Dienstag, 17. März 2015

Alles Wirklichkeit- ein Versuch über eine Theorie des Kultes, des Gottesdienstes

Was ist die hl. Messe?, das ist eine einfache Frage, die aber nicht leicht respondierbar ist. J. Pieper, ein in conservativen Katholischen Kreisen recht geschätzter Philosoph hat tiefgründend eine "Theorie des Kultes" versucht dazu zu konzipieren. G. Rodheult faßt die Kerngedanken in seinem Aufsatz: "Überhörte Signale" zusammen (Una Voce 1/2015, S.50-81).Wer zum erstmalig Pieper liest oder über ihn liest, staunt (und das soll ja der Anfang allen Philosophierens sein) über das Pathos, mit dem dort der Begriff der "Wirklichkeit" verwendet wird, oft begleitet von dem zweiten Lieblingsbegriff dieses Denkers: "realistisch". Im Kult ereignet sich "Wirklichkeitsbegegnung" (S.52). "Das, worum es immer wieder geht, die Begegnung des Menschen mit der Wirklichkeit, seine Zustimmung zu ihr als geschaffener, seine vielfältigen Beziehungen, die er zu ihr aufbaut und in denen er er selbst wird, in denen er, seinem eigenen Wesen zustimmend, sich selbst so in die Wirklichkeit stellt, wie er allein in ihr gut zu leben vermag und seine Vollendung erreichen kann, all dies gipfelt in der "äußerste(n) Form der Zustimmung zur Welt im Ganzen, die überhaupt gedacht werden kann", und das ist: "das Gotteslob, die Preisung des Schöpfers, der Kultus." 
Suchen wir in diesem überschwenglichen Pathos nach klaren Gedanken! R. Musil (Der Mann ohne Eigenschaften) verdanken wir die feinsinnige Unterscheidung von "Wirklichkeits"- und "Möglichkeitssinn". Der Aussage, so ist es, gesellt sich die Aussage zu, es könnte auch anders sein. Das philosophische Denken Piepers ist offenkundig eines, das nur den Indikativ kennt. Die Wirklichkeit ist ihm alternativlos wirklich.Und diese bejaht der Mensch im Kult. Das ist die Aufgabe des Kultes.Die Welt und sich zu bejahen, ist so der Grundvollzug und darin ehrt der Kult Gott als den Schöpfer der Gesamtwirklichkeit! 
Der Kult sei so ein Fest der Wirklichkeitsbejahung, und ist so nichts "Zweckdienliches" (S.54). Es ist "zweckfreies Tun" (S.54).
"Es ist die Wahrheit, Gutheit, Schönheit der geschöpflichen Wirklichkeit und deren Ursprung in der Person Gottes." (S.60). 
Hier könnte man als Theologe ob der "Person Gottes" etwas irritiert werden, denn Gott ist ein Gott in drei Personen und nicht eine Person, aber Pieper wird hier wohl nur den Vater Gott gemeint haben und nicht den dreieinigen. Aber was uns wohl mehr verstört ist die Frage: in welcher Wirklichkeit lebt wohl dieser Denker? Die wirkliche Welt, so wie wir sie kennen, ist damit wohl nicht gemeint. Theologisch klarer formuliert: das Urteil Gottes, und alles war gut, als Urteil über sein Schöpfungswerk, sprach er vor dem Fall der Schöpfung. Die gefallene Schöpfung dagegen harrt bis jetzt auf ihre Erlösung durch Gott.Feiert die Kirche im Kult die Schönheit und Gutheit der gefallenen Schöpfung und dankt Gott für diesen Zustand des Gefallenseins? Der Philosoph Leibniz erstaunte die Welt einst durch seine These, daß wir in der besten aller denkbaren Welten lebten und auch wenn nicht nur Schopenhauer hier entsetzt und empört angesichts dieser Zumutung den Kopf schüttelte, so scheint Pieper Leibniz repristinieren zu wollen. Die christliche Religion müßte dann sich völlig umgestalten: aus der Erlöungsreligion, das meint, daß die Wirklichkeit begriffen wird als eine gefallene, die der Erlösung harrt in der Erwartung des Reich Gottes, wird eine der radicalen Gegenwartsbejahung. Ja, wie leben ja schon in der vollkommenen Harmonie des Kosmos, der wohl geordneten Schöpfung und das feiert die Kirche Sonntag für Sonntag! Der gottesdienstliche Kult lebt so von der Realität, der Präsens Gottes in dieser Feier, in der er als der Grund des So-wie die Welt nun mal ist- gelobt wird! Irgendwie wird dann die Gedankenwelt Piepers -mit Verlaub gesagt-etwas konfus, indem er das philosophische Gerede vom Sichbegegnen, wir wissen Ich und Du als personales Begegnungsgeschehen- gerüchteweise soll die berühmt anrührende Szene im Film "Casablanca": " Schau mir tief in die Augen, Kleines," ja den Emergenzpunkt der personalistischen Philosophie bilden,konfundiert mit dem Leben des Menschen in der Wirklichkeit. Begegnen  kann einem Menschen immer nur ein Teil der Wirklichkeit, denn das Etwas, was mir begegnet ist als ein Etwas immer von allen anderen Teilen der Wirklichkeit unterschieden und nur so konstituiert es sich als ein bestimmtes Etwas, das mir begegnen kann. Aber es ist dann wohl Gott als die Wirklichkeit gemeint, sodaß es sich um ein Begegnen mit einem personal vorgestellten Gott handelt.Dann müßte aber klar zwischen Gott und der von ihm geschaffenen Wirklichkeit unterschieden werden, denn Gott als der Kreator ist dann selbstredend nicht ein Element der geschaffenen Wirklichkeit, wie mir ja auch in einem Kunstwerk nicht der Künstler begegnet, sondern sein Werk. Das in der Wirklichkeit leben schließt ein Begegnen mit der Wirklichkeit aus. Erst im Denken kann der Begriff der Wirklichkeit als Totalität gedacht werden! Nur diese Totalität kann mir nicht begegnen! 
Im Zentrum des Kultes steht nach der Bibel, daß Gott seinen Namen im Tempel wohnen läßt, und daß er so anrufbar ist für den Menschen. Im Neuen Bund übernimmt die Funktion das Tabernakel als das "Begegnungszelt" des Wohnens des Sohnes Gottes unter uns in seiner Kirche.Anrufbarkeit ermöglicht eine Kommunikation: Gott redet zu uns und wir zu ihm.Wenn man daraufhin Piepers Konzeption durchliest: hier scheint sich Gott auf sein bloßes Dasein zu beschränken.Und daß die Gemeinde Gott lobt und preist, daß hat für diesen Gott wohl auch keine Bedeutung. Hätte es nämlich eine, dann wäre der Kult nicht mehr rein zweckfrei. Er diente zu etwas.
Gottesdienst wäre ein Tun um etwas zu erreichen, um etwa Gott zu ehren und Gottes Erbarmen auf die Menschen herabzurufen!Aber die Apotheose der Wirklichkeit, wir leben ja schon in der besten aller denkbaren Welten, macht es ja völlig überflüssig, noch Gott um etwas zu bitten. Ist dieser Wirklichkeitsgott vielleicht wirklich nur ein Gott der Philosophen, dem man keine Gebete und Bittopfer darbringen kann, weil er ...ja warum nicht? Hier muß eine Pause eingelegt werden.Sollte etwa die Reduzierung des philosophischen Denkens auf Indikativsätze beachtliche Kollateralschäden mithervorrufen? Pieper kennt wohl den Konjunktiv nicht. Gott erbarmt sich, aber er könnte sich auch nicht erbarmen. Gott zürnt, aber er könnte  jetzt auch nicht zürnen. Eine denknotwendige Voraussetzung des religiösen Kultes ist, daß von Gott nicht nur indikativische Aussagen machbar sind.
Gott kann auch anders als er jetzt kann. Es ist in Gott eben auch eine Potentialität und davon lebt der Kult. In jeder Messe wird gebetet: Gott, erbarme Dich! Dies Gebet, und das ist keine Begrüßungsformel wie manch modernistische Liturgiker uns vormachen wollen,ist die Kurzform  des religiösen Kultes.Gott wird geglaubt als der Geber alles Guten, aber es ist ein Akt göttlicher Gnade, daß er uns Gutes gibt-er könnte es uns auch das Gute verwehren. Die Kultpraxis setzt darauf, daß Gott ein Gebet erhören kann, daß er sagen kann: weil ihr mich gerufen habt, gebe Du uns, darum gebe ich euch! Die Kultpraxis würde zu einer magischen Praxis, meinte man, so Gott durch das Gebet "beeunflussen" zu können, daß er dann uns geben müsse, was wir von ihm erbeten. Gott bleibt der souveräne Herr über unsere Gebete und unterwirft sich ihnen nicht.Dann wäre das Beten eine magische Praxis. Aber Gott muß mehr sein, als Wirklichkeit. Er muß auch die Möglichkeit sein, so oder zu auf unser Beten und Anrufen zu reagieren. Anders gesagt: Gott ist so lebendig, daß er auch kontingent, also frei auf menschliches Tun antworten kann. Das religiöse Leben ist eben nicht reduzierbar auf eine einfache Kommunikationsbeziehung von deus dixit und der Mensch antwortet! Gott antwortet nämlich auf unser Antworten und so konstituiert sich eine Geschichte Gottes mit den Menschen, eine lebendige des Miteinanderredens. Bei Pieper dagegen scheint Gott einfach nur da zu sein als Wirklichkeit und der Mensch dankt für diese Daseinswirklichkeit.Aber wo nur Wirklichkeit ist und Gott auf Wirklichkeit reduziert ist, da ist eben kein Leben mehr möglich. Denn Leben setzt immer voraus, daß eine Wirklichkeit verändert wird hin auf ihre Möglichkeiten.Der Künstler sieht nicht einfach einen Steinblock, er sieht in ihm die Möglichkeit, daraus eine Steinfigur zu machen.Der Gott des Philosophen Pieper scheint dsgegen als die Wirklichkeit tot zu sein, wie ein totes, aber vollkommenes Sein ,sodaß der Mensch hier keinen Gottesdienst mehr vollbringen kann, sondern nur ein Bejahen dessen, wie es ist und Gott als höchstes So wie es ist. Ich kann auch zu einem Edelstein sagen, du bist schön!, aber es ist der Wirklichkeit des Steines gleichgültig.Könnte der wirkliche Gott des Philosophen Pieper ebenso gleichgültig dem Kult der Christen gegenüberstehen und ist darum der Gottesdienst ein zweckfreies Fest, ein Tun, das sein Ziel in sich selbst hat? Derv erste Irrtum scheint mir in der frsgürdigen Gleichsetzung von Gott mit der Wirklichkeit, der Realität zu liegen und der zweite in der völligen Ausblendung des Sündenfalles mit seinen Folgen für die Welt,in der wir leben und für uns: die gefallene Wirklichkeit kommt in diesem Denken nicht vor uns gerade das führt dann zu diesem so pathtischen Ton des Geredes von der Wirklichkeit!            
       

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