Sonntag, 21. Dezember 2014

Was sich für den Gottesdienst geziehmt an Musik



Christliche Musik? Was macht Musik zu christlicher Musik?

Erinnern Sie sich noch? Jugendbewegte Kapläne in Zivilkleidung, in der Hand eine Gitarre und vielleicht noch eine Mundharmonika und dann sangen sie mit den Kleineren Mitklatschlieder und den Größeren schnulzig sentimentale Lieder, und irgendwie kam dann im Text auch mal "Jesus" und oder der "liebe Gott" drin vor-also christliche Musik.  Neues Geistliches Liedgut nennt man das "kirchlich korrekt", wenn versucht wird, das künstlerische Niveau der Unterhaltungsmusik noch um Lichtjahre zu unterbieten. Aber es soll ja Hochkultur sein, ist es doch christliches Liedgut!

Aber was macht den nun ein Lied zu einem christlichen, oder genereller gefragt, Musik zu relogöser Musik.Spontan stellen wir uns so vor. Der Komponist hat eine Aussagenintention, daß er das mitteilen möchte. Er kreiert nun einen Text, der diese Aussage zum Ausdruck bringt. Dann fügt er dem Text noch Noten zu, sodaß der Text ein singbarer wird und vermerkt: begleitbar durch Gitarre und Schlagzeug. Der Rezipient nun soll im Idealfall den gesungenen Text hörend auf seine Kernaussage dechiffrieren und so die Aussagenintention des Komponisten erfaßt haben.Bei diesem Musikverständnis verhält sich der Gehalt der Musik zu der Musik wie der Brief zu seinem Briefumschlag. Der Briefumschlag ist das Beförderungsmedium, durch den der Brief ankommt, der dann achtlos weggeworfen werden kann, weil es doch nur auf den Inhalt des Briefumschlages, den Brief ankommt. Die Musik ist so gesehen für den Inhalt der Musik unwichtig! Daß der Text gesungen wird, und daß und wie dann die Begleitinstrumente gespielt werden, habe für den Gehalt der Musik keine Bedeutung. 
Warum wird denn dann der Gehalt der Musik überhaupt musikalisch eingepackt,wenn das Musikhören, das rechte im bloßen Auspacken der Musik besteht, sodaß der unmusikalische Gehalt zum  Schluß übrig bleibt?
Zudem, wenn man die Musik mit einem Tragesel vergleicht, dem es gleichgültig ist, was man ihm aufbürdet, so lange es nur seine Tragekraft nicht übersteigt, um deutlich zu machen, wie rein äußerlich sich hier die Musik in ihrem Verhältnis zum Gehalt der Musik vorgestellt wird, dann wird noch eines deutlich: R. Wagner mag sich zwar inspirieren gelassen haben durch die Philosophie Schopenhauers,aber er hat nicht einfach Schopenhauers Werk: "Die Welt als Wille und Vorstellung" vertont, indem er zum vorgegeben Text Noten schrieb. Nicht jeder Text ist also musikalisch darstellbar, den dieser Schopenhauertext überforderte die Tragfähigkeit des Esels, der Musik.
Warum also Texte musikalisch präsentieren, wenn dabei viele komplexe Texte nicht in Frage kommen für diese Art der kommunikativen Mitteilung?
Die Philosophie soll die Magd der Theologie sein, und die Musik der Esel der christlichen Religion? 
Oder sollten wir meinen, daß die Aussagenintention eines Textes durch seine musikalische Verpackung besser beim Rezipienten ankommt, und daß deshalb diese Verpackung gewählt wird?  
Ganz problematisch wird es dann noch, wenn wir die Differenz der Aussagenintention des Verfassers und der Vertextlichung berücksichtigen! Ist denn die Aussagenintention, was wollte der Dichter uns mit diesem Text sagen und dem, was der Text realiter sagt, identisch zu setzen? Wie, wenn etwa ein literarisches Werk, ein Roman mehr Gehalt hat, als dem Verfasser bewußt ist? 
Die Musik drückt etwas aus! Aber was? Die Aussagenintention des Komponisten? Die des Textes? Und was besagt das für die Musik, wenn ihr Gehalt unabhängig von der Musik, dem Singen und den Stimmen der Begleitinstrumente erfaßbar ist? 
Drängt sich hier nicht der Generalverdacht auf, daß so das Wesen der Musik verkannt wird?Aber was drückt die Musik als Musik dann aus, wenn nicht die Aussageintention des Komponisten, die er vertextet hat? Manchmal hört man, daß die Musik das Innere des Komponisten ausdrücke, sein inneres Empfinden, sein Gefühlsleben. Erinnern wir uns kurz an die Rhetoriklehre. Drei Gattungen unterscheidet man: die Erörerterungsrede, die im Idealfall einen Sachverhakt vollständig expliziert und auf den Verstand, das Verstehen der Hörer ausgerichtet ist, die Entscheidungsrede, also z.B. die Rede des Staatsanwaltes, die auf eine Entscheidung zielt: schuldig oder nicht schuldig und so den Willen als Adressaten hat und die Laudatio, die Werberede, die Kunst des Schönredens. Sie soll das Gefühl der Menschen ansprechen! Selbstredend spricht jede der drei Redearten auch die beiden anderen Potenzen des Menschen an, aber immer wird, wenn die Rede gelungen ist, jeweils eine primär angeredet. Eine Rede, die den Verstand,den Willen und das Gefühl des Menschen gleichermaßen anreden wollte, gliche dagegen einem Autoreifen, der gleichermaßen für den Sommer wie für den Winter geeingnet sein will!
Jetzt könnte gemutmaßt werden, daß der Komponist sein Inneres, sein Gefühlsleben in der Musik ausdrücken wolle, weil die Musik die Sprache des Gefühles ist. 
Aber ist den die Vorstellung vom "Ausdrücken" überhaupt die einzige,mit der ein Kunstwerk begriffen werden kann? Warum soll den das Kunstwerk etwas ausdrücken, was außerhalb und unabhängig vom Kunstwerk existiert, und daß dann in dem Medium der Kunst materialisiert wird, damit es dann von den Rezipienten des Kunstwerkes entkleidet wird, bis die Ursprungsintention wieder das Tageslicht erblickt? Romald Barthes kritisiert diese Ästhtikaiffassung in seinem Essay:"Schriftsteller und Schreiber" unter dem Begriff des Schreibers. Der sei der engagierte Künstler, der "Zeugnis ablegen, erklären, lehren "will. (Barthes, R., Schrifteller und Schreiber,in: Barthes, R., Literatur oder Geschichte, 1981, S.49), der also etwas mitteilen will und dem das Schreiben und die Kunst somit nur ein Mittel zum Zweck ist. Indirekt setzt Barthes sich mit Sartres Verständnis der engsgierten Literatur auseinander, daß sie so die Kunst zum bloßen Medium politischer Augklärung mache, wie etwas B. Brecht. 
Nebenbei: man kann die Liturgiereform nach dem Konzil auch in diesem Sinne verstehen, daß die Liturgie nur Medium zum Ausdrücken von etwas sein soll und so kommunikativ effektiver gestaltet werden sollte, sodaß das durch sie das Auszusagende besser "rüber kommt"!  
Viel elementarer ist das Herstellen. Ein Architekt, der den Bauplan für ein Haus entwirft, drückt in ihm nichts aus, sondern stellt den Plan für ein Wohnhaus her.Wie, wenn wir die Kunstwerke unter dem Aspekt des Herstellens und nicht unter dem des Ausdrückens bedenken? Zur Veranschaulichung denken wir an einen Iglu: Menschen sitzen in einem gewärmten Iglu, während draußen arktische Eiseskälte herrscht. Der Mensch lebt in einer natürlichen Umwelt, die ihm nicht immer wohlgesonnen ist, und er erbaut sich künstliche Wohnräume, um sich vor den Unbilden der Natur zu schützen.Die Bibel führt uns noch grundsätzlicher in diese Problematik ein: der Mensch ist einerseits Teil der Natur und andererseits ist ihm von Gott seine Seele eingehaucht worden-er ist Logos vom göttlichen Logos.
Als solcher steht er der Natur fremd gegenüber. Sein Auftrag: er solle sich die Natur untertan machen und das heißt, sie zu vergeistigen, seinem Logos gemäß zu gestalten. Der Mensch lebt nicht nur in seiner natürlichen Welt, sondern gerade in seinen künstlichen, die er sich aus der natürlichen erbaut.
Kunstwerke wären somit künstliche Wohnwelten. Man denke an solche Formulierungen: der Leser versank ganz in seinen Roman, er vertiefte sich ganz in die Musik. Kunstwerke drückten so nichts dar, sondern wären hergestellte Kunsträume, die dazu einladen. in sie einzutreten, um in ihnen zu leben während des Kunstgenusses. Vielleicht ist Woody Allen in seinem Film "Purple Rose of Kairo" eine der schönsten Ausdeutungen der Kunst gelungen, indem er den Versuch aufzeigt, wie eine junge Frau-als passionierte Kinogängerin- ganz in die Filmwirklichkeit ein-und aufzugehen versucht als Bildnis für den Kunstgenuß!   Das Musikwerk würde so, wie man wohl zu recht urteilt, dem Gefühlsleben zugeordnet, aber jetzt nicht mehr als Ausdruck von inneren Gefühlen, sondern als der Kunst der Herstellung von Gefühlsräumen, in die man einsteigen kann. 
Wem das völlig unnachvollziehbar ist, der greife doch so Tolkiens Triologie:"Der Herr der Ringe" und lese. Wer kann sich schon dem Zauber dieser Erzählung entziehen? Sie saugt einen hinein in diese Rimanwelt, sodaß lesend einem diese Welt zur einzig wahren wird.Religiöse Musik wäre so ein von religiösen Gefühlen bestimmter Gefühlsraum, wobei die Kunst auch gerade in der inneren Strukturiertheit dieses Gefühlsraumes besteht.
Das heißt: nicht macht der religiöse Text die christliche Musik sondern die religiöse Gestimmtheit der Musik. Gegen die Überbetonung des Textes spricht einiges. Es wird dabei nämlich eine wesentliche Verschiebung übersehen. Im Text haben die Worte eine Sachbedeutung, wird der Text aber gesungen, bekommen die gesungenen Worte eine Klangbedeutung. Diese tritt im und durch das Gesungenwerden in den Vordergrund.   Die meisten Pop- und Rocklieder werden heuer in englischer Sprache gesungen, angeblich, damit die Texte besser global verstehbar seien. Frägt man aber Hörer zeitgnössischer Musik, ob sie den die englischen Texte verstünden, bekommt man in der Regel  ein Nein zur Antwort,frägt man aber, ob denn dann der Gesang unwichtig sei, hört man, mitnichten, denn die Gesangsstimme sei wichtig-der Klang, den die gesungenen Worte bekommen! Die Gesangsstimme wird zu einer Stimme neben den Instrumentenstimmen und ergeben eine Gesamtstimmung, die den Gefühlsraum konstituiert Zudem, wenn der Text bzw der gesungene Text den Gehalt der Musik ausmachte, ,müßte man dann reine Instrumentalmusik als gehaltlos abwerten?Ist etwa Beethovens "Schicksalssymphonie" gehaltlos? Nein, der Text tritt als gesungener Text hinzu zu den Instrumentenstimmen als eine Stimme, die höchstens durch Begriffe und kurze Sequenzen für das Gefühlsleben zusätzliche  Anregungen bietet. Das Wesentliche ist aber, daß ein religiös gestimmter Gefühlsraum durch und in der Musik hergestellt wird und Musikhören dann die Frage: wo bist du, Adam? beantwortet mit: in der Musik.
Wenn die Religion die Sehnsucht nach der verlorenen Heimat ist, dann ist jedes Kunstwerk -
(gegen G. Lukacs These vom antireligiösen Charakter der Kunst /Vgl:Lukacs, Die Eigenart des Ästhetischen) -strukturell religiös, weil es den Menschen herausnimmt aus seiner Realwelt und in eine Kunstwelt versetzt, die der Realwelt gegenüber ein Jenseitges ist-das Kunstwerk transzendiert das Reale durch und in seinem künstlichen Charakter.  Den der Begriff der verlorenen Heimat meint ja, wie es E. Bloch  so treffend gesagt hat, den Ort, wo noch niemand war-es steckt in ihm ein utopischer Gehalt, ein religiöser, weil das Utopische das Jenseitige meint. Aber erst in der religiösen Musik findet dann diese religiöse Struktur des musikalischen Kunstwerkes ihren adäquaten Gehalt. 
Zum Schluß dieser noch sehr fragmentarisch gehaltenden Betrachtung  soll aber eines der schönsten Worte über die Musik zitiert werden, nämlich Nietzsche:  Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.                      

     

                   

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