Samstag, 15. November 2014

Eine kleine Provokation zur "künstlichen Befruchtung"

Künstliche Befruchtung oder die Verteufelung des Künstlichen
Auch ein Beitrag zur Technikpobie

Nicht in medias res

Ein schwer Erkrankter im Spital. Auf natürliche Weise kann er keine Nahrung mehr zu sich nehmen. Damit er nicht stirbt, wird er künstlich ernährt. Eine fast alltägliche Praxis in den Krankenhäusern der Welt. Wie nun aber, es stünde ein gläubiger Christ auf und erklärte, angesichts eines Patienten, künstlich ernährt und beatmet werdend, angeschlossen an einen ganzen Maschinenpark: „Das widerspricht der Würde des Menschen! Gott habe ihn geschaffen, daß er natürlich atme und sich natürlich ernähre. Hier aber erhalten nur noch künstliche Maschinen diesen armen Menschen. Das ist widernatürlich, weil künstlich. Deshalb: diese Technikapparate müssen alle abgeschaltet werden, auch wenn dann der Schwererkrankte stirbt. Lieber natürlich sterben als künstlich am Leben erhalten zu bleiben.“ Gottes Wille sei das natürliche Leben, der Mensch dürfe es deshalb nicht verkünsteln!

Leben ist seit dem Sündenfall-nicht von Natur aus- immer ein vom Tode gefährdetes Leben. Es muß atmen und Nahrung aufnehmen, sonst stirbt es, und es muß sich fortpflanzen, sonst stirbt es aus. Die Natur des Menschen ist es nun, das nennen wir Zivilisation oder auch Kultur, das Natürliche zu „humanisieren“. Der Sportler, gerade der Spitzensportler lernt auch „richtig“ zu atmen, um gute Leistungen erbringen zu können. Wir haben eine große Kultur der Nahrungszubereitung entwickelt und eine des Wie der Nahrungsaufnahme, basierend auf dem zivilisatorischen Fortschritt der Optimierung der Naturbeherrschung, z.B. der Domestikation des Feuers, sodaß wir nun kochen können, anstatt daß Alles roh gegessen werden muß mangels von Feuer.
So entspricht es dieser Tendenz der Menschheitsentwicklung, Natürliches zu kultivieren, daß auch die andere Seite des Lebensnotwendigen „kultiviert“ wird. Ganz banal: durch die Medizintechnik gelang es, die Rate der Totgeburten und der im Kindbett schon sterbenden Kinder zu senken.
Einem besonderen Problem des medizintechnischen Fortschrittes soll nun in den Mittelpunkt gerückt werden! Es gibt Frauen, bzw Ehepaare, die keine Kinder bekommen können oder nicht mehr bekommen können. Weil sie es auf natürliche Weise nicht (mehr) können, bietet nun die Medizin verschiedene Möglichkeiten an, „künstlich“ Kinder zu bekommen. Geht man unbedarft -ohne vorher in theologische Fachliteratur oder in den jetzt gültigen Katechismus nachzulesen- an dies Problem heran, gibt es eigentlich keines.Wenn der Mensch, das, was er will, wenn es ein moralisch erlaubtes Ziel ist, „natürlich“ nicht erreichen kann, dann erreicht er es eben „künstlich“. Wer nicht mehr mit seinen Augen gut sehen kann, nimmt eine Brille oder Kontaktlinsen, und wer keine Zähne zum Beißen und Kauen mehr hat, der nimmt als Surrogat ein Gebiß. Das Technisch-Künstliche ersetzt hier das Natürliche. Auch fromme Christen fordern nicht dazu auf, die Sehschwäche oder den Verlust der Zähne als gottgewolltes Schicksal hinzunehmen und so auf künstliche Hilfen zu verzichten. Man möge sich diesen Satz mal aus dem Munde eines Katholischen Priesters vorstellen: es gäbe wichtigeres als gut sehen und mit Zähnen beißen und kauen können. Man dürfe nicht zu künstlichen Hilfsmitteln greifen, um wieder sehen und beißen zu können. Denn das widerspräche der Würde des Menschen! Es gäbe kein Recht auf Sehen und Beißen. Deshalb müsse der Mensch solche Schwächen geduldig ertragen, ohne wider Gott zu murren! So redet doch kein Katholischer Pfarrer? Aber so urteilt Papst Johannes Paul II., nur nicht in der Materie der Sehschwäche oder des Verlustes der Zähne, sondern auf die Frage, ob, wenn auf natürliche Weise keine Schwangerschaft möglich ist, ob dann sie künstlich gewirkt werden darf! (Nebenbemerkung: dürfen wir darauf vertrauen, daß dieser Papst nur einmal einen öffentlichen Fehltritt tat, als er den Koran küßte, in dessen Namen heuer so viele Christen um ihres Glaubens willen, nicht „getötet“, sondern wahrlich abgeschlachtet werden?)
Eine eigentümliche Antithetik von „natürlich“ und „künstlich“ belebt geradezu das Denken dieses Papstes. Schon der Titel: „Eingriffe in die menschliche Fortpflanzung“ in der Instruktion der Glaubenskongregation, Leben und Fortpflanzung, ist davon gekennzeichnet. Das Problem muß wie folgt differenziert werden:

der Fall, daß ein verheiratetes Paar auf natürliche Weise kein Kind bekommen kann, aber auf natürliche,

der Fall, daß das verheiratete Paar auch auf künstliche Weise kein Kind bekommen kann, so daß anstelle der Ehefrau oder des Ehemannes eine „Ersatzperson“ eintritt, die durch eine Ei-oder Samenspende dann erst eine künstliche Fortpflanzung ermöglicht,

und die Fälle, in denen ein unverheiratetes Paar oder eine Frau allein auf natürliche Weise keinen Nachwuchs bekommen kann.

Die Katholische Ehelehre besagt, daß nur in der Ehe Fortpflanzung moralisch legitim sei. Das sagt auch eindeutig diese Instruktion des Papstes: „Warum muß die menschliche Fortpflanzung in der Ehe stattfinden? (DH 4799) Es muß aber akzeptiert werden, daß diese katholische Position nicht die Position des Staates sein kann, schon allein aus bevölkerungspolitischer Sicht, zumal die dort dargebrachte Begründung auch sehr dürftig ausfällt. So soll die Treue der Eheleute notwendige Voraussetzung für die moralisch legitime Fortpflanzung sein. Nähme man das ernst, wäre die Fortpflanzung in einer Ehe selbst unmoralisch, wenn einer der Eheleute dem anderen gegenüber untreu sei oder gewesen sei und könnten Paare, unverheiratet, aber sich treu, doch legitim Kinder bekommen. Denn nicht in jeder Ehe leben Mann und Frau treu zueinander , man denke an das bekannte Phänomen des Seitensprunges, und nicht alle unverheirateten Paare sind untreu zueinander. Unverbesserliche Realisten halten so wie so die voreheliche Treue für häufiger als die eheliche! Daß nur ein in der Ehe geborenes Kind „seine Identität erkennen und seine Menschenbildung zur Reife bringen“1 könne, ist wohl auch nur vertretbar, wenn man dem Idealehen zugrunde legt und dem gegenüber Liebespaargemeinschaften nur als: wir wollen Spaß und Sex sich! sich vorstellt.
Also bleibt nur die Frage übrig: ist es moralisch legitimierbar, wenn ein Paar (verheiratet oder unverheiratet) ein Kind „künstlich“ bekommen möchte, weil es es auf „natürliche“ Weise nicht kann? Es wird dabei unterschieden zwischen einer homologen und einer heterologen Befruchtung. Ersteres meint eine Befruchtung zwischen den Ehepartnern auf künstliche Weise, das zweite eine künstliche, in der die Eizelle oder der Same durch eine dritte Person gestellt wird.

Die homologe künstliche Besamung innerhalb des Raums der Ehe kann nicht zugelassen werden, mit Ausnahme des Falls, in dem das technische Mittel nicht einen Ersatz für den ehelichen Akt darstellt, sondern als Hilfsmittel zum leichteren Erreichen seines natürlichen Zieles erweisen würde..“2 Wie immer man diese Ausnahme interpretieren mag, sie schließt wohl aus, daß wenn der eheliche Akt nicht mehr gesetzt werden kann, daß dann eine künstliche Befruchtung stattfindet.

