Donnerstag, 12. November 2015

Papst Johannes Paul II. als Theologe-zum Freitod

Johannes Paul II. hat in seiner Enzyklika „Evangelium vitae“ (Evangelium des Lebens) vom 25. März 1995 dazu ausgeführt (Ziff 66):
„Nun ist Selbstmord immer ebenso sittlich unannehmbar wie Mord. Die Tradition der Kirche hat ihn immer als schwerwiegend böse Entscheidung zurückgewiesen. Obwohl bestimmte psychologische, kulturelle und soziale Gegebenheiten einen Menschen dazu bringen können, eine Tat zu begehen, die der natürlichen Neigung eines jeden zum Leben so radikal widerspricht und dadurch die subjektive Verantwortung vermindert oder aufgehoben sein mag, ist der Selbstmord aus objektiver Sicht eine schwer unsittliche Tat... In seinem tiefsten Kern stellt der Selbstmord eine Zurückweisung der absoluten Souveränität Gottes über Leben und Tod dar... Die Selbstmordabsicht eines Anderen zu teilen und ihm bei der Ausführung durch die sogenannte ‚Beihilfe zum Selbstmord‘ behilflich zu sein, heißt Mithelfer und manchmal höchstpersönlich Täter eines Unrechts zu werden, das niemals, auch nicht, wenn darum gebeten werden sollte, gerechtfertigt werden kann... Die Tat der Euthanasie erscheint umso perverser, wenn sie von denen ausgeführt wird, die – wie die Angehörigen – ihrem Verwandten mit Geduld und Liebe beistehen sollten, oder von denen, die – wie die Ärzte – aufgrund ihres besonderen Berufes dem Kranken auch im leidvollsten Zustand seines zu Ende gehenden Lebens behandeln müssten“. (zitiert nach Kath net vom 12.11. 2015)
Dieser Papst macht einem gläubigen Katholiken das Leben wahrlich nicht einfach! Man denke nur an den Kuß des Korans! Er küßte ihn, wie sonst nur ein Priester in der hl. Messe das Evangelium- und dann das unselige Friedensgebet zu Assisi! Aber dieser Text scheint doch gut katholisch, in der Lehrtradition der Kirche zu stehen! Nur, warum distinguiert dann dieser Text nicht zwischen Tötung und Mord? Das ist aber für die Moraltheologie von gravierender Bedeutung. Denn ein Soldat tötet zwar im Kriege, aber er mordet nicht, denn eine Tötungshandlung wird erst zum Mord, wenn sie die Tötung aus niederen Motiven erstrebt, etwa wie im Falle eines Raubmordes, wo ein Mensch getötet wird, um sich dann zu bereichern. So ist es keine Selbstverständlichkeit, daß jede Selbsttötung aus niederen Beweggründen erwünscht und vollzogen wird. Der evangelische Theologe D. Bonhoefer erachtet so den Freitod für legitim in dem Falle, daß ein Geheimnisträger in feindliche Gefangenschaft gerät, und der dann sich tötet, um einen Verrat unter Folter zu verunmöglichen.In biographischen Ausdeutungen dieser These wird gemutmaßt, daß der Theologe in Widerstandskreisen engagiert, damit  Stellung nimmt zur Frage: was tun, wenn einer der Verschwörer gegen Hitler verhaftet würde und er befürchten muß, zur Preisgabe der Mitverschwörer gezwungen werden zu können. 
Daß der Papst dann noch den Freitod als der "natürlichen Neigung"zum Leben widerspricht, verurteilt, ist noch peinlicher, denn die Kirche verlangt ja- rechtens, in guter Ordnung, daß Priester gegen ihre natürliche Neigung zölibatär leben müssen! Wenn alles, was wider die natürliche Neigung des Menschen gerichtet ist, sündhaft wäre, dann  müßte der Zölibat zu allerserst abgeschafft werden. Er ist widernatürlich, aber doch eine gute Ordnung für denPriesterstand! 
Nun wird der Text gar hochtheologisch mit seiner steilen These, daß der Freitod eine "Zurückweisung der absoluten Souveränität Gottes über Leben und Tod" sei. Aber in diesem Punkte vergaß der Papst schlichtweg die Lehre vom Staat, daß er nach der Katholischen Morallehre das Recht auf Kriegführen (wenn es ein gerechter Krieg ist) und das Recht zur Todessstrafe besitzt und daß beide Rechte Gott selbst dem Staate gegeben hat. Wie Gott eben das Privileg, daß nur er Sünden vergeben kann, auflöst, indem er Priestern die Vollmacht zur Sündenvergebung durch die Spendung des Weihesakramentes verleiht, so verleiht er auch dem Staat, in Extremsituationen als gottgewollte Schwertgewalt zu töten. 
Auch wird pauschaliter behauptet, ohne eine Begründung, daß das Gebot der Liebe jede Art von Beihilfe zum Freitod ausschlösse, obwohl doch gerade Anverwandte oft gerade aus Liebe zum den Freitod Wünschenden diesem Wunsche nachgehen. Einfach gesagt:der Anblick von Menschen im Sterbenskampf, ihr qualvolles Sterben, läßt gerade bei liebenden Angehörigen den Wunsch entstehen, der Bitte zur Beihilfe nachzugeben. Selbst wenn man dann eine solche Beihilfe noch moralisch verurteilen will, nicht abgesprochen werden kann dann dem Beihelfer, daß er aus Mitleid und somit aus Liebe handelte. 
Man wird aber auch theologisch tiefgründiger fragen dürfen, ob hier nicht des Papstes Neigungen und Sympathien für die philosophische Richtung des Personalismus zu solchen fragwürdigen Positionen ihn verleitet haben. Denn das philosophische Denken des Personalismus- als Hyperreaktion auf Denktraditionen, die um des Ganzen willen, das Einzelne und den Einzelnen zurückstellen (isb. so Hegel und ihm folgend Marx) wird dem Menschen nicht gerecht, weil sie ihn anthropologisch nicht mehr als Gattungswesen denkt, (das inkludiert immer auch den Vorrang der Gattung vor dem Individuum) und weil sie ihn abstrahiert aus seinem realen sozialen Leben, aus sozialen Zusammenhängen, die in Extremsituationen das Opfer des eigenen Lebens fordern zum Wohle der Gemeinschaft, der man angehört. 
Sinnvoll wäre der Text so nur, wenn der Begriff des SelbstMORDES ernst genommen werden würde, sodaß mit diesem Begriff der Unterschied mitgesetzt wäre zu einer gewollten Selbsttötung. Dann würde der Text so zu lesen sein: wenn ein Freitod aus  niederen Beweggründen erstrebt wird oder die Beihilfe zum Freitod aus niederen Beweggründen, dann ist das sündig. 
Aber das problematischste ist nun die Vita des Papstes selbst. In allen Medien wurde berichtet, daß er sterbend eine lebensverlängernde Operation unterließ, er wollte sich ihr nicht unterziehen, und so starb er wahrscheinlich früher, als wenn er sich noch dieser Operation unterzogen hätte. Wenn ich sterbend eine weitere medizinische Behandlung ablehne, obwohl ich weiß, daß durch diese Verweigerung ich wahrscheinlich früher sterben werde, als ließ ich sie zu, dann bestimme ich so über mein Leben, daß ich früher sterben werde als es notwendig wäre. Man kann ja den eigenen Tod nicht nur durch ein aktives Tun verursachen, sondern auch
durch ein Unterlassen herbeiführen, etwa indem die Einnahme überlebensnotwendiger Medikamente verweigert wird oder die Ausführung einer lebensnotwendigen Operation. In seiner eigenen Causa urteilte dieser Papst also ganz anders als in seinem Lehrschreiben, denn er erachtete es hier für sich als moralisch legitim, auf eine medizinische Maßnahme zu verzichten, die das Sterben nur hinausgezögert hätte, und so früher zu sterben! Damit tat er genau das, was er sonst als einen Verstoß gegen die Souveränität Gottes verurteilt, daß er sein Leben beenden ließ durch eine Unterlassung!    
Denn im Prinzip ist es kein wesentlicher Unterschied, ob ein Sterbender sich aktiv durch die Einnahme von Gift töten läßt oder passiv durch ein Einstellen von lebenserhaltenden Maßnahmen oder durch die Verweigerung von überlebensnotwendigen medizinischen Behandlungen. Immer entscheidet er sich dafür, daß er ein schnelleres Absterben einem Weiterleben, das aber schon ein auf den Tod zugehendes und davon bestimmtes ist, vorzieht. Er bestimmt damit über sein Leben, was er aber nach dem Urteil dieses Papstes eigentlich gar nicht dürfte! 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen