Mittwoch, 11. Juni 2025

Ein Beispiel der Selbstdestruktion der Theologie und der Kirche

 

Ein Beispiel der Selbstdestruktion der Theologie und der Kirche



Nikodemus wollte sich von Jesus belehren lassen, darum suchte er ihn nächtlich auf. Er suchte „Jesus bei Nacht auf und sagte zu ihm: Rabbi, wir wissen, du bist ein Lehrer, der von Gott gekommen ist;denn niemand kann die Zeichen tun,die du tust,wenn nicht Gott mit ihm ist.“ (Joh, 3,2)Die Autorität Jesu erweist sich also an den Wundern, die er vollbringt.Denn solche Wunder, das Johannesevangelium verwendet dafür den Terminus des „Zeichens“,um damit zu sagen, daß die Aufgabe der gewirkten Wunder die es ist, auf Jesus zu zeigen als den von Gott Ausgegangen, auf den, mit dem Gott ist, weil die Wunder Taten sind, die nur einer vollbringen kann, mit dem Gott ist.Moses verfuhr schon so: Gegenüber seinem Volke und dem Pharao sollte er sich durch ein Wunder als wirklich von Gott Gesandter legitimieren. Nicht die Botschaft legitimiert den Überbringer als wahrhaft von Gott Gesandten, weder die Botschaft, daß Gott sein Volk aus Ägypten befreien wolle, noch Jesu Christi Tauflehre, in die er dann Nikodemus unterwies, sondern beide wiesen sich als von Gott Gesandte durch ein Wunder aus.

Nun fallen diese Wundererzählungstexte unter die Messer der historisch-kritischen Methode.Eines der wichtigsten Axiome dieser Methode ist nun die Prämisse, daß weder Gott noch ein Mensch mit der Hilfe Gottes ein Wunder wirken könne und daß deshalb alle Wundererzählungen als pure Phantasieprodukte abzuqualifizieren seien. Wissenschaftlich wohlklingender werden diese Phantasieerzählungen dann gern als „Legenden“ bezeichnet.Zur üblichen Praxis der Entmyhologisierung der Heiligen gehört ja so die antithetische Gegenüberstellung von dem, was wir historisch zuverlässig über den Heiligen wissen und dem, was die „Legenden“ über ihn erzählen, wobei alle Wunderberichte als legendarisch dysqualifiziert werden.

Ergo: Alle Wundererzählungen sind so als nachösterliche Legenden zu rekonstruieren. Aus dem Verkünder und Lehrer Jesus von Nazareth wurde der verkündigte Jesus Christus. Diesem habe man dann nachösterlich, beeindruckt durch seine Erscheinungen nach seinem Kreuzestod all diese Wundererzählungen beigefügt, um das Außerordentliche dieses Jesus zu veranschaulichen. Die Taten, die ursprünglich die Autorität Jesu Christi verifizieren sollten, setzen nun seine Autorität als schon anerkannte voraus. Die Wundererzählungen drücken so nur den Glauben an Jesus aus und begründen so ihn nicht.

Wie kamen denn dann nur Menschen dazu, Jesus als von Gott Gesandten zu glauben, in ihm gar den Sohn Gottes zu erkennen? Diese Methode schaufelt so einen unüberbrückbaren Graben zwischen dem vorösterlichen Jesus von Nazareth und dem nachösterlichen Jesus Christus. Als einziger Steg, von Jesus von Nazareth zu dem Sohn Gottes zu gelangen, bleiben dann die nachösterlichen Erscheinungen Jesu übrig.Dieser Steg ist nun aber genau betrachtet ein sehr instabiler Steg. Mose und Elia erscheinen auf dem Berge der Verklärung, werden sie deshalb als Söhne Gottes angesehen? Lazarus wird von den Toten auferweckt, gilt er nun als ein von Gott Gesandter? In der abendländischen Kultur gibt es viele Erzählungen von Toten, die Lebenden erschienen sind, auch um ihnen Gewichtiges zu offenbaren, es sei nur an die Erscheinung Hamlets erinnert, der seinem Sohne offenbart, daß er ermordet worden sei und daß nun sein Mörder auf seinem Throne säße.

Wenn Jesus nicht schon vorösterlich als der Messias und als der Sohn Gottes erkannt worden wäre, dann wäre er auch nach seinen österlichen Erscheinungen nicht als Sohn Gottes erkannt worden.Die Parole von der „christologischen Abrüstung“, ein Produkt des christlich-jüdischen Dialoges, daß wir Jesus zu entgöttlichen hätten, um von der Synagoge als Dialogpartner akzeptabel zu werden, fiel dann ob dieses Grabens zwischen dem Jesus von Nazareth und dem Jesus als wundertätiger Sohn Gottes auf einen fruchtbaren Boden. Verstärkt wird das durch die Tendenz, nachzuweisen, daß alles, was Jesus selbst gelehrt habe, nur Lehren seien, die damals auch von Juden gelehrt worden seien, er also nichts aus dem Judentum nicht Ableitbares gelehrt habe. Wie aus so einem Jesus dann der Sohn Gottes werden konnte, wird so völlig unbegreiflich und gerät unter den Verdacht, eine große Täuschung zu sein!

Ist denn nun das Axiom der historisch- kritischen Methode, daß Gott keine Wunder wirke und auch nicht Menschen in seiner Kraft, selbst wissenschaftlich begründet? Mitnichten, es wurde als eine Prämisse dieser wissenschaftlichen Methode eingeführt, die selbst wiederum nicht wissenschaftlich begründet worden ist, denn sie ist die Prämisse des modernen wissenschaftlichen Denkens. Das ist vergleichbar mit einem Rechenlehrer, der den Schülern das Subtrahieren beibringt und die Tafelklässerfrage: „Was ist denn 2 weniger 3?“ mit „Das geht nicht!“ beantwortet, weil er seiner Schüler nicht mit dem Gebrauch der Negativzahlen überfordern will. Man könnte sagen, daß sich die negativen Zahlen, etwa -2 zu den positiven, der 2 so verhalten, wie die Wunder zu den natürlichen Ereignissen. Die negativen negieren die positiven wie die Wunder die natürliche positive (ponere= setzen,stellen,legen) Ordnung der Natur. Aber so wenig der Ausschluß der Negativzahlen aus der Mathematik legitimierbar ist, so wenig legitimierbar ist der Ausschluß der Wunder als ein Element der ganzen Wirklichkeit.

Aber erst durch dieses Axiom entsteht der tiefe Graben zwischen dem Jesus von Nazareth und dem kirchlichen Jesus Christus, der die ganze Christologie delegitimiert.



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