Soll
und kann die Kirche an dem Aufklärungsphilosophen Kant genesen?
Nicht
nur der „Startheologe“ M.Striet empfiehlt der Kirche, sich neu zu
fundieren und. um der Moderne kompatibel sich zu gestalten, auf der
Philosophie Kants sich aufzuerbauen. Pater Recktenwald analysiert nun
die Kantrezeption dieses Fundamentaltheologen mit dem Resultat, daß
dieser „Kantianer“ dessen Philosophie völlig mißverstehe: Wenn
schon Kant, dann ihn erstmal richtig verstehen! In dem „Tagespost“
Artikel: „Eine reine Vernunft gibt es nicht“. "Wider die Schließung der Vernunft" am
21.Dez.2024 untersucht er nun die Kompatibiliät der kantschen
Philosophie mit dem Katholischen Glauben und empfiehlt dann
verblüffenderweise die philosophische Schule der Phänomelogie als
eine bessere Alternative.
„Das
Anliegen der Transzendentalphilosophie ist legitim. Doch so genial
ihre von Kant erstmals konsequent bedachte Fragestellung ist, so
unübersehbar wird die Gefahr einer Sackgasse, in die die Entwertung
der Erfahrung führen kann. „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“,
meint Martin
Buber.
Begegnung ist Erfahrung. Wenn Buber recht hat, dann folgt aus dem
Gesagten, dass die Philosophie sich vom wirklichen Leben so weit wie
möglich zurückziehen muss, um zu sich selbst zu kommen. Diese
Folgerung kulminiert in Kants Apotheose der „reinen Vernunft“:
„rein“ bedeutet: rein von jeglicher Erfahrung. Lebenserfahrung
zählt nicht. Das gilt auch für die moralische Vernunft: Eine
„Metaphysik der Sitten“ ist die Erkenntnis der moralischen
Prinzipien in ihrer „Reinigkeit“ aus bloßen Begriffen ohne
Rückgriff auf Erfahrung. Die Erfahrungswelt ist für sie nur ein
Anwendungsfeld, keine Erkenntnisquelle.“
Mit
der Transzendentalphilosophie ist hier die kantsche Philosophie
gemeint. In dem Satz: „Wenn Buber recht hat“, hat sich nun
ein gravierender Fehler eingeschlichen, es müßte heißen: „Wenn
Kant recht hat“. Daß Kant alle Erfahrung entwertet hätte, ist
nun ein noch gravierendes Fehlurteil. Zur Veranschaulichung: Der
Empirist Hume würde sagen: Wenn ich zwei Ereignisse sehe, daß ich
in die Hände klatsche und daß ein Vogel davinfliegt und diese
ursächlich verbinde in dem Urteil: „Weil ich in die Hände
geklatscht habe, flog der Vogel davon“, dann ist das ein
unbegründetes Urteil, weil die Kausalität nicht ein Bestandteil der
Empirie ist, sondern nur meine subjektive Deutung der zwei
Ereignisse. Kants Philosophie untersucht nun die Frage, warum das
Urteil: „Weil ich in die Hände klatschte, flog der Vogel davon“
ein wahres Urteil ist. Es entsteht durch die Anwendung der Kategorie
der Ursache. Diese ist nicht aus der Erfahrung gewonnen, sondern eine
Hervorbringung der theoretischen Vernunft. Sie bringt diese Kategorie
hervor ohne einen Rekurs auf die Empirie; aus der könnte sie auch
nicht deduziert werden, wie es überzeugend der Empirist Hume
nachweist.Simpler formuliert: Ohne unser Denken gibt es für uns
keine Wirklichkeit, denn das was wir als wirklich bezeichnen, ist ein
Produkt unseres Denkens, dem ein Rohmaterial zugrunde liegt, das uns
aber in seiner unbearbeiteten Rohheit nie zugänglich ist.
Ein
triviales Beispiel besonders geeignet für Brillenträger möge dies
noch mals versimplifiziert veranschaulichen: Vor einem Gemälde in
einer Kunstausstellung stehend schaue ich mir das Bild an, dann setze
ich meine Brille ab und sehe das vorher gesehene Bild ganz anders,
verschwommen. Wie ist es möglich, daß ich das eine Bild so
verschieden sehe, daß in mir zwei verschiedene „Bilder“
von dem einen Bild außerhalb von mir erscheinen? In mir sind
zwei „Abbilder“ des einen Bildes produziert worden und wenn ich
auch meine, das Bild da außer mir seiend zu sehen, so sehe
ich faktisch doch ein Abbild des Bildes in mir. Dieses Abbild
ist nun das Produkt meines Sehens und Interpretierens des sinnlich
Vermittelten. Kants Philosophie ist so eine Analyse des Sehens, wie
dann in uns durch unser Denken unsere Wirklichkeit entsteht. Der
fundamentale Irrtum des Empirismus ist nun der Glaube, einen
unmittelbaren unreflektierten Zugang zu dem, wie es wirklich ist, zu
haben, um dann unsere Deutungen der Wirklichkeit mit dem, wie uns die
Wirklichkeit unmittelbar zugänglich sei, vergleichen zu können.
Ob
nun der Philosoph Buber eine geeignete Quelle für das theologische
Denken ist, das darf sicher bezweifelt werden. Die Behauptung, alles
wirkliche Leben sei Begegnung, mag wohl für das Genre des
Liebesromanes und Liebesfilmes gelten, wem das unverständlich sein
sollte, emfehle ich aus der Serie: „Sturm der Liebe“ die
jeweiligen Erstbegegnungen der Traumpaare der einzelnen Stafeln,
filmästhetisch hervrragend inszeniert, besonders die erste Folge:
Laura begegnet Alexander, aber sonst: 1.Gilt das nur für
zwischenmenschliche Begegnungen? Begegnet einer Maus auch eine Katze
wirklich, auch wenn diese Begegnung dann dann die letzte im Leben
dieser Maus sein dürfte? 2. Ist jede Begegnung zwischen Menschen
wirkliches Leben und eine Erfahrung, auch wenn ein Jude einem
Hamasanhänger begegnet und daß die dann sein Lebensende
herbeiführt? Man müßte also fragen, was hier präzise unter einer
so qualifizierten Begegnung zu verstehen ist. Ich halte es für sehr
wahrscheinlich, daß am Ende dieser Näherbestimmung wir doch im
Genre des Liebesromanes bzw Liebesfilmes enden werden. Das provoziert
aber die Frage: Wie erkennen denn die zwei sich so Begegnenden, also
Laura und Alexander, daß sie für einander bestimmt sind in dem
Augenblick des Sichbegegnens?
Welche
Bedeutung kann nun aber die Erfahrung für die Moralphilosophie bzw
Moraltheologie haben. Pater Recktenwald will offenkundig darauf
insisteren, daß die Erfahrung eine wesentliche Bedeutung für die
Morallehre haben soll.Erfahren werden kann aber nur das, was ist. Die
Moral sagt aber, was sein soll und daß ist kein Element der
Erfahrung. Zur Veranschaulichung: Ein Mörder sitzt in einem
Gefängnis,zu einer 20 jährigen Haftstrafe verurteilt. Er erfährt
das Verhaftetsein als einen qualvollen Zustand und sagt sich: „Ich
hätte mich nicht erwischen lassen dürfen, wenn ich nochmals wen
umbringen werde, ich muß es besser anstellen, daß ich nicht wieder
erwischt werden werde.“ Es gibt keinen zwingenden Grund dafür, daß
die Erfahrung des Erleidens der Gefängnisstrafe ihn zur Einsicht
verhilft: „Du darfst nicht morden!“ Das was hier so pathetisch
die „Erfahrungswelt“ betitelt wird, ist nur ein Meer von
Aussagesätzen: „So ist das“ und besagt nichts über das, was
sein soll. Der Empiriker Hume hat das erkannt, er spricht deshalb
von einem „naturalistischen Fehlurteil“, wenn von dem, was ist,
auf das geschlossen wird, was sein soll!
Begegnen
sich zwei Menschen, so ist keiner für den Anderen ein moralisch
qualifizierbarer Anspruch. Der eine kann Ansprüche dem Anderen
gegenüber erheben: „Du hast Dich mir gegenüber so zu verhalten!“,
aber dann muß dieser Anspruch auch moralphilosophisch begründet
sein, wenn er denn ein legitimer ist.Wenn ein Mann einer Frau
begegnet und er ein Messer zieht: „Zieh Dich aus, oder ich ersteche
Dich“dann ist das zwar eine ganz reale Begegnung im Leben dieser
zwei Personen, aber der so gestellte Anspruch ist kein
moraltphilosophisch legitimer. Ob der Philosoph Buber diese Begegnung
als ein Fall für die Aussage, wirkliches Leben sei Begegnung ansehen
würde, ich hoffe, daß er das nicht meint. Hätte er nachgedacht,
hätte er diese Begegnunsthese nie aufgestellt.
"Karl
Popper etablierte das Falsifikationsprinzip als Kriterium der
Wissenschaftlichkeit: Wissenschaftliche Theorien müssen
falsifizierbar sein, d.h. sie müssen zu erkennen geben, mit welchem
empirischen Befund sie unverträglich sind.“ Wenn ein Theologe
diese Aussage Poppers zustimmt, muß er bedenken, daß genau
genommen, nur die Naturwissenschaften dann wirklich wissenschaftliche
Theorien enthalten, schon die simple Aussage der Mathematik: Die
Wurzel aus 9 ist Minus oder Plus 3, ist empirisch nicht
falsifizierbar, da die Zahlen zwar real aber nicht empirisch sind.
Für die philosophische Tradition des Nominalismus, in der die
popperische Philosophie steht, sind zudem alle Abstraktbegriffe: der
Mensch, das Volk, die Kirche, die Menschheit etc keine etwas
Wirkliches Bezeichnendes, das empirisch verifiziert oder falsifiziert
werden könnte. Für jedes theologische Denken ist das ob des ihm
eigenen Begriffsrealismus, daß die Ideen real seiend in Gott sind,
inakzeptabel. So schreibt Joseph Ratzinger, Benedikt VXI in
seiner „Einführung in das Christentum“,in dem Kapitel:
„Der Primat des Logos“: „All unser Denken ist in der Tat nur
ein Nachdenken des in Wirklichkeit schon Vorgedachten.Es kann nur auf
eine armselige Art versuchen, jenes Gedachtsein,das die Dinge sind,
nachzuvollziehen und darin Wahrheit zu finden.“Der Empirismus
verfehlt so die Wahrheit von jedem Seienden, weil es seine Idealität
verkennt.
So
muß geurteilt werden, daß Kants Moralphilosophie der katholischen
auf jeden Falle näher steht als das buberische Begegnungsgerede.
Ein Witzlein: Ein Empirist und ein Dogmatiker führen ein Streitgespräch: Der Dogmatiker urteilt, daß jeder Junggeselle ein unverheirateter Mann sei, dem Empiristen ist das purster Dognatismus. Er teilt 100 Fragebögen an Junggesellen aus, 97 sagen, sie seien unverheiratete Männer, 3 verneinen das: Also ist der Dogmatiker widerlegt.