott werden, dem es gleichgültig ist,unter welchem Namen wir ihn anrufen. Alle Religionen sind so wahr, wenn sie ihre eigene Relativität einsehen . Aber sie sind es nur, wenn sie sich selbst relativieren gegenüber der einen absoluten Wahrheit, daß alle Götter eins sind. Gott unterscheidet so nicht als der Eine, der hinter allen Göttern ist und so richtet er auch nicht und verurteilt niemanden. Hinter der „idyllischen“ Vorstellung, daß die Göttin mit dem Gehörnten, mit Luzifer zusammen die Welt bestimme,14 zeigt sich geradezu eine postmodernistische Lust am Auflösen aller Polaritäten: es soll nicht mehr zwischen wahr und unwahr,gut und böse, schön und häßlich unterschieden werden, oder wenn, dann immer nur als die zwei Seiten des Einen, die zusammen nur das Leben ausmachen.
Die christliche Moral, wie jede, lebt von der Unterscheidung: es wird Gott von den Götzen unterschieden, das Wahre vom Unwahren usw. Alles Unterscheiden hat seinen Urgrund dabei in der ersten Unterscheidung, der von Gott und Nichtgott.Wird diese Unterscheidung außer Kraft gesetzt, fallen auch alle anderen Unterscheidungen. Dann können plötzlich Homosexuelle eine Ehe führen, dann soll es nicht mehr Mann und Frau geben, sondern nur noch Menschen, dann darf es keine Natur des Menschen mehr geben, von der man den sich von ihr entfremdenden Menschen unterscheiden könnte. Alles löst sich auf im Jahrmarkt der unbegrenzten Möglichkeiten: wir sind beim heutigen Kirchentagschristentum angekommen.

Könnte es so gesehen so sein, daß das Reformprogramm dieser Autorin schon längst in der Kirche angekommen ist? Daß wir also in diesem Zerrbild der Kirche nur das vor Augen geführt bekommen, was einst die traditionelle Kirche auszeichnete, bevor sie sich postmodernistisch umformte? Selbstredend ist der Protestantismus dem etwas „unbeweglicheren“ Katholizismus weit voraus-aber die Reformkräfte zumindestens im deutschsprachigen Raum drängen kräftig darauf, nachzuholen. Und ein paar Siege sind unverkennbar: Von Gericht, Hölle und Verdamnis spricht in der Kirche heute niemand mehr-und daß die christliche Religion die einzig wahre ist,sagt auch fast niemand mehr.

Ist so gesehen Zimmer Bradley nicht viel mehr die Kirchenlehrerin unserer Zeit als so manch heilig gesprochenem. Nur darf selbstredend der größte Kirchenlehrer der Gegenwart, Willy Millowitsch nicht übersehen werden: „Wir sind alle kleine Sünderlein- und kommen alle in den Himmel. Aber diesem sicher subordiniert müssen wir wohl diese Autorin auch als faktische Lehrerin der Kirche anerkennen. Sie zeichnet uns ein Bild des gelebten Heidentumes ganz im feministisch-postmodernistischen Geiste, nicht in der Intention, daß sie nun auf eine Renaisance des Heidentumes hofft, wohl aber in der Erwartung, daß das so kritisierte Christentum einsieht, sich den Anliegen der Postmoderne annehmen zu müssen, um auch zukünftig noch akzeptiert zu werden. Es soll von dem idealisierten Heidentum in seinem Polytheismus lernen, um lebensfähig in der Postmoderne zu sein. Das ist ein Programm, das gerade unter der Flagge des „interreligiösen Dialoges“mehr Anhänger hat, als es der Wahrheit des Glaubens gut tut. Erfolgreich ist dies Konzept aber gerade auch deshalb, weil es gelingt, die Tradition der Kirche so verzerrt darzustellen, wie es gerade diese Schriftstellerin erfolgreich praktiziert, daß jeder Leser spontan urteilt: das kann und darf so nicht wahr sein. Wie es wirklich war, das muß diesen Zerrbildern entgegen ´gestellt werden, um der Wahrheit der Kirche willen.
1Marion Zimmer Bradley, Die Nebel von Avalon, 821- 890 Tausend Ausgabe, November 1993, S.9.
2Avalon S.8.
3Avalon S. 24.
4Avalon S.24.
5Avalon S.24.
6Avalon S.24.
7Avalon S.26.
8Avalon S.35.
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9Avalon S. 64.
10Avalon S.65.
11Avalon, S.64.
12Avalon S. 67.
13Vgl: Avalon,S.9.

14Vgl: Avalon S.26.

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