Freitag, 13. Juni 2025

Sei ein cooler Typ“ – eine kritische Betrachtung eines Zeitgenossen

 

Sei ein cooler Typ“ – eine kritische Betrachtung eines Zeitgenossen



Eingedenk der Tatsache, daß gilt: „omnes determinatio est negatio“ soll zuvörderst gefragt werden, welcher Typ durch den coolen ersetzt werden soll, welcher eben nicht mehr en vogue ist. Hier stoßen wir auf einen nicht nur in dem religionspädagogischen Diskurs verwendeten Begriff der Sensibilisierung. Schüler sollten für eine Thematik sensibilisiert werden. Der schülerzentrierte Ansatz frug nach den Lebensproblemen von den Schülern, um die dann irgendwie mit Gehalten der christlichen Religion in ein Gespräch zu bringen, wobei das simpelste Modell daß der Problemeruierung und der Problemlösung durch bestimmte Gehalte der Religion ist. Der Ausgangspunkt dieser pädagogischen Konzeption ist die These, daß jeder zuvörderst an sich selbst und an seinen Problemen interessiiert sei und daß eine Anknüpfung an solchen existentiellen Fragen der Religion dann zu einer Lebensrelevanz verhülfe.

Das Konzept der Sensibilsierung sollte nun das Gebiet, wofür sich ein Schüler im Religionsunterricht interessiere, erweitern, er soll sensibel werden für Probleme, die nicht die seinigen sind. Durch eine Aktivierung des Mitgefühles, des Hineinfühlens in andere, der Empathie sollen so Probleme für Schüler interessant werden, die nicht Teil ihres eigenen Lebens sind, sozusagen außerhalb ihres persönlichen Lebensraumes existieren. Das Bild eines hungernden Kindes in Afrika sensibiliere etwa für das Problem der ungerechten Weltordnung, der Obdachlose für das Problem eines defiitären Sozialstaates. Der sensible Mensch ist eben ein Mensch, der nicht mit seinem eigenen Leben zufrieden sein kann, wenn es dem Nachbarn oder dem Kinde in Afrika schlecht geht, denn er empfindet mit jedem Leidenden. So sollten Schüler auch zu Akteuren des Strebens nach einer besseren und gerechteren Welt erzogen werden. Dabei wurde primär nicht auf cognitive Erkenntnisse gesetzt sondern auf das Vermögen, mitfühlen zu können, wobei der Kreis derer, mit denen man mitzufühlen hatte, universalisiert werden sollte. Jeder sei doch schließlich für jeden mitverantwortlich, so wurde dabei das Gebot der Nächstenliebe neu formuliert.

Die Kirche sei dann die Organisation der praktizierten Nächstenliebe, die als Fernstenliebe ausbuchstabiert wurde, Ein medienpädagogisch vorbildlich inszenierter Weihnachtsgottesdienst möge das veranschaulichen, den ich so tatsächlich zwei Mal so erlitt: Nur die Hälfte der elektrischen Weihnachtskerzen des in der Kirche aufgestellten Weihnachtsbaumes leuchteten. Der Prediger erklärte nun, daß es sich so mit den hier in Deutschland Weihnachten feiernden Christen verhielte, sie leuchten, das ist sie feiern, aber ganz viele könnten Weihnachten nicht feiern, isb in Afrika, weil sie so elendig lebten. Es sei nun unmoralisch, wenn wir hier feierten, wenn die Anderen nicht feiern könnten. Deshalb müssen wir dafür sorgen, daß alle, auch die in Afrika feiern können, damit dann wir mit allen zusammen erst richtig feiern könnten. Der sensibilisierte Christ könne gar nicht hier Weihnachten feiern, hat er die leidenden Kinder Afrikas vor seinen Augen und in seinem Herzen. Dann begannen zum Schluß der Predigt alle Weihnachtsbaumkerzen als Vorzeichen des zukünftig erst feierbaren Weihnachtsfestes!

Der „coole Typ“ ist nun erstmal nichts anderes als die Negation des sensibilisieren Menschen. Er insistiert darauf, daß er für sich gut, gar glücklich leben könne, völlig unanhängig davon, wie es den Anderen ergeht. Dieser Typ weiß, was er für sich will und sortiert dazu die Anderen nach, dafür nützlich, dafür gleichgültig und dafür entgegengesetzt. Dieser Typ will nicht bei anderen beliebt sein oder sich beliebt machen, er zieht, wie man es vulgär formuliert: „sein Ding durch“. Für die Religionspädagogik ist der coole Typ unerreichbar, sofern sie auf orientierungslose, nach dem Sinn des Lebens Suchende sich ausrichtet, denn er weiß, was er will und er weiß auch, wie er mit wem cooperierend das erreichen kann. Die gelebte Selbstgenügsamkeit, ich brauche andere nur, wenn sie mir nützlich sind, lassen ihn cool wirken. Interessanterweise reagieren nun andere darauf, daß sie von ihm beachtet werden wollen, gerade weil er sie nicht beachtet: In seinen Augen wollen sie etwas werden, etwas sein.Seine Wertschätzung zählt, weil er gerade niemanden selbstverständlich wertschätzt.

Die Voraussetzung des Ideales des coolen Typen ist somit eine Gesellschaft atomisierter Individuen, in der jeder zumindest meint, gut leben zu können ganz allein auf sich gestellt, wenn er nur für seine Privatzwecke ausreichend genug Sozialkontakte unterhält. Dabei reagiert dieser Typus auch auf die faktische moralistische Überforderung, daß er nur glücklich sein dürfe, wenn das auch all seine Mitmenschen wären. In dem wunderschönen Sissi Film mit Romy Schneider in ihrer Paraderolle als Kaiserin Sisse stellt sie sich ja dem Problem, dürfe sie glücklich sein, wenn ihr Glück auf dem Unglück ihrer Schwester beruht,da der Kaiser sie nun und nicht ihre Schwester ehelicht, wie es sich ihre Schwester ersehnt hatte. Einem coolen Typ wäre diese Frage nie gekommen und deswegen paßt er besser in unsere postmoderne Welt. Denn für unsere Zeit gilt, was die Musikgruppe „Abba“ treffend so auf den Punkt brachte: „The winner takes it all!“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen