Sonntag, 23. Dezember 2018

Eine jüdische Anfrage an Weihnachten: Sind wir Erlöste?

Wir befinden uns nun in einer jüdischen Religionsunterrichtstunde. Ein Schüler meldet sich:
"Herr Rabbi, ich habe gehört, daß der Messias schon gekommen sei!" Der Lehrer schaut aus dem Fenster. Er sieht da ein weinendes Kind. "Nein,er ist noch nicht gekommen, denn da weint ja noch ein Kind."
Kann diese Anfrage einfach als "ungläubig" abgetan werden? Darf der Verdacht geäußert werden, daß die heutige Krise der christlichen Religion auch mit diesem Problem etwas zu tuen hat, daß das Evangelium, Gott wurde Mensch, Gott sandte seinen Sohn uns als Messias, als Erlöser an Glaubwürdigkeit verloren hat, weil zumindest dem Augenschein nach in dieser Welt nach der Geburt und dem Kreuz und der Auferstehung und Himmelfahrt des Erlösers, fast schon 2000 Jahre danach von einer Erlösung und Errettung so wenig zu merken ist?  Ja, auch von unserem neuen Sein in Jesus Christus, daß der alte Adam abgelegt wurde und die Christen als "Wiedergeborene" nun leben, selbst in der Kirche hört man davon kaum noch etwas. Prediger Salomons, es gibt nichts Neues unter der Sonne, immer wird das Selbe gespielt, scheint realistischer, als daß mit Weihnachten eine neue Zeit begonnen hätte.
Ein Ausweg böte sich an, daß nämlich die Kirche bzw wir Christen dazu berufen wären, nun das Erlösungswerk Jesu Christi zu vollenden, bis daß kein Kind mehr weint. Aber dies praktische Christentum hat auch schon längst seinen Elan verloren und sich säkularisiert zur bloßen Sozialdiensten, die so auch von jedem säkularen Träger erbracht werden. Der letzte Versuch und auch der radicalste, die marxistisch fundierte Befreiungstheologie ist ja -seit dem Ende der sozialistischen Staaten- auch völlig von der Bildfläche verschwunden.
Die Welt, blieb sie, so wie sie war, die alte adamitische? Wer die heutigen Debatten um die Moralehre der Kirche verfolgt, dem müßte der aktuelle Trend auffallen, die jetzt noch gültige Morallehre als Überforderung anzusehen und so  der Realität anzupassen. Lebt der Mensch nicht moralisch, so muß eben die Moral so weit heruntergedimmt werden, bis der Mensch, so wie er jetzt lebt, als moralisch lebend qualifizierbar wird. Die Erlösung reduziert sich dann eigentlich auf die Verkündigung Gottes: Alles in Ordnung, denn ich hab euch alle lieb, so wie ihr seid- macht weiter so.  
Ein anderer Ausweg ist der der konsequenten Eschatologisierung: Die Erlösung wird erst im Ende dieses Äons sich ereignen, wenn Jesus Christus wiederkommen wird zu richten die Lebenden und die Toten. Das wird wenigstens der augenfälligen Realität, so wie sie uns erscheint, gerechter als: Das Werk der Erlösung ist schon vollbracht.  
Die politische Geschichte des Abenlandes seit der Aufklärung ist nicht verstehbar, wenn die Idee der Versitlichung, der Humanisierung der Welt nicht verstannden wird als den Versuch, statt auf das Ende und die Erlösung nach der Geschichte zu warten, diese selbst zu realisieren. Das ist die Geburt der Politik aus dem Geiste der christlichen Erlösungsreligion, indem nun die Erlösung zur politischen Aufgabe wurde. Kann gesagt werden, daß mit dem Scheitern dieses politischen Erlösungskonzeptes die Politik im emphatischen Sinne ihr Ende fand, daß wir so in postpolitischen Zeiten  leben?
Nur, daß nun die christliche Religion ihren Erlösungscharakter auch verloren hat, indem sie ihr Evangelium reduziert zum großen Ja, das Gott als die Liebe zur Welt spricht, so wie sie sich jetzt entwickelt. Konkreter: Nicht nur Papst Franziskus segnet den Prozeß der Globalisierung ab, sagt Ja dazu und bringt sich wie jede andere  Nichtregierungsorganisation ein. Es paßt so, daß die Themen des nächsten Weltjugendtages: Migration, Umweltschutz und Frauen die der Agenda der Mächtigen dieser Welt sind, die Globalisierung so voranzubringen. Bei solch pragmatischem Globalisierungsengagement paßt eben die jesuanische Reich Gottes Verkündigung nicht mehr ins kirchliche Programm. Wozu noch von Erlösung reden, wenn es gilt, den Prozeß der Globalisierung pragmatisch zu unterstützen? 
Stimmt man etwa doch- klammheimlich- innerkirchlich der jüdischen Kritik zu,  daß der Messias doch noch nicht gekommen sei, um so nun pragmatisch an der Weltgstaltung  des alten Adams mitzuwirken?      

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