Samstag, 30. Juli 2022

Auch Kardinal Müller kann mal irren: Über den Nihilismus, der schuld sein soll an Allem

"Nietzsche verkündete den Übermenschen. Was kam, war der Unmensch des 20. Jahrhunderts, der über die zertrümmerte christliche Moral und gewaltige Leichenberge zum selbstgemachten Paradies aufsteigen wollte. Wenn der Mensch nicht mehr das Geschöpf sein darf nach dem Bild und Gleichnis des dreieinigen Gottes, dann versinkt er im Malstrom des anthropologischen Nihilismus, der zwangsläufig aus der Leugnung der Existenz Gottes und seines unbedingten Heilswillens folgt.“

Auch wenn diese Äußerung von Kardinal Müller stammt (Tagespost, 29.7.2022, 21:00 Uhr) , erstaunt und irritiert dieser vulgäre Grobianismus. Irgendwie ist es en vogue, Nietzsche als den Wegbereiter des Nihilismus zu vermaledeien, aber seine Philosophie wollte den heraufkommenden Nihilismus überwinden, indem gerade der Übermensch durch seine Kreativität einen neuen Wertehimmel erschaffen sollte, nachdem die alten sich entwertet haben werden. Der hier zitierte Nihilismus hat nun aber mit den „Leichenbergen“ der Versuche der Errichtung eines Paradieses auf Erden überhaupt nichts gemein, denn die Haupttäter, von den Französischen Revolutionären über die bolschewistischen bis hin zu Stalin und Mao waren in keinster Weise Nihilisten sondern gläubige Kommunisten. Ihre Moral war eher eine jesuitische als daß sie Nihilisten waren: Der Zweck heiligt die Mittel, also dürften um der großen Ziele, das der Weltbeglückung Menschen geopfert werden. (In dem Theaterstück: „Die Maßnahme“ expliziert B. Brecht dies Moralverständnis auch zur Rechtfertigung des stalinistischen Terrors.)

Nein, hier sehen postmoderne Philosophen genauer mit ihrer These, daß der Besitz der Wahrheit erst solche Leichenberge ermöglichte: Im Namen solcher Wahrheiten wurden ja die Feinde der Wahrheit getötet. Wer nun gar das Wagnis auf sich nimmt, die Johannesoffenbarung ernst nehmend zu lesen, kann nicht umhin, daß gerade hier für die Feinde Gottes es nur eine Perspektive gibt, die des Todes und der ewigen Verdammnis.

Eine kleine Anmerkung noch zu Hitler: Dieser war weder ein Nihilist, (gegen Rauschning) noch ein ein Paradies auf Erden errichten Wollender. Oder könnte ein wirklicher Nihilist so sprechen: " Das Höchste aber, was mir Gott auf dieser Welt gegeben ist, ist mein Volk! In ihm ruht mein Glaube, ihm diene ich mit meinemWillen, und ihm gebe ich mein Leben." Adolf Hitler, zitiert nach: Wofür kämpfen wir?, 1944.  Die nationalsozialistische Diktatur ist so weder von Nietzsche, vom Nihilismus noch von der Vorstellung, ein Paradies auf Erden errichten zu wollen, erklärbar.

Aber in einem hat doch der Kardinal recht, daß all dies Unglück nur möglich gewesen war in Folge der Zertrümmerung der christlichen Moral. Das stimmte aber nur, wenn die den Jesuiten zugeschriebene Parole: „Der Zweck heiligt die Mittel“ nicht auch eine mögliche Moral in der Kirche sein könnte. Es spricht nun einiges dafür, daß faktisch die Kirche nicht immer diese Moral verworfen hat. So ließ König Salomon auf das Anraten König Davids alle eventuell Oppositionellen töten, um sein Königtum vor Bürgerkriegen Oppositoneller zu bewahren. (1.Könige 2)

Auch ist der Begriff des „unbedingten Heilswillens“ Gottes sehr zweifelhaft, lehrt Jesus Christus doch selbst (Mk 16,16): Wer glaubt und getauft wird, wird gerettet, wer nicht glaubt, wird verdammt. Die Verheißung, in das ewige Leben eingehen zu werden,knüpft so Gott an Bedingungen: Wie muß ich gelebt haben, um in das Reich Gottes eingehen zu dürfen? So diskriminiert das göttliche Endgericht, daß die einen eingehen werden und die anderen nicht. Wie kann dann da von einem unbedingtem Heilswillen“ Gottes die Rede sein?

Prinzipieller formuliert: Es gibt nicht nur die christliche Moral sondern auch andere, die so nicht nihilistisch sind. Der Islam ist überhaupt nicht nihilistisch, aber in seinem Namen werden jetzt so viel Christen wie noch nie in der Geschichte vor dem um ihres Glaubens willen getötet. Und in Nordkorea werden die Christen auch nicht von einem Nihilisten verfolgt, sondern von einem gläubigen Kommunisten. In China wird die sog Untergrundkirche verfolgt, weil sie die chinesische Regierung als antipatriotisch einschätzt, wohingegen die Patriotische Kirche toleriert wird.

Es ist einfach eine versimplifizierende Schwarz-Weiß-Malerei, alles Nichtchristliche als nihilistisch zu dysqualifizieren und dann für alle Übel der Welt verantwortlich zu machen.



 

Irritationen: Menschen brauchen - gebrauchen - mißbrauchen... Zu den Mißbräuchen in der Kirche

Irritationen: Menschen brauchen – gebrauchen und mißbrauchen


Die dominierendste Vokabel im Diskurs über sexuelles Fehlverhalten in der Kirche ist die des Mißbrauches. Menschen wurden mißbraucht- diese Formulierung wird nun schon so inflationär gebraucht, daß sie gar nicht mehr auffällt, geschweige denn zu einem Nachdenken darüber anregt. Aber was beinhaltet denn dieser Begriff?

Die Trias von: „brauchen“, „gebrauchen“ und „mißbrauchen“ könnte zu einer Klärung dienen. Die Aussage: „Ich brauche Dich (etwa zur Hilfe bei meinem Umzug)“, ist in sich ad hoc verständlich. Damit wird eingeräumt, daß der so sich Äußernde vor einer Aufgabe sich gestellt sieht, die er nicht allein bewältigen kann und so dafür eine Mithilfe braucht. Höflicher klänge diese Aussage, sagte man: „Ich bräuchte Dich“, sodaß eine Einschränkung mitgesetzt wird: „sofern es Dir zumutbar ist“. Menschen brauchen andere zu vielfältigen Zwecken, die nicht allein einer realisieren kann. Trotzdem klingt dabei etwas Negatives mit, ein Moment der Instrumentalisierung des Anderen. Richtig problematisch wird aber die Aussage eines Liebenden: „Dich brauche ich, denn ohne Dich kann ich nicht (mehr) leben.“ Dies klingt nicht nur nach einer Erpressung, es ist faktisch schon eine, zumal die Äußerung ihren Sitz im Leben in Konfliktsituationen hat, in der der eine den anderen verlassen will: „Du darfst mich nicht verlassen!“

Gebruchsbeziehungen sind dann eigentlich noch problematischer oder wie sollte etwa dies beurteilt werden: Ein Mann sagt, daß er seine Freundin zur Befriedigung seiner erotischen und sexuellen Bedürfnisse gebraucht? Im Gebrauchen steckt schon so ein Grad der Instrumentalisierung eines Mitmenschen, daß die Qualität dieser Beziehung als problematisch beurteilt werden muß. Ein Mensch sollte kein Gebrauchsgegenstand für einen anderen sein, aber das schließt nicht aus, daß Menschen mit anderen zu verdinglichend umgehen. Das ist aber nur eine Seite der Medaillie, denn die Aussage: „Hier werde ich gebraucht!“, kann auch etwas sehr Positives bedeuten, daß ich hier zu etwas nützlich bin und daß daraus der so Formulierende sein Selbstwertgefühl artikuliert.

Einem solchen Selbstwertgefühl wohnt aber auch etwas Negatives inne, das Urteil über sich, an sich nicht etwas Wertvolles zu sein, sodaß nur durch Ein-Sein-für- Andere dieses Ich sich als wertvoll und bejahenswert ansieht. So sich Wahrnehmende sind nun geradezu prädestiniert dazu, von anderen mißbraucht zu werden, weil nur so sie sich als etwas Nützliches und Werthaftes ansehen können: „Endlich bin ich was, weil ich etwas für wen bin! Daß der Andere dabei keine Rücksicht auf mich nimmt, ist schon in Ordnung,denn an sich bin ich es nicht wert, daß auf mich eine Rücksicht genommen wird.

Was qualifziert denn nun aber den Mißbrauch zum Mißbrauch? So befremdlich es auch ist, hierzu findet sich im aktuellen Diskurs über die Mißbräuchsfälle in der Kirche nichts, soweit ich diesen Diskurs überblicke. Sollten alle Diskursteilnehmer wissen, was darunter zu verstehen sei? Oder haben alle nur gelernt, diese Vokabel richtig zu gebrauchen, auch wenn sie und die Rezipienten nicht sagen könnten, was präzise damit gemeint ist? Es drängt sich ja förmlich der Verdacht auf, daß diese Vokabel einzig und allein nur dazu verwendet wird,um die altbekannten Reformvorhaben linksliberaler Ideologie neu aufzutischen. Da diese Reformagenda schon längt vor dem Bekanntwerden dieser Vorfälle festgeschnürrt war etwa von der Bewegung: „Wir sind Kirche“ und so nichts mit diesen jetzt so leidenschaftlich diskutierten Vorfällen zu tuen haben, liegt es nahe, diese Vokabel zu unbestimmt wie nur möglich zu verwenden, damit es nicht auffällt, daß die anvisierten Reformen nichts mit diesen „Mißbräuchen“ zu tuen haben.

