Freitag, 27. Dezember 2024

Soll und kann die Kirche an dem Aufklärungsphilosophen Kant genesen?

 

Soll und kann die Kirche an dem Aufklärungsphilosophen Kant genesen?


Nicht nur der „Startheologe“ M.Striet empfiehlt der Kirche, sich neu zu fundieren und. um der Moderne kompatibel sich zu gestalten, auf der Philosophie Kants sich aufzuerbauen. Pater Recktenwald analysiert nun die Kantrezeption dieses Fundamentaltheologen mit dem Resultat, daß dieser „Kantianer“ dessen Philosophie völlig mißverstehe: Wenn schon Kant, dann ihn erstmal richtig verstehen! In dem „Tagespost“ Artikel: „Eine reine Vernunft gibt es nicht“. "Wider die Schließung der Vernunft" am 21.Dez.2024 untersucht er nun die Kompatibiliät der kantschen Philosophie mit dem Katholischen Glauben und empfiehlt dann verblüffenderweise die philosophische Schule der Phänomelogie als eine bessere Alternative.

Das Anliegen der Transzendentalphilosophie ist legitim. Doch so genial ihre von Kant erstmals konsequent bedachte Fragestellung ist, so unübersehbar wird die Gefahr einer Sackgasse, in die die Entwertung der Erfahrung führen kann. „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, meint Martin Buber. Begegnung ist Erfahrung. Wenn Buber recht hat, dann folgt aus dem Gesagten, dass die Philosophie sich vom wirklichen Leben so weit wie möglich zurückziehen muss, um zu sich selbst zu kommen. Diese Folgerung kulminiert in Kants Apotheose der „reinen Vernunft“: „rein“ bedeutet: rein von jeglicher Erfahrung. Lebenserfahrung zählt nicht. Das gilt auch für die moralische Vernunft: Eine „Metaphysik der Sitten“ ist die Erkenntnis der moralischen Prinzipien in ihrer „Reinigkeit“ aus bloßen Begriffen ohne Rückgriff auf Erfahrung. Die Erfahrungswelt ist für sie nur ein Anwendungsfeld, keine Erkenntnisquelle.“

Mit der Transzendentalphilosophie ist hier die kantsche Philosophie gemeint. In dem Satz: „Wenn Buber recht hat“, hat sich nun ein gravierender Fehler eingeschlichen, es müßte heißen: „Wenn Kant recht hat“. Daß Kant alle Erfahrung entwertet hätte, ist nun ein noch gravierendes Fehlurteil. Zur Veranschaulichung: Der Empirist Hume würde sagen: Wenn ich zwei Ereignisse sehe, daß ich in die Hände klatsche und daß ein Vogel davinfliegt und diese ursächlich verbinde in dem Urteil: „Weil ich in die Hände geklatscht habe, flog der Vogel davon“, dann ist das ein unbegründetes Urteil, weil die Kausalität nicht ein Bestandteil der Empirie ist, sondern nur meine subjektive Deutung der zwei Ereignisse. Kants Philosophie untersucht nun die Frage, warum das Urteil: „Weil ich in die Hände klatschte, flog der Vogel davon“ ein wahres Urteil ist. Es entsteht durch die Anwendung der Kategorie der Ursache. Diese ist nicht aus der Erfahrung gewonnen, sondern eine Hervorbringung der theoretischen Vernunft. Sie bringt diese Kategorie hervor ohne einen Rekurs auf die Empirie; aus der könnte sie auch nicht deduziert werden, wie es überzeugend der Empirist Hume nachweist.Simpler formuliert: Ohne unser Denken gibt es für uns keine Wirklichkeit, denn das was wir als wirklich bezeichnen, ist ein Produkt unseres Denkens, dem ein Rohmaterial zugrunde liegt, das uns aber in seiner unbearbeiteten Rohheit nie zugänglich ist.

Ein triviales Beispiel besonders geeignet für Brillenträger möge dies noch mals versimplifiziert veranschaulichen: Vor einem Gemälde in einer Kunstausstellung stehend schaue ich mir das Bild an, dann setze ich meine Brille ab und sehe das vorher gesehene Bild ganz anders, verschwommen. Wie ist es möglich, daß ich das eine Bild so verschieden sehe, daß in mir zwei verschiedene „Bilder“ von dem einen Bild außerhalb von mir erscheinen? In mir sind zwei „Abbilder“ des einen Bildes produziert worden und wenn ich auch meine, das Bild da außer mir seiend zu sehen, so sehe ich faktisch doch ein Abbild des Bildes in mir. Dieses Abbild ist nun das Produkt meines Sehens und Interpretierens des sinnlich Vermittelten. Kants Philosophie ist so eine Analyse des Sehens, wie dann in uns durch unser Denken unsere Wirklichkeit entsteht. Der fundamentale Irrtum des Empirismus ist nun der Glaube, einen unmittelbaren unreflektierten Zugang zu dem, wie es wirklich ist, zu haben, um dann unsere Deutungen der Wirklichkeit mit dem, wie uns die Wirklichkeit unmittelbar zugänglich sei, vergleichen zu können.

