Wie kommt ein Mensch zu „einem guten und glückseligen Leben“?
Der hl. Augustinus respondiert uns diese Frage so: „Den Zugang zu einem guten und glückseligem Leben eröffnet allein die wahre Religion= Cum omnis vitae bonae ac beatae in vera religione sit constituta“.1 Die wahre Religion wird dann so bestimmt: die „nur einen Gott verehrt und mit geläuterter Frömmigkeit als Ursprung aller Wesen erkennt,als den.der das Weltall anfänglich setzt,es vollendet und umfaßt.“ Es soll hier nun nicht dies wunderbare Werk christlicher Theologie referiert werden, hier ist nur ein Umgang mit ihm angemessen, es selbst zu lesen und zu studieren, sondern festgestellt werden, daß dieser enge Zusammenhang zwischen dem guten Leben, das wohl jeder Mensch sich wünscht und ersehnt und der Religion, gar der wahren nur, nicht mehr gesehen wird. Ja, es gehört konstitutiv zur Postmoderne, daß es so viele Zugänge zu einem guten Leben existierten, wie es Menschen gäbe, ja es existierte auch nicht gegen Sartre und nicht nur gegen ihn gewandt nicht mal die Notwendigkeit, daß jeder für sich einen Lebensentwurf erwählt, der dann für ihn auch verbindlich ist. Der postmoderne Mensch kann sein Leben als den Ermöglichungsgrund zur Realisierung von verschiedendsten Lebensentwürfen, Projekten verstehen, die er beliebig sich erwählen könne.
Die These, daß es einen wahren für jeden Menschen gültigen Weg zu einem guten und glückseligen Leben geben könne, gehöre eben in die nun schon längst untergegangene Epoche der Metaphysik. Schon daß einer den von ihm erwählten als auch für andere als wahren bekennt, wird als etwas Übergriffiges verurteilt. Jeder könne eben nur für sich selbst bestimmen, was für ihn das Richtige sei. Aber wie kann dann noch ein gesellschaftliches Leben möglich sein, wenn jeder lebt, wie es ihm gefällt? Auf diese auf den ersten Blick so schwierig beantwortbaren Frage gibt es nun aber eine sehr simple und den Leser auch wohl arg enttäuschende Antwort: Das (post)moderne Gesellschaftssystem ist in Subsysteme ausdifferenziert, die alle in sich selbst hinreichend bestimmt sind, sodaß jeder, tritt er in eines ein, dort so funktioniert, wie das Subsystem es präskribiert.
Den Ausgangspunkt markiert die These von der Eigengesetzlichkeit der Welt, daß , um es zu veranschaulichen, der Christ, verläßt er sein Daheim seinen persönlichen Glauben Zuhause läßt wie seine Pantoffeln, um mit Straßenschuhen zur Arbeit zu gehen. Die Berufswelt, die Welt der Ökonomie, die Welt der Politik und die Welt der Freizeit haben sich von der christlichen Religion emanzipiert und das Leben in diesen Ordnungen wird durch das dort präsente Regelwerk hinreichend bestimmt. Deshalb kann von Systemen gesprochen werden, die keine Eingaben von Außerhalb bedürfen. Eine christgläubige Kellnerin arbeitet eben nicht anders als eine atheistische, die Politik eines Christdemokraten ist von der eines atheistischen SPD-Politikers nicht (mehr) unterscheidbar und wenn in der Freizeit ein Christ Schach spielt, dann spielt er das nicht anders als ein Muslim.
Allen Subsystemen ist es nun so auch zu eigen, den Menschen, wenn sie in ihnen agieren, zu sagen, wie sie da zu agieren haben, wenn sie da gut leben wollen. Und wann wählt der postmoderne Mensch noch seinen Lebensentwurf? Hier ist der Ort der Subjektskritik der Postmoderne, die den Begriff des Subjektes primär als etwas Unterworfenes begreifen: Der Mensch sei immer schon Subsystemen unterworfen, die ihn hinreichend bestimmen. Das transzendentale Ich, das dann das meinige Leben durch Akte der Selbstbestimmung erwähl, sei selbst nur eine metaphysische Illusion. Deshalb gäbe es hart formuliert auch gar nicht das sich frei entwerfende Subjekt, er sei immer schon nur eine Funktion, die, wenn sie funktioniert, sich gut fühlt.
Die theologische Tradition des Integralismus begreift dagegen alles als ein Ganzes, das durch ein Ziel, auf das es hin ausgerichtet ist, bestimmt ist, die causa finalis von allem und jedem. Das kann in der Formel, daß alles von und in Gott auf Gott hin ist. Dann kann es auch, wie der hl. Augustin in seinem Werk „Über die wahre Religion“ den einen wahren Lebensweg für den Menschen geben. Löst sich das Ganze aber postmodernistisch in eine Pluralität von Subsystemes auf, die nicht mehr auf eines reduzierbar sind, zerfällt auch der eine wahre Lebensweg. Alles metaphysische Denken hebt an mit dem Einen, von dem her alles ist und woraufhin alles ist, wie es Augustin schon in dem ersten Satz seines Buches „Über die wahre Religion“ ausdrückt. Aber die Kirche hat sich von diesem metaphysischen Integralismus abgewandt, um stattdessen den postmodernen Pluralismus in sich selbst zu reproduzieren. Gottes Ja zu jedem hieße, daß er jeden Lebensentwurf bejahe.
1Augustinus: De vera religione, der erste Satz, hier zitiert nach der Übersetzung von W.Thimme. M.E wird dabei das „constututa“ nicht gut übersetzt, denn das Konstituieren meint mehr als nur ein „Zugang eröffnen“.
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