Was kann nun aber ein „Mißbrauch“ im Bereich der Sexualität sein? Eigentlich nur eines, daß sexuelle Bedürfnisse in unerlaubter Weise (strafrechtlich oder moralisch) befriedigt werden. Aber wieso wird das dann als Mißbrauch qualifiziert? Könnte geurteilt werden: Wo zwei sich wechselseitig sexuell befriedigen, gebrauchen sie sich gegenseitig, wohingegen wenn einer den Anderen nur dazu gebraucht, daß er sich befriedigt, daß dies ein Mißbrauch ist? Aber auch ein wechselseitiges Gebrauchen wird als Mißbrauch beurteilt, wenn etwa ein Mann so mit einer Minderjährigen verkehrt. Auch wird kaum wer urteilen, daß ein Ehebruch ein Mißbrauch ist, auch wenn ein solches Fremdgehen unmoralisch ist. Offenkundig ist der Begriff des Mißbrauches doch sehr viel komplizierter als er uns in seiner üblichen Verwendung erscheint. Wollte man nun den Mißbrauch auf solche Fälle limitieren, in der jemand gegen seinen Willen zum Sex gezwungen würde, dann könnten alle Fälle einvernehmlichen Sex nicht mehr als Mißbräuche qualifiziert werden, selbst wenn das Opfer minderjährig wäre oder das Einvernehmen durch eine Geldzahlung erwirkt wurde. Noch abstruserer Folgen hätte nun die Beurteilung jedes Geschlechtsverkehres, der nicht mit dem Zweck der Fortpflanzung vollzogen würde, als einen Mißbrauch, denn dann mißbräuchte jeder Ehemann seine Frau, wenn sie nicht mehr fortpflanzugsfähig wäre.

So bleibt nur ein Ergebnis: Der Begriff des Mißbrauches ist so unklar, daß er für alles und jedes in der jetzigen Kirchenreformdebatte mißbraucht werden kann!




 

Freitag, 29. Juli 2022

Papst Franziskus Kampf gegen die Tradition – oder welche er selbst bejaht und für welche er kämpft

(Über die gute und die falsche Tradition)


Brüder und Schwestern, das gilt auch für uns. Diejenigen, die uns vorangegangen sind, haben uns eine Leidenschaft, eine Kraft und eine Sehnsucht weitergegeben, ein Feuer, das wir neu entfachen müssen; es geht nicht darum, Asche zu bewahren, sondern das Feuer, das sie entfacht haben, neu zu entfachen. Unsere Großeltern und Ältesten wünschten sich eine gerechtere, brüderlichere und solidarischere Welt und kämpften dafür, daß wir eine Zukunft haben. Jetzt liegt es an uns, sie nicht zu enttäuschen. Es liegt an uns, diese Tradition, die wir erhalten haben, aufzugreifen, denn die Tradition ist der lebendige Glaube unserer Toten. Bitte, lassen Sie uns nicht zum Traditionalismus übergehen, der der tote Glaube der Lebenden ist, wie ein Denker sagte.“ (Kath info am 27.7.2022: Papst Franziskus und der "tote Glauben" der Lebenden.)


So spricht Papst Franziskus über 2 Traditionen. Der „Traditiona-lismus“ ist auch in dieser Papstrede der Feind schlechthin. So unpräzise dieser Begriff auch von ihm verwendet wird, seine Hörer und Leser wissen, was damit gemeint ist, eben im Prinzip alles Vorkonziliare, das durch den „Geist des 2.Vaticanumes“ reprobiert wurde. Wer dem anhängt, der ist einer, der einen „toten Glauben“ noch am Leben erhalten will. Selten opponiert der Papst so klar und eindeutig gegen seinen Vorgänger, der ja sich vehement gegen jede Deutung des 2.Vaticanumes ausspricht, die dies Konzil als den Bruch und Widerspruch zur kirchlichen Tradition interpretiert. Das 2.Vaticanum war und ist der Bruch mit der vorkonziliaren Tradition,sodaß es kein Zurück zum Veralteten mehr geben dürfe.


Nur, bei einer genaueren Lektüre dieser Papstrede melden sich doch Bedenken an, ob so wirklich diese Rede gemeint ist. Es ist der Text daraufhin zu befragen, was denn hier als die Antithese zum Traditionalismus propagiert wird. Es gibt eine gute Tradition, die des Kampfes um „eine gerechtere, brüderlichere und solidarischere Welt“.Auch diese soll eine alte Tradition sein: Schon unsere Großeltern lebten aus und für sie. Ideengeschichtlich sind dann diese Großeltern die Aufklärer, (Kant isb, siehe seine Schrift über den ewigen Frieden), die Französischen Revolutionäre mit ihrer freimaurerisch inspirierten Parole der Freiheit,Gleichheit und Brüderlichkeit, die bolschewistischen Revolutionäre, aber auch die jetzigen Feministin und Genderideologen und viele mehr. Nur diese Tradition ist keine christliche sondern im Kern eine antikatholische. Das Reich Gottes, das uns der Erlöser verheißt, wird in dieser Tradition säkularisiert zu der Aufgabe menschlicher Gestaltungs-kraft.

Es gibt die Achse vorkonziliar – nachkonziliar, die als eine simple Fortschrittsentwickelung gedeutet wird, wobei dann das 2.Vaticanum den Bruch mit der Vergangenheit bedeutet, nach dem die Kirche, befreit vom Veraltetem nun vorwärts schreitet, wie einst das inzwischen eingestellte Zentralorgan der SPD: Vorwärts! Aber auf dieser Achse paßt diese Tradition des Kampfes um eine bessere und gerechtere Welt nicht, sie ist auf dieser Achse nicht einschreibbar. Sie gehört zu einer ganz anderen, einer auf der den einen Extrempunkt die Reaktionäre und den anderen Extrempunkt die Revolutionäre bilden. Wenn der Conservative den Fortschritt einfrieren möchte, der Reaktionär gar eine Rückentwickelung erstrebt, will der Progressive und der Revolutionär voranschreiten, die Welt optimieren, schnell oder ganz eilig. Der der Geschichte immanente Fortschritt hin auf eine bessere und gerechtere Welt verlange nun auch und gerade von uns Jetzigen unser Eintreten für solche Weltverbesserungsutopien.

Eindeutig votiert hier so der Papst für eine linkspolitische Handlungsoption. Nur diese Option ist nun etwas ganz anderes als die linksliberale Interpretation des Reformkonziles durch den „Synodalen Weg“ oder als die in Westeuropa dominierende linksliberale Theologie der Universitäten. Diese Emanzi-pationstradition mit ihren Utopien einer besseren Welt will der Papst am Leben erhalten oder auch revitalisieren. Für diese Tradition war der Bruchpunkt das Ende des Real existierenden Sozialismus 1989f, daß seit dem der Kapitalismus sich als die einzig mögliche Gesellschaftsordnung feiert, die eben alternativlos ist. Alle Hoffnungen auf eine politische Welterlösung gingen damit unter, als wenn nun alle Hoffnungspotentiale mit diesem Scheitern aufgebraucht wären. Papst Franziskus will sich dem nun widersetzen, als wollte er nun noch die Anliegen der marxistischen Befreiungstheologie aus den Konkurs linker Utopien 1989f hinüber-retten.

So erhält der „Traditionalismus“, den Papst Franziskus so energisch bekämpft, noch ein ganz anderes Angesicht: Traditionalisten sind all die, die nicht die Option der Verbesserbarkeit der Welt hin zu einer gerechten und solidarischen teilen, weil sie das Heil von Gott erwarten statt auf die Politik zu setzen. Gegen diesen „Pessimismus“ kämpft der Papst mit allen Linken guten Willens .Dafür ringt er um die Einheit aller Religionen, damit sie alle gemeinsam für die bessere Welt kämpfen.

Zusatz:

So gesehen ist Papst Franziskus ein "traditioneller" Linker im Kontrast zu der jetzigen Linken, die sich zu Kulturmarxisten" mutiert haben, die also die bürgerliche Kultur nur noch überwinden wollen, isb die Ordnung der Ehe,der Familie und des Volkes.





 

Donnerstag, 28. Juli 2022

Wie hältst Du es mit dem Staate? Eine kleine Übersichtsskizze zu: Kirche und Staat

Wie hältst Du es mit dem Staate? Eine kleine Übersichtsskizze zu: Kirche und Staat


Eines ist nicht zu erwarten, daß die christlichen Confessionen in dieser Frage einen einhelligen Standpunkt beziehen. Es existieren eben differente Vorstellungen darüber, wie dies Verhältnis sein sollte und da selten in der Geschichte Idealvorstellungen realisiert werden können, ist das Ideal auch nicht einfach aus der Empirie zu erheben. Wenn ein Lehrer Schüler auffordert, freihändig Kreise an die Tafel zu malen, dann werden diese Kreidekreise sich sehr von der mathematischen Definition des Kreises unterscheiden, aber niemand käme auf die Idee, aus diesen gemalten Kreisen die Definition des Kreises zu konstruieren. In der realen Geschichte finden wir stets nur Annäherungen der zu realisierenden Ideen.

Wichtig ist aber, daß wenn eine kirchliche Praxis nicht nur dargestellt sondern auch bewertet werden soll, daß dann der dabei angelegte Maßstab der der jeweiligen Idealvorstellung des Akteures ist. Wer also das Verhalten der Russisch-Orthodoxen Kirche zum Krieg in der Ukraine beurteilen und vielleicht auch verurteilen möchte, der muß sich befragen lassen, ob hier ein fremdes Ideal als Maßstab appliziert wird oder das dieser Kirche. Oder was sollte von dem Urteil gehalten werden, daß in einer bestimmten Causa die Katholische Kirche sich nicht gemäß der lutherischen Lehre verhalten habe?


Das Ideal der Katholischen Kirche ist das der Überordnung der Kirche über den Staat. Gott regiert die Welt durch die 2 Schwerter, durch das geistliche der Kirche und das weltliche des Staates. Wie nun die Offenbarung über der Vernunft steht und sie erst vollendet so steht die Kirche über dem Staat. Die Bulle: „unam sanctam“ des Papstes Bonifatius VIII klärte das Verhältnis der Kirche zum Staat und ist so im Prinzip bis heute gültig. Aber realpolitisch anerkannte die Kirche im 2.Vaticanum, daß dies Ideal nach dem Ende der „Konstantinischen Epoche“ nicht mehr realisierbar ist. So existiert ein immer noch verbindliches Ideal und auf der anderen Seite ein kirchenpolitischer Pragmatismus, der sich darauf beschränkt, kirchliche Anliegen in einer pluralistisch strukturierten Gesellschaft in den öffentlichen Diskurs einzubringen.

Das protestantische Ideal ist das der Bereichstrennung, daß die Kirche Kirche sein soll und nicht Staat und der Staat Staat und nicht Kirche. Konflikte können dann nur deshalb entstehen, wenn einer von beiden mehr sein will, als er zu sein hat. Die politisierende Kirche und der Staat, der sich zu einem Weltanschauungstaat aufbläht bilden dann die Feindbilder dieses Kirche-Staatsverständnisses. Das reformierte Verständnis weicht nun etwas ab von diesem genuin lutherischen, indem es der Kirche gern ein politisches Wächteramt dem Staate gegenüber zuspricht. (vgl etwa den bedeutendsten reformierten Theologen des 20.Jahrhundertes: Karl Barth)


Das Ideal der Anglikanischen Kirche ist dagegen, so desillusionierend das auch klingen muß, das der Subordination der Kirche unter den Staat. Und das hat sie immer auch gelebt. Sie wurde ja nur gegründet, weil die Katholische einem engländischen König nicht willfährig gewesen war und der eine ihm gehorchende Kirche sich wünschte.


Das Ideal aller Orthodoxen Kirchen ist nun das der Symphonie, daß das Verhältnis ein rein harmonisches zu sein habe. Unbestreitbar ist, daß die Russisch-Orthodoxe Kirche stets danach strebte, ihr Verhältnis so zu gestalten. Deshalb war für sie auch die russische Revolution das größte Unglück ob der Religionsfeindlichkeit der Kommunisten. Aber so irritierend das auch klingen mag: Als Stalin den großen vaterländischen Krieg 1941 proklamierte, es sieht irgendwie so aus, als hätte er sich das von unserem Kaiser Wilhelm II abgeschaut, es gibt keine Parteien mehr, nur noch Deutsche!, fand die russische Kirche zurück zu einem guten Verhältnis zum Staat, das sie bis jetzt aufrecht zu erhalten versucht. Dabei kommt ihnen Putin als kluger russischer Staatsmann entgegen, vertreten beide wohl die Ansicht, daß ein gutes Staat-Kirche Verhältnis der Wohlfahrt des Volkes diene.


So könnte formalisierend gesagt werden, daß die Confessionen so alle möglichen Verhältnisbestimmungen abdecken: Für die Überordnung der Kirche steht das katholische Verständnis, für die Subordination das anglikanische, für die Einheit das orthodoxe und für die Trennung das lutherische und mit Abstrichen das reformierte Verständnis. Als für wahr wird nun jede Confession ihre je eigene Vorstellung ansehen.


Ein gravierendes Problem ist nun aber dies: Welches Ideal kann denn noch in postmodernen Gesellschaften realisiert werden? Schreitet die Entchristlichung so schnell wie jetzt aber weiter, werden wohl alle Confessionskirchen nur noch Randfiguren im gesellschaftlichen Leben sein können. 

Zusätze:

Im deutschen Katholizismus dominiert seit 1945 die Tendenz zur Subordination,aber im Gefolge der 68er gehörte die Staats-und Gesellschaftskritik zu jeder "guten" Theologie.Jetzt dagegen wird der Staat und die Gesellschaft affirmiert, aber bemängelt, daß die Kirche noch nicht so fortschrittlich sich entwickelt habe wie die Gesellschaft und der Staat.  


 

Mittwoch, 27. Juli 2022

Ein neues Gerücht: Der Mensch muß überwunden werden!

Ein neues Gerücht: Der Mensch muß überwunden werden!


Entweder entwickeln wir uns beständig weiter,um stets an unsere Umwelt abgepasst zu sein,oder uns wird es schon bald nicht mehr geben.“ Denn:“Wollen wir nicht aussterben,werden wir uns weiterentwickeln müssen.Sonst werden sich die Umweltbedingungen,die sich selbst ständig verändern,zu für uns feindlichen entwickeln und für unser Aussterben sorgen.“ So proklamiert es Stefan Lorenz Sorgner in seinem Buch: Übermensch. Plädoyer für einen Nietzscheanischen Transhumanismus, 2019, S.7.

Dies Entwickeln meint nun aber im Kontext dieses philosophischen Ansatzes ein Überwinden und ein Hintersichlassen des heutigen Menschen, denn das Projekt des Übermenschen stehe nun an um der Überlebensfähigkeit der Gattung Mensch. Es soll sich dabei um eine evolutionäre Entwicklung handeln, daß eben der Mensch vom Homo habilis über den Homo erectus sich zum Homo sapiens entwickelt habe, er sich nun weiter hochzuentwickeln habe. Diese Entwickelung benötige nun „die neuesten Techniken,um uns an die sich ständig wandelnden Umweltbedingungen anzupassen.“ (S.105)

Was sind denn nun diese sich ständig ändernden Umweltbedingungen? Damit kann nicht die Natur gemeint sein, denn die zeichnet sich durch eine große Beständigkeit aus, wird einmal von der hohen Mutationsgeschwindigkeit von Viren abgesehen. Die Umwelt, die sich beständig ändert ist die Lebenswelt der Technik und der Welt, sofern wir sie technisch immer wieder neu gestalten. Der Mench ist so das Subjekt der beständigen Umweltveränderungen. Nun ist aber dieses Abstraktsubjekt: der Mensch in der Realität der Menschheitsgeschichte in unzählige Einzelsubjekte zu konkretisieren und dann gilt tatsächlich, daß die meisten Menschen die Veränderungen der Umweltbedingungen als nicht durch sie selbst als hervorgerufene wahrnehmen sondern als erlittende. Darin spiegelt sich die unterschiedliche Position im der Hervorbringung der sich stetig ändernden Umwelten wider.

Der Mensch müsse sich also den von Menschen produzierten veränderten Lebensbedingungen permanent anpassen, um in ihnen überleben zu können. Für das heutige Berufsleben ist das evident. Wer gestern in einem Bureau mit einer Schreibmaschine schrieb, muß heute mit einem Computer schreiben und vielleicht wird übermorgen niemand mehr schreiben, weil ein Computer nach Diktat dann alles selbst schreiben wird. Meint also dieser transhumanistischer Ansatz nur, daß der Mensch, so wie er jetzt ist, nicht mehr in die zukünftige technisierte Lebenswelt hineinpassen wird, und so transformiert werden muß?

Aber es wird dann gar noch von einer sich dem Menschen gegenüber feindlich sich entwickelnden Umwelt gesprochen. Die Umwelt verändert sich nun aber nicht von selbst, schon gar nicht feindlich, sondern sie wird in bestimmten politisch-gesellschaftlichen Verhältnissen so produziert. Stehen nun Menschen feindliche Umwelten gegenüber, dann wäre so zu fragen: Wer ist denn verantwortlich für diese Negativentwickelungen,die gar zum Aussterben der Gattung Mensch führen können? Als erster Kandidat, dem die Vernichtung der ganzen Menschheit möglich wäre, ist wohl die Atombombe anzusehen. Es ist bekannt, wie sie entwickelt worden ist und es ist bekannt, welche Rolle sie in politisch-militärischen Konzeptionen spielt. Sollte das nun etwa heißen, daß der Mensch so verändert werden soll, daß er als Gattung Atomkriege überleben kann? Wäre eine Veränderung der politischen Verhältnisse, die zu Atombombenkriegen führen könnten,nicht sinnvoller als solch ein Versuch?

Außerdem: Es müßte doch zwischen natürlichen und künstlichen Weiterentwickelungen unterschieden werden. Der Begriff der Evolution gehört eben in den Vorstellungsraum der Biologie, aber die Entwickelung der Langspielplatte zur CD ist keine Evolution sondern ein technischer Fortschritt. Wenn das Projekt der Cyborgisierung des Menschen angedacht werden soll als ein Vorhaben im Geiste von Nietzsches Übermenschen, dann kann dies auf keinen Fall als eine evolutionäre Weiterentwickelung verstanden werden.

Auch wird dabei die schlichte Frage der Möglichkeit einer politischen Lenkung der Veränderungsprozesse der Lebensumwelt übergangen. Denn all diese Veränderungen sind ja durch Menschen produzierte.Die Späre dieser Produktion ist nun aber keine natürlich evolutionär fortschreitende. Wo vernünftig eine Umgestaltung der Lebenswelten zu planen wäre, wird eben oft auch irrational gehandelt. Feindliche Umwelten sind eben im Regelfall Folgen von politischen und ökonomischen Fehlentscheidungen.

Was könnte so von dem Projekt des Übermenschen übrigbleiben? Einiges, etwa der Versuch, die Lebens- und Überlebensfähigkeit des Menschen zu steigern angesichts der Anfälligkeit des Menschen für Krankheiten. Man denke nur an die vielen Blinden, denen vielleicht durch künstliche Implantate ein Sehen wieder ermöglicht wird. Ein Fortschritt der Medizintechnik muß auf jeden Fall begrüßt werden. Ob man das dann gleich die Überwindung des Menschen betiteln muß, wenn der Mensch in sich selbst in seinen Körper Technisches integriert, statt Technisches äußerlich mit den Händen zu gebrauchen, das scheint dann eher eine Marginalie zu sein.

Es scheint aber die Vorstellung der Überwindung des Menschen eine eigentümliche Ausstrahlungskraft zu besitzen, daß eben mit uns etwas ganz und gar nicht in Ordnung zu sein scheint, daß wir einer Erlösung bedürften.

Zusatz:

Könnte der Transhumanismus nicht auch, nur seinem Begriff folgend eine Selbstkorrektur des Humanismus anzeigen, eines Endes der Glaubens an den Menschen als dem Zentrum von allem? 



 

Dienstag, 26. Juli 2022

Absurdistan: Wer tötet, schützt Leben! Das ZK und die Moral

Absurdistan: Wer tötet, schützt Leben! Das ZK und die Moral


Sicherlich gehört der Standpunktkommentar: „Debatte um Abtreibung.Weg von der aggressiven Rhetorik“ (Kath de am 25.7.2022) zu den Höchstleistungen dialektischen Denkens, das nicht immer von allen so ganz nachvollzogen werden kann. Daß die Sprecherin des Laien-ZKs eine „Lebensschützerin“ ist, das ist nun für den Durchschnittsmenschen so uneinsichtig wie die Aussage, daß ein Metzgermeister ein Tierschützer sei. Aber lauschen wir nun den erhellenden Ausführungen dieses Kommentares:


"Wer im jüngsten "Zeit"-Artikel von der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, nicht durchgängig das Interesse erkennt, das Lebensrecht ungeborener Kinder zu verteidigen, der muss schon sehr voreingenommen lesen. Der Paragraf 218 dürfe "unter keinen Umständen in seiner Substanz angetastet werden", schreibt Stetter-Karp völlig unmissverständlich. Ihre Kritiker aber stürzen sich reflexhaft und einseitig auf die Forderung, es müsse ein flächendeckendes Angebot für Schwangerschaftsabbrüche geben. Sie echauffieren sich über etwas, was nur im Gesamt der Argumentation verständlich ist. Vielleicht hätte Stetter-Kerp noch deutlicher machen müssen, warum es wichtig ist, dass überall in Deutschland grundsätzlich die Möglichkeit (!) eines medizinisch sicheren Abbruchs gewährleistet ist.“

Wer nun völlig unvoreingenommen die ersten 2 Sätze dieses Zitates liest, steht vor einem Problemchen. Der zitierte Paragraph 218 ist ja unvereinbar mit dem Lebensschutz, da er etwa im letzten Jahre die legale Tötung von 100 000 Kindern ermöglichte, das sind doppelt so viele wie der Coronavirus tötete. Indem Frau Stetter-Karp diesen Paragraphen als nicht antastbar qualifizierte, positionierte sie sich eindeutig gegen das Lebensrecht der Kinder im Mutterleibe. Es wird also das Lebensrecht der Kinder verteidigt, indem man der Tötung von 100000 Kindern zustimmt. Das ist höhere Dialektik.

Damit nun legal weiterhin in Deutschland Kinder so getötet werden können, bedürfe es ein „flächendeckendes Angebot für Schwanger-schaftsabbrüche“. Der Euphemismus des Schwangerschafts- abbruches steht hier für die Kindestötungspraxis. Damit diese legal durchgeführt werden können, bedarf es zur Ausstellung von Beratungsscheinen berechtigten Organisationen, wie Donum Vita, von dem Laien-ZK initiiert. Es gibt zwar viele katholische Beratungsstellen für Schwangere. Diese dürfen aber als katholische keine Lizenzen zum Töten von Kindern ausstellen, deshalb müsse es eben auch flächendeckend nichtkatholische geben, flächendeckend, damit so tötungswilligen Müttern lange Anreisewege zu den Ausgabestellen solcher Tötungslizenzen nicht zugemutet werden. Der Kommentar spricht dann auch Klartext:

dass überall in Deutschland grundsätzlich die Möglichkeit (!) eines medizinisch sicheren Abbruchs“ zu gewährleisten ist. Ein sicherer Abbruch heißt hier: sicher tödlich für das Kind.

Der Lebensschutz für das ungeborene Leben besteht also darin, sicher zu stellen, daß Schwangere ihre Kinder im Mutterleibe töten lassen können. 100000 Kinder sind im letzten Jahre so getötet worden. Aber für Kath de ist das praktizierter Lebensschutz. Wahrscheinlich waren die Atombombenabwürfe über Japan auch eine Lebensschutzaktion, weil die Bomben so viele Japaner nicht getötet haben. Das ist eben die „Moraltheologie“ des Laien -ZKs und seiner Subalternen: Wer tötet, schützt Leben!

Aber vielleicht verstehen wir Einfältige eben nicht, daß diese Genetivkonstruktion bedeutet,daß das Leben vor dem Leben geschützt werden soll und das geschieht durchs Töten. Nüchterner betrachtet, ist das Alles aber nur Rhetorik, um zu vernebeln, daß hier der Feminismus ein Recht auf die Kindestötung durchsetzen will. Biopolitische Interessen verbinden sich damit, daß möglichst wenige von Geburt an kranke Kinder geboren werden sollen, was durch Krankheitsfrüherkennungen und Abtreibungen erreicht werden soll. Das Anliegen der Euthanasie kann so auch im feministischen Gewande revitalisiert werden. Lebensfeindliche Zeiten kommen uns so entgegen im Namen des Lebensschutzes.




 

Montag, 25. Juli 2022

Soll die Kirche verfeminisiert werden? Eine Problemanzeige über den Tod der Kirche

Soll die Kirche feminisiert werden? Eine Problemanzeige über den Tod der Kirche


Einst wurde die christliche Religion und damit auch die Kirche zur Domaine der Frau. Genau datieren ließt sich dieser Prozeß der Feminisierung nicht, aber man liegt wohl nicht ganz falsch, daß der Anfang dieser Entwickelung in der Aufklärung vermutet wird. Für die Frau galt nun das Leben der 3 Ks: Küche, Kinder und Kirche- der Mann dagegen mußte hinaus ins „feindliche Leben“, das außerhäusliche. Die Religion, seinen Glauben streifte er dann ab, wie seine Hausschuhe, die eben für draußen ungeeignet waren. Der Raum der Ökonomie und der Politik waren und sind eben soziale Räume, die durch sich selbst hinreichend bestimmt sind, als daß da noch eine christliche Normierung möglich wäre. Ein atheistischer Schuhmacher repariert kaputte Schuhe eben genauso wie ein christlicher. Die Eigengesetzlichkeit dieser sozialen Räume wurde sozusagen entdeckt, daß hier Sachlogiken dominerten, die unabhängig von der religiösen Einstellung der dortigen Akteure von allen zu beachten sind. Selbst in der Freizeit galt zusehens die Religion als nicht mehr dahinein passend, da Menschen unterschiedlicher Confessionen in Vereinen und ähnlichem ihre Freizeit verbringen. Es müssen eben halt Christen, Atheisten und was auch immer gemeinsam etwa in einem Schachclub spielen können.

Das Zuhause, das Daheim wurde so zur Enklave der gelebten Religion, sie wurde saverprivatisiert, Schon der regelmäßige Gottesdienst begann, ein Auslaufmodell zu werden. Aber damit wird vorgegriffen. Aber es fällt eben auch, daß die Höhe- und Tiefpunkte des Familienlebens zu den Tagen des Kirchbesuches avancierten: Geburt und Taufe, Eheschließung und die kirchliche Trauung, Tod und die kirchliche Beerdigung und die Feier der Familie im Weihnachtsfest, das waren dann die Fixpunkte des so verbürgerlichten Christentumes. Die Familie ist nun aber die Domaine der Ehefrau. So begann die Feminisierung der christlichen Religion schon mit der Verortung von ihr in das Daheimleben.

Wird dieser Spur weiter gefolgt, liegt es nahe, daß nun die Kirche, besser noch die Gemeinden „geschwisterliche“ sein sollen. Das innere Leben soll eben familiär gestaltet sein. War der Ursprung der Kirche das Lehrer-Schüler-Verhältnis Jesu Christi zu seinen Schülern, so wird nun daraus ein familiäres Bei- und Zusammensein von im Prinzip Gleichgestellten. In der Vorstellung der Geschwisterlichkeit gibt es eben nur noch „Geschwister“ und nicht mehr Väter und Mütter und keine Kinder. Der Wille zur Egalisierung löscht diese für das Familienleben konstitutiven Elemente aus. Es bleiben nur noch gleichrangige Geschwister über. Die Enthierarichisierung ist so weit fortgeschritten aber es besteht noch das äußerliche Korsett der Hierarchie des dreistufigen Weiheamtes und der Skandal des Papstamtes.

Das, was im Protestantismus durch die Reformation aufgelöst worden ist, das Priesterliche der Kirche widersetzt sich nun der endgültigen Feminisierung der Kirche. Denn das Priesteramt, das Meßopfer, die darin sich fundierende Ordnung der Hierarchie sind Elemente einer ganz anderen Ordnung als der der Familie. Im Zentrum der Religion steht die Kommunikation mit den Göttern oder dem Gott. Der Kult ist so das Herzstück und die Hierarchie ergibt sich aus der unterschiedlichen Stellung im Kult. Diese Ordnung fundiert sich nicht durch das Prinzip der Verwandtschaft aber aber auch nicht der Freundschaft, wie in der Ordnung der Familie und der des Freundeskreises. Im Zentrum stehen stattdessen von Gott zu den besonderen Diensten Berufene. Der religiöse Kult ist so ein Geschehen außerhalb der bürgerlich-profanen Welt. Es ist so eine heilige Ordnung.

Die Verfamilisierung und Verfeminisierung wandelt so die Religion zu einem Element des Familienlebens. Deshalb ist es auch nicht erstaunlich, daß im Protestantismus der Pfarrberuf zusehens ein Frauenberuf wird. Wie die Dame des Hauses beim gemeinsamen Sonntagsessen dem Sonntagsmahl vorsteht, so steht sie eben auch dem Abendmahl vor, das ja auch nur noch eine religiöse Mahlzeit sein soll. (Luther) In der Katholischen Kirche dagegen stehen sich nun die Ordnung eines verfamilisierten Christentumes der heiligen Ordnung des Kultes gegenüber.

Es darf nun aber auch nicht übersehen werden, daß es solche Spannungen schon im Urchristentum gegeben hat. Der christliche Gottesdienst knüpfte eben an 2 grundverschiedenen Praxen an, der des Synagogengottesdienst und der des Tempelkultes. Im Urchristentum gab es die Spannung der Differenz des einen Lehrers zu den vielen Schülern, die sich in der Differenz der Apostel und Presbyter zu den Laien prolongiert und das Familienethos: Wir sind alle Brüder und Schwestern. Dieses Familienethos diente zuvörderst der Gewinnung eines Einheitsgefühles unter Menschen verschiedenster Ethnien und Kulturen. Die Urgemeinde wollte ja keine religiöse Sondergruppe im jüdischen Volke sein, sodaß das Fehlen einer ethnischen Gemeinsamkeit durch das Familienethos kompensiert werden sollte. Als aber das Christentum zur Staatsreligion des Römischen Reiches sich weiterentwickelte, verlor selbstredend das Familienethos an Gewicht, weil nun die Gemeindemitglieder zugleich Bürger des selben Staates und oft auch des selben Volkstumes waren. Wohl hauptsächlich in klösterlichen Gemeinschaften überlebte dann dies Familienethos.

Seit der Aufklärung ist aber wohl die Tendenz zur Verfamilisierung und somit zur Verfeminisierung der Kirche erkennbar. Das hat auch Auswirkungen auf den theologischen Diskurs: So wie der Liebesfilm und derLiebesroman die Domaine der Frau ist, so avanciert die Liebe nun zum Zentrum der Theologie und ersetzt die vorherigen Zentralbegriffe: Natur und Gnade, natürliche und übernatürliche Erkenntnis, das göttliche Gericht mit seinem zwiefachen Ausgang, der Dualismus von Erwählten und Nichterwählen, aber auch die Differenz von der wahren zu den vielen nichtwahren Religionen. All das verschwindet eben im Einerlei des mütterlich liebenden Gottes, der ebenso auch nur noch zu einer Einerleiliebe auffordert: Wir haben uns alle lieb, weil Gott uns alle lieb hat. Das könnte als das Basiscredo des verbürgerlichten verfamilisierten Christentumes angesehen werden.

Nur dieses steht nun noch im Widerstreit mit der Kirche mit ihrer religiös fundierten Ordnung, die ihr Zentrum im Opferkult hat und nicht in einem Familienethos. Auf dem „Synodalen Irrweg“ soll also die religiös-kultische Ordnung durch eine Familienordnung mit ihrem Ethos ersetzt werden. Das wäre natürlich der Tod der Katholischen Kirche, aber der wird wohl auch erstebt.

Zusatz

Eigntümlich mutet es aber an, wenn jetzt noch eine Feminisierung der Kirche eingefordert wird, obgleich sie jetzt schon bei den Frauen besser ankommt als bei den Männern.   


 

Samstag, 23. Juli 2022

Wahrheit macht unfrei! Ein postmodernes antichristliches Credo

Wahrheit macht unfrei! Ein postmodernes antichristliches Credo


Den „Nihilismus als Errungenschaft“zu feiern, das fordert Stefan Lorenz-Sorgner, ein Vordenker des Transhumanismus. (Übermensch,Plädoyer für einen Nietzeanischen Transhumanismus, 2019,S.91-99). Diese sehr klug geschriebene Studie zum Thema des Transhumanismus kritisiert nun auch Nietzsches Anliegen der Überwindung des Nihilismus,ist für diesen Philosophen gerade doch das Projekt des Übermenschen die der den Nihilismus überwindenden Kreativität. Mitnichten, der prophezeite Nihilismus soll nun eine positive Entwickelungsstufe sein, in der es um der Pluralität des Lebens willen zu verharren gälte. „Bei den verschiedenen Facetten des Nihilismus handelt es sich um Errungenschaften,die die Wahrheit fördern, die Vielfalt des Lebens zum Florieren zu bringen.“ (S.91) Dabei wird dann zwischen dem alethischen und dem ethischen Nihilismus unterschieden. Es gäbe weder Wahrheit noch Moralität (S.92).Die Antithese zu allen totalitären und paternalistischen Strömungen sei der Nihilismus,denn er ermöglichte allein eine Pluralität von „Wahrheiten“ und „Moralen“. Darin verbirgt sich ein typisches postmodernes Axiom, das, daß eine erkannte Wahrheit oder eine zu erkennende sowohl der theoretischen und der praktischen Vernunft eine Legitimität der Pluralität beseitigen würde. Die Wahrheit, daß 5 plus 7 12 ist, verunmöglicht alle anderen Zahlen als 12 als legitime Antworten auf die Frage, was sei 5 plus 7 zu qualifizieren. Für den Bereich der Ästhetik: Wie könnte es noch eine Manigfaltigkeit von Kunstwerken geben, wenn es das wahre Kunstwerk gäbe?

Die totalitären Staaten seien so charakterisiert durch ihre Behauptung, im Besitz der Wahrheit zu sein, der gemäß dann in diesen Staaten alles bestimmt worden sei. Als Musterknaben solch eines Wahrheitstotalitarismus zählen dann Hitler und Stalin. Hitler sei eben keinesfalls ein Nihilist gewesen, der an nichts glaubte als an seinen Willen zur Macht und Stalin kein Despot, der den Marxismus-Leninismus nur dazu vernutzte, seine Willkürherrschaft zu rechtfertigen. Ganz von einer Wahrheitserkenntnis Erfüllte liquidierten diese jede Pluralität in ihrem Willen zur unbedingten Uniformität. Damit es eine legitime Pluralität geben könne und diese ihre Legitimität nur dem Faktum verdanken könnte, wenn etwas noch nicht begriffen worden ist, sodaß es nur noch eine Wahrheit über das Zubegrifende gibt, dürfe es keine erkannte Wahrheit geben.

Der Paternalismus fundiert sich dabei aus der Erkenntnisdifferenz, daß die einen Erkennende sind und die anderen Nochnichterkennende, sodaß die Erkennenden den Nichterkennenden zu führen haben, sie so zu entmündigen. Theologisch gewendet: Die Notwendigkeit des Hirtenamtes resultiert aus dem Nichtvermögen der Schafe, sich selbst hüten, das heißt regieren zu können. Cognitivistisch gewendet heißt das, daß sie die Wahrheit nicht erkennen können. Solange es aber doch noch erkennbare Wahrheiten gibt, verleiht jede erkannte dem Erkennenden das legitime Recht, die anderen zu führen. Das sei dann das Ende jeder legitimen Pluralität. Alles Nichtwahre wird eben zur Häresie.

Soweit das dieser Betrachtung Innewohnende. Aber ist das in sich konsistent? Die Kritik muß ich zuerst kaprizieren auf das Phänomen, daß in diesem nihilistischen Gedankengang ein höchster Wert auftritt, der der Pluralität. Wie kann dieser Wert aber ein Element eines nihilistischen Denkens sein? Darüberhinaus dürfte der so propagierte Wert des Pluralismus nicht selbst wieder etwas aus sich ausschließen. Aber hier wird ja der Totalitarismus wie auch der Paternalismus ausgeschlossen. Damit begrenzt sich der Pluralismus selbst, indem er sagt, daß im Pluralismus nur pluralistische Ansätze erlaubt sind. (Das hieße für die internationale Politik, daß es dem afghanischen Volke nicht erlaubt werden dürfe, sich talibanisch regieren zu lassen, weil deren Regierungskonzept totalitär sei.)

Der Wert des Pluralismus wird also so hoch geschätzt, daß in seinem Namen alles nicht im Pluralismus das Höchste Ansehende aus dem legitimen Diskurs auszuschließen sei. Das hat nun viel mit Nietzsches Willen zur Macht gemein, mißbraucht aber das Theorem der Pluralität nur dazu, alles dazu sich oppositionell zu Verhaltendes zu delegitimieren. Schon ganz außerhalb seiner Begründungsmöglichkeiten ist nun aber dieser höchste Wert der Pluralität. Denn orientierte sich dies Denken an der Natur oder pathetischer am Leben, so müßte eingeräumt werden, daß nicht die Pluralität sondern das Prinzip des Sichdurchsetzens des Stäkeren das Leben ausmacht, denn das Gesetz des Lebens ist das des Kampfes und der ist pluralitätsvernichtend.

Prinzipieller formuliert: Warum soll denn überhaupt die Pluralität etwas Gutes sein? Wenn es zur Lösung eines politischen zwischenstatlichen Konfliktes militärische und nichtmilitärische Lösungen gibt, warum soll es dann etwas Gutes sein, beide Optionen als gleichwerige anzusehen, statt moralisch begründet nichtgewaltsame gewaltsamen als vorzuziehen zu beurteilen.

Dieser hier skizzierte „Nihilismus“ dekonstruiert sich selbst, weil er auf einem Werturteil sich aufbaut, der erstens nicht mit dem Nihilismus vereinbar ist und weil der oberste Wert des Pluralismus sich dann auch noch selbst destuiert, indem er nur dazu dient, sich selbst zu negieren, indem aus dem Pluralismus alles Nichtpluralitische exkommuniziert werden soll. Aber trotz dieser inneren Widersprüche ist dieses Denken das unsere Epoche bestimmende, das so aber auch zutiefst antitheologisch und somit antichristlich ist. Denn das Basiscredo der christlichen Religion wie der ganzen Philosophie war und ist: Die Wahrheit macht frei. Es darf sogar geurteilt werden, daß selbst noch Nietzsches Übermensch an dieser Wahrheitskonzeption verhaftet blieb. 

Zusatz:

Es gibt das Ereignis des Nationalsozialismus und des Stalinismus, aber die Interpretationen dieser Ereignisse sind für die darauf folgende Zeit relevanter als das Ereignis selbst. Nicht das Realereignis sondern seine Interpretation wirkt in der Geschichte. Der naivste Standpunkt ist nun der, die je meinige Interpretation für die einzig wahre zu erachten und die anderen dann als ideologisierte zu verurteilen. Die Potmoderne könnte nun als die Anerkennung der Unhintergehbarkeit der Pluralität der Interpretationen der Ereignisse der Geschichte verstanden werden, würde sie nicht selbst auf einer bestimmten Interpretation dieser beiden Ereignisse sich fundieren, die daß der Totalitarismus beider Systeme auf dem Glauben an die bessene Wahrheit sich gründet.  Konträr dazu steht Rauschning,der den Nationalsozialismus als "die Revolution des Nihilismus" qualifizierte. Für postmoderne Denker erscheint dagegen der Nihilismus als Schutz vor solchen totalitaristischen Ideologien.


 

Christliche Freiheit= Marktwirtschaft=Demokratie versus Atheismus=Planwirtschaft=Diktatur


Für viele Christen ist das ein klarer und eindeutiger Sachverhalt: Die christliche Freiheit, die Marktwirtschaft und die Demokratie gehören auf das herzinnigste zusammen wie auch die diabolische Trinität von Atheismus, Planwirtschaft und der Diktatur. Der einst obligatorische Systemvergleich zwischen der BRD und der DDR basewies das dann auch noch hinreichend augenfällig. Da kann es doch keinen Diskussionsbedarf mehr geben.

Nur, was ist dann von Tatsachen zu halten, die sich einfach nicht in dies Schwarz-Weiß-Schema einordnen wollen? Warum gibt es in der Ordnung der Marktwirtschaft viele Menschen, die auf Armenspeisungen angewiesen sind, weil die ihnen vom Staate gewähre Sozialhilfe nicht ausreicht, daß große Mengen von Lebensmitteln, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen sind, über „Tafeln“ Bedürftigen ausgeteilt werden und daß jetzt „Tafeln“ Aufnamestops verhängen, weil sie nicht mehr alle Berechtigten so versorgen können? Warum spricht man schon seit langem von Mietwucherpreisen? Ja, warum gibt es permanent Arbeitslose?

Ja, in der Marktwirtschaft könne sich eben der Bürger einen Mercedes kaufen und im Osten mußte der Bürger sich mit einem Trabbi begnügen, aber jetzt gibt es Bürger, die diesen Winter entweder sich satt essen können oder heizen. Oder soll jetzt eingewandt werden, daß die Meinung, die Wirtschaft habe zuerst die Grund-versorgung zu gewährleisten ein Element sozialistischer Planwirtschaftsideologie? Nach welchen Kriterien ist denn dann die Qualität eines Ökonomiekonzeptes zu bewerten? Die Antwort fällt eindeutig aus: Die in ihr gewährte Freiheit ist das Bewerungskriterium. Das ist die Freiheit, Waren und Dienstleistungen zum Verkauf anzubieten, wie man will und zu welchem Preis man will und die Freiheit des Konumenten, zu kaufen, was man will zu welchem Preis man sie sich erwerben möchte. Diese ökonomische Freiheit hat wahrlich wenig, wenn nicht sogar gar nichts mit der Freiheit im christlichen Sinne gemein. Jesus Christus starb nicht am Kreuze, damit wir gute Geschäfte machen können, die den Verkäufer wie den Käufer zufrieden stellen.

Die Ideologie des Liberalismus sieht aber in der Parole, so wenig Staat wie nur irgendwie nötig, damit der Bürger frei wirtschaften kann, die Freiheit praktisch ausbuchstabiert, aber der Liberalismus ist nichts genuin Christliches. Augenfällig ist dabei ja auch, daß, damit diese Freiheit überhaupt lebbar bleibt, der Staat diese Freiheit begrenzen muß. Existierte gar keine Freiheitsbegrenzung, könnte ja auch dieDienstleistung“ des Auftragmordes frei angeboten werden.

Es sei nun das Augenmerk auf ein viel offenkundigeres Problem gerichtet: die Wucherpreise im Lebensmittelbereich. Dies Modell möge das Problem veranschaulichen. Gesetz den Fall, daß 80 Prozent des in Deutschland verzehrten Käses in Verbrauchermärkten gekauft wird, dann können leicht alle Verbrauchermärkte beschließen, den Preis des Käses um 100 Prozent zu erhöhen. In allen Märkten kostet der Käse jetzt gleich viel, nur doppelt so teuer wie vorher. Wollte ein Käsekaufer nun wo anders in einem Nichtsupermarkt seinen Käse kaufen, wird er feststellen müssen, daß er da, in Extrakäsegeschäften noch teurer ist. Wendet er sich dann wieder an den Supermarkt in der Suche nach einem Alternativbrotbelag, wird er feststellen müssen, daß auch deren Preis wucherartig zugenommen hat.

So etwas könne es in einer Marktwirtschaft nicht geben? Das gibt es jetzt und hier. Dem Bürger wird eben als Legitimierung dieser Preisabsprachen der „böse Putin“ vorgehalten, daß nun sein Krieg unseren Käse verteuere! Als Regierungsgläubige zweifeln wir natürlich daran nicht, denn in einer Demokratie ist man dazu verpflichtet, der demokratisch gewählten Regierung und ihren Medien Glauben zu schenken. Aber wer nun die Vor- und Nachteile der Marktwirtschaft nüchtern bilanziert, könnte an dem Dogma der Marktwirtschaft, seiner Alternativlosigkeit zweifeln.

Gehören nun die Marktwirtschaft und die Demokratie zusammen? Mitnichten, denn China demonstriert es, daß dies Land seine Planwirtschaft ab- und zusehens eine Marktwirtschaft aufbauen kann, ohne demokratisch regiert zu werden. Genauso, völlig abgesehen davon, ob dies erstrebenswert ist, könnte ein demokratischer Staat die Wirtschaft planwirtchaftlich organisieren. Nur in der Epoche des „Kalten Krieges“ galt die Gleichung: Freiheit =Marktwirtschaft =Demokratie. Aber die „gleich“ ist ein rein kontingentes.

Verdächtig ist ja bei dieser Apothesose der Marktwirtschaft, daß die Frage des Nutzens, wem nützt sie wie?, kaum noch gestellt wird. Diese Ordnung legitimiere sich eben schon hinreichend dadurch, daß sie eine der Freiheit sei. Die soll dann sogar irgendwie identisch sein mit der „christlichen Freiheit“. Nur hat diese Freiheit einen recht janusköpfigen Charakter: Der Freiheit der Berufswahl steht der Zwang gegenüber, seinen Lebensunterhalt durch das Arbeiten sich verdienen zu müssen und dem Recht der freien Berufswahl steht das limitierte Arbeitsplatzangebot auf dem freien Arbeitsmarkt gegenüber.

Aber auch andere Probleme zeichnen sich ab: Wie ist die Niederlassungsfreiheit von Ärzten vereinbar mit der Notwendigkeit, auch auf dem Lande eine hinreichende ärztliche Versorgung zu gewähren? Noch problematischer ist wohl die Frage der Vereinbarkeit der Marktwirtschaft mit der Notwendigkeit, die Produktion der Güter o zu gestalten, daß sie die Grundlagen des Überlebens der Menschen auf diesem Planeten nicht gefährdet. Bisher macht die Marktwirtschaft nicht den Eindruck, das schaffen zu können, weil in ihr zu leicht die Freiheit des Einzelnen zu Lasten der Lebensrechte der Anderen, isb der Zukünftigen ausgelebt wird.

Aber es gälte doch: Wo die Wirtschaft marktwirtschaftlich organisiert wird, da gibt es auch die politische Freiheit der Demokratie. Ja, bisher noch, aber kann bestritten werden, daß die politischen Freiheiten jetzt merklich eingeschränkt werden. Solange das Volk hinreichend mit Brot und Spielen befriedigt werden konnte, gewährte die Demokratie ihren Bürgern ein großes Maß an Freiheiten, aber seit das nicht mehr so gut klappt, werden diese Freiheiten auch wieder eingeschränkt, damit sie nicht vom Volke mißbraucht werden können. Die Politische Korrektheit und der Dauerkampf gegen Rechts zeigen es ja überdeutlich.

Nein, diese einfache Gleichung gilt nicht mehr, sie galt so nur in der Phase des „Kalten Krieges“, denn in ihr mußten die westlichen Regierungen auch dafür Sorge tragen, daß es ihren Bürgern gut geht um der Systemkonkurrenz mit dem Osten willen. Jetzt, wo der freie Westen sich als alternativlos legitimiert, kann dem Volke auch wieder das große Lied der Enthaltsamkeit und des Gürtel-enger-Schnallens vorgespielt werden. Man ist sich eben seiner demokratischen Untertanen sicher, und die Abweichler werden dann eben energisch bekämpft. 

Daß zur Marktwirtschaft oder zur Demokratie die christliche Freiheit das Fundament liefere, ist nun aber eine bloße Legende des liberalen Protestantismus, dem sich nun auch Katholiken anschließen. 



 

 

Freitag, 22. Juli 2022

Rote Karte für den Synodalen Weg (? !) Kommt jetzt das Schisma?

Nicht nur Bischof Bätzing und die Laien-ZK-Sprecherin und engagierte Vorkämpferin für das Recht der Mutter, ihr Kind im Mutterleibe töten zu lassen, waren "verwundert"  und " irritiert" über diese römische Stellungnahme zum "Synodalen Irrweg" sondern auch ich.Röter hätte diese "Rote Karte" nicht ausfallen können, so leuchtend rot, daß gar ein Blinder sie nicht übersehen könnte. Nur, wer hätte so ein klarers: "So nicht weiter" von Rom ausgehend erwartet!

Es bedarf keinerlei prophetischer Begabung, um sicher vorauszusagen, daß nun viele Theologen und sonstige Vaticanexperten versuchen werden, aus diesem klaren "Nein" zum "Synodalen Weg" ein: "Macht doch im Prinzip so weiter, nur ein bißchen anders" zu machen. Die weltlichen Medien sehen das erfreulich klarer: Hier sind den Deutschen Reformern der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Was bleibt nun von dieser Spukgestalt dieser Pseudosynode? In einem sehr lesenswerten Beitrag des Domradios vom 21.7.2022: "Eine deutsche Neuerfindung des Katholizismus" heißt es: 

"Konsequent zu Ende gedacht,könnte der Synodale Weg allerdings darauf hinaus-laufen, dass neben der Altkatholischen Kirche und der römischen eine weitere katholische Kirche entsteht - gewissermaßen eine deutsche Neuerfindung des Katholizmus."

Der antikatholische Höhepunkt des "Synodalen Weges" bildete sicherlich der mehrheitlich angenommene Beschluß zu prüfen, ob die Kirche wirklich Priester bräuchte und moraltheologisch die Stellungnhme des Laien-ZKs zur sogenannten "Abtreibung", daß dafür Sorge zu tragen sei, daß überall in Deutschland Frauen ortsnah ihre Kinder im Mutterleibe töten lassen können müssen. Aber auch der in den Medien weniger spektakulär wahrgenomme Versuch, die Hierarchie der Kirche durch eine Art Räte- oder Gremiendemokratie zu ersetzen, dürfte Rom zu dieser Notbremsung veranlaßt haben. 

Ist nun der "Synodale Weg" am Ende? Er wäre es, wenn seine Anhänger den Papst noch als das Oberhaupt der Kirche anerkennen würden. Aber schon die die Reform- agenda des "Synodalen Weges" antizipierende "Wir sind Kirche" verlangte ja schon das Ende des päpstlichen Lehramtes. Am besten wäre es wohl, es doch demosko-pische Umfragen zu ersetzen. Kann dieser Irrweg nun noch weiter forciert beschrit-ten werden? Es ist zu befürchten, daß es weiter gehen wird wie bisher und in letzter Konsequenz gebiert dann dieser "Synodale Weg" eine neu erfundene Kirche in Deutschland, die nur noch rein äußerlich als eine katholische erscheinen wird, da sie sich der katholischen Substanz völlig entäußert. Was kann Rom noch unter-nehmen, wenn die Destrukteure dieses Entkatholisierungsversuches ihren Marsch zu einer "Synodalkirche" fortsetzen werden? Kann dies "Los von Rom" noch gestoppt werden? 

Eingedenk der Mahnung Jesu Christi, daß es besser sei einäugig in den Himmel zu kommen als mit beiden Augen in die Hölle, könnte geurteilt werden, daß es besser für die ganze Katholische Kirche wäre, spaltete sich diese Neureformkirche ganz von Rom ab, wie einst schon die Altkatholiken als daß diese "Reformsynode" den ganzen Leib Christi infiziere und so verderbe. Der hier ausgelebte Antikatho-lizismus ist eben nicht ein Alleinstellungsmerkmal des Deutschen Katholizismus. Eines darf dabei aber nicht außer Acht gelassen werden. Die Kirche auf Erden ist eine ecclesia militans, denn sie steht stets im Kampfe wider ihren Widerpart, dem Teufel selbst. Völlig untheologisch wäre es, so fundamentale Angriffe auf die Sub-stanz der Kirche, wie sie dieser "Synodaler Irrweg" auszeichnet, als etwas anzusehen, was nichts mit diesem Kampfe wider die Kirche zu tuen habe. So ist eben der radicalste Kritiker des "Synodalen Weges" Gott selbst, indem er die "Rotte Korach" ausrottete, als diese die Hierarchie der Kirche demokratisieren wollte. (4.Mose 16) 

Aber es ist auch zu fragen, ob nicht de jure, aber de facto schon die Katholische Kirche sich von Rom getrennt hat, sie chismatisch geworden ist!



 


 


Donnerstag, 21. Juli 2022

Nachtgedanken: Ist die vernünftige Welt nur das Produkt unseres Denkens und könnte das auch für den Gott der Theologen gelten?

Nachtgedanken: Ist die vernünftige Welt nur das Produkt unseres Denkens und könnte das auch für den Gott der Theologen gelten?


Als Leser kann man immer wieder in guten, aber nur in guten Büchern auf irritierende, einem aus dem Gewohnten herausreißende Gedanken stoßen, die man zwar spontan als abstrus verwerfen könnte, die aber doch hängen bleiben mit der Anfrage, ob nicht doch etwas Wahres auch an ihnen sein könnte. Ein so wirksamer Text ist: „Der heilige Eros“ von George Bataille.

Ein Textwechsel: Es steht geschrieben: Jesus sagt zu den Juden: „Murrt nicht! Niemand kann zu mir kommen,wenn nicht der Vater,der mich gesandt hat, ihn zu mir führt, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tage.“ (Joh, 6,43) Mit dem Zumirkommen ist der Glaube an Jesus Christus gemeint, der einmal im Johannesevangelium als das ewige Leben bezeichnet werden kann, wer glaubt, hat das ewige Leben oder als die Bedingung dafür, daß jemand am Letzten Tage zum ewigen Leben auferweckt werden wird.

Vier Möglichkeiten gibt es nun:


Die erste Möglichkeit: Gott zieht und der Gezogene kommt zum Glauben.

Die zweite Möglichkeit: Gott zieht und der Gezogene kommt nicht zum Glauben.

Die dritte Möglichkeit: Gott zieht nicht und der Nichtgezogene kommt zum Glauben.

Die vierte Möglichkeit: Gott zieht nicht und der Nichtgezogene kommt nicht zum Glauben.


Die 3.Möglichkeit ist keine reale, die 1.und 4. sind reale und die 2.Möglichkeit muß diskutiert werden.


Zu den Juden, die hier gegen Jesus murren, weil er sie gelehrt hat, daß wer an ihn glaubt, der hat das ewige Leben. Sie kennen doch seine Eltern, wie könne dann der Glaube an ihn das ewige Leben geben? Zu diesen sagt Jesus Christus selbst: Ihr könnt nicht zum Glauben kommen, weil Gott euch nicht zum Glauben führt. Hier ist nicht gemeint, daß Gott sie zwar zum Glauben führen wolle, sie sich aber verhärtend nicht ziehen lassen. Da aber das Ziehen Gottes nicht den freien Willen des Menschen beseitigt, könnte ein so von Gott Gezogenwerdender sich dem widersetzen und im Unglauben verharren.

Wie kann aber das mit dem Gott vereinbar gedacht werden, der das Heil aller will, wenn er so die, die er nicht zieht, vom Heile selbst ausschließt? Jetzt wird zu dem angekündigten Text Batailles gegriffen. Der Mensch erschüfe sich durch seine Arbeit und die Vernunft seine Lebenswelt, die aber so eine andere Welt ausschlösse, ja sie erst durch eine Ausgrenzung erwirke. Es entstünde so die profane Welt und davon ausgeschlossen eine „heilige“, eine „irrationale“. Diese sei eine Welt der Gewalt, der Leidenschaft und des Irrationalen, all das, was aus der Arbeitswelt ausgeschlossen werden müsse. Verständlicher wird dieser Dualismus wohl, wenn man sich auf den Dualismus von der rationalen und der irrationalen Welt kapriziert. Da es nun die Aufgabe des theologischen Denkens ist, Gott vernünftig und übervernünftig zu denken in der Spannung von der natürlichen und der übernatürlich offenbarten Gotteserkenntnis, dann schließt dies alles „Irrationale“ aus. Die durch die Arbeit der Vernunft konstituierte Welt, unsere Lebenswelt, in in der wir immer schon sind als unser „In der Welt Sein“, existiert nur durch diesen Ausschluß. Bataille versucht nun in diesem Buch, Pfade in diese ausgeschlossene Welt zu bahnen.

Könnte es einen Sinn machen, das Problem dieser 4 Möglichkeiten mit einer solchen dualistischen Konzeption zu erklären? Wie kann die Aussage als wahr gelten, daß Gott das Heil aller wollend Menschen davon ausschließt, indem er sie nicht zum heilsnotwendigen Glauben führt.

Verkomplifiziert wird dies Problem nun noch dazu, daß Jesus selbst den Unglauben als ihre Schuld den Nichtgläubigen vorwirft, wenn er gar prophezeit: „Dem Gebiet von Sodom und Gomorra wird es am Tage des Gerichtes nicht so schlimm ergehen wie dieser Stadt“ (Mt 10,15), die nicht zum Glauben an ihn kommt.Für jedes vernünftige Denken ist es doch geradezu irrational, zuerst Hörer der Verkündigung Jesu Christi nicht zum Glauben zu ziehen, obgleich nur so Gezogene das Verkündigte glaubend aufnehmen können und dann ihren Nichtglauben als ihre Schuld zu qualifizieren. Rational aufgelöst werden könnte diese Pardoxie nur durch die These, daß Gott zwar alle Hörer zum Glauben zöge, daß aber es Städte gäbe, in denen sich alle dann nicht zum Glauben ziehen lassen würden.

So könnte Gott wieder ganz zu einem Element unserer vernünftig konstruierten Welt werden. Theologisch spricht viel für diese Konzeption. Aber eines spricht nun doch dagegen, daß Jesus hier zu Menschen sagt, daß sie nicht zum Glauben kommen konnten, weil Gott sie nicht dahin zog.

Könnte es sein, daß der Gott, wie ihn das vernünftige Denken denkt, nicht der „ganze“ Gott ist, sondern ein auf das Vernünftige Reduzierter?

Bataille bezeichnet den Begriff des „Heiligen“ als ein Wort der „irrationalen Sprache“. (Der heilige Eros, 1974, Übersetzer M.Hölzer, S.41)und verwirrt den Leser noch mehr, denn was soll eine irrationale Sprache sein? Ist denn nicht jede Sprache rational? Aber kaum ist diese Frage niedergeschrieben, kommt schon die Antwort: Ja es gibt eine solche Sprache, denn wir finden sie in den Werken H.P. Lovecrafts.

Es könnte sein, daß die Kirche und auch der einzelne Christ nur mit dem vernünftig gedachten Gott leben kann, daß Gott aber selbst die Einheit vom der Rationalität und der Irrationalität ist, die sich aber unserem Denken entzieht, das ihn notwendigerweise dann verrationalisiert.

Da reute es Gott, auf der Erde den Menschen gemacht zu haben und es tat seinem Herzen weh.“ (1.Mose 6,6) An dieser Aussage der hl. Schrift scheitern schon so viele Bibelleser und Theologen, die sich nicht besser zu helfen wissen, als diese klare Aussage wegzurationieren, weil man sie nicht vernünftig nichtirrational erklären kann: Dem vernünftig gedachten Gott kann nichts reuen und darf auch nichts reuen.








 

Mittwoch, 20. Juli 2022

Das Priestertum in der Kirche abschaffen? Bedenken wider eine christologische Engführung

Das Priestertum in der Kirche abschaffen?


Mit einiger Verzögerung, der „Synodale Irrweg“ hatte ja beschlossen, zu prüfen, ob die Kirche überhaupt Priester bräuchte, erfolgen erste Diskussionsbeiträge, auch auf der Internetseite Kath net dokumentiert. Ein sehr beachtlicher: „ der christologische Grund des katholischen Priester-tums“ (18.7.2022) sei hier besonders erwähnt. Mein dazu eingereichter Kurzkommentar ist aber nicht veröffentlicht worden, er ist wohl als zu kritisch empfunden worden.

Meines Erachtens sollte das Priesteramt in der Katholischen Kirche nicht ausschließlich christologisch begründet werden, zumal ein solch exclusiver Christozentrismus eher zu Luther als zur Katholischen Kirche paßt.

Zu fragen ist nämlich, warum es neben dem wahren Priester Jesus Christus ,es sei an die 3 Ämterlehre erinnert, daß er der wahre König, der wahre Prophet und der wahre Priester ist, noch andere Priester in der Kirche geben darf und soll. Man kann ja nicht einfach den Priester verschwinden lassen durch die These, der Priester handle so in der Person Jesu Christi, daß genaugenommen gar nicht der geweihte Priester sondern Jesus Christus das Meßopfer darbrächte. Dann wäre aber das Meßopfer gar kein kirchliches Opfer mehr, sondern Jesus Christus vollzöge es allein monoergistisch durch das Medium des Priesters. So würde das Priesteramt ganz in Christus hineingezogen aufgelöst in ein alleiniges Jesu Christi.

Auf die Spuren nach einem relativ selbstständigen Priesteramt stößt man, frägt man danach, welche Bedeutung der Hohepriester Kaiaphas für das Kreuzaltaropfer hatte. Es geht dabei nicht um ihn als Privatperson sondern um ihn als Amtsperson. Als Amtsperson war er dafür zuständig, das Sühnopfer darzubringen. In der Intention, daß es besser sei, einen zu töten, als daß sonst sehr viele stürben, forderte er ja, Jesus auszuliefern, ihn kreuzigen zu lassen. (Joh 11,45-53) Wenn nur der Römische Staat in der Amtsperson des Pilatus für die Kreuzigung Jesu Christi zuständig gewesen wäre, wie hätte dann erkannt werden können, daß die da vollstreckte Todesstrafe ein Opfer im kultischen Sinne gewesen war? Indem nun der Hohepriester so maßgeblich an der Kreuzigung beteiligt gewesen war, ist diese Kreuzigung als Opferhandlung erkennbar geworden, denn nun tat das Hohepriesteramt das, wozu es installiert worden ist durch Gott, daß es nun das Sühnopfer darbrachte.

Jesus Christus wollte nicht allein der Priester sein, der sich am Kreuze selbst als Opfer darbringt, sondern in diesem Opfer sollte es auch die für ein Opfer konstitutive Differenz zwischen dem, der opfert und dem, was geopfert wird, geben. Denn sonst fehlte das Passivische des Opfers, daß das Zuopfernde geopfert wird. Das Priesteramt Pilatus in seiner Bedeutung für das Kreuzaltaropfer eröffnet so den Raum für ein rein menchliches Priestertum neben dem Priestertum des Sohnes Gottes.

Wenn nun gefragt wird, warum es gegen Luther nicht nur das eine Opfer Jesu Christi sondern die vielen des Alten und die vielen des Neuen Bundes gibt und zwar als legitime dann ist zur Respondierung dieser Frage die Unterscheidung von Urbild und Abbild mehr als hilfreich. Das Urbild des wahren Opfers bildete sich in den Opfern des Alten Bundes vorab ab und in den vielen Opfern des Neuen Bundes nach ab. Das eine waren die Vorabbildungen, die anderen sind die Nachabbildungen des urbildlichen Sühnopfers.Da im Urbild ein rein menschlicher Priester konstitutiv mitwirkte, sind auch in den Vor- wie auch Nachabbildungen rein menschliche Priester tätig, die des Alten und des Neuen Bundes. Dann ist das Verhältnis des einen Urbildes zu den Abbildern nicht so zu interpretieren, als käme zu dem einen urbildlichen noch andere abbildliche dazu, sondern die Substanz der vielen abbildlichen Opfer ist das Urbild selbst. Anders formuliert: Das Urbild und seine Abbilder bilden eine dialektische Einheit, daß eine Differenz gesetzt wird, die der zwischen Urbild und Abbild und daß diese Differenz aufgehoben wird in der Einheit des Urbildes mit seinen Abbildern.

Das rein menschliche Priesteramt kann und soll es so nun geben, im Alten wie im Neuen Bund, weil auch am Kreuzaltar Jesus Christus den Hohepriester als rein menschlichen Priester mitwirken ließ. Das Karfreitagsopfer legitmiert so gerade auch das Priestertum des Alten Bundes und verweist auf das Priestertum des Neuen Bundes. Das Urbild des wahren Opfers ermöglicht so erst durch seine Abbildopfer, daß Religion sein kann, deren Zentralpraxis nun mal der Opferkult ist. Ohne solch eine kultische Opferpraxis verkäme nämlich der Gottesdienst zu einer bloßen Erinnerungsveranstaltung historisch Interessierter. Das wäre der Tod der lebendigen Religion.



 

Dienstag, 19. Juli 2022

Ist eine künstliche Befruchtung akzeptabel?

Ist eine künstliche Befruchtung akzeptabel?


Dieser Frage ging am 17.7.2022 Kath net nach aber limitierte sich einfach darauf, das Nein aus Kirchendokumenten dazu zu zitieren. Daß nun von Rom ein offiziöses Schreiben ausging, daß in dieser Causa eine Korrektur andeutet, wurde dann einfach als inakzeptabel verurteilt. Nun ist es sehr verständlich, daß in Zeiten wie den unsrigen, in denen faktisch die gesamte Lehre der Kirche für verbesserungswürdig, als weiterzuentwickeln behauptet wird, in denen so der Ausverkauf der Kirche betrieben wird,ins andere Extrem verfallen wird und jede Änderung so als illegitim reprobiert wird. Aber so ein Extremismus ist nicht in Einklang zu bringen mit der Geschichte der Kirche, in der es sehr wohl auch Änderungen in der Lehre gegeben hat. In vorkonziliaren Zeiten wurden die Lehren der Kirche noch nach ihrem Gewißheitsgrad unterschieden: Nicht alles ist gleich gewiß und gewiß wahr.

Zur Causa der Legitimität einer künstlichen Befruchtung:

Den Ausgangspunkt dieser Frage muß aus rein theologischen Gründen das 1.Gebot Gottes an den Menschen bilden: „Seid fruchtbar und mehret euch!“ (1.Mose 1,28) Nun gibt es Näherbestimmungen, wie dies Gebot zu halten ist. Damit ist nun aber auch schon ein Problem präfiguriert: Was, wenn Menschen sich fortpflanzen wollen, aber nicht die Bedingungen des Wies der Fortpflanzung erfüllen können? So lehrt die Kirche, daß die Verheiratung die notwendige Bedingung für die Fortpflanzung ist und daß der Geschlechtsakt natürlich durchzuführen