Donnerstag, 8. November 2018

Praktizierte Religion ohne Glauben? Kultur: so tuen als ob?

"Im Hinblick auf Religionen glauben wir nicht länger >wirklich<,wir folgen nur (verschiedenen) reglaube religiösen Ritualen und Verhaltensweisen, um dem >Lebensstil< der Gemeinschaften Respekt zu erweisen". 
"Ich glaube nicht wirklich, es ist nur ein Teil meiner Kultur" scheint die vorherrschende Art und Weise des verschobenen Glaubens zu sein, der für unsere Gegenwart so charakteristsch ist."
Slavoj Zizek, Lacan.Eine Einführung,2008,S.45. Ist dies nicht eine treffende Beschreibung der volkskirchlichen Situation der Katholischen Kirche wie des Protestantismus? Warum, wenn überhaupt noch gehen Christen zum Weihnachts- und Ostergottesdinst, melden ihre Kinder nicht vom Religionsunterricht ab, lassen sie taufen, firmen, ja schauen zu, wenn die Kleinen zur Erstkommunion schreiten und heiraten und lassen sich kirchlich beerdigen? Ist das nicht ein so Tuen als ob man noch glaubte? 
Im Norden Deutschlands bekommen die Kinder schon seit alters her und viele meinen: schon immer, ihre Weihnachtsgeschenke vom Weihnachtsmann. "Ja, der Weihnachtsmann hat dir das gebracht!" so spricht so manch elterliche Mund, genau wissend, daß das ein Märchen für Kinder ist, aber so lange die Kinder noch klein sind, tut man eben so, als glaubte man das. Ist das vielleicht die Art und Weise des Gelebtwerdens des gegenwärtigen Glaubens? 
Die Emanzipationseuphorie,daß der Mensch ohne Religion aufgeklärt besser lebte, ist verflogen, aber recht glauben kann man auch nicht mehr, aber man wüßte auch nicht, warum die Religion nicht mehr praktiziert werden sollte,sind Taufen  und kirchliche Eheschließungen doch was Schönes, rechte Familienfeiern und am Grabe hätte man den Abschied von Verstorbenen doch auch gern religiös gestaltet.   
Religion gehört zu unserer Kultur, auch wenn wir sie nicht mehr als wahr glauben. Zizek präsentiert dazu diese These: ">Kultur< ist der Name für all diese Dinge, die wir praktizieren, ohne tatsächlich an sie zu glauben, ohne sie wirklich ernst zu nehmen." (S.45) Wenn die Kultur begriffen wird als säkularisierte Gestalt des religiösen Kultes, der Gottesverehrung,dann ist diese These in sich gar evident. Wird dann noch die Kultur analog der Distinktion von Geistes- und Naturwissenschaften als geistiges Leben in der Differenz zur Zivilisation als der Stufe der Beherrschung der Natur verstanden, wird diese These noch einsichtiger. Das kulturelle Leben ist so gesehen eine säkularisierte Religionspraxis, in der sich die christliche Religion in der Postmoderne eingezeichnet als eine nun kulturelle Praxis. 
In den Zeiten des Primates der Ökonomie ist genaugenommen Kultur nur etwas wert und so Respektables, das ernst genommen wird, wenn damit Geld verdient werden kann. Und so mancher Kirchenkritiker hegt ja auch den Verdacht, daß den Volkskirchen in Deutschland die Kirchensteuereinnahmen das Wichtigste sind.

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