Freitag, 24. November 2017

Eine Lüge im Dienst des Guten?

Einfach ist es, zu sagen: Das, was nicht gut ist, das darf auch dann nicht getan werden, wenn es um eines guten Zweckes willen unternommen wird, denn das Nichtgute, das Böse ist nun mal etwas, das, weil es so ist, nicht getan werden darf. Zu diesem Problem des Bösen im Dienste des Guten sei nun auf Theodor Storms Vita verwiesen, auf die Frage, ob wir seine Novelle "Der Schimmelreiter" einer Lüge zu verdanken haben!
Anfang 1887 wurde bei dem Schriftsteller Magenkrebs diagnostiziert. Er schreib an seiner Novelle:"Der Schimmelreiter". Diese Diagnose beeinträchtigte erheblich Storms Weiterarbeit an diesem Werk. "Im Mai 1887 ließ die Familie eine Scheinuntersuchung vornehmen und machte Storm weis, er habe doch keinen Krebs, was seine Schaffensfreude hob." (Königs Erläuterungen und Materialien, Interpretation zu Theodor Storm Der Schimmelreiter, 2.Auflage 2010, S.19)Storm vollendete sein Werk noch, das Erscheinen erlebte er nicht mehr, er starb am 4.Juli 1888.
Hätte er dies Werk so, wie es jetzt vor uns liegt, schaffen können,hätte es diese Scheinuntersuchung mit dem Befund, es sei kein Krebs, nicht gegeben? Das ist schwer vorstellbar. Seine Magenschmerzen blieben, aber der Schriftsteller deutete sie jetzt nicht mehr als die Vorzeichen seines nahen Krebstodes, das waren sie  aber realiter und so konnte er dies große Werk vollenden. Was für en Unglück wäre es, wäre dies Werk nicht vollendet worden.
Nur, durfte man eine Scheinuntersuchung durchführen in der Absicht, Storm mit einer Falschdiagnose wieder Lebensmut zu geben, sodaß er nun sein Werk vollenden konnte. Nehmen wir einmal an, der Kreis seiner  Familie wußte um dies im Entstehen sich befindende Werk und daß sie sah, daß Storm es nicht vollenden werden kann, weil seine Schaffenskraft von diesem Magenkrebs förmlich aufgefressen wird. Durfte sie ihn dann so betrügen a) in der Intention, ihm die letzten Monate seines Lebens zu erleichtern, daß er weiter leben konnte im Glauben, nicht totkrank zu sein und b) in der Intention, daß er so sein Werk vollenden kann? 
Aber was für Folgen, wenn kein Patient, sagt der Arzt zu ihm, sie sind nicht an Krebs erkrankt, nicht mehr sich sicher sein kann, daß diese Aussage des Arztes wahr ist. "Sagt der Arzt mir die Wahrheit,oder will er mich nur beruhigen durch eine Lüge?"  
Dostojeweskis Großinquisitor betreibt ja das Geschäft der Lüge, um den Menschen die Augen vor ihrem unvermeidlichen Untergang zu schließen, geradezu extremistisch, aber er lügt immer nur um des Wohles der Menschen willen. 
Aber auch dies Extrem vor Augen, kann man doch den rigoristischen Standpunkt, Storm hätte diese Falschdiagnose nicht gestellt werden dürfen, sich nicht anschließen mögen, gerade um dieses wunderbaren Werkes willen, das wir einer Lüge verdanken! Heiligt hier nun doch der Zweck, das große Werk das Mittel? 

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