Montag, 28. August 2017

Wie Gott denken? Nicht wie er objektiv ist!

Spontan wird die Frage, wie ist Gott zu denken, wohl so respondiert werden: Gott wird dann richtig gedacht, wenn er so gedacht wird, wie er wirklich ist. Das subjektive Denken hat Gott eben in seiner Objektivität wiederzugeben. Daß das auch für das menschliche Denken möglich ist, fundiert dann etwa Thomas von Aquin durch die These, daß Gott, weil er sich selbst erkennend ist, sein Sichwissen uns Menschen vermitteln kann. Dächte der Mensch nur von sich aus Gott, wie sollte er erkennen können, ob sein Denken von Gott Gott auch gemäß ist. 
Aber wir stoßen hier nun auf ein eigentümliches Phänomen, beginnend mit Kants Philosophie. Auch und gerade Gott ist für unser Denken in seiner Objektivität nicht erkennbar, schon daß er existiert, die Frage nach seinem Sein ist für unser Denken nicht eindeutig beantwortbar. 
Das eigentlich Revolutionäre ist nun aber, daß die Frage nach dem, wie Gott wirklich ist, mit und nach Kant ad acta gelegt wird zugunsten der Frage: Wie haben wir Gott zu denken, damit etwa das Faktum der verschiedenen Religionen mit ihren jeweiligen Gottesvorstellungen nicht zu Konflikten führt? So frug man nun angesichts eines Jahrhundertes der Religionskriege in Europa. Kant frug genauer vom Primat der praktischen Vernunft ausgehend: Wie hat der Mensch zu leben?, wie Gott zu denken sei gemäß den Erkenntnissen der praktischen Vernunft. Gott soll dabei den Gehalten der praktischen Vernunft nichts hinzufügen, denn wie der Mensch zu leben habe, das zu beantworten, dafür reiche die praktische Vernunft aus, das sagt uns der kategorische Imperativ hinreichend. 
Gott muß nun a) so gedacht werden, daß er nichts anderes will, als daß wir so vernünftig leben, sodaß so die ganze kirchliche Moralverkündigung überflüssig ist, wenn sie anderes oder mehr als das Vernünftige lehrt und b) darf nur noch der Gott in den Grenzen der bloßen Vernunft gelehrt und verkündigt werden: Nicht wie er objektiv ist, sondern wie er gemäß den Vernunftinteressen des Menschen zu sein hat, ist er nun  zu lehren.
Das können wir uns versimplifiziert so vorstellen: Wie muß Gott gedacht werden, damit die verschiedenen Religionen nicht zu innergesellschaftlichen Konflikten führen, wird zur Leitfrage der Moderne. Der ökumenische wie der interreligiöse Dialog dienen so dieser Frage.
Zudem: Moderne Gesellschaften stellen hohe Leistungsanforderungen an ihre Glieder. Wenn nun die Religion auch noch Leistungen einfordern würde im Namen ihres jeweiligen Gottes, dann wäre das eine Überforderung, denn wie ich zu leben habe, das bestimmt die moderne Gesellschaft schon immer aus sich heraus in ihren jeweiligen Subsystemen. Das Berufsleben ist determiniert durch die Regeln des Berufslebens, das politische Leben durch die politischen Regeln...Jeder soziale Lebensraum ist sozusagen durch sein spezifisches soziales Regelwerk bestimmt. Religiöse Morallehren führten dann nur noch zu einer Überdetermination, sofern die Religion auch ein Leben nach ihr außerhalb der Sphäre der Religion verlangte. Darum reduziert sich Gott auf die Forderung, daß der Mensch in seinen jeweiligen Lebensräumen gemäß den dortigen Regeln zu leben habe.
Statt einer Moral, wie der Mensch zu leben habe, werden so einfach die bestehenden Ordnungen der modernen Welt mit ihren Regeln affimiert und das Eigentliche der religiösen Verkündigung wird die Verkündigung der unbedingten Liebe Gottes zu den Menschen (die heutige Konsensformel des ökumenischen Rechtfertigungsdiskurses). Weil der Mensch sich in der modernen Gesellschaft permanent Leistungsanforderungen ausgesetzt sieht, soll so als Kompensation dem Menschen gesagt werden, daß er schon vor jeder Erbringung von Leistungen ein anerkannter Mensch ist. Diese Verkündigung soll ihm dann helfen, den Leistungsanforderungen gerecht werden zu können aus diesem daraus resultierenden Selbstwertgefühl des Bejahtseins.
Abstrakter formuliert: Die Frage: Wie ist Gott zu denken?, wird respondiert mit der Frage: Wie ist er zu denken, damit Gott für das gesellschaftliche und individuelle Leben nicht dysfunktional sondern nützlich und  lebensförderlich gedacht wird?  Der diesen Anforderungen genügende Gottesbegriff soll dann der des vernünftigen Denkens sein und somit der wahre.   

Merke: Der Atheismus isb in der Französischen Philosophie nach den Religionskriegen beantwortet die Frage, wie ist Gott zu denken, damit die verschiedenen Gottesvorstellungen nicht für das gesellschaftliche Leben schädlich sich auswirken, mit der These: als nicht seiend. Das sollte alle religiös motivierten Konflikte den Boden entziehen. Kant dagegen wollte Gott so umdenken, daß er als Postulat der praktischen Vernunft für das gesellschaftliche Leben nützlich sich erweist und diese praktische Nützlichkeit soll dann die Wahrheit der Gottesvorstellung sein. Gott ist nicht zu denken, wie er objektiv ist, das wäre Metaphysik, sondern wie er von uns in der praktischen Vernunft zu denken ist um der Bestimmung des Menschen zur Sittlichkeit willen.  

Corollarium 1
Der wahre Gott ist die uns nützliche Gottesvorstellung. Der Gott als Letztbbegrüdung von der Pflicht zu einem moralischen Leben entfällt dann zusehens, wenn die Geselschaft in der Norm der Funktionalität das moralische Leben hinreichend reguliert.       

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