Samstag, 31. Dezember 2016

Über einen plumpen Versuch, Merkels Flüchtlingspolitik theologisch zu rechtfertigen

Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt....“
eine theologische Legitimierung der Politik der offenen Grenzen?

  1. Wie mit der Bibel umgehen?

Professor Zulehner bezeichnete diese Aussage: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40) als den Kern einer christlichen Kriteriologie zur Beurteilung der Frage des Umgehensweise mit Flüchtlingen und Asylanten im Rahmen seines Vortrages: „Entängstigt euch“ in Vilshofen. Dem Vortrag lag sein gleichnamiges Buch zu Grunde. Hier soll nun nicht der Vortrag diskutiert , sondern sich auf diese eine Aussage kapriziert werden unter dem Aspekt des Wieumgehens mit der hl. Schrift. Was niemanden verblüffen wird, bekannte der Professor sich in antifundamentalistischer Intention zur Historisch-Kritischen Methode, um gleich unter breiter Zustimmung der Hörerschaft zu urteilen, daß nur noch Fundamentalisten etwa die Aussage, die Frau schweige in der Gemeinde, als ein echtes Pauluswort annehmen, oder gar ihm heute noch eine Bedeutung zukommen ließen. Reden wir Klartext: Jedem ist klar, daß das Ergebnis einer korrekt durchgeführten historisch korrekten Ausdeutung dieser Stelle uns Heutigen sagt: Nur da, wo Frauen zu Worte kommen, ist die wahre Gemeinde Jesu.
Aber wie verhält es sich nun mit der Aussage von Mt 25,40? Erstaunlicherweise wird diese Stelle nun geradezu biblizistisch-fundamentalistisch auf Flüchtlinge appliziert und der Text sagt nun uns: „Wer einen Flüchtling aufnimmt, der nimmt Christus auf und wer ihn nicht aufnimmt, nimmt auch Christus nicht auf.“ Ja, die Frage, wie stehe ich zur Regierungspolitik in der Flüchtlingsfrage hat nun eschatologische Bedeutung. Sie entscheidet über unser Seelenheil!
Aber Professor Zulehner mußte konstatieren, daß selbst dies biblische Argument christliche Kritiker der Regierungspolitik nicht überzeuge, so uneinsichtig seien die. Das läge aber daran, daß diese Kritiker von Angst sich bestimmen lassen, die so vernünftigen Argumenten nicht zugänglich seien. Deshalb müssen diesen Menschen geholfen werden, sich zu entängstigen, ihr defizitäres Grundvertrauen in das Leben zu überwinden. Aber dies Entängstigungsprogramm können wir hier auf sich beruhen lassen, zumal es auf die Trivialität hinausläuft, daß in persönlichen Kontakten zu Flüchtlingen, insbesondere zu Flüchtlingskindern diese rein irrationale Angst therapierbar seien.
Aber was ist denn nun von dieser : Was sagt uns das heute Auslegung dieser Mt-Stelle zu halten?, die da so energisch uns vorgetragen wird als für jeden doch ad hoc einsichtige allein selig machende Exegese. Augenfällig ist, daß gar keine Exegese geleistet wird sondern sofort aktualisiert wird: Die geringsten Brüder sind die Bootsflüchtlinge des Mittelmeeres. So sieht das ja auch Kardinal Woelki mit seiner spektakulären Fronleichnamsprozession mit dem eigens dazu herbeigeschafften Flüchtlingsboot: Jesus Christus sitzt mitten unter den Bootsflüchtlingen und er ertrinkt auch mit ihnen im Meer!

  1. Auslegung oder ideologische Interpretation?

Nur, ist das eine legitime Auslegung oder bestimmen hier die ideologischen Vorgaben der politischen Korrektheitsideologie die aktualistische Auslegung des Textes? Die Auslegung steht und fällt mit der Frage: Wer ist Jesu Bruder? Und hier gibt uns Jesus Christus eine eindeutige Antwort. „Dem, der ihm das gesagt hatte, erwiderte er:Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder?Und er steckte die Hand über seine Jünger aus und sagte:Das hier sind meine Mutter und meine Brüder.Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“ (Mt 12,49f) Jesu Antwort ist eindeutig: Es sind die, die den Willen Gottes erfüllen und somit nicht alle Menschen. Diskussionswürdig ist zwar die Frage, ob von allen Jüngern, besser wäre die Übersetzung:von allen Schülern ausgesagt werden kann, daß sie den Willen des Vaters erfüllen und es kann auch gefragt werden, ob es denkbar ist, daß auch von Nichtchristen aussagbar ist, daß sie den Willen des himmlischen Vaters erfüllen können, wenn es ihnen objektiv unmöglich war, Christ zu werden, wie etwa dem Philosophen Platon, aber eindeutig ist, daß hier auf keinen Fall Jesus sich als der Bruder von allen Menschen versteht.
Der Prolog des Johannesevangeliums verdeutlicht dies noch einmal prinzipiell: Jeder Mensch ist durch den göttlichen Logos geschaffen, („und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist“ Joh 1,3) und das gilt auch für jeden Menschen, aber es gilt nur für die Christen, daß sie Kinder Gottes sind: „Allen aber, die ihn aufnahmen [Jesus Christus]gab er die Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben.“ (Joh 1,13). Es muß also distinguiert werden zwischen der Schöpfungslehre, daß jeder Mensch ein Geschöpf Gottes ist und der Erlösungslehre, nach der nur der Christ Kind Gottes oder Bruder Jesu Christi ist.

