Freitag, 8. Februar 2019

Ein antikatholischer Kampfbegriff: Gewissensfreiheit- eine kleine Orientierungsskizze

In der Hl. Schrift nimmt der Apostelfürst Paulus den Gewissensbegriff aus der philosophischen Richtung der Stoa auf, um für ein Zentralproblem der Heidenmission eine Lösung zu konstruieren: Wie kann Jesus Christus für die Heiden der Erlöser sein, wenn sie entgegnen können: Von dem einen Gott und seinen Geboten wußten wir nichts, konnten auch nichts wissen, denn dieser Gott hat sich nur dem Volke Israel offenbart, sodaß uns unsere "Sünden" gegen diesen Gott und seine Gebote nicht als Sünde angerechnet werden können. Wenn auf der Internetseite: geschichtsverein-koegnen.de/RoeReligion.htm geschrieben wird:     "Die Lehre der Stoa hatte starke Nachwirkungen im Christentum. Den für die christliche Ethik zentralen Begriff "Gewissen" hat Paulus der Stoa entlehnt. Die Freiheit, dem eigenen Gewissen zu folgen, ist Teil des stoischen Systems. Unsere heutigen Vorstellungen vom Naturrecht, von der Naturreligion und von der Menschenwürde (der Mensch als Vernunftwesen!) basieren ebenfalls auf der Stoa." verkennt sie so völlig die paulinische Intention der Rezeption des Gewissensbegriffes. 
Nicht will Paulus sagen, daß jeder die Freiheit haben solle, nach seinem Gewissen zu leben, sondern: Weil alle Heiden in ihrem Gewissen vom Gesetz Gottes wußten und trotzdem gegen das so ihnen bekannte Gesetz verstießen, ist ihnen ihre Sünde anrechenbar. Deshalb bedürfen auch sie, wie die Juden, denen Gott das Gesetz durch Mose offenbart hat, der Vergebung der Sünden durch den Erlöser Jesus Christus. Das Gewissen ist so für Paulus der Ort des Wissens um das Gesetz Gottes.Es ist nicht individuell sondern allgmein die Stimme Gottes im Menschen als das göttliche Gesetz. Damit argumntiet Paulus: Weil Niemand gemäß diesem im Gewissen offenbaren Gesetz lebte, sind alle Sünder und bedürfen der Erlösung. Anders gesagt: Weil Jesus Christus der Erlöser aller Menschen ist, müssen auch alle Sünder sein, den ein Nichtsünder bedürfte des Erlösers ja nicht. Aus der Universalität des Heilswerkes schließt der Apostel auf die Universalität der Sünde und die konstruiert er durch den stoischen Begriff des Gewissens. Wenn der Apostelfürst darlegt, wie der Christ positiv zu leben habe, benutzt er den Begirff des Gewissens nie, auch nicht Heiden gegenüber indem er etwa sagen würde: Lebet nach eurem Gewissen und ihr lebt Gott wohlgefällig. Der Begriff des Gewissens wird nur negativ appliziert als Argument für die Universalität der Sünde als jedem anrechenbare.

Erst nach den innerchristlichen Religionskriegen des 17. Jahrhundertes begann dann die Karriere des Gewissensbegriffes, synonym zur Vernunft gebraucht. Einfach gesagt: Mit Blick auf das in katholisch und evangelisch zersplitterte und sich wechselseitig bekämpfende Christentum hieß die Parole: Keine der kirchlichen Morallehren ist für das Heil der Menschen von Nöten, es reiche allein die natürliche Religion mit dem Gewissen, der Vernunft, die dem Menschen hinreichend sagt, wie er zu leben habe.  Das Gewissen sollte  so den vernünftigen Menschen von der Katholischen Kirche wie auch von jeder anderen positiven Religion emanzipieren, denn es reiche das Gewissen und die Vernunft aus. Ja die "übernatürlichen" Kirchenehren hätten eigentlich nur die Priester erfunden, um ihre Herrschaft über die Gläubigen zu errichten. Der vernünftige Gewissensmensch bedarf keiner Kirche und nur der natürlichen Religion. Diese Religion skizzierte Kant in seiner Schrift: Die Religion in den Grenzen der bloßen Vernunft.

