Dienstag, 5. Mai 2015

Wie verbindlich ist die Moral? Teil 2

Moral und Gewalt

Spaemann fordert (siehe Teil 1) die moralische Verurteilung des Freitodes.Problematisch wird die moralische Ächtung des Freitodes aber erst für den Fall, daß der Betroffende trotz seelsorgerlicher Gespräche an seinem Willen zum Freitod festhält. Die Frage heißt dann: darf dann ein Mensch gegen seinen ausdrücklichen Willen zum Weiterleben gezwungen werden? Zu unterscheiden wäre zwischen Menschen, die nicht ohne Beihilfe den Freitod realisieren können und Menschen die selbstständig den Freitod realisieren können, die aber unter einer Aufsicht von anderen stehen, die über Möglichkeiten verfügen, den Freitod zu verhindern. 
Menschen, die selbstständig ihren Freitod realisieren könnten, darf man die per physischer Gewalt, also durch Fixieren/Fesseln daran hindern, ihn auszuüben?-oder durch psychische Gewalt, also durch Medikamente/Drogen? Dies setzt voraus, daß es ein Recht gibt, Menschen gegen ihren Willen zum Weiterleben zwingen zu dürfen. Der einfachste Weg zur Legitimierung anzuwendender Gewalt gegen den Patienten ist die These, daß ein Patient, der seinen Freitod will, dies niemals wirklich freiwillig wolle. Vulgär formuliert: wer seinen Tod wolle, wolle das nur ob einer ihn übermächtigenden Depression und so verhindere die angewandte Gewalt nur, daß der Patient etwas tue, was er eigentlich nicht will.Die Ermächtigungsformel zur Gewaltanwendung ist also eine Entmündigungsstrategie des Patienten,  deren Kern der Grundsatz, daß wenn ein Mensch etwas wolle, das er moralisch nicht wollen darf, er es dann immer unfreiwillig und erkrankt wolle, sodaß es im Sinne des Patienten liegt, ihn gewaltsam an der Realisierung seines Wollens zu hindern.
Bedauerlich ist nur, daß kein Vertreter des Neins zur Legitimität des Freitodes klar Stellung dazu nimmt, daß er Gewaltanwendung gegen den Freitodwilligen zustimmt, um ihm am Freitod zu hindern! 
Wie nun im Falle von Personen, die ohne eine Beihilfe anderer ihren gewollten Freitod nicht realisieren können? In diesem Falle reduziert sich die Gewaltanwendung gegen den Patienten, um ihn zum Weiterleben zu zwingen auf das Unterlassen der Beihilfe.  Auch ein Unterlassen einer Beihilfe kann ein Gewaltakt sein, wenn ich zum Beispiel einen sich nicht mehr selbstständig  ernähren Könnenden die Hilfe zum   Essen verweigere, die er unbedingt bedarf, um sich zu ernähren. 
Moral ist immer nur Moral, wenn sie auf das Mittel der Gewalt zur Durchsetzung verzichtet. Sie wird, wenn sie die staatliche Gewalt als Mittel zur Durchsetzung in Anspruch nimmt zum Staatsrecht, denn nur was staatliches Recht ist, darf und muß auch per Gewalt durchgesetzt werden.
Die Preisfrage lautet also: soll das moralische Verbot des Freitodes durch staatlich legitimierte Gewalt durchgesetzt werden? Leider schweigen auch dazu die Vertreter der moralischen Ächtung des Freitodes! 
Und: ist es noch mit Humanität vereinbar,Menschen per Gewalt zum Weiterleben zu zwingen? Es geht ja nicht einfach nur um eine moralische Verurteilung des Freitodes sondern um ein Verbot einer Beihilfe zum Freitod und eventuell auch einer Einführung der Strafbarkeit des Freitodes, damit jede Beihilfe bestraft werden kann und eine Gewaltanwendung gegen Freitodwillige so gut fundiert ist.      


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