Donnerstag, 4. April 2019

Anfänge der Genderideologie-oder der Kampf um den Menschen

Was ist der Mensch, das ist keine harmlose Frage, denn wie sie respondiert hat, das hat gewichtige Folgen! Eine der für die Gegenwart folgenreichsten Antworten gab Jean-Paul Sartre: "Der Mensch ist nichts als sein Entwurf, er existiert nur in dem Maße, in welchem er sich verwirklicht, er ist also nichts anderes als die Gesamtheit seiner Handlungen, nichts anderes als sein Leben." Sartre, Ist der Existentialismus ein Humanismus?, in: Jean-Paul Sartre, Drei Essays, 1981, S.22. 
Wenn jeder Mensch erst  nur sein Entwurf ist und dann präzisierend nur das ist, inwieweit er seinen Entwurf realisierte, dann schließt diese Bestimmung des Menschseins aus, daß der Mensch vor seinem Sichentwerfen etwas ist, das seiner Selbstbestimmung vorausgeht. Daß damit das Fundament der heutigen Genderideologie gelegt ist, ist offensichtlich, wenn nun unter dem Entwurf auch die Wahl des Geschlechtes subsumiert wird: Jeder müßte sein Geschlecht sich frei wählen können, damit so das Geschlecht erst zu meinem wird als von mir frei erwählten. Das gesellschaftliche Verständnis von Mann und Frau zu erwählen, ist dann auch noch nicht das meines Entwurfes, wenn ich es nicht selbst frei kreiere, sondern es als gesellschaftlich fremdbestimmt übernehme. Wird diesem Zusatz zugestimmt, ist das ideologische Fundament der Genderideologie somit freigelegt.
Eines nur irritiert: Wie kann zugleich vom Menschen ausgesagt werden, daß er nichts ist und daß er frei ist zum Sichselbstentwerfen? Ist also das Nichtssein zugleich die Freiheit zum freien Entwurf? Dann muß hier die Aussage, daß der Mensch nichts ist, nicht bedeuten, daß er nicht ist, sondern daß er als reine Unbestimmtheit ist und daß das seine Freiheit ist. 
Kann der Mensch nur seine Handlungen sein? Wenn ich etwas tue, dann ist das nur eine menschliche Tat, wenn ich das auch unterlassen hätte können. Denn so erst ist es eine freie Tat. Die Wahrheit zu sagen, ist nur dann eine menschliche Tat, und im Regelfalle auch moralische, wenn es die Möglichkeit gegeben hatte, auch zu lügen.Etwas Bestimmtes zu tuen bekommt erst für das menschliche Subjekt seine Bedeutung, wenn mitreflektiert wird, was, wenn das eine getan wurde, was alles nicht getan wurde. Ein Mensch ist somit auch immer das, was er nicht getan hat, was er aber hätte tuen können. Hier offenbart sich einmal wieder der Mangel an dem konjunktivischen Denken in der Philosophie.
Sartre will dabei die Eigenverantwortlichkeit des Menschen für sein Leben herausstreichen. Kritisiert wird damit dieser Umgang mit seinem Leben, mit einem mißglückten: "Die Umstände waren gegen mich, ich hätte zu viel Besserem getaugt als was ich gewesen bin"(S.22). Das ist die Konsequenz des verdrängten Konjunktives, daß das, was ein Mensch hätte realisieren wollen, eben nicht nur durch den Menschen selbst verhindert wird, sondern eben durch andere Menschen: was, wenn ein Mensch sein Werk nicht vollenden kann, weil er vor dem an einer Krankheit starb. Dieser Tod kann schwerlich wohl als ein Element seines Lebensentwurfes verstanden werden.Sartre will so aber alles  Fremdbestimmte aus dem Leben des Menschen eskamotieren, um es als reine Selbstbestimmung zu explizieren. 
Zu fragen ist aber, ob diese Redukion legitim ist. Ist die menschliche Freiheit nicht immer eine durch das Schicksal umgrenzte Freiheit? So verfügt jede Figur im Schachspiel Möglichkeiten, so oder so gespielt zu werden und das ist ihre Freiheit. Das Regelsystem des Schaches eröffnet so erst die Freiheiten und ohne dies Regelsystem gäbe es ja gar keine Freiheiten, sondern nur eine belanglose Willkür: oder wie sollte man mit den Schachfiguren spielen können, sinnvolle Züge gar unternehmen, wenn es kein Spielregelsystem gäbe, das erst sinnvolle Züge, Akte der Freiheit zuläßt. 
Wenn ein Mensch geboren wird, dann wird er als Kind von bestimmten Eltern geboren, er wird als männlich oder weiblich geboren, als Glied eines bestimmten Volkes in einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort. Das sind alles Vorgegebenheiten, in deren Raum er sich dann bestimmen kann. Aber sie selbst entziehen sich seiner Selbstbestimmung. Dies Fremde gehört aber zu jedem Menschen. Es ist ihm nichts Äußerliches. Ja, er ist so schon ein Bestimmter, bevor er sich selbst bestimmt. 
Theologisch heißt das, daß Gott schon über jeden bestimmt hat, bevor er sich bestimmt.Gott läßt den einen Mann, den anderen Frau, den einen Deutscher, den anderen Russen werden, er läßt den  einen im Mittelalter, andere jetzt leben- das alles ist das Schicksal, das Gott jedem gibt als sein besonderes. Jede gläubige Existenz wird dann dies Schicksalhafte als sein Los von Gott her bejahen und zu seinem Entwurf machen. Die Genderideologie will nun alles Schicksalhaftes negieren, damit er nur noch reine Selbstbestimmung ist. Aber so verneint der so sich Entwerfende Wesentliches, was konstitutiv zu seiner Individualität dazugehört.
(vgl dazu auch mein Buch: Uwe C. Lay, Der zensierte Gott, die Kritik der Genderideologie)
Die Genderideologie nun konfundiert diesen Sartreansatz: der Mensch ist nichts und ist nur das, wozu er sich macht, mit dem Sozialmilieuansatz, was wäre alles aus mir geworden, wenn nicht die Umstände gegen mich gewesen wären, zu der These, daß der fremdbestimmte Entwurf der Geschlechterrolle die Freiheit der Frau unterdrücke, sich selbst ganz frei zu entwerfen. Die Frau konnte also noch nicht das sein, was nach Sartre ihr Menschsein ausmacht, nichts zu sein und so nur sich frei entwerfen zu können.

Zusatz:
Aufmerksame Leser werden bemerken, daß hiermit Sartre sich auch vom Marxismus absetzt, den der sagt, daß jeder Mensch in einer objektiven Lage in der Klassengesellschaft lebt und daß die seinen Entwurf bestimmt. Hier geht das Sein in der Realität dem Freisichentwerfen voraus und ein Entwurf ist nur ein wahrer, wenn er dem Sein entspricht, daß also der Arbeiter gemäß seiner objektiven Rolle im Kapitalismus sich entwirft als der, der diese Realität revolutionär zu negieren hat.             

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