Samstag, 10. November 2018

Jesus Christus- von Gott verlassen?

Vom Theologen Detlev Fleischhhammel aus Berlin stammt die „steile“ Aussage: "Der einzige Mensch, der je wirklich von Gott verlassen gewesen ist,war Jesus Christus am Kreuz". Diese Aussage evoziert nicht nur bei Frau Küble Widerspruch (vergleiche ihren Artikel"Chiara Lubich und der >verlassene Jesus< auf der Internetseite am 9.11.2018) Aber fragen wir ab ovo:

1. Jesus sagt hier, daß er von Gott verlassen sei. Gibt es einen theologischen Grund für die Annahme, daß sich hier der Sohn Gottes geirrt habe, daß er sich zwar als von Gott verlassen gefühlt haben mag, daß er aber objektiv immer mit Gott- auch am Kreuze- innigst verbunden war? Wenn dem so wäre, wie könnte dann aber noch von einem realen Leiden, Sterben und Tod Jesu Christi gesprochen werden? Hätte er dann nicht nur scheinbar gelitten und wäre auch nie wirklich tot gewesen, da er doch selbst im Tode, vor seiner Auferweckung mit Gott verbunden war? 

2. Wenn es heißt, er sei von Gott verlassen, ist hier der göttliche Vater gemeint, der seinen Sohn verlassen hat. Deshalb ist das Argument, daß er als wahrer Gott nicht selbst von Gott verlassen worden sein kann, hinfällig. Er könnte ja als göttlicher Sohn von seinem göttlichen Vater verlassen worden sein. 

3. Jesus zitiert mit der Aussage: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen" Psalm 22, den ersten Vers. Die Einheitsübersetzung betitelt diesen Psalm mit: "Gottverlassenheit und Heilsgewißheit" und sagt damit etwas Treffendes über diesen Psalm aus,daß er in 2 Teile zerfällt, a) die Klage über die Gottverlassenheit des Beters und b) ab Vers 23 die Wende: "Ich will deinen Namen meinen Brüdern verkünden inmitten der Gemeinde dich preisen". Vers 20-22 bringen diese Wende mit der Bitte: "Du aber Herr, halte dich nicht fern, Du meine Stärke, eil mir zu Hilfe" (Vers 20). Der von Gott wirklich Verlassene ruft zu seinem Gott: Wende dich mir wieder zu! Vers 23  sagt dann: Wenn du mich retten wirst, dann werde ich dich preisen! Die folgenden Verse sollen dann Gott daran erinnern, daß er doch ein Gott ist, der bereit ist zu helfen und daß ihm dann auch die Gemeinde lobt, wenn er rettend eingreift. Wenn man also urteilt, daß Jesus, indem er den 1.Vers des Psalmes gebetet hat am Kreuze, damit aber den ganzen Psalm meinte, dann besagt das, daß er als wirklich von Gott Verlassener seinen Gott anruft, sich ihm wieder zuzuwenden und daß er dann Gott in der Gemeinde loben wird. Der Begriff der "Heilsgewißheit" ist so eine Nuance zu stark, weil der demütige Beter immer auch weiß, daß Gott der Herr über die Gebete ist und bleibt und er so auch ein Gebet nicht erhören  kann- denn sonst würde das Gebet zu einer magischen Praxis, durch die Gott unterworfen wird, daß er das Erbetene erfüllen müßte. Der Beter hofft auf Gott, aber er weiß, daß Gott auch als Herr über die Gebete die Erhörung verweigern kann, wie er ja das Gebet des Königs David, verschone mein Kind, töte es nicht, verworfen hat. (2.Samuel 12) 

4. Das Verb: "verlassen" müßte dann aber noch präzisiert werden: Als was hat Gott seinen Sohn verlassen? Die Antwort: Er hat seinen göttlichen Sohn als der ihn Liebender verlassen, weil er nun sein göttliches Strafgericht an ihm vollzieht. Sagen wir es anders: Wer aus der Liebe Gottes herausfällt, wird Gott nicht los und Gott läßt ihn nicht los, sondern der fällt unter den Zorn Gottes. Aber daß Gott auch der Gott des gerechten Zornes ist, ein Gott, der straft, das ist eine theologische Wahrheit, die heutzutage völlig verdrängt wird. Der Sohn Gottes war unter dem Zorn Gottes, er erlitt ihn am Kreuze und niedergefahren in die Hölle, aber sein göttlicher Vater wandte sich in Liebe wieder seinem Sohn zu, indem er ihn aus dieser Gottverlassenheit, das ist der Tod des göttlichen Sohnes, wieder auferweckte. Ostern verkündet nicht, daß der Sohn nie tot war, sondern daß Gott seinen Sohn aufs Neue zum zum Leben erweckt hat. 

5. Daß Jesus der einzig wirklich von Gott Verlassener war, wäre nur wahr, wenn es keinen Menschen in der Hölle gäbe. Und es wäre nur wahr, wenn nie Gott einen Menschen ob dessen Sünde verlassen hätte, auch wenn er sich danach dem Sünder wieder zugewandt hat. So gibt es guten Grund für die Aussage, daß Gott sein Volk Israel verlassen hatte, daß Moses dann aber durch seine Fürbitte Gott wieder mit dem Volke versöhnt hatte.   (Vgl 2.Mose 32, 1-35. Da sagt Gott: "Ich habe dieses Volk durchschaut: Ein störrisches Volk ist es. Jetzt laß mich, damit mein Zorn gegen sie entbrennt und sie verzehrt." Hier war das Volk von seinem Gott verlassen, weil es nun unter dem Zorn Gottes stand. So kann Gott verlassen, aber auf die Fürbitte Mose hin, sich wieder dem verlassenen Volke zuwenden. 

 

 


 

 



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