Sonntag, 2. November 2025

Verwirrendes: „Freiheit“ und „Befreiung“- das benennt doch etwas rein Positives und Erstrebenswertes oder:Alles halb so wild?

 

Verwirrendes: „Freiheit“ und „Befreiung“- das benennt doch etwas rein Positives und Erstrebenswertes oder:Alles halb so wild?


So spontan wohl jeder dies Beides als etwas Positives bewerten und als etwas Erstrebenswertes erachtet, so diffus wird jedes Gespräch, wird nachgefragt, was denn darunter nun verstanden wird.Selbst die elementarste Unterscheidung, die zwischen der Willensfreiheit und die der Handlungsfreiheit ist nicht jedem bei Diskussionen über diese Thematik geläufig.Unter der Willensfreiheit wird die These verstanden, daß, wenn ich A will auch -A wollen könnte, daß ich also nicht determiniert bin,A zu wollen.Sagt jemand, er könne nicht aufhören,Alkohol trinken zu wollen,dann gilt er als süchtig und somit zumindest partikular als unfrei.Die Handlungsfreiheit besagt, daß das was ich will, auch realisieren kann. So besitzt ein Alkoholiker nicht die Willensfreiheit, mit dem Alkoholtrinken aufhören zu können, er kann aber die Handlungsfreiheit besitzen, seinen Willen, zu trinken,zu realisieren.Die Handlungsfreiheit setzt somit nicht die Willensfreiheit voraus und die Willensfreiheit ist nicht beeinträchtigt, wenn das freiwillig Gewollte nicht realisierbar ist.

Von daher ergibt es sich, daß der politische Diskurs sich auf die Frage der Handlungsfreiheit konzentriert: Können die Bürger das was sie wollen realisieren,sollen sie das Gewollte realisieren können oder gibt es Fälle,in denen eine Realisierung des Gewollten zu unterbinden ist und wo ist die Realisierbarkeit zu fördern. Der philosophische und theologische Diskurs konzentriert sich dagegen auf die Willensfreiheit als der Zentralfrage der Anthropologie, wohingegen die Rechtswissenschaft die Willensfreiheit präsumiert,um bei der Prüfung von Einzelfällen in Gerichtsprozessen zu prüfen,ob der Angeklagte für seine Handlung voll verantwortlich ist, das heißt,daß er sie freiwillig begann,oder nicht.Im Allgemeinen setzen wir aber voraus, daß unsere Mitmenschen für ihr Tuen und Unterlassen verantwortlich sind, auch wenn zugestanden wird, daß man nicht in jedem Falle für alle Folgen des frei verantwortlich Getanen verantwortlich ist.

Jetzt könnte man meinen,daß die Frage nach der Willens- und Handlungs-freiheit so unspektakulär sei,daß es eigentlich unverständlich sei,daß darüber so viel debattiert wird.Wird aber in die Erörterung der Handlungsfreiheit der nun viel komplexerer und vieldeutigerer Begriff der Gerechtigkeit eingeführt,erhält der Begriff der Handlungsfreiheit seine politische Brisanz:Ist es gerecht, daß die, die über eine große Kaufkraft verfügen,viel mehr ihrer Wünsche realisieren können als die, die über wenig an Kaufkraft verfügen?Es scheint nun natürlich zu sein,wenn unter der Kraft etwas rein Natürliches verstanden wird, daß es ein Kräftigerer mehr kann als ein Schwächerer,ob es nun um die Körperkraft geht oder etwas kultivierter um unterschiedliche Geschicklichkeiten, etwas tuen zu können.Wenn aber nun die verschiedenen Kaufkräfte verglichen werden, daß einige reich,andere arm sind, erscheint dies nicht mehr einfach natürlich so zu sein und damit auch als problematisch angesehen werden.

Niemand wird der Aussage,daß es einem Bürger nicht erlaubt werden kann, alles, was er will, ob nun freiwillig oder determiniert, auch realisieren zu können.Niemand darf eben einen anderen umbringen, auch wenn er das möchte. Strittig kann nur sein, was alles Bürgern nicht erlaubt werden darf.Diese Frage gehört so wesentlich zum politischen Diskurs,aber auch zu jedem moralischen.Es gilt aber: Dürfte jeder alles realisieren, was er sich will, die Welt würde sich in eine Hölle verwandeln!

Die Vorstellung,jeder Mensch wolle freiwillig nur das Gute,sodaß ein Fehlver- halten auf eine Unfreiwilligkeit des Gewollten,etwa eine psychische Störung zurückzuführen sei,lebt aus einem nicht begründbaren Glauben an das Gutsein jedes Menschen.

So dürfte Niemand der Parole der Befreiung als etwas grundsätzlich Positiven zustimmen, denn dann dürfte ja jeder Bürger Verbrechen begehen,nur weil er sie wollte.Als positiv kann so nur eine Befreiung beurteilt werden, wenn damit eine nichtakzeptable Behinderung der Freiheit intendiert ist. So könnte man kritisch anfragen, ob die bestehenden Antirauchergesetze die Freiheit der Gastronomiebesitzer wie die seiner Kunden unzumutbar beeinträchtigten.

Die oft gemachte Unterscheidung von der Befreiung von etwas von der Freiheit zu, verändert die bis jetzt skizzierte Problemlage nicht wesentlich:So empfindet jeder die Befreiung von Sorgen als etwas Positives, wollte aber jemand die Befreiung von allen Pflichten fordern,müßte das strikt abgelehnt werden. Und so wirft auch die Freiheit wozu zwingend die Frage auf:zu etwas Erlaubbarem oder zu etwas Nichterlaubbarem und evoziert wie immer die Frage,wer wie entscheidet, was zu erlauben ist oder was nicht?

Ein besonderes Problem sei hier noch erwähnt: Wenn ich etwas will, freiwillig, aber zur Realisierung dessen notwendig etwas als ein Mittel dazu brauche, beeinträchtigt dies meine Freiheit? Oder beeinträchtigt das nur meine Freiheit, wenn das Mittel ich nicht notwendig dazu bräuchte, sondern nur kontingent bedingt. Wer sich waschen will,muß notwendig dazu Wasser gebrauchen,daß ich das aus dem Wasserhahn entnommene Wasser aber bezahlen muß,ist keine natürliche Notwendigkeit.Sind so nur natürlich notwendig zu verwendende Mittel keine Beeinträchtigung meiner Freiheit,alles andere gesellschaftliche Konventionen,die zu recht oder evtl zu unrecht meine Freiheit beschränken?

Nun erfolgt eine etwas kontraintuitive These:Der Mord ist auf jeden Fall eine unerlaubte Handlung und wird streng bestraft. Wenn man nun frägt,ob die Androhung einer schweren Strafe die Willensfreiheit,jemanden ermorden zu wollen und die Handlungsfreiheit,es dann auch zu realisieren, beseitige,so muß das verneint werden.Er kann freiwillig morden wollen und es realisieren,nur muß er dann das Risiko eingehen,bestraft zu werden. Wer diese Konsequenz nicht will,der will dann auch den Mord nicht mehr freiwillig..

Warum konnte dann im Urteil Luthers die Frage nach der Willensfreiheit zu der wichtigsten Frage der Theologie werden,ja seiner Meinung nach immer die wichtigste sein? Luthers radicale These dazu lautete,daß wenn der Mensch erkennen könnte, was das Gute sei und es dann noch kraft seines Wlllens auch wollen kann, dann bedürfe er keiner Gnade Gottes mehr,um vor Gott durch sein eigenes Wollen und Tuen gerecht vor Gott zu sein.Nicht erst seit Luther, schon der hl.Augustin erörterte diese Frage auf das Intensivste.Mit dieser Debatte ließe sich leicht eine ganze Bibliothek anfüllen,wenn auch nur die wichtigsten Beiträge dazu aufgenommen würden.Jetzt ist aber dieser Diskurs,man könnte meinen ob seiner vollständigen Ausdiskutiertheit ad acta gelegt und stattdessen heißt es nun,daß Gott jeden Menschen liebe, weil er ein Geschöpf Gottes sei, sodaß die Frage:Wie werde ich vor Gott und welche Rolle spielt dabei der freie Wille?,nicht mehr en vogue ist.

Corollarium

Daß es die Willensfreiheit und eine Handlungsfreiheit gibt,könnte bestritten werden durch die These,daß alles sich so wie es sich ereignet, notwendig ereignet, die Welt ein sich geschlossenes System sei, in dem alles durch das System determiniert sei. Wenn die Welt nur das wäre, was durch indikativische Aussagesätze erfaßt wird, stimmte das, aber die konjunktivischen Aussagesätze erschaffen die Welt der Freiheit, daß ales auch anders sein könnte, denn auch die Welt der indikativischen Aussagesätze ist eine durch diese Sätze ershaffene Welt.