Im Namen des Gewissens und der Vernunft wurde nun jede Offenbarung als überflüssig erklärt und die Katholische  Kirche reprobiert. Deshalb lehnte die Katholische Kirche bis zum 2. Vaticanum die Gewissensfreiheit ab, denn dieser Begriff diente ja nur dazu, die Katholische Morallehre als unverbindlich zu beurteilen oder gar als widervernünftig zu verurteilen. 

Erst das Phänomen der totalitären Staaten, des kommunistischen und des nationalsozialistischen führte zu einem Richtungswechsel in der theologischen Beurteilung des Gewissens. Jetzt trat nämlich der Staat der Kirche gegenüber mit dem Anspruch, er sei im Besitz der Wahrheit und jeder habe nach dieser Wahrheit zu leben, denn diese sei die einzig wahre. Gegen diesen Totalitätsanspruch einer Staatsideologie prokamierte nun die Kirche das Recht jedes Einzelnen, seinem Gewissen  mehr gehorchen zu dürfen als dem  staatlich Verordnetem.
Jetzt galt das Gewissen nicht mehr als das Wissen des göttlichen Gesetzes sondern als etwas zutiefst Individuelles, dem jeder das Recht habe zu folgen, auch wenn das öffentliche Gesetz des Staates dies ablehnt. Die Parole der Gewissensfreiheit soll so totalitäre Ansprüche des Staates limitieren. Dies Konzept setzt einen der christlichen Religion indifferent oder ablehnend gegenüberstehenden Staat voraus, dem so Freiräume abgehandelt werden sollen, in denen Menschen nach ihrem individuellen Gewissen leben dürfen. 
Das Besondere ist nun: Nicht sagt die Kirche (mehr), daß der Mensch nicht durch den Staat zu etwas verpflichtet werden darf, das der Wahrheit, der christlichen Religion widerspricht, sondern, daß der Staat die Individualität des Gewissens zu respektieren habe.  Damit wird versucht, das staatliche Argument, daß jeder der Wahrheit der Staatsideologie zu gehorchen habe, zu unterlaufen: Nicht traut sich die Kirche mehr die Aussage, daß allein der christlichen Religion zu gehorchen sei, weil sie die wahre ist, sondern sie gibt den Wahrheitsanspruch auf, um nur noch das Recht des individuellen Gewissens zu fordern. Denn im Namen der vom Staate erkannten Wahrheit  lehnt ja der totalitäre Staat die Gewissensfreiheit ab und damit auch das Recht, katholisch zu leben, wenn das der Staatsideologie widerspricht. 
Statt also offensiv die Wahrheit der christlichen Religion gegen den Staat in Stellung zu bringen, geht die Kirche in die Defensive, und verzichtet auf das Argument der Wahrheit der Katholischen Kirche. Jetzt appliziert sie den antikatholischen Begriff der Gewissensfreiheit, um den Anspruch staatlicher Ideologien zu limitieren, wie vordem die Aufklärung die Macht der Kirche zu dekonstruieren versuchte mit der These, daß allein die  natürliche Religion ausreiche für das Heil der Menschen.  

Der so in Stellung gebrachte Begriff der Gewissensfreiheit gegen die Machtansprüche des Staates wendet sich nun natürlich  auch gegen die Wahrheitsansprüche der Kirche: Nun fordern Christen, daß sie im Namen der Gewissensfreiheit nicht mehr der Morallehre der Kirche zu gehorchen habe. Meine Gewissensfreiheit enthebt mich so dem Gehorsam Gott gegenüber, denn mein Gewissen steht gar über der göttlichen Offenbarung.Das ist das Ende der Katholischen Morallehre, das wir jetzt erleben.   

Corollarium 1
Ist das vorstellbar: Jesus Christus sagt: Zwar bin ich die Wahrheit, aber jeder hat das Recht, statt an mich, an Baal, Zeus, Wotan oder wen auch immer zu glauben. Jeder hat das Recht, statt auf mich zu hören, zu tuen, was ihm sein Gewissen sagt und Gott gab dem Menschen dies Recht, denn Gott ist es gleichgültig, wem ihr glaubt und wie ihr lebt? 



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