Samstag, 25. Februar 2017

Lesefrüchte: Käufliches Glück und die Krise der Religion, plus Zusatz

"Der Mensch strebt nicht nach Glück; nur der Engländer tut das." Friedrich Nietsche, Götzendämmerung, 12. Slavoj Zizek kommentiert dies Votum so:"Der globalisierte Hedonismus von heute ist also bloß die Kehrseite des Umstandes,dass wir unter den Bedingungen des globalisierten Kapitalismus >alle Engländer< (oder vielmehr angelsächsische Amerikaner...)sind."Zizek,Weniger as Nichts. Hegel und der Schatten des dialektischen Materialismus, 2016, S.174. 
Ist das Streben nach Glück also nicht eine Konstante menschlichen Lebens? Wann strebten Menschen denn nicht nach dem Glück in der Liebe? Aber vielleicht liegt das Problem in dem Begriff des Glückes. Zizeks Interpretament eröffnet uns ja ein bestimmtes Verständnis von diesem Glücksstreben, in dem dies Streben als eine Grundhaltung im Kapitalismus begriffen wird. Glück wäre dann die Verheißung an den Konsumenten von Waren, daß sie nicht nur einen Gebrauchswert für ihn haben, daß man eben in dem gekauften Auto fahren kann und die getauften Kleider anziehen kann, sondern daß das auch beim Konsumenten Glücksgefühle hervorruft, im neu gekauften Auto zu fahren. Die Verheißung des Glückes beim Gebrauch der gekauften Waren soll also die Kaufbereitschaft stimulieren: kaufe, konsumiere und sei glücklich, denn das Gefühl des Glückes ist ein Nebenprodukt des Gebrauchens von gekauften Waren- ja um des Glückes willen soll der Konsument kaufen. Die Verheißung von Glück wird zum eigentlichen Gebrauchswert der zum Kauf angebotenen Waren. 
Glück wird käuflich. Und das ist nach Nietzsche die typisch englische Haltung zum Leben. Für Nietzsche ist der Engländer der Händler schlechthin und seine Philosophie die von Krämern.
(Vgl dazu auch: Oswald Spengler: Preußentum und Sozialismus- mehr als lesenswert)
So ergäbe sich diese Nitzschedeutung: typisch englisch, bzw für den sich durch den Kapitalismus bestimmen lassenden Menschen ist es, zu glauben, daß das Ziel des Menschen darin besteht, durch den Kauf und den Konsum von Waren glücklich werden zu können. Ja, der eigentliche Gebrauchswert von Waren ist nicht mehr ihr eigentlicher Gebrauchswert, daß man ein Automobil kauft, um damit zu fahren, sondern um mit dem Auto glücklich zu sein. 
Jede Religion mit ihrer Glücksverheißung gerät so in in grundsätzliches Spannungsfeld zum postmodernen Kapitalismus. Unter dem postmodernen Kapitalismus sei hier verstanden, daß die Produktivität so gewachsen ist, daß eines der größten Probleme der Produzenten das der Absetzbarkeit ihrer Waren ist. Es werden mehr Gebrauchsgüter produziert, als wie ein Bedarf nach ihrem Gebrauchswert besteht. Um die Nachfrage über den Bedarf an Gebrauchsgütern hinaus zu steigern, kommt die Verheißung des Glückes hinzu: Du wirst glücklich sein, wenn Du diese Ware besitzt. Die Allgegenwart dieser Utopie käuflichen Glückes, sofern man über genügende Kaufkraft verfügt macht religiöse Glücksverheißungen überflüssig- wozu noch auf ein jenseitigs Glück hoffen,wenn das Glück so leicht kaufbar ist.  

Zusatz: 
"Neide die Leidensfreien nicht,die Gözen von Holz,denen nichts mangelt weil ihre Seele so arm ist, die nichts fragen nach Regen und Sonnenschein, weil sie nichts haben, was der Pflege bedürfe. Ja!ja! es ist recht sehr leicht, glücklich, ruhig zu seyn mit seichtem  Herzen und eigeschränktem Geiste."F.Hölderlin, Hyperion, Bibliothek der Erstausgaben, 2. Auflage 2005, S.53.  
Für Hölderlin gibt es größeres als das Ziel des Glücklichseins .Zizek unterscheidet (a.a.O. S.176) zwischen Moral und Ethik wie folgt: "Bei der Moral geht es um die Symmetrie meiner Beziehung zu anderen Menschen; ihre Grundregel lautet>Was du nicht willst,das man dir tu, das füg auch keinem andern zu<. Ethik hingegen betrifft meine Übereinstimmung mit mir selbst, die Treue zu meinem eigenen Begehren." Wenn wir das mein eigenes Begehren ersetzen durch Treue zu mir selbst, dann dürfte das das sein, was Hölderlin auch vorschwebte, als er nach einem Lebensstil suchte, für den es wichtigeres als das Streben nach Glück gibt- ein Leben, das von sich sagen kann: Ich war und bin mir selbst treu geblieben. Für das theologische Denken heißt das, das was und wie ich bin Gabe und Aufgabe von Gott ist: Sei, was Du bist, oder werde zu dem, wozu Du bist als Deine Gabe als göttliche Aufgabe. In Treue zu sich leben ist so ein Grundvollzug religiösen Lebens.    
       

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