Eingedenk des Votums von Carl Schmitt, daß zentrale Begriffe des politischen Diskurses säkularisierte Begriffe der Theologie sind könnte doch gefragt werden, ob nicht etwa auch der zeitgenössische Begriff der Sucht mit all seinen Derivaten eine Umformung des Begriffes der Besessenheit ist. Die Vorstellung einer daimonischen Besessenheit und die Aufgabe des Exorzisten, den so Besessenen zu befreien, ist uns als Bibelleser wohl vertraut, auch wenn die biblischen Erzählungen vom Wirken des Exorzisten Jesus Christus nicht nur der modernen Bibelkritik ein Ärgernis ist. Die kritische Leben Jesuforschung weißt nur wenig Konsense auf, zu sehr werden da Idealbilder der Exegeten in die Person Jesu hineinprojiziert, aber daß Jesus sich als Exorzist verstand, dem stimmen wohl alle zu.
Die Theologie steht somit vor einem gravierenden Problem, da sie präsumiert, daß es keine Daimonen und somit auch keine Besessenheit geben kann, sodaß auch der Exorzismus eine Unmöglichkeit ist. Was tat Jesus also, wenn er Besessene heilte?
A) Jesus tat nur so, als ob er Daimonen austreibe aus Rücksicht auf die "Primitivität" seiner Jünger.
B) Leider war auch Jesus als Mensch eingebunden in das antike Weltbild, in dem es Daimonen und
Besessenheiten gibt. Jesus meinte so zwar, daß er Exorzismen vollzöge, realiter tat er aber etwas
ganz anderes, was er selbst nicht verstand: Seine "Exorzismen" müssen nachträglich psycholo-
gisch erklärt werden.
C) Er vollzog gar keine Exorzismen, die Exorzismuserzählungen sind reine Phantasieprodukte der
Gemeinden, die ihr Jesusverständnis so in Vorstellungen des antiken Weltbildes ausdrückte.
Somit wäre das Thema der "Besessenheit" und das des Exorzismus erledigt.Aber wie nun, wenn das aus der Theologie und Religion Herausgebannte sich in anderen Diskursen neu beheimatete? Was fällt uns da im Diskurs über Sucht/Süchte auf? Wird die Sucht da nicht phänomälogisch so beschrieben wie eine daimonische Besessenheit? Spricht dieser Diskurs nicht von dem Verlust des Herrseins im eigenen Hause, daß also der Süchtige so sehr durch die Sucht bestimmt wird, daß es nicht mehr heißen kann: Ich habe eine Sucht sondern die Sucht hat mich (fest im Griff)? Der Verlust des Selbstbestimmungsvermögens ist geradezu die Sucht, die Aufgabe des Iches, seine Unterwerfung unter die Sucht, deren Appendix das Ich dann wird. Solange das Ich noch die Instanz ist, dem ich all mein Tuen als Subjekt zuschreibe, bin ich nicht süchtig- süchtig bin ich eigentlich erst, wenn die Sucht in mir mich bestimmt, daß ich nicht mehr aufhören kann, Alkohol zu trinken, weil nicht ich trinke, sondern die Sucht durch mich.
Diesen Subjektswechsel kann der Apostelfürst Paulus auch positiv als Besessensein durch Jesus Christus bezeichnen:„Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ Gal 2,20 -die negative Besessenheit ist dann die Einwohnung eines Daimons in dem Menschen, sodaß da gilt: Nicht ich lebe mehr, sondern der Daimon in mir. Die Sucht wird so wie eine Besessenheit durch den Daimon "Sucht" beschrieben! Die zeitgenössische Vorstellung von den "Süchten" ist so die moderne Version der alten Daimonenlehre.
Welche Folgen hat das?
A) Das Wesen der Sucht wird verkannt und nähme man die Interpretation der Sucht als "Besessen-
heit" ernst, wäre keine Therapie mehr möglich, sondern der Patient müßte exorzisiert werden.
Sucht ist nüchtern gesehen ein erlerntes Fehlverhalten, das zum Habitus (Aristoteles), zur
"schlechten Angewohnheit geworden ist, daß es einem in Fleisch und Blut eingegangen ist.
Das Ich bleibt dabei Herr im eigenen Hause, es reproduziert nur spontan immer wieder das zum
Habitus gewordene Verhalten. Zur Veranschaulichung: Am Anfang ist der Likör: Wer Sorgen hat,
der hat auch Likör- eine Lernerfahrung stellt sich ein: Gegen Sorgen hilft der Alkohol, er betäubt
den Schmerz der Seele und je größer der Schmerz, desto mehr Alkohol ist zu trinken, damit die
betäubend wohltuende Wirkung einsetzt. Es wird zur Regel, daß stets alle Sorgen so mit dem
Alkohol "beseitigt" werden, nur daß ernüchtert die Sorgen wieder auferstehen, sodaß die Sucht
dann erst vollständig entwickelt ist, wenn der Trinker nur noch alkoholisiert sein Leben- betäubt-
erträgt.
Wird so eine Sucht analysiert, ist klar, daß die Sucht eine angelernte dysfunktionale Umgangs-
weise mit einem Problem ist, die zur festen Gewohnheit wurde, zu einem Habitus. Da das Ich
dabei aber das Subjekt des Tuens bleibt, kann es durch eine Therapie eine andere Umgangsweise
mit dem Problem erlernen, die dann wiederum zu einem Habitus werden muß, damit die
schlechte Gewohnheit durch eine gute oder bessere ersetzt wird. Ein Habitus kann nur durch das
Erlernen eines anderen ersetzt werden, den die allein cognitive Einsicht in die Verkehrtheit eines
erlernten Verhaltens löscht dieses noch nicht aus dem Verhaltensrepetoire eines Menschen.
Ist dagegen das Subjekt "besessen", kann es nicht umlernen, und das falsche durch ein besseres
Verhalten ersetzen. Als "Besessener" ist der Patient nicht mehr lernfähig; er muß erst von dem
"Daimon" Sucht befreit werden, und hier verhält sich der Besessene rein passiv, nur der
Exorzist wirkt.
B) Sucht als "Besessenheit" sich vorzustellen, hat aber einen "Vorzug": Der Patient ist ein reines
Opfer; er ist einfach nur noch "besessen", sodaß diese Besessenheit ihn bestimmt und nicht
mehr er sich selbst. So wird die Schuldfrage gestrichen; es ist einfach ein Schicksal, daß
jemand "besessen" ist. Aber genau diese Suchtanalyse verunmöglicht eine Therapie, denn
ein "Besessener" ist nicht therapierbar, weil er nicht mehr das Subjekt seines Lebens ist:
Nicht mehr ich lebe, sondern die Sucht in mir.
So zeitigt diese Auswanderung der Vorstellung der Besessenheit in den Raum der medizinischen Therapie für den Umgang mit Suchtkranken fatale Folgen. Es zeigt sich damit aber auch prinzipieller
ein Problem, das, was passieren kann, wenn Begriffe und Vorstellungen aus einem Vorstellungsraum, dem der Religion hier -ungeprüft- in einen anderen- den der Suchttherapie übernommen werden! Begriffe leben immer in einem bestimmten Vorstellungsraum, darin haben sie ihr recht, aber emigrieren sie in andere Vorstellungräume,können sie da höchst dysfunktional sich auswirken.
Diesen Subjektswechsel kann der Apostelfürst Paulus auch positiv als Besessensein durch Jesus Christus bezeichnen:„Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ Gal 2,20 -die negative Besessenheit ist dann die Einwohnung eines Daimons in dem Menschen, sodaß da gilt: Nicht ich lebe mehr, sondern der Daimon in mir. Die Sucht wird so wie eine Besessenheit durch den Daimon "Sucht" beschrieben! Die zeitgenössische Vorstellung von den "Süchten" ist so die moderne Version der alten Daimonenlehre.
Welche Folgen hat das?
A) Das Wesen der Sucht wird verkannt und nähme man die Interpretation der Sucht als "Besessen-
heit" ernst, wäre keine Therapie mehr möglich, sondern der Patient müßte exorzisiert werden.
Sucht ist nüchtern gesehen ein erlerntes Fehlverhalten, das zum Habitus (Aristoteles), zur
"schlechten Angewohnheit geworden ist, daß es einem in Fleisch und Blut eingegangen ist.
Das Ich bleibt dabei Herr im eigenen Hause, es reproduziert nur spontan immer wieder das zum
Habitus gewordene Verhalten. Zur Veranschaulichung: Am Anfang ist der Likör: Wer Sorgen hat,
der hat auch Likör- eine Lernerfahrung stellt sich ein: Gegen Sorgen hilft der Alkohol, er betäubt
den Schmerz der Seele und je größer der Schmerz, desto mehr Alkohol ist zu trinken, damit die
betäubend wohltuende Wirkung einsetzt. Es wird zur Regel, daß stets alle Sorgen so mit dem
Alkohol "beseitigt" werden, nur daß ernüchtert die Sorgen wieder auferstehen, sodaß die Sucht
dann erst vollständig entwickelt ist, wenn der Trinker nur noch alkoholisiert sein Leben- betäubt-
erträgt.
Wird so eine Sucht analysiert, ist klar, daß die Sucht eine angelernte dysfunktionale Umgangs-
weise mit einem Problem ist, die zur festen Gewohnheit wurde, zu einem Habitus. Da das Ich
dabei aber das Subjekt des Tuens bleibt, kann es durch eine Therapie eine andere Umgangsweise
mit dem Problem erlernen, die dann wiederum zu einem Habitus werden muß, damit die
schlechte Gewohnheit durch eine gute oder bessere ersetzt wird. Ein Habitus kann nur durch das
Erlernen eines anderen ersetzt werden, den die allein cognitive Einsicht in die Verkehrtheit eines
erlernten Verhaltens löscht dieses noch nicht aus dem Verhaltensrepetoire eines Menschen.
Ist dagegen das Subjekt "besessen", kann es nicht umlernen, und das falsche durch ein besseres
Verhalten ersetzen. Als "Besessener" ist der Patient nicht mehr lernfähig; er muß erst von dem
"Daimon" Sucht befreit werden, und hier verhält sich der Besessene rein passiv, nur der
Exorzist wirkt.
B) Sucht als "Besessenheit" sich vorzustellen, hat aber einen "Vorzug": Der Patient ist ein reines
Opfer; er ist einfach nur noch "besessen", sodaß diese Besessenheit ihn bestimmt und nicht
mehr er sich selbst. So wird die Schuldfrage gestrichen; es ist einfach ein Schicksal, daß
jemand "besessen" ist. Aber genau diese Suchtanalyse verunmöglicht eine Therapie, denn
ein "Besessener" ist nicht therapierbar, weil er nicht mehr das Subjekt seines Lebens ist:
Nicht mehr ich lebe, sondern die Sucht in mir.
So zeitigt diese Auswanderung der Vorstellung der Besessenheit in den Raum der medizinischen Therapie für den Umgang mit Suchtkranken fatale Folgen. Es zeigt sich damit aber auch prinzipieller
ein Problem, das, was passieren kann, wenn Begriffe und Vorstellungen aus einem Vorstellungsraum, dem der Religion hier -ungeprüft- in einen anderen- den der Suchttherapie übernommen werden! Begriffe leben immer in einem bestimmten Vorstellungsraum, darin haben sie ihr recht, aber emigrieren sie in andere Vorstellungräume,können sie da höchst dysfunktional sich auswirken.
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