Die homologe In-Vitro-Befruchtung (DH 4803) wird gänzlich untersagt: „Diese ist in sich unerlaubt und widerstreitet der Würde der Fortpflanzung und der ehelichen Verbindung“. Auch als aufmerksamer Leser kann man hier kein anderes Argument finden als das, daß, weil es künstlich es, es widernatürlich ist und daß das Widernatürlichsein der Würde des Menschen und des Kindes widerspricht. Das provoziert geradezu die Frage, ob die Versorgung von Frühgeburten in „Brutkästen“ der Würde des Kindes widerspricht, weil es unnatürlich ist, in einem Brutkasten statt im Mutterleib zu sein, sodaß diese Praxis unerlaubt sei! Die heterologe künstliche Befruchtung wird dagegen einfach mit der These, daß nur innerehelich eine Fortpflanzung legitim sei, verworfen. Auch das Unehelichgeborensein soll der Würde des Kindes widersprechen!3 Ist das alles überzeugend?

Eines fällt sofort auf! Das Gebot Gottes, das erste, das Er den Menschen gab, findet in dieser Instruktion keinerlei Berücksichtigung! Das heißt: seid fruchtbar und mehret euch! Es wird nicht klar gesagt, daß die Ordnung der Ehe für diesen Zweck von Gott hervorgebracht wurde. Die Grundsatzentscheidung dieser Instruktion beruht darauf, daß die Ordnung der Ehe wichtiger ist als ihr Zweck. Zur Ordnung der Ehe gehört dabei, daß das Ehepaar sich nur auf „natürliche“ Weise fortpflanzen darf. Ist einer oder gar beide in irgendeiner Weise erkrankt, sodaß die Fortpflanzung nicht natürlich erreicht werden kann, dann darf eine künstliche Weise nicht gewählt werden. Der Zweck der Ehe wird so durch das Verbot künstlicher Mittel für dies Ehepaar unrealisierbar.
Man möge sich Folgendes mal vorstellen: ein Kleinkind, schwer krank, kann auf natürliche Weise von ihrer Mutter nicht gesäugt oder irgendwie sonst ernährt werden. Eine künstliche Ernährung wäre für das Überleben des Kindes lebensnotwendig. Jetzt würde die Kirche lehren: weil die Ordnung von Mutter und Kind eine natürliche Ernährung des Kindes durch seine Mutter vorsieht, darf das Kind nicht künstlich ernährt werden, weil das der Würde der Mutter und des Kindes widerspräche, denn alles Unnatürliche widerspricht der Würde des Menschen! Im Falle der Frage der moralischen Erlaubbarkeit künstlicher Befruchtung wird nun einerseits ein Ehideal konstruiert, um dann zu urteilen, daß das Kind ein Recht darauf hätte, in so einer Idealehe geboren zu werden. Dann wird diese Idealehe gleichgesetzt mit jeder realen Ehe, um zu folgern: wenn das Kind nicht in einer Ehe natürlich geboren werden kann, dann darf es auch nicht geboren werden. Aus dem Recht, natürlich in einer Ehe geboren zu werden, wird für das Kind das Verbot, künstlich in einer Ehe geboren zu werden oder natürlich in einer nichtehelichen Beziehung.

Aber eines verblüfft dabei: die Kirche lehrt, daß der Mensch nach seinem Leibe aus der geschlechtlichen Zeugung entsteht, daß aber die Seele, das dem Menschen Identität Stiftende unmittelbar von Gott geschaffen in den werdenden Leib inkarniert wird,im Akt der geschlechtlichen Zeugung. In der Instruktion wird diese wesentliche Unterscheidung nicht einmal erwähnt. Dadurch erst bekommt der natürliche Geschlechtsakt diese überbordende Bedeutung, als würde allein durch ihn, wenn er rein natürlich gesetzt, der Mensch entstehen. Aber es muß daran festgehalten werden: erst durch die Inkarnation der Seele wird der Mensch und diese geschieht zwar, wenn die Eizelle befruchtet wird, aber nicht ist die natürliche Befruchtung der Grund der Einwohnung der Seele in die befruchtete Eizelle, sondern nur der äußerliche Anlaß, daß Gott sie inkarniert. Man kann sich des Eindruckes nicht entziehen, daß die Instruktion eine naturalistische Tendenz in sich trägt, als Apotheose des Natürlichen-der Mensch müsse zumindest im Bereich der Fortpflanzung natürlich sie gestalten und als Perhorreszierung des Künstlichen, nicht dürfen moralisch legitime Ziele mit künstlichen Mitteln erstrebt werden und als eine Tendenz zu einem naturalistischen Menschenbild, daß der Mensch aus der natürlichen Zeugung hervorginge und die Seele, als direkte Gabe Gottes vergessen wird. Würde das Augenmerk auf die menschliche Seele gelegt, als direkt von Gott geschaffene und dann durch ihn inkarnierte, dann dürfte nicht so viel Gewicht auf den natürlichen Zeugungsakt gelegt werden.

Der Gott Jesu Christi ist ein Gott des Lebens. Er will, daß das Leben ist und nicht stirbt. Darum setzt Gott die zwei Erhaltungsordnungen, die Ehe und den Staat, weil das Leben ein immer auch gefährdetes Leben ist. Diese beiden Ordnungen haben ihr Recht und ihre Legitimation in ihrem Dienst am Leben. Nun ist es geradezu eine Verquerung dieser Ordnung, wenn nun die Ordnung der Ehe zum Hindernis für das Leben wird. Ganz fatal wirkt sich dabei die Apotheose der Natürlichkeit des Fortpflanzungsaktes aus, als dürfte der Mensch nur auf natürliche Weise und nicht auf künstliche sein Leben fortpflanzen! Dafür gibt es außer der Litanei, daß das Künstliche, weil es nicht natürlich ist, dem Menschen, seiner Würde widerspricht, keine Begründung!

Ganz anders die hl. Schrift, die erste Quelle des wahren Glaubens! Zwei Menschen schuf Gott, Adam und Eva. Sie sind die Eltern aller Menschen. Das konnte aber nur geschehen, weil die Kinder und die Kinder der Kinder sich per Inzest vermehrten. Hätten sie das nicht getan, wäre die Menschheit mit dem Tode der ersten Kinder des einen Elternpaares schon ausgestorben. Selbstverständlich verlangt die Ehemoral des Alten Testamentes, wenn die Ehefrau unfruchtbar ist, daß der Ehemann sich eine „Ersatzfrau“ nimmt, um zu legitimen Kindern in der unfruchtbaren Ehe zu kommen. Und wenn ein Mann starb, bevor er mit seiner Ehefrau einen Nachwuchs zur Welt gebracht hatte, waren Nahverwandte des Verstorbenen moralisch verpflichtet, die Witwe zu „ehelichen“, damit so der Verstorbene zu legitimen Nachkommen kommt! Wie ein roter Faden durchzieht dies Problem der unfruchtbaren Ehe die Bibel und immer lautet die Lösung, daß die Ehe dann um des Zweckes willen zu relativieren ist. Wenn schon die Inzestehe am Anfang von Gott selbst vorgesehen war, weil nur so die Menschen vom Aussterben zu bewahren waren, um wie viel mehr wird dann eine künstliche Befruchtung erlaubt sein, wenn sie dem Leben dient. Und es gibt keinen einsichtigen Grund dafür, künstliche Mittel, wenn sie dem Leben dienen als Ermöglichung menschlicher Fortpflanzung zu perhorreszieren! Diese Instruktion ist so wohl nur erklärbar, daß gerade dieser Papst, so geprägt und eingebunden in die philosophische Schule des Personalismus es sehr schwer fällt, der Technik und dem „Künstlichen“ gerecht zu werden und das nicht aus kirchlich theologischen Traditionen heraus!
1DH, 4799
2DH,4804

3Vgl: DH, 4800.

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