Donnerstag, 31. März 2016

Islam und Toleranz

"Türkei verstaatlicht Kirchen in Diyarbakir Damit ist in der mesopotamischen Metropole, die auf eine lange christliche Tradition zurückblickt, nun keine einzige Kirche mehr zum Gottesdienst geöffnet.", berichtet Kath net am 30.3. 2016. Während in unseren Medien Huldigung über Huldigung des ach so toleranten und friedliebenden Islam gebracht werden, werden in der Türkei klare Fakten geschaffen: Das Christentum wird hier als in der Öffentlichkeit lebende Religion abgeschafft. Nun werden unsere Gutmenschen respondieren, daß es eben den guten und den von Fanatikern mißbrauchten Islam gebe, und daß so der wahre Islam tolerant und friedfertig sei. Aber eines ist bei diesem Dualismus doch befremdlich: Daß, je mehr Macht der Islam innehat, desto intoleranter wird er und nur wo er schwach ist, steht er für Pluralität und Toleranz ein! Die Spruchweisheit: Macht verdirbt den Charakter ist leider ein Irrtum, verkennt er doch, daß gerade Menschen in subalterner Stellung sich so verhalten, wie es die von ihnen verlangen, die Macht über sie haben. Je abhängiger von Anderen jemand ist, desto angepaßter lebt er- aber wenn er dann zu Macht kommt, dann kann er erst wirklich zeigen, was wirklich in ihm steckt. Gebe Menschen Macht, und sie offenbaren ihren wahren Charakter. Denn über keine Macht zu verfügen, heißt in der Regel, oft nicht das Gewünschte realisieren können- aber im Wünschen und Begehren sind wir authentischer als im realen Leben, denn das ist für die meisten Menschen der permanente Kompromiß zwischen dem Gewünschten und dem Realisierbaren. Erst wo eine Religion zur Macht kommt, offenbart sie so ihren wahren Charakter.  
Überhaupt erfreut sich der Begriff des Mißbrauches der Religion einer problematischen Beliebtheit unter Kommentatoren des "islamischen Terrors". Zumindest impliziert der Begriff des Mißbrauches doch, daß etwas mißbrauchbar ist, sodaß auch dies zu seinen inneren Möglichkeiten gehört. Dem Alkohol wohnt es als Möglichkeit inne, mißbraucht zu werden zum Betrinken. So muß zumindest auch dem Islam die Möglichkeit zur intoleranten Herrschaft innewohnen. Zudem müßte konzediert werden, daß schon der Stifter dieser Religion seine Religion in der Gestalt von heiligen Kriegen mißbraucht habe. Nur evoziert dies dann die Frage, ob denn nicht der Gründer einer Religion selbst ein normativer Maßstab für die von ihm gestiftete Religion ist, um den Gebrauch von einem Mißbrauch zu unterscheiden. 
Es drängt sich der Verdacht auf, daß diese Kommentare über den friedfertigen Islam Lämmern gleichen, vor denen ein hungriger Wolf steht, und die Lämmer nun auf die Wölfe beschwörend einreden, daß sie doch Vegetarierer sind. Das sagen die Lämmer nicht, weil sie glauben, Vegetarierer vor sich zu haben sondern sie sagen es, hoffend, den Wölfen einreden zu können, daß sie doch eigentlich vegetarisch sind. Sprache sagt nicht einfach immer nur, was ist, sondern soll oft erst eine Wirklichkeit schaffen: Sei so! Gleich einer Beschwörungsformel wird dem Islam so das Wunschbild eines toleranten und friedfertigen Islam vor Augen gemalt.   

Corollarium 1
Man kann sich ja auch des Verdachtes nicht ganz erwehren, daß der Pazifismus des Urchristentums korrspondierend mit dem Vertrauen auf Gottes Endgericht am Ende der Zeiten der Einfluß- und Machtlosigkeit des Urchristentums mitverdank ist. Je machtloser der religiöse Mensch, desto mehr setzt er auf Gottes Macht und Gewalt, am Ende alles -auch gewaltsam- zu richten. Kommt er zu Macht, wandelt sich sein Selbstverständnis, denn nun setzt auch er als Cooperator des Macht- und Gewaltgottes Gewalt für religiöse Anliegen ein! Mit Gott zum Schwert greifen, setzt so ein Mindestmaß an Macht voraus, und genau diese Teilhabe an der Macht läßt dann den religiösen Pazifismus verschwinden. Denn der Pazifismus gehört wesenshaft zu keiner monotheistischen Religion, sondern verdankt sich in der Regel der Lage der Machtlosgkeit der einer monotheistischen Religion Angehörenden. Nur der zensierte Gott ist ein pazifistischer Gott.  Das Projekt einer Pazifizierung setzt aber denknotwendig den heiligen unzensierten Gott des Ursprunges der Religion voraus.  (Vgl dazu auch Peter Sloterdijk: Zorn und Zeit)                

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