Samstag, 7. November 2015

Totaler Relativismus in der Kunst? Ein Beitrag dazu

Jeder weiß, daß  Karl May, Hedwig Courths Mahler, die Groschenromane zur Trivial- oder noch abfälliger zur Schundliteratur gehören, Thomas Mann, Ernst Jünger und Goethe und Schiller sowieso zur Hochliteratur. Aber welch eine Enttäuschung, frägt man einen Studenten der Germanistik nach der wissenschaftlichen Begründung dieses Werturteiles! Eigentlich sei das alles nur eine Frage des Geschmackes! Oder es gehört eben zum guten Ton, die Gattung der Liebes- und Abenteuerromane gering zu schätzen und stattdessen die Klassiker zu lesen, oder zumindest zu sagen, daß man sie schätzt.
Preisfrage: "Aber alle Menschen können nicht glücklich werden. So wollen wir uns mit dem begnügen, was uns das Schicksal geben will." Ist das ein Zitat aus einem literarischen Werk, das der Trivialliteratur oder der gehobenen Literatur zugerechnet wird? Kann man das an Hand dieses Zitates erkennen, oder müßte das ganze Werk gelesen werden, damit das Zitat bewertet werden kann? Als kleine kritische  Anmerkung zu Roland Barthes Essay: Der Tod des Autors: am Rande dieses Zitates steht bei mir: Fontane! Also, das ist einer der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller und wer bewunderte nicht seine "Effie Briest" oder seinen "Stechlin"! Also, ist dieser Ausspruch im Geiste des ironisch-resignierten Alterswerkes dieses Künstlers zu deuten, als lebenserfahrener Realismus! Der Autor sagt mir, wie ich den Text zu deuten habe. Nicht geht es um eine Autorenintention, die nun als hinter dem Text sich befindend zu erforschen, sondern die Qualität des Autoren sagt mir, was für eine Qualität der Text hat. Das ist so, als urteilte ich, daß ich, um zu wissen, ob die Früchte eines Baumes gute oder schlechte sind, es nicht möglich sei, das an den Früchten zu erkennen, sondern ich müßte die Qualität des Baumes kennen, um von daher die Qualität seiner Früchte erkennen zu können! Gute Bäume bringen gute, und schkechte Bäume bringen schlechte Früchte hervor, so der scholastische Grundsatz, daß das Sein dem Tuen vorausgeht, und daß die Qualität des Seins die Qualität des Getanen bestimmt.  
Wie ist also dieser Ausspruch als einer von Fontane zu deuten? Offenkundig ist er vieldeutig und gerade so gehaltvoll- er läßt sich nicht einfach auf den Begriff bringen im Sinne von: genau das wollte der Schriftsteller damit sagen! Schon allein der Begriff des Schicksales, was für ein Meer an Assoziationen setzt er frei, zumal, wenn er in diesem Kontext verbunden wird mit der Aussage, daß nicht alle Menschen glücklich werden können,- daß also das Schicksal das verantwortet.
Aber jetzt habe ich den Leser doch etwas arg hinters Licht geführt, denn in Wirklichkeit steht unter dem Zitat der Autorenname Hedwig Courths Mahler! Also ist das jetzt ein trivialer Ausspruch, über dessen Inhalt, dem der Schicksalsergebenheit man sich zu mokieren hat- und aus feministischer Sicht darf man dann noch hinzufügen, daß dies eine typisch patriachalistische Sicht der Frau ist, deren Lebensbestimung es nun mal sei, das Leben so hinzunehmen, wie Frau es in dieser Männerwelt erleidet! Nur, welche Deutung wird denn nun diesem Zitat wirklich gerecht? Könnte es nicht sein, daß geurteilt werden muß, daß auch diese kleine Textpassage sich von seiner Autorin soweit emanzipiert, daß man den Text unter Absehung der Autoren als autonomes Kunstwerk zu betrachten hätte? So Roland Barthes in seinem Essay (jetzt leicht zugänglich in: Texte zur Theorie der Autorschaft Reclam, 2000) Können wir einen Text so lesen, daß wir aus ihm heraus die Qualität erkennen können?
Angeblich soll in einer Seminarsitzung im Fachbereich evangelischer Theologie ein Text an drei selbstständig tagende Arbeitsgruppen ausgeteilt worden sein mit dem Arbeitsauftrag einer kritischen Analyse des Textes. Die Studenten waren alle mehr oder weniger links eingestellt, wie es zu dem Zeitpunkt des Experiments üblich war. Der ersten Gruppe sagte der Dozent, der Text stamme von einem als evngelical-konservativ Verschrienen, der zweiten, daß er von einem bekannten  Liberalen stamme und der dritten Gruppe, daß er von einem links-progressiven Autoren stamme! Wen wundert das Ergebnis, daß die erste Gruppe den Text einfach nur als  reaktionär und frauenfeindlich abqualifizierte, die zweite als liberales Geschwätz und die dritte Gruppe als echt vorwärtsweisend? Ich weiß nicht, ob dies Experiment wirklich so stattgefunden hat, mir ist es nur so erzählt worden- aber ich zweifele nicht daran, daß, führte man es so aus, es dies Ergebnis zeitigen würde! Der Autor qualifiziert für den Leser die Qualität des Textes- kennt er den nicht, wie soll er dann den Text noch bewerten können? Nur, was hat das noch mit Wissenschaft zu tun? Wir verfügen als kulturell Gebildete über Schubladen, in der Autoren nach ihrer Qualität und Zitierfähigkeit abgestuft eingeordnet sind. Halten wir uns an sie, liegen wir im Kulturleben richtig. Aber begründen kann man dieses Werturteil nicht mehr! Man suche einmal in einer so großen Ästhetik wie der Adornos oder der von Georg Lukacs nach einer Kriteriologie für ein Werturteil im Raume der Ästhetik! 
Die Ästhetik als Lehre vom Schönen kann nicht mehr begründet sagen, was warum als schön zu gelten hat und warum überhaupt das Schöne zu erstreben sei!  Für die postmoderne Kultur scheint es nur noch einen Wert eines künstlerischen Werkes zu geben, nämlich den seiner Verkaufbarkeit! Es ist so alles eben nur noch relativ und subjektivtisch beliebig geworden.  

Wenn es das Anliegen Barthes ist, dem Text eine Autonomie dem Autoren gegenüber zu verschaffen, damit der Text wahrgenommen wird, anstatt daß nach einer Wahrheit hinter dem Text gesucht wird, der der der Autorenintention sein soll, so ist der postmoderne Gebrauch des Autorennamen der, die Qualität des Textes zu bezeichnen; merke: ein Beuys Kunstwerk ist ein Kunstwerk, weil da und nur weil da sein Name drunter steht!
    

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