Freitag, 20. Februar 2015

Gott reute es

Kaum eine Aussage bereitet Theologen und Bibellesern so viel Probleme, wie die Aussage, daß Gott etwas reue. "Da reute Gott das Unheil, das er ihnen angedroht hatte und führte die Drohung nicht aus", lesen wir im Prophetenbuch Jona, 3, 10 oder für den Menschen bedrohlicher: " Da reute es den Herrn, auf der Erde den Menschen gemacht zu haben, und es tat seinem Herzen weh.Der Herr sagte: Ich will den Menschen, den ich geschaffen habe, vom Erdboden vertilgen".(Gen 6, 6f) Diese Aussagen sind in sich so klar, daß sie dem Leser keine Schwierigkeiten bereuten dürften, sie zu verstehen. Was macht dann diese Aussage, Gott reute es, zu einem Problem? Daß wir spontan urteilen, daß von dem Subjekt Gott nicht prädiziert werden dürfe, daß ihm etwas reue. Präzisieren wir diesen Einwand. Weil Gott als vollkommen zu denken ist, kann von ihm als  Vollkommenen nicht ausgesagt werden, daß er etwas wollte oder getan hat, was nicht vollkommen war, sodaß er nachträglich sein Wollen und Tun revoziert im Sinne von, das hätte ich aber nicht wollen und tuen dürfen. Ein Mensch mag am nächsten Morgen sagen: " O wäre ich doch nur nicht betrunken Auto gefahren, jetzt habe ich einen Verkehrsunfall verursacht in meiner Trunkenheit." Aber das ist für Gott undenkbar. 
Damit setzen wir voraus, daß Gott als vollkommen so zu denken ist, daß all sein Wollen und Tun, jedes immer vollkommen ist, sodaß es nie möglich ist, daß Gott etwas von ihm Gewolltes und Getanes unvollkommen ist. 
Aber woher wissen wir das über Gott? Naiv, spontan könnten wir sagen: aus der hl. Schrift, denn das ist ja unsere erste Quelle der Gotteserkenntnis. Nur, und jetzt bekommen wir ein echtes Problem: in der hl. Schrift steht ja gerade diese Aussage, daß Gott es reute. Wären wir Biblizisten, würden wir urteilen, daß die Bibel die Quelle ist, aus der wir ein sicheres Wissen über Gott gewinnen können, weil sie von Gott eingegeben uns die Wahrheit über Gott sagt-dahingegen Philosophen und auch Theologen uns ihre menschlich-allzumenschlichen Meinungen über Gott zur Kenntnis bringen. Wenn wir wissen, wie Gott wirklich ist und nicht, wie ihn Menschen sich erdacht haben, dann sagt uns das gerade die hl. Schrift.Denn die hl. Schrift bezeugt ja Gottes Wahrheit an uns-wie er, Gott, ist und wie er von uns erkannt sein will. 
Aber wir besitzen doch eine Lehre über Gott, niedergelegt in theologischen Fachbüchern und Lehrbestimmungen der Kirche..und da finden wir diese Aussage, Gott kann etwas reuen, nicht. Wir könnten es anders formulieren: wir wissen, was Gott ist, wie das Objekt Gott zu denken ist, aber wir wissen nicht, ob dieser so von uns gedachter Gott auch unabhängig von unserem Denken als seiend zu denken ist oder ob er nur in unserem Denken als "seiend" zu denken ist. Aber ein Subjekt, von dem prädiziert wird, das ihm etwas reuen könnte, das wäre nicht Gott. Denken wir so, wissen wir, bevor wir die hl. Schrift befragen: wie ist Gott?, wie Gott ist und erkennen dann in den biblischen Zeugnissen und Aussagen über Gott Gott wieder, wie wir ihn unabhängig von der Schrift kennen. 
Wie nun aber, wenn Gott unser Wissen von ihm durch seine Offenbarung an uns auch kritisieren und korrigieren möchte? Wenn Gott für und zu uns anders sein möchte, als wir ihn uns gedacht haben? Eines ist sofort klar: unser menschliches Denken auch und gerade von Gott ist immer auch mitbestimmt von dem: wie hätten wir denn Gott gerne! M. Luther hat mal gesagt, daß der Mensch nicht wolle, daß Gott ist-weil er selbst Gott sein will, (damit ist gemeint, daß er Herr über sein Leben sein will und deshalb keinen Gott über sich dulde) oder aber er akzeptiere Gott, wenn er nur die Liebe ist, die nichts will und nichts fordert, niemanden verdammt und verurteilt.. Da könnte was dran sein.Wenn Gott etwas reuen könnte, wie sollte dann der Mensch sich auf Gott verlassen können? Was, wenn es wahr wäre, wenn Gott es wirklich reuen könne, daß er den Menschen erschaffen habe und wenn er beschließen könnte, diesen Fehler zu korrigieren? Ja, die Sindflutgeschichte scheint uns ja genau das sagen zu wollen: Gott konnte seine Schöpfung reuen- er konnte sie wieder nichten wollen. Das darf nicht sein-so darf Gott nicht sein- und so ist er auch nicht. An die wissenschaftlichen Bibellausleger delegiert dann der verunsicherte Leser die Aufgabe, diese Aussage, daß Gott etwas reuen könne, zu tilgen. Er möge diese Aussage so uminterpretieren, daß sie jetzt meint, daß Gott nie etwas reuen könne. Das nennt man dann nicht Textvergewaltigung sondern Hermeneutik.
Aber bevor wir so gewagte Schritte wider die hl. Schrift unternehmen, fragen wir doch erstmal: ist es denn so 100 prozentig einsichtig, daß Gott, weil er als vollkommen zu denken ist, immer auch nur das Volkommene wollen und tuen kann. 
Wir stoßen jetzt auf ein moraltheologisch äußerst brisantes und kompliziertes Thema.  Der Fundamentaltheologe Kreiner diskutiert es unter der Fragestellung:verunmöglicht Gott als vollkommen zu denken-im ontologischen Sinne, Gott als vollkommen immoralischen Sinne zu denken. Das Sachproblem läßt sich auf eine Frage reduzieren: wenn Gott, weil er vollkommen gut ist, nie anders als vollkommen gut wollen und tuen kann, wie kann Gott dann das immer das Gute Wollen   als moralisch qualifizierte gute Wollen zugeschrieben werden, wenn Gott gar nicht anders kann, als daß er immer nur gut wollen kann!  Wenn ich in einen Taschenrechner eine mathematische Aufgabe zum Lösen eingebe, wird es niemand als moralische Tugend des Rechners ansehen, wenn er die richtige Antwort gibt. Nur ein Subjekt, das mit Absicht mir auch eine falsche Antwort geben könnte, werde ich das Richtigantworten als moralisch gute Tat zusprechen.Wenn Gottes Vollkommenheit in dem  nur das Gute Tuen bestünde, könnte man ihm diese das Gute Wollen dann sowenig als moralisch gutes Wollen anrechnen, wie einem Computer das richtige Rechnen. Eine Tat ist nur dann moralisch qualifizierbar, wenn von dem Subjekt, das die Tat getätigt hat, auch prädizierbar wäre, daß es sie nicht und das Gegenteil von ihr hätte tuen wollen können. Nur, wer auch das Nichtgute wollen kann, kann das das Gute Wollen als moralisches Wollen zugeschrieben werden. Darauf weist Kreiner in seiner Gotteslehre rechtens hin. 
Das Problem dabei liegt in der Bestreitung der Willensfreiheit Gottes. Gottes Erkennen wäre vollkommen und was er als das vollkommen Gute erkannt habe, das müsse er dann auch wollen, denn die Erkenntnis determiniere in Gott sein Wollen. Der Mensch könne sich gegen seine Erkenntnis des Guten für das Nichtgute entscheiden. Das ist seine Willensfreiheit.Und nur deshalb wird ihm dann, wenn er das als gut Erkannte auch will, dies das Gute Wollen auch als gutes Wollen im moralischen Sinne  angerechnet, weil er auch das Nichtgute kraft seines freien Willens hätte erwählen können. Gott wird nun in der Regel dieser freie Wille abgesprochen. Gottes Wille wird dabei als durch die Erkenntnis des Guten determiniert gedacht: er kann nur das Gute wollen. Und da er immer nur als  das Gute wollend gedacht werden kann, kann von ihm nicht gedacht werden, daß ihm sein Wollen reuen könnte, denn Gott kann das Gute nicht reuen!
Weil Gott also als Vollkommen zu denken ist und dies einschließt, daß Gottes Wille als unfrei zu denken ist, daß er nur das wollen kann, was das vollkommen Gute ist, ist es unmöglich, daß Gott etwas reuen könne. Nun zahlt diese Gotteslehre dafür aber einen hohen Preis: Gott kann nicht mehr als moralisch vollkommen gedacht werden, ja nicht mal als moralisch qualifizierbar. Denn wenn Gott notwendig immer nur das Gute wollen kann, verunmöglicht diese Notwendigkeit  des das Gute Wollen die Möglichkeit, dies Wollen Gott als moralisches das Gute Wollen zuzuschreiben.
Zur Veranschaulichung:als treu gilt nicht der Ehemann, der nie in die Versuchung zur Untreue geriet, sondern der, der der Versuchung widerstand. Wäre er aber unversuchbar, dann wäre aber seine Treue keine Treue! Wenn Jesus Christus unversuchbar wäre, dann hätte er der Versuchung des Teufels gar nicht widerstanden, weil von einem Widerstehen könnte nur gesprochen werden, wenn er auch der Versuchung hätte erliegen können. 
Daß Gott aber über keinen freien Willen verfügen solle, sondern daß sein göttlicher Wille durch sein vollkommenes Erkennen determiniert ist, das macht nun unsere menschlich-allzumenschliche Vernunft aus Gott: so hätten wir ihn gern. 
Die Aussage, Gott reue etwas, ist dagegen ohne Widerspruch zur Gotteslehre vertretbar, wenn Gott der freie Wille zugesprochen wird, wenn geurteilt wird, daß zur Vollkommenheit Gottes auch der freie Wille gehört, A und auch -A  wollen zu können und sich frei für A oder -A entscheiden zu können! Dann kann Gottes Wahl, das Gute zu wollen, auch als moralisch qualifizierbares Wollen begriffen werden. Sonst deklariert zwar die Gotteslehre, daß Gott moralisch vollkommen ist, aber die faktische Bestreitung der Freiheit des göttlichen Willens, er könne nur das Gute wollen, liquidiert diese Aussage.
Der obligatorische Einwand, etwas Nichtgutes wollen zu können, wäre nichts Gutes und so wäre es kein Mangel in Gott, wenn er etwas Nichtgutes nicht könne, übersieht, daß die notwendige Bedingung für den guten Willen, daß ihm das Gutwollen als gutes Wollen zuschreibbar ist,  die Möglichkeit zum das Nichtgute Wollen ist. Damit verfügen wir nun auch über eine Einsicht in die Frage, warum Gott das Wirken des Satans (des rein Bösen) zuläßt, damit der Mensch sich frei für das Gute gegen das Böse entscheiden kann und so erst eine moralische Entscheidung treffen kann. Das Negative ist um des Guten willen im Raume der Moral, denn ´nur wenn das Böse auch möglich ist, ist das Gute als das Gute moralisch wählbar.
Oder wollen wir doch lieber an der Vorstellung festhalten, daß Gott über keinen freien Willen verfügt? Nur dann kann von Gott nicht mehr im moralischen Sinne ausgesagt werden, daß er vollkommen ist, sondern nur noch im ontologischen Sinne. Er wäre dann "perfekt" wie eine vollkommene Maschine, ein perfekt programierter Roboter. Und wir können  dann gewichtigen Aussagen der Bibel über Gott nicht mehr gerecht werden.
Was meint dann in den Fällen, wo es heißt, Gott gereute es, das Böse? Es meint in dem einen Fall die Vernichtung und Austilgung des Menschen, den Gott erschaffen hat und das andere mal das Gericht über Ninive, daß er die Stadt ausrotten wollte. Das "Böse" taucht hier beides male in einer besonderen Eigentümlichkeit auf! Es ist Gottes Gericht über die Sünde des Menschen, der so seinen Tod verdient hat. Gott straft nicht willkürlich-aber er will alle Menschen ausrotten, oder im Falle der Stadt Ninive alle Bewohner der Stadt. Das so von Gott gewollte Böse ist so gesehen das göttlich gerechte Urteil über Menschen und doch ist es auch etwas Böses-weil es den Menschen vernichtet.  Es kann so gesehen etwas geben, was göttlich gerecht ist und doch menschlich gesehen böse sein, weil das göttliche Gericht sein Todesurteil ist. Und es widerspricht auch der göttlichen Liebe, die das Leben und nicht den Tod des Menschen will. Aber Gottes Gerechtigkeit verlangt den Tod des Sünders, und das ist so gerecht und zugleich auch "böse", weil es der göttlichen Liebe widerspricht.  Diese befremdliche Doppelgesichtigkeit des gerechten göttlichen Strafgerichtes ermöglicht es Gott, daß ihm sein Gericht reut und er auf es verzichtet, weil er aus Gnade auf das Gericht verzichten will. Das ist ein schwieriger Gedanke, aber besser ein schwieriger theologischer Gedanke, als daß wir leichtfertig Aussagen der Bibel über Gott wegzaubern, weil sie uns nicht gefallen!                  

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