  1. Die Brüder Jesu und ihr Lohn

Nun gibt es nach Jesu Lehre aber unter den Christen geringe und somit auch nicht geringe Christen.
Wer nur einen geringen Christen aufnimmt, der nimmt mich auf, lautet dazu Jesu Verheißung.Was kann das meinen? Lesen wir dazu Mt 10,40-42:„Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat. Wer einen Propheten aufnimmt, weil er ein Prophet ist, wird den Lohn eines Propheten erhalten. Wer einen Gerechten aufnimmt, weil er ein Gerechter ist, wird den Lohn eines Gerechten erhalten.Und wer einen von diesen Kleinen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil er ein Jünger ist-amen, ich sage euch: Er wird gewiß nicht um seinen Lohn kommen.“ Propheten, Gerechte und Kleine, drei Gruppen von Christen führt hier Jesus an. Was immer nun die Gruppe der Kleinen von der der Propheten und Gerechten unterscheidet, auch sie sind Christen. Wer einen dieser drei Gruppen aufnimmt, dem verheißt Jesu hier Lohn. Aber es muß dabei eine Bedingung seitens des Aufnehmenden erfüllt sein, damit sie Lohn empfangen werden. Es muß der Prophet aufgenommen werden, weil er ein Prophet ist und der Gerechte, weil er ein Gerechter ist und der Kleine, weil er ein Christ ist. Es liegt nun nahe, zu urteilen, daß die Kleinen die sind, die nur als Christen sich auszeichnen, während die Anderen eben im Besonderen sich durch ihre Prophetie oder ihre besondere Gerechtigkeit auszeichnen. Es sei daran erinnert, daß nach Matthäus Gerechtigkeit ein quantifizierbarer Begriff ist: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer“. Man kann mehr oder weniger gerecht sein. Die Gerechten zeichnen sich dann von den anderen Christen durch ein Mehr an Gerechtigkeit aus.
Die Aufnehmer sind also Christen, die andere Christen, weil sie Propheten oder Gerechte oder weil sie „nur“ Christen sind, aufnehmen. Aber was meint nun hier das Verb: Aufnehmen? Hier kann uns ein Umweg weiterhelfen: „Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab, wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat.“ Lk 10,16. Hier haben wir eine Aussage Jesu, in der ein Verhalten seinen Schülern gegenüber als ein Verhalten dem Lehrer der Schüler gegenüber gewertet wird. Wie man sich den Schülern Jesu gegenüber verhält, so verhält man sich ihm gegenüber und so auch dem gegenüber, der Jesus Christus gesandt hat,Gott selbst. Wie begründet sich nun diese Identifizierung, daß das Verhalten dem Schüler gegenüber das dem Lehrer gegenüber ist? Der Grund ist der, daß der Schüler nichts anderes lehrt und verkündet, als das, was er von seinem Lehrer gelehrt bekommen hat. Darum gilt: Wer euch, meine Schüler hört, hört mich, denn als Schüler lehren sie das, was ihnen ihr Lehrer gelehrt hat. Die Identität der Lehre bewirkt, daß gilt: wer meine lehrenden Schüler aufnimmt, der nimmt mich auf!
Das Aufnehmen meint also, daß christliche Gemeinden Christen, die nicht zu ihrer Gemeinde gehörten, in ihre Gemeinde aufnehmen, damit sie da lehren,was der Lehrer ihnen gelehrt hat. Und den Aufnehmenden verheißt Jesus Christus Lohn, selbstredend himmlischen. So sammeln sie Schätze im Himmel. Aber der Lohngedanke verweist uns nun doch noch auf eine andere Spur: Wo vom himmlischen Lohn im Urchristentum die Rede ist, da fehlt selten der Oppositionsbegriff des irdischen Lohnes. Auch hier gibt es eine eindeutige Aussage Jesu: Zu den von ihm zum Verkündigungsdienst Erwählten und Ausgesandten sagt er, daß wenn sie in dem Gebiet ihrer Aussendung ein Haus finden, das sie gut aufnimmt: „Bleibt in diesem Haus, eßt und trinkt, was man euch anbietet; denn wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn.“ Lk 10,7. Langsam wird es klarer: Von Christus zum Verkündigen Ausgesandte finden eine gute Aufnahme. Dort wirken sie dann als Verkünder und sie werden dann auch dort versorgt mit dem Lebensnotwendigen. Das ist ihr Lohn für ihr Verkündigungswerk. Weil sie als von Christus Ausgesandte aufgenommen werden,gilt nun dem so sie Aufnehmenden die Verheißung des himmlischen Lohnes. Gott belohnt sie dafür, daß sie die Boten Gottes aufnahmen und daß heißt nun einerseits, sie da wirken lassen als Verkünder und sie solange sie sich um ihres Dienstes willen da aufhalten, so versorgen.
Hören wir nun Paulus zu dieser Causa. Ihm war nämlich in der korinthischen Gemeinde der Vorwurf gemacht worden, daß er von seinem Recht als Apostel, von der Gemeinde, in der er nun wirkte, versorgt zu werden, keinen Gebrauch mache. Das führte zur Anfrage, ob er vielleicht gar kein rechter Apostel sei, da er das Recht des Amtes des Apostels nicht in Anspruch nimmt! Paulus respondiert darauf so: Es ist Recht, daß die anderen Apostel, die in Korinth gewirkt haben, dies Recht des Versorgtwerdens in Anspruch nahmen. „Aber wir haben von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht.“ (1.Kor 9,12). Paulus legitimiert dies apostolische Recht dann noch ausdrücklich durch einen Verweis auf den Alten Bund mit seiner Priesterordnung! „“Wißt ihr nicht, daß alle, die im Heiligtum Dienst tun, vom Heiligtum leben, und daß alle, die am Altar Dienst tun, vom Altar ihren Anteil erhalten?“ (9,13) um dann die Konsequenz zu ziehen: „ So hat auch der Herr denen, die das Evangelium verkündigen, geboten, vom Evangelium zu leben.“ (9,14). Bedenkenswert ist hier der Schluß von der Versorgung der Priester des Alten Bundes auf die Versorgung der Verkünder des Evangeliums: Sie haben wie die Priester ein Recht auf eine Versorgung, sodaß sie keinem weltlichen Beruf nachzugehen haben, um ihren Lebensunterhalt sich zu verdienen. Sie bekommen ihn als Lohn für ihren Evangeliumsdienst.

  1. Wanderprediger und urchristliche Gemeinden

Was haben wir nun erreicht? Wir haben nun urchristliche Gemeinden vor Augen, in denen Evangeliumsverkünder auftraten und es nun galt, wie die Verkünder zu unterhalten sind! Die Regel lautete nun- sehr komplex: Wer einen Evangeliumsverkünder aufnimmt, weil er das Evangelium verkündet, dem verheißt Jesus Christus himmlischen Lohn. Zu dieser Aufnahme gehört aber nicht nur das Wirkenlassen der Verkünder sondern auch, daß sie unterhalten werden, damit sie frei von weltlicher Erwerbstätigkeit ganz sich in den Dienst der Verkündigung stellen konnten. Der theologische Spitzensatz lautet dabei: Wer Schüler als Lehrer und Verkünder des vom göttlichen Lehrer Gelehrten aufnimmt, der nimmt den Lehrer auf ob der Identität des Gelehrten bzw. Verkündeten. Das soll nun nicht nur für prophetische Verkünder gelten und für solche, die im besonderen Rufe der Gerechtigkeit steht wie etwa der Herrenbruder Jakobus, der den Ehrentitel: der Gerechte führte, sondern für jeden Verkünder, also auch für die kleinen, die nicht prophetisch waren oder besonders gerecht!
Ein kurzer Blick in die Didache zeigt uns, daß diese Ordnung nicht problemlos war! Da diese Causa wirklich ein Problem für die sich herausbildende Kirche war, zeigt aufs ausdrücklichste die Didache, in der das Problem der Aufnahme von Wanderpredigern expliziert wird. „Aber hinsichtlich der Apostel und Propheten verfahrt nach der Weisung des Evangeliums so: Jeder Apostel, der zu euch kommt, soll aufgenommen werden wie der Herr.“ (Didache,12,3) Der darauf folgende Punkt verdeutlicht das Problem. „4. Er soll aber nur einen Tag lang bleiben; wenn aber eine Notwendigkeit besteht, auch den zweiten. Wenn er aber drei bleibt, ist er ein Pseudoprophet.“Die Didache unterscheidet zwischen Propheten und Pseudopropheten. Erstaunlicherweise wird nun aber diese Unterscheidung nicht mit dem Inhalt der Verkündigung begründet, daß ein Falschprophet ein anderes Evangelium verkündet, wie es der Apostel Paulus in dem Galaterbrief vor Augen hat!
Die Didache hat also Prediger vor Augen, die sich ihren Lebensunterhalt in der Gemeinde durch sie verdienen möchten. Sie stehen dabei in einer Konkurrenz zu den Episkopen vor Ort, die die Gemeinde schon zu unterhalten hatte. Im 1.Timoteusbrief wird über sie gesagt: „Älteste, die das Amt des Vorstehers gut versehen, verdienen doppelte Anerkennung, besonders solche, die sich mit ganzer Kraft dem Wort und der Lehre widmen. Denn die Schrift sagt: Du sollst dem Ochsen zum Dreschen keinen Maulkorb anlegen und: Wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn.“ (1.Tim 5,17f). Hier geht es wirklich um den irdischen Lohn. Damit der Gemeindevorsteher sich mit ganzer Kraft dem Wort und der Lehre widmen kann, soll er von den Notwendigkeiten eines Broterwerbes befreit werden. So kann er gerade seiner Gemeinde dienen, die ihn dafür unterhält.
Aber nun kamen in eine von einem Vorsteher schon geleiteten Gemeinde Propheten und Lehrer mit dem Anspruch, daß auch sie von dieser Gemeinde für ihren Predigt- und Lehrdienst zu unterhalten sind! Sie treten auf mit dem Anspruch, daß, wer sie aufnimmt, den Herrn aufnimmt und wer sie nicht aufnimmt, den Herrn verstößt. Es bedarf keiner großen Phantasieanstrengung, daß das so mancher Gemeinde ein Zuviel an Unterhaltsleistungen für Propheten war. Der Apostel Paulus hatte ja schon aus solchen Erwägungen heraus auf sein Recht, von der von ihm besuchten Gemeinde, unterhalten zu werden, verzichtet.
Es galt also nun, das Unterhaltsrecht der Wanderprediger zu limitieren. Ein, zwei Tage soll und muß die Gemeinde sie unterhalten, länger nicht, denn wollen sie länger bleiben und von der Gemeinde versorgt werden, erweisen sie sich als Pseudopropheten. Der Begriff bedeutet hier, daß sie keinen Anspruch auf eine Versorgung durch die Gemeinde haben. Nicht wird auf eine falsche Lehre dieser Propheten verwiesen. Ihre Motivation, in eine Gemeinde hineinzugehen, um dort sich den Lebensunterhalt zu verdienen durch ihr Predigen und Lehren läßt sie zu Pseudopropheten werden!

„Wenn aber der Apostel weggeht, soll er nichts mitnehmen außer Brot, bis er übernachtet; wenn er aber um Geld bittet, ist er ein Pseudoprophet.“ macht diese Tendenz überdeutlich. Es ist eine Abwehregel gegen die Gemeinde überfordernde Versorgungsansprüche von auswärtigen Predigern. Warum überprüft nun die Gemeinde nicht die Lehre der Propheten und unterscheidet dann zwischen falsch lehrenden Propheten und echten Propheten? Der nächste Punkt der Didache gibt darüber Auskunft: „Und jeden Propheten, der im Geist redet, stellt keinen auf die Probe und fällt kein Urteil über ihn; denn jede Sünde wird vergeben werden, diese Sünde aber wird nicht vergeben werden. Nicht jeder, der im Geist redet, ist ein Prophet; sondern wenn er die dem Herrn entsprechenden Verhaltensweisen hat. An den Verhaltensweisen also werden der Pseudoprophet und der Prophet erkannt werden.

Der Anspruch, aus dem Geist, dem Hl. Geist zu reden, verunmöglicht eine Prüfung des so Vorgetragenen. Man kann hier die Grundspannung zwischen dem ortsansässigen Episkopen, der lehrt, was die Kirche lehrt, und dem auswärtigen Charismatiker erkennen: „Weil das mir der Hl. Geist eingibt, ist meine Rede wahr“ in Spannung zur Lehre der Kirche, die sich auf Schrift und Tradition beruft in der Gestalt der ortsansässigen Amtsautorität des Episkopen. Aber man kann das Verhalten der Charismatiker beurteilen: Wenn sie nicht gemäß den Weisungen des Herrn leben, dann sind sie keine wahren Propheten!

Wir sehen: Stand am Anfang die Maxime: Wer einen Propheten oder Lehrer oder Verkündiger des Evangeliums aufnimmt, der nimmt Christus selbst auf und damit auch Gott, der Christus gesandt hat,und beinhaltete die Aufnahme, daß die Gemeinde den Auswärtigen dann seinen Lebensunterhalt gewährte auch angesichts der Verheißung des himmlischen Lohnes dafür, so zeigt schon die Didache realistisch orientiert den Versuch, einem Mißbrauch dieser Praxis zu wehren. Paulus Polemik gegen die, denen ihr Bauch ihr Gott ist, verweist hier sehr realistisch auf ein gravierendes Problem, daß die Gastfreundschaft der Gemeinden für Wanderprediger ausgenutzt wurde. In der Didache wehren sich so die Lokalgemeinden gegen die Versorgungsansprüche von Wanderpredigern! Keine unlimitierte Willkommenskultur bestimmt die Didache, sondern der Wille, Propheten von Menschen zu unterscheiden, die nur die Gemeinden ausnutzen wollten. Den Ausnutzern kam dabei zu Gute, daß sie sich auf das Wirken des Hl. Geists berufen konnten, sodaß ihr Prophezeien und Lehren sich einer Überprüfbarkeit entzog: „Weil wir aus dem Geiste lehren, ist unser Zeugnis wahr!“ Es fehlt der Didache noch eine theologische Lehre vom Hl. Geist, um Prophetie von unwahrer Wahrsagerei unterscheiden zu können. Das gelang der Kirche erst durch die Bestimmung, daß der Hl. Geist vom Vater und vom Sohne ausgeht, sodaß nichts als vom Hl. Geist inspiriert angesehen werden kann, was nicht im Einklang mit dem Wort, der hl. Schrift und der Lehre der Kirche sich befindet. Das hat die Subordination des Prophetischen unter das Episkopenamt zur Folge, gerade in den Auseinandersetzungen mit den vielen Wanderpredigerbewegungen in der Kirchengeschichte.



5.Gemeindeordnung- kein allgemeiner Humanitarismus

Eines ist nun aber klar: Mit einem allgemeinen Humanitarismus, daß allen Armen und Zukurzgkommenen zu helfen sei, hat Jesu Votum: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan hat“ nichts zu tun! Ja, schon die Didache mußte um der Mißbrauchsmöglichkeiten willen dies Votum relativiern: Nur wer wirklich ein Bruder Jesu Christi ist, und das ist nicht der, der in eine Gemeinde kommt, um sich von ihr unterhalten zu lassen als Lohn für sein Verkündigen, soll wie Christus aufgenommen werden.
Wer dem Anliegen Jesu Christi mit seinem Votum der Aufnahme der Brüder wirklich gerecht werden wollte, der müßte Numeri 18, 1-32 als Basistext zu Grunde legen, überschrieben mit: „Der Dienst und die Entlohnung der Priester und Leviten! Im Zentrum steht das Anliegen, daß das Priestergeschlecht, um sich ganz dem priesterlichen Dienst widmen zu können, von einer Erwerbtstätigkeit befreit werden sollen, sodaß sie von der Gemeinde versorgt werden müssen. Diese Regel ist nun selbst aber auch der Emergenzpunkt so mancher Priestertumskritik, auch der plumpesten, daß die Priester Gott erfanden, um so ihren Anspruch auf Unterhalt zu legitimieren. Jesus Christus aktualisiert also diese göttliche Ordnung für den besonderen Evangeliumsverkündigungsdienst der Wanderprediger, daß auch diese Diener Gottes einen Anspruch auf eine Versorgung durch die Gemeinden haben.

Nun könnte eingewandt werden, daß man dies Votum Jesu Christi deuten müsse im Kontext des jesuanischen Humanismus und seiner allgemeinen Liebe zu den Armen und Entrechteten.Nur das führt nun zu grotesken Folgen. Nehmen wir mal an, wir überlesen in der Seligpreisung: „Selig, die arm sind vor Gott“...das „vor Gott“, und deuten es von Lukas her: Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes“ und verstehen dann: Selig, die ihr jetzt hungert“, als Konkretion des Armseins, dann könnte geurteilt werden: Gott liebt insbesondere die Armen, (im ökonomisch-sozialen Sinne) und darum verheißt er ihnen den Eintritt in das Reich Gottes. Pointiert formuliert: Weil Menschen arm sind, (im ökonomisch-sozialen Sinne) verheißt Gott ihnen das Reich Gottes. Lassen wir das soteriologische Problem, ob das Armsein allein eine hinreichende Bedingung für das Eintreten in das Reich Gottes ist, jetzt mal außer Acht. Das Anliegen der christlichen Caritas wie des aus dem Geiste des Christentums geborenen Sozialstaates ist es, daß Armen geholfen wird, daß sie ihre Armut überwinden als Hilfe zur Selbsthilfe. Armut soll nicht sein. Daraus folgern christliche Apologeten der „Willkommeskultur“, daß das „reiche Deutschland“ verpflichtet wäre, jeden Armutsflüchtling aufzunehmen, um ihm hier ein gutes, zumindest ein Leben außerhalb von Armut zu ermöglichen.
Aber was für Folgen! Wenn dem Armen nach der jesuanischen Armenfrömmigkeit die Verheißung des Reich Gottes gelten würde, weil und insofern er arm ist, dann würde eine erfolgreiche Sozialarbeit der Caritas oder des Sozialstaates dazu führen, daß der Arme, nun nicht mehr arm, dieser Verheißung verlustig geht. Eine effektive Armenfürsorge würde so den Armen ihres wahren Reichtumes, der ihnen gegebenen Verheißung des Reich Gottes berauben!
Faktisch verstehen die christlichen Apologeten der Regierungspolitik der offenen Grenzen die Seligpreisung Jesu auch ganz anders: Jesus sagt damit, daß Armut nicht sein soll und es die Aufgabe der Christen sei, Armut zu beseitigen. Die Verheißung des Eintrittes in das Reich Gottes wird dabei eben ersetzt durch die sozialpolitische Vorstellung einer Gesellschaft ohne Arme. Zudem wird von dem Nationalstaat verlangt, daß er sich nun für das Wohlergehen aller Menschen einzusetzen habe, daß er sich also als Staat für ein Volk zu negieren habe, um zum Staat für alle armen Menschen zu werden. Das ist so, als verlangte man von der Familienmutter, daß sie nicht mehr die Mutter für ihre eigene Kinder sein dürfe, weil das ihr Muttersein für alle Kinder der Welt ausschlösse und dazu wäre sie als Christin verpflichtet. Die Zerstörung der Ordnung der Familie, die der Ehe wie des Volkes, die des Staates ist so die Negativseite der Propagierung eines universalistischen Humanitarismus, daß wir alle Armen der Welt in unseren Staat aufzunehmen und zu versorgen hätten.
Und dabei hat das Urchristentum schon sich genötigt gesehen zum Schutz der Ordnung der Gemeinde, sie vor überzogenen Versorgungsansprüchen von auswärtigen Wanderpedigern zu schützen! Der religiös verkleidete Humanitarismus ist, wie Arnold Gehlen es darlegt in seinem Essay: „Hypermoral und Moral“ die Zerstörung aller Ordnungen, weil sie die zum Leben konstitutiv gehörenden Ordnungen nivelliert, die Ordnung der Unterscheidung von Christen und Nichtchristen, die der von zur Familie und zum Volke Dazugehörenden und Nichtdazugehörenden. Jesu Christi Votum, wer einen meiner geringsten Brüder aufnimmt, der nimmt mich auf, bezieht sich eben ausschließlich auf Christen und dabei eigentlich nur auf christliche Wanderprediger und Propheten, die in eine ihnen fremde Gemeinde kommen, um dort zu verkündigen!

Nun könnte noch erwidert werden, daß das Gebot der Nächstenliebe bei dieser theologischen Auslegung nicht berücksichtigt wurde. Aber: Widerspricht die Liebe der Mutter zu den eigenen Kindern etwa dem Gebot der Nächstenliebe, weil die Mutter nicht Mutter für alle Kinder der Welt ist und sein will, sondern für ihre eigenen? Der Begriff der Nächstenliebe setzt immer eine Ordnung, die der Differenz von Nah und Fern. Dadurch, daß ein Mensch an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zur Welt kommt, konstituiert sich für ihn Nähe und Ferne, und wo er berufen ist, die Nächstenliebe zu leben. Eine unlimitierte Verantwortung für alle Menschen würde dagegen die Idee der Nächstenliebe destruieren, weil dann sie nicht mehr lebbar wäre. Eine Mutter kann nicht Mutter für alle Kinder sein und ein Volkssozialstaat kann nicht der Sozialstaat für alle Menschen der Welt sein. Der Idee der Nächstenliebe wohnt so selbst notwendigerweise ein Moment der Selbstlimitierung inne. Wo das nicht mehr anerkannt wird, werden die Ordnungen, in denen die Nächstenliebe gelebt werden kann, selbst destruiert. Die Verabsolutierung, die Entgrenzung der Idee der Nächstenliebe führt dann dazu, aus ihr eine nicht mehr lebbare Utopie zu machen. Aber schon die Didache limitierte Jesu Votum auf das Lebbare und Praktizierbare für die urchristlichen Gemeinden!

Uwe C.Lay

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