Ob nun der Philosoph Buber eine geeignete Quelle für das theologische Denken ist, das darf sicher bezweifelt werden. Die Behauptung, alles wirkliche Leben sei Begegnung, mag wohl für das Genre des Liebesromanes und Liebesfilmes gelten, wem das unverständlich sein sollte, emfehle ich aus der Serie: „Sturm der Liebe“ die jeweiligen Erstbegegnungen der Traumpaare der einzelnen Stafeln, filmästhetisch hervrragend inszeniert, besonders die erste Folge: Laura begegnet Alexander, aber sonst: 1.Gilt das nur für zwischenmenschliche Begegnungen? Begegnet einer Maus auch eine Katze wirklich, auch wenn diese Begegnung dann dann die letzte im Leben dieser Maus sein dürfte? 2. Ist jede Begegnung zwischen Menschen wirkliches Leben und eine Erfahrung, auch wenn ein Jude einem Hamasanhänger begegnet und daß die dann sein Lebensende herbeiführt? Man müßte also fragen, was hier präzise unter einer so qualifizierten Begegnung zu verstehen ist. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß am Ende dieser Näherbestimmung wir doch im Genre des Liebesromanes bzw Liebesfilmes enden werden. Das provoziert aber die Frage: Wie erkennen denn die zwei sich so Begegnenden, also Laura und Alexander, daß sie für einander bestimmt sind in dem Augenblick des Sichbegegnens?

Welche Bedeutung kann nun aber die Erfahrung für die Moralphilosophie bzw Moraltheologie haben. Pater Recktenwald will offenkundig darauf insisteren, daß die Erfahrung eine wesentliche Bedeutung für die Morallehre haben soll.Erfahren werden kann aber nur das, was ist. Die Moral sagt aber, was sein soll und daß ist kein Element der Erfahrung. Zur Veranschaulichung: Ein Mörder sitzt in einem Gefängnis,zu einer 20 jährigen Haftstrafe verurteilt. Er erfährt das Verhaftetsein als einen qualvollen Zustand und sagt sich: „Ich hätte mich nicht erwischen lassen dürfen, wenn ich nochmals wen umbringen werde, ich muß es besser anstellen, daß ich nicht wieder erwischt werden werde.“ Es gibt keinen zwingenden Grund dafür, daß die Erfahrung des Erleidens der Gefängnisstrafe ihn zur Einsicht verhilft: „Du darfst nicht morden!“ Das was hier so pathetisch die „Erfahrungswelt“ betitelt wird, ist nur ein Meer von Aussagesätzen: „So ist das“ und besagt nichts über das, was sein soll. Der Empiriker Hume hat das erkannt, er spricht deshalb von einem „naturalistischen Fehlurteil“, wenn von dem, was ist, auf das geschlossen wird, was sein soll!

Begegnen sich zwei Menschen, so ist keiner für den Anderen ein moralisch qualifizierbarer Anspruch. Der eine kann Ansprüche dem Anderen gegenüber erheben: „Du hast Dich mir gegenüber so zu verhalten!“, aber dann muß dieser Anspruch auch moralphilosophisch begründet sein, wenn er denn ein legitimer ist.Wenn ein Mann einer Frau begegnet und er ein Messer zieht: „Zieh Dich aus, oder ich ersteche Dich“dann ist das zwar eine ganz reale Begegnung im Leben dieser zwei Personen, aber der so gestellte Anspruch ist kein moraltphilosophisch legitimer. Ob der Philosoph Buber diese Begegnung als ein Fall für die Aussage, wirkliches Leben sei Begegnung ansehen würde, ich hoffe, daß er das nicht meint. Hätte er nachgedacht, hätte er diese Begegnunsthese nie aufgestellt.

"Karl Popper etablierte das Falsifikationsprinzip als Kriterium der Wissenschaftlichkeit: Wissenschaftliche Theorien müssen falsifizierbar sein, d.h. sie müssen zu erkennen geben, mit welchem empirischen Befund sie unverträglich sind.“ Wenn ein Theologe diese Aussage Poppers zustimmt, muß er bedenken, daß genau genommen, nur die Naturwissenschaften dann wirklich wissenschaftliche Theorien enthalten, schon die simple Aussage der Mathematik: Die Wurzel aus 9 ist Minus oder Plus 3, ist empirisch nicht falsifizierbar, da die Zahlen zwar real aber nicht empirisch sind. Für die philosophische Tradition des Nominalismus, in der die popperische Philosophie steht, sind zudem alle Abstraktbegriffe: der Mensch, das Volk, die Kirche, die Menschheit etc keine etwas Wirkliches Bezeichnendes, das empirisch verifiziert oder falsifiziert werden könnte. Für jedes theologische Denken ist das ob des ihm eigenen Begriffsrealismus, daß die Ideen real seiend in Gott sind, inakzeptabel. So schreibt Joseph Ratzinger, Benedikt VXI in seiner „Einführung in das Christentum“,in dem Kapitel: „Der Primat des Logos“: „All unser Denken ist in der Tat nur ein Nachdenken des in Wirklichkeit schon Vorgedachten.Es kann nur auf eine armselige Art versuchen, jenes Gedachtsein,das die Dinge sind, nachzuvollziehen und darin Wahrheit zu finden.“Der Empirismus verfehlt so die Wahrheit von jedem Seienden, weil es seine Idealität verkennt.

So muß geurteilt werden, daß Kants Moralphilosophie der katholischen auf jeden Falle näher steht als das buberische Begegnungsgerede. 

Ein Witzlein: Ein Empirist und ein Dogmatiker führen ein Streitgespräch: Der Dogmatiker urteilt, daß jeder Junggeselle ein unverheirateter Mann sei, dem Empiristen ist das purster Dognatismus. Er teilt 100 Fragebögen an Junggesellen aus, 97 sagen, sie seien unverheiratete Männer, 3 verneinen das: Also ist der Dogmatiker widerlegt. 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen