Dienstag, 20. Mai 2025

Das neue „Sexevangelium“ - eine Polemik und eine Klarstellung

 

Das neue „Sexevangelium“ - eine Polemik und eine Klarstellung



Einst trieb den großen Theologen Anselm von Canterbury die Frage um, warum denn nur Gott Mensch geworden sei und er fand darauf eine Antwort, die aber in der postkonziliaren Theologie nur noch neben der Erbsündenlehre paulinisch – augustinischer Fassung als der Sündenfall der Kirche schlechthin diffamiert wird.Wer nun die katholischen Internetseiten und die Weltmedien auf diese Frage hin befragt, stößt unweigerlich auf eine geradezu bahnbrechende Erkenntnis: Entweder Jesus kam, um uns Menschen von allen moralischen Restriktionen der Sexualität zu befreien, da er erkannt hatte, daß wir Menschen am meisten unter der Unterdrückung unserer Sexualität litten oder Jesus kam, um uns zu offenbaren, daß wir am besten auf jeden Sex zu verzichten hätten, und wenn dann nur, um in der Ehe Kinder zu erzeugen. Der Heilige Geist würde uns Neugeborenen ganz von den sexuellen Begiereden befreien, sodaß wir die Sexualität nur noch in der Ehe pflichtgemäß zur Weitergabe des Lebens praktizieren würden.

Wer so nun gut aufgeklärt das Neue Testament oder doch auch noch das Alte zur Hand nimmt, der muß völlig irritiert konstarnieren, daß dies allerwichtigste Thema in der Bibel kaum thematisiert wird! Es läßt sich auch bei noch so willkürlicher Auslegung der biblischen Texte weder plausibel machen, daß der Verzicht auf jeglichen Sex das Jesus und seine Mutter Maria Auszeichnende ist noch kann behauptet werden, daß eigentlich der Sex für diese zwei das Wichtigste gewesen wäre und daß sie nur deshalb enthaltsam gelebt hätten, da sie nicht den rechten Partner dazu gefunden hätten. Daß Leben sein soll, daß Gott deshalb allem Lebendigen den Auftrag der Fortpflanzung gegeben hat, wie es uns der Schöpfungsbericht offenbart, thematisiert den Sex als eigenes Thema nicht. Das Zentralthema der Bibel ist die rechte Gottesverehrung und wie das Volk Israel diesem Auftrage nicht gerecht geworden ist und wie der Apostelfürst Paulus dann in seinem Römerbrief es expliziert, daß alle Menschen der gebotenen Gottesverehrung nicht gerecht geworden sind.

Um die Morallehre des Neuen Testamentes angemessen zu verstehen, muß bedacht werden, daß ursprünglich in Bälde das Eintreten des Reich Gottes erwartet worden war, daß Jesus Christus wiederkommen wird in Herrlichkeit, um die Lebenden und die Toten zu richten. Darum spielte die Frage der Regulierung der Fortpflanzung keine bedeutsame Rolle. Erst als die Kirche in dem Thron- und Altarbündnis zu einer weltgestalten wollenden Kirche sich entwickelt hatte, konnte die Frage der Regulierung der Sexualität für sie eine bedeutsame Frage werden. „Wie hältst Du es mit dem Sex?“ wurde zu einer Frage der Biopolitik des Staates, der sich um einen genügenden Nachwuchs und die Gesundheit des Volkes zu sorgen anfing, denn das Volk war der Reichtum und die potentielle Macht eines Staates. „Wer wen wie heiraten durfte und wie mit unehelichen Kindern umzugehen sei“, sind nun Fragen des Staates und gehören so nicht primär in den Bereich der Individualethik. Die der christlichen Religion eigenste Frage war die, wie wir zu leben haben, um in das ewige Leben eingehen zu können.

Es darf gemutmaßt werden, daß die Sexualität erst zu einem Zentralthema der kirchlichen Morallehre wurde, als die Religion ihre Bedeutung für das öffentliche Leben verlor: Der Mann müsse hinaus in das feindliche Leben, der Lebensraum der Frau seien dagegen die drei Ks: Küche, Kinder und Kirche. Das „feindliche“ Leben, das waren alle Lebensräume außerhalb des Familienlebens, der Raum der Ökonomie, der Politik und des außerhäuslichen Vereinslebens, sie bildeten Subsysteme heraus, dir durch sich selbst hinreichend reguliert waren und die so keinen Raum mehr übrigließen für eine Fremdregulierung durch die kirchliche Morallehre. Der Mann zog sozusagen seinen Privatglauben wie seine Hausschuhe aus, um die Straßenschuhe anzuziehen, wenn er sein Daheim verließ. Daheim wurde dann die Religion noch privat gelebt verbunden mit dem Aufsuchen von Gottesdienste. Diese Entweltlichung bzw Verfamilisierung der Religion dürfte der Grund dafür sein, daß nun erst das Thema der Sexualität in den Vordergrund trat: Wie sind die Kinder diesbezüglich zu erziehen? Sollen sie von allem Sexuellen ferngehalten werden, oder sollen sie auf das spätere Liebes- und Eheleben vorbereitet werden?

Blickt man nun zurück zur ersten Aussage der Bibel zu dieser Causa, muß man irritiert konstatieren, daß Gott den ersten zwei Menschen den Auftrag gab, die Welt zu gestalten, sie sich zu unterwerfen, auch wenn das Klimakatastrophengläubige nicht gerne hören möchten, und daß sie sich vermehren sollten, damit sie diesen göttlichen Auftrag erfüllen können. Dies Gebot gab Gott Adam und Eva ja, als sie noch nicht dem Sterbenmüssen unterworfen waren, sodaß die ursprüngliche Intention dieses Gebotes: „Mehret Euch!“ nicht dem Erhalt des Gattungswesen des Menschen gelten konnte, denn das war noch nicht durch den Tod bedroht. Die ersten zwei Menschen sollten sich vermehren, damit die Menschen als Ganzes diesem Auftrage Gottes, dem der Weltgestaltung gerecht werden konnten. Das Gebot gehört so viel mehr in die Sozialethik der Kirche als in das Gebiet der Individualethik. Daraus resultiert dann auch die Legitimität der Biopolitik des Staates, nicht nur eine Gesundheitspolitik zu betreiben sondern auch eine Bevölkerungspolitik.

Theologisch heißt dies, daß die Sexualität in den Bereich der Schöpfungsordnungen anzusiedeln ist und nicht in den ordo salutis, der Erlösungsordnung. Es gilt also, um es ganz allgemein zu formulieren, Sorge dafür zu tragen, daß genügend Nachwuchs entsteht, um das Staatsvolk am Leben zu erhalten und so universalistischer gedacht, die Menschheit das Überleben zu ermöglichen. Die Regulierung der Sexualität hat also diesem Zwecke zu dienen, woraus sich dann erklärt, daß die Homosexualität negativ beurteilt wird, dagegen das Familienleben staatlich gefördert wird als dem günstigsten Ort der Nachwuchsheranbildung.

Gegen diese allgemeine Regulierung protestiert nun der Individualismus, der auf das Recht jedes Einzelnen pocht, sein Leben und isb das sexuelle als eine reine Privatangelegenheit zu betrachten. Diese Verprivatisierung entortet die Sexualität aber aus dem Bereich der Schöpfungsordnungen in die pure Privatheit, in die dann auch die kirchliche Morallehre nicht eingreifen dürfte. Verblüffend ist nun, daß die conservative Reaktion auf diese Verprivatisierung diese selbst bejaht, aber nun behauptet, daß die Sexualität, nur zwischen zwei sich Liebenden und miteinander Verheirateten eine beglückende Sexualität ermögliche, die dann ihre Krönung in den gemeinsamen Kindern fände. So kann man das Anliegen der sog. „Theologie des Leibes“ von Papst Johannes Paul II rekonstruieren, der in seiner Präferenz für die personalistische Philosophie den liberalistischen Individualismus in die Kirche implantierte.1

Eines sollte aber auch anthropologisch klar sein: Der Mensch besteht nicht einfach nur aus einer Seele und einem Körper, sondern damit ist immer ein hierarisches Über- und Untergeordnetsein mitgesetzt, daß die Seele das den Menschen Ausmachende und Bestimmende ist, sodaß deshalb schon die Sexualität nicht das Wesentliche des Menschen ausmachen kann. Weder kam Gott in die Welt, um uns zu éinem sexuell freizügigen Leben zu befreien noch kam er in die Welt, um uns von der Sexualität zu befreien, oder sie nur noch als ein notwendiges Übel zum Erhalt der Menschheit zu praktizieren. Wenn das Thema der Sexualität ein bedeutsames der Kirche heutzutage sein kann und soll, dann kann es sich nur um das Problem der zu wenigen Geburten handeln, daß, wenn alle Menschen so ihre Sexualität praktizieren würden wie wir Westeuropäer und Amerikaner, die Menschheit von dem Aussterben bedroht wäre. 

Merke: Gerade in einer Negativfixierung auf die Sexualität verharrt man ganz in ihr wie in ihrer Apotheose, das paulinische "als ob nicht" überwindet erst die Fixierung auf die Sexualität. (1.Kor 7,27) 

1Um die Folgen dieser Implantierung uns vor Augen zu führen: Hätten sich alle Kinder Evas und Adams an das Inzestverbot der Kirche gehalten, wäre die Menschheit mit dem Tode der Kinder Evas und Adams ausgestorben.Auch geht es in der Morallehre nicht darum, wie ich zu leben habe, um glücklich zu leben, sondern um erlaubt und nicht sündigend zu leben. Wer alle 10 Gebote Gottes einhält, lebt moralisch richtig aber das heißt nicht, daß er so auch glücklich lebte.

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