„Wehret dem Mißbrauch der Freiheit“ – eine Kritik
Da die Bürger auch oder gerade in einer Demokratie dazu neigen, die ihnen vom Staate gewährte Freiheit zu mißbrauchen, sei die Freiheit einzuschränken, um die Mißbrauchsmöglichkeiten zu reduzieren. In dem Kath net Artikel zur Causa der Legalisierung einer Suizidbeihilfe: „Frankreichs Bischöfe werden laut: sie starten eine Kampagne gegen Suizidbeihilfe-Legalisierung“ (27.5.2025) findet sich dieses Argument auch wieder, gehört es doch zu den Standardargumenten in der Kontroverse um die Legitimität des Freitodes und einer Beihilfe zum Freitod. In der Diskussion um ein Verbot der AfD spielt dies Argument teine tragende Rolle: Da zu viele Bürger ihr Wahlrecht mißbrauchen, indem sie eine falsche Partei wählen, weswegen nun die Wahl dieser Partei als ein Mißbrauch der Freiheit qualifiziert wird, braucht jetzt nicht erörtert werden, soll die Wahlfreiheit der Bürger eingeschränkt werden, indem durch ein Verbot dieser Partei ihr Gewähltwerden verunmöglicht wird. Präsumiert wird dabei, daß der politische Diskurs festsetzt, was ein Mißbrauch der Freiheít sei und daß dann dieser zu unterbinden sei. Kein Gemeinwesen kommt ohne eine solche Diskriminierungspraxis aus, daß durch staatliche Gesetze das Erlaubte von dem Unerlaubten unterschieden wird. Umstritten ist nun, je nach der politischen Haltung, wie viel dem Bürger an Freiheitsrechten gewährt wird und wo sie begrenzt wird, um einen Mißbrauch der Freiheitsrechte zu verhindern.
So sind vor kurzem Mitgliedern der Organisation: „Die Identitären“ die Ausreise verweigert worden, da sie an einem Kongreß im Ausland zum Thema der Regrimation teilnehmen wollten. Das Paßgesetz erlaubt es, Bürgern eine Ausreise in das Ausland zu verbieten, wenn der begründete Verdacht besteht, daß sie den Auslandsaufenthalt zum Schaden des Staates mißbräuchten. Politisch Inkorrektes soll eben von deutschen Staatsbürgern nicht im Ausland nicht geäußert werden dürfen. Wer hier nun von einer politischen Zensurmaßnahme spricht, dem wird entgegengehalten, daß die Demokratie sich gegen ihre Feinde zu schützen habe, die die ihnen gewährte Freiheit mibrauchten.
Der Freitod ist nun keine unerlaubte Handlung, die staatlichen Gesetze verbieten ihn nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu festgestellt, daß das Selbstbe-stimmungsrecht des Menschen das Recht, freiwillig sein Leben zu beenden inkludiert. Das habe zur Folge, daß eine Gewährung einer Beihilfe zu dem Freitod keine unerlaubte Handlung sein könne. Nun wird von den Kritikern einer Erlaubnis für eine Beihilfe zum Freitod behauptet, daß, da diese Erlaubnis mißbraucht werden könnte, sie nicht gewährt werden dürfe. Übertrüge man dieses Argument auf das Wahlrecht der Bürger, hieße das: Da die Bürger ihr Wahlrecht dazu mißbrauchen könnten, falsche Parteien zu wählen, wäre es gut, das Wahlrecht gänzlich abzuschaffen. Unsere jüngere Geschichte bewiese das hinreichend, als 1933 so viele die NSDAP und die KPD gewählt hatten, daß keine demokratische Regierung mehr zustande kommen konnte, mehr als 50 Prozent der Parlamentarier gehörten diesen zwei Parteien an. Mit dem Argument, daß jedes Freiheitsrecht mißbraucht werden könnte, kann so die Abschaffung aller Freiheitsrechte legitimiert werden. Der totalitäre Staat wäre so die bestmögliche Staatsform, denn in ihr könnte kein Bürger mehr seine Freiheitsrechte mißbrauchen.
Es existiert nun tatsächlich eine solche freiheitsfeindliche Tradition in der Katholischen Kirche und ist m.W isb im Jesuitenorden beheimatet im Ideal des Kadavergehorsames. Unter dem Kadaver ist hier der Leichnam des Menschen gemeint, bei dem die Totenstare noch nicht eingetreten ist. Dieser kann sich nicht mehr selbst bewegen, kann aber von anderen bewegt werden. Der Eigenwille, das sich selbstständig Bewegen wird nun als der Ursprung alles Bösen angesehen, den es zu überwinden gälte. Ein Christ solle sich deshalb nur noch „bewegen“, wenn er dazu von einem Befehl eines ihm Vorgesetzten dazu aufgefordert wird. Der Verzicht auf jede Selbstständigkeit im bloßen nur noch Gehorchen wäre das Ideal der christlichen Lebensführung! So wird dies Ideal etwa in dem Buch: „Maria, meine Zuflucht und mein Trost“, charakterisiert1: „Mit Fug wird der gehorsame Christ mit einem Menschen verglichen,der in einem Schiffe fährt.Denn wie der,welcher in einem Schiffe ist,wenn er auch ruht, dennoch immer weiter kommt, so nimmt auch der Mensch im Schiffe des Gehorsames immer zu,mag er schlafen,wachen,essen,arbeiten oder ruhen, da er nichts auf eigenem Antrieb, sondern alles nach dem Willen des göttlichen Steuermannes tut,der in der Person seines Vorgesetztem ihm befiehlt.“
Die Aporie dieses Gehorsamkonzeptes, daß der Christ ganz auf seine Freiheit verzichtend nur noch auf den Befehl von Vorgesetzten sich bewegen soll, liegt darin, daß die Freiheit, die so überwunden werden soll, die notwendige Voraussetzung des Gehorchenkönnens ist. Ohne die Freiheit, auch nicht gehorchen können zu wollen, könnte ein Christ nicht gehorchen, er funktionierte dann nur wie eine intakte Maschine.
Die Morallehre der Kirche verurteilt nun den Freitod als eine schwere Sünde und deshalb auch jede Beihilfe zum Freitod als eine Sünde. Vom Grundgesetz her ist aber der Freitod nicht als eine unerlaubte kriminelle Handlung zu kategorisieren,denn zu dem Grundrecht auf Selbstbestimmung gehört auch das Recht, sein Leben freiwillig zu beenden. Deshalb kann ein Verbot der Beihilfe zum Suizid keine strafbare Handlung sein, da es um eine Hilfe zu einer erlaubten Handlung ist. Zudem gilt: Wenn der Freitod als Selbstmord kriminalisiert werden würde, müßte auch der versuchte Selbstmord wie der versuchte Mord als eine kriminelle Handlung bestimmt werden und in Analogie zur Schwere des Verbrechens eines versuchten Mordes im Regelfall mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden. Dann und nur dann wäre auch eine Beihilfe zum Freitod eine verbrecherische Handlung.
Aber es gibt ob des Grundgesetzes keine legale Möglichkeit, den Freitod zu kriminalisieren. Deswegen kann die Kirche zwar den Freitod und die Beihilfe für ihn moralisch verurteilen2, aber nicht eine Kriminalisierung der Beihilfe durch den Gesetzgeber fordern.
Es muß aber konstatiert werden, daß die Forderung, um einen Mißbrauch der Freiheit zu verhindern, die Freiheitsrechte einzuschränken en vogue sind. Völlig konträr dazu verläuft der politische Diskurs um das Recht auf eine Beihilfe zum Freitod. Dieser ganz und gar unzeitgeistgemäß verlaufende Diskurs ist m.E nur erklärbar aus der politischen Intention, die (Un)Kosten des Gesundheitssystemes zu reduzieren, hoffend daß Schwersterkrankte dann die Option einer Beihilfe zum Suizid ergreifen und damit die Behandlungskosten für irriversibel Erkrankte reduzieren. So eindeutig so die Beihilfe zum Suizid vom Grundgesetz her zu klären ist, daß sie zu erlauben ist, so problematisch ist sie aus der politischen Perspektive der Kostenreduktion, daß Menschen lieber sterben sollen, als daß sie Unkosten verursachen.
Zusätze:„Wehret dem Mißbrauch der Freiheit“ – eine Kritik
1.Das moraltheologische Argument, daß das Töten grundsätzlich unmoralisch und zu kriminalisieren wäre, ist ein moraltheologisch gesehen unhaltbares Argument für diese Causa, denn erstens verfügt der Staat über das Recht zu töten, Soldaten dürfen im Kriegsfalle töten und unter bestimmten Bedingungen dürfen auch Polizisten nicht nur von ihrer Waffe Gebrauch machen, sondern auch in Tötungsabsicht schießen. Auch kann es zweitens Privatpersonen in näher bestimmten Notwehrfällen erlaubt sein, den Angreifer töten. Außerdem ist die Übersetzung: „Du darfst nicht töten“ äußerst zweifelhaft, denn nirgends in der hl. Schrift wird das Töten im Kriege als eine Sünde verurteilt! Die Übersetzung: „Du darfst nicht morden!“ ist sicher angemessener.
2. Sollte das Parlament im Sinne der Morallehre der Kirche eine Beihilfe zum Freitod als eine verbotene Handlung bestimmen, würde diese Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig verworfen werden müssen.
1Michael Sintzel; Maria, meine Zuflucht, 1919, verbesserte Auflage, S.185: „Vom Gehorsam“
2Allerdings hätte sie nie Maximilian Kolbe heilig sprechen dürfen, denn sein Opfertod war eine Form des Freitodes: „Tötet mich, und verschont den Anderen!“ Auch der gute Zweck der Rettung des Lebens eines Anderen legitimiert nach der Lehre des Katechismus nicht den Willen, sich selbst töten zu lassen.
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