Montag, 20. Februar 2017

Moralischer Rigorismus in "Dubia" (Teil 2)

"Die Frage lautet, ob >Amoris laetati< der Aussage zustimmt, dass keine Handlung, die das Gesetz Gottes übertritt (wie Ehebruch, Diebstahl, Meineid),jemals,auch unter Berücksichtigung der Umstände,welche die persönliche Verantwortung mildern, entschuldbar oder auch gut werden kann." 
Dubia 4, zitiert nach: "Theologisches, Januar/Februar 2017 Sp.59
Kann ein Meineid jemals etwas Erlaubtes, ja vielleicht so moralisch Gebotenes sein? Gäbe es nur einen Fall, in dem ein Meineid moralisch erlaubt ist, wäre klargestellt, daß wir es auch hier mit einem moralischen Rigorismus zu tuen haben, dem die Moral wichtiger ist als das menschliche Leben. Stellen wir uns Folgendes vor: Ein Christ steht vor Gericht als Zeuge in einem Blasphemieprozeß. Angeklagt ist eine Christin, die gesagt hat, daß Mohammed nicht ein Prophet Gottes ist. Deshalb soll sie zu Tode verurteilt werden. "Sind sie bereit, zu beschwören, daß die Angeklagte nicht gesagt hat, daß Mohammed kein Prophet war?" Verweigert der Christ diesen Eid, geht das Gericht davon aus, daß die Christin das gesagt hat und verurteilt sie zum Tode.
Darf nun dieser Christ durch einen Meineid, denn sie hat das wirklich gesagt, das Leben der Christin retten? Laut "Dubia" nicht. Er darf  keinen Meineid  schwören und die Christin wird hingerichtet! Daß in einem rechtsstaatlich durchgeführten Gerichtsprozeß ein Meineid sicher auch moralisch unerlaubt ist, ist nicht bestreitbar, aber wenn nun ein Unrechtsstaat einen Prozeß führt, wenn ein moralisch Unschuldiger durch Willkürgesetze die Todesstrafe droht und das durch einen Meineid abwendbar wäre, muß dann ein geleisteter Meineid anders beurteilt werden.
"Sind sie bereit zu beschwören, daß diese Person nicht  an einer Verschwörung gegen den Diktator XY sich beteiligt hat?" Verweigert der Christ diesen Eid, weiß das Gericht, daß die Anklage wahr ist und sie den Angeklagten hinrichten lassen kann.
Und ist nun in jedem Falle ein Diebstahl unerlaubt? Hier fällt es sehr leicht, Fälle zu konstruieren, in denen ein Diebstahl erlaubt sein muß. Etwa, wenn ein Verdurstender in der Wüste aus einem dort vorgefundenen Auto Wasserflaschen stiehlt, um nicht zu verdursten. Keine Moral kann einem Verdurstenden verbieten, Wasser zu stehlen, wenn er sonst verdursten würde. 
(zum Falle des Ehebruches siehe Teil 1)
Der Rigorismus ist einfach die Folge davon, daß die Folgen des Tuens nicht mitreflektiert werden bei der Beurteilung einer Handlung. Handlungstheoretisch gesprochen: Ein Moment einer Gesamthandlung wird verabsolutiert, indem es isoliert wird aus der Gesamthandlung und dann wird es unangemessen beurteilt. 
Zur Verdeutlichung: Ist es moralisch erlaubt, sich zu verletzen oder verletzen zu lassen? Nein, das widerspricht  dem Gebot der Selbstliebe. Ist es also erlaubt, sich verletzen zu lassen, um etwa ein erkranktes Organ, den Blinddarm sich entfernen zu lassen? Rigoristen urteilten nun, daß, wenn ein Sichverletzenlassen immer eine unerlaubte Handlung ist, sie auch moralisch verwerflich ist, dient das Sichverletzenlassen dem Zweck der Wiederherstellung der Gesundheit, weil eine an sich böse Tat immer moralisch verwerflich bleibt, auch wenn sie der Lebensrettung dient!       
   

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