Mittwoch, 29. Juli 2015

Modernität und Kirche

"Der Streit um die Modernität der Kirche muss neu ausgetragen werden" erklärt Dr. Hähnel auf Kath net am 28.7. und liefert dazu  bedenkenswerte Überlegungen. Damit will er sich mit dem Argument der "Nichtzeitgemäßheit" der Kirche auseinandersetzen. Fragen wir erstmal, warum überhaupt der Begriff des "Zeitgemäßen" etwas Positives sein soll, sodaß es ungut ist, nicht "zeitgemäß" zu sein. Ganz banal könnte an die Jahreszeiten gedacht werden und dann läge es nahe, zu urteilen, daß es unklug ist, sich nicht gemäß der Jahreszeit zu kleiden, etwa im Wintermantel im Hochsommer spazieren zu gehen. Die Jahreszeiten mit ihren Besonderheiten geben uns einen Rahmen für das Wiesichbekleiden ab und es ist einsichtig, daß es sinnvoll ist, sich so zeitgemäß zu kleiden. Die Zeit normiert dabei uns nicht, sondern wenn wir bestimmte Ziele erreichen wollen, wie etwa, daß wir nicht frieren wollen, dann sagt uns etwa der Winter, daß wir dieses Ziel wohl kaum erreichen werden, wenn wir sommerlich gekleidet spazieren gehen wollen. 
Aber was meint denn nun der Begriff "Zeit", wenn man urteilt, daß etwas nicht mehr zeitgemäß sei? Etwa, daß früher Schwaz-Weiß-Filme im Fernsehen und im Kino üblich gewesen sind, daß es aber heuer nicht mehr zeitgemäß wäre, Filme in Schwarz-Weiß auszusenden, weil das Publikum nur noch farbige Filme sehen möchte. Dann wäre das Ziel, Filme so zu produzieren, daß viele sie ansehen und das erreiche man heuer nicht mehr durch Schwarz-Weiß- Filme. Diese Art von Film wäre somit veraltet. Der technische Progreß besteht eben im Farbfilm und deshalb könne und dürfe man heuer keine nichtfarbigen mehr herstellen. Aber so einfach ist es denn doch nicht, denn die Machbarkeit von Farbfilmen verpflichtet den Filmproduzenten ja nicht zum Farbfilm! Es könnte ja filmästhetische Gründe dafür geben, einen bestimmten Film in Schwarz-Weiß zu drehen- wie ja auch heute noch Photographen auch Schwarz-Weiß Bilder anbieten. Nicht schon allein die Möglichkeit zum Farbfilm als Zeichen der Modernisierung der Filmkunst verpflichtet zum Farbfilm, sondern allein die Meinung, daß, weil es Farbfilme gibt, auch nur noch Farbfilme von vielen gesehen werden wollen und man sich diesem Geschmack anzupassen habe, um viele zu erreichen.Dahinter steht eine Grundsatzentscheidung: MEIN ZIEL ist es, möglichst viele zu erreichen mit dem von mir produzierten Film und darum produziere ich ihn so, wie es wohl dem Massengeschmack gefällt.
Sollte in diesm Sinne der Vorwurf der Unzeitgemäßheit der Kirche verstanden werden, dann hieße dies, daß auch sie wie ein Filmproduzent gemäß dem Massengeschmack ihre "Produkte" zu produzieren habe und daß die Kirche dem nicht gerecht würde, weil sie noch für einen "veralteten" Geschmack produziere!
Aber kann und darf die Kirche ihren von Gott ihr gegebenen Auftrag wie ein Verkaufsprodukt gestalten und je nach dem sich ändernden Zeitgeschmack dann neu entwerfen, um halt anzukommen bei vielen Konsumenten? 
Nur, es darf vermutet werden, daß der Begriff des Zeitgemäßen doch noch etwas anderes meint als nur, daß sich eben der "Geschmack" der Menschen in der Zeit verändert und Produzenten das beachten müssen, wollen sie ihre Produkte gut verkaufen. Zur Veranschaulichung: Einst glaubten die Menschen, die Erde sei eine Scheibe und mann müsse Sorge tragen, nicht zu weit hinauszufahren ins offene Meer, damit man nicht herunterfalle ins.. ja in was? Dann wurden die Menschen klüger und erkannten, daß die Erde eine Scheibe sei und daß so die Sorge, herunterfallen zu können, sich erledigt hat. Die Zeit ist dann etwas, indem der Mensch sich aus der Dunkelheit der Unwissenheit und Unaufgeklärtheit Schritt für Schritt emporentwickelt.Auf der Höhe der Zeit zu sein, bedeutet dann auf der Höhe der jetzt erreichten Aufklärung zu leben und alles demgemäß auszurichten. Unzeitgemäß ist dann der, der den erreichten Stand der Aufklärung und des Erkennens noch nicht rezipiert hat, sodaß er an Erkenntnissen noch festhält, die der Fortschritt der Wissenschaften schon überwunden hat.  Das kann grob geurteilt meinen, daß die Religion generell ein Produkt mangelnder wissenschaftlichen Welt- und Menschenerkenntnis sei, sodaß es gälte: je mehr die Wissenschaft progressiert, desto mehr nimmt die Religion als vor- und unwissenschaftliche Welterklärung ab. Es kann aber auch etwas weniger grob geurteilt meinen, daß die Kirche alle ihre Aussagen zu überprüfen habe, ob sie noch mit dem jetzigen Stand der Erkenntnis inkompatibel sei und Nichtkpompatibles sei dann zu modernisieren.
Wenn also unter dem Begriff des Zeitgemäßen verstanden wird, der Stand und die Höhe der zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichten Erkenntnis des Wahren,Guten und Schönen, um es allumfassend zu benennen, dann hätte dieser Begriff tatsächlich eine normative Bedeutung  auch für die Theologie.  
Die implizite Voraussetzung dabei ist, daß auch alle theologischen Aussagen der Kirche, weil sie in der Zeit gemacht werden gemäß der Zeit sind, also auf der Höhe ihrer Zeit sich befanden und deshalb, weil die Zeit vorangeschritten ist und wir aufgeklärter und wissender geworden sind, sie jetzt nicht mehr auf der Höhe der Zeit sein können!
Aber kann dies progressive Zeitverständnis auf  von Gott offenbarte Wahrheiten appliziert werden? Sind nicht göttliche Wahrheiten Wahrheiten jenseits der Zeit, also ewige Wahrheiten, die in der Zeit erscheinen, aber eben gerade nicht Produkte der Zeit sind, also Hervorbringungen der Kultur auf dem zu einer bestimmten Zeit erreichten Niveau. Das Wahre der Zeit einzupassen, setzt nämlich voraus, daß es gar nicht wahr war, sondern nur eine Annäherung an die Wahrheit und daß die jetzige Erkenntnis das, was vordem als Erkenntnis galt, widerlegt hat!   Vulgär gedacht: die Urchristen glaubten an den Teufel und Daimonen, wir sind da aufgeklärt und wissen es so besser und darum urteilen wir, daß in diesem Punkte die Urchristen sich falsche Vorstellungen davon gemacht hätten, daß wir es ihnen aber nicht zum Vorwurf machen können, weil man es damals halt noch nicht besser wußte. Ganz unreflektiert und naiv wird der Erkenntnisfortschritt, einst glaubten Menschen, die Erde sei eine Scheibe, jetzt wissen wir, sie ist kugelförmig , auf alle Gebiete des Wissens übertragen, als wäre alles, was einst gut, schön und wahr war, es nun nicht mehr, weil wir jetzt alles wahrer, schöner und besser hervorbringen könnten und es auch tun! 
Aber schon die Ästhetk zeigt uns etwas  anderes: ein Goethe, ein  Thomas Mann, etc bleiben Hochliteratur, auch wenn sie der Vergangenheit angehören, während Meere von jetzigen Bestsellern morgen schon auf dem Ramschtisch landen. Richard Wagners Musik wird  noch gespielt, wenn 90 Prozent unser heutigen Musikproduktion, die ganz und gar zeitgemäß ist, keiner mehr hören mag! Ja, man darf hier wohl urteilen, daß gerade das Nichtzeitgemäße den wahren Kern der Kunst ausmacht und daß sie gerade darum den Lauf der Zeit überlebt, weil sie in, aber nicht aus der Zeit ihres Entstehens ist.  Und so ist zum Schluß dieser kleinen Betrachtung zu fragen: ist nicht das Wesen der Religion ihr Unzeitgmäßsein, weil sie aus der Ewigkeit, dem Jenseits ihren  Grund hat und daß sie nur in der Zeit erscheint als etwas Überzeitliches?

Corollarium 1
Man kann die Moderne aber sehr wohl begreifen als Säkularisierung der christlichen Religion, in dem Sinne, daß das, was der Christ von Gott erwartet, er nun als seine Aufgabe ansieht- daß das Reich Gottes zur Aufgabe des Menschen wird und die Zeit der Raum, in der er diese Aufgabe bewältigen will. Das Reich Gottes wird dabei verzeitlicht zu einem Entwicklungsprogramm, daß der Mensch vor der Moderne schon angefangen hat, unter falschen , weil religiösen Vorstellungen und daß es nun gelte, den wahren Kern der christlichen Religion zu realisieren als dem Projekt der Humanisierung der Welt. So gesehen ist die Moderne noch ein Abbild der christlichen Religion, indem die Religion aufgehoben wird in der Praxis der Humanisierung der Welt. So steht die Moderne den ewigen Wahrheiten der christlichen Religion nahe und doch auch fern gegenüber.  
    
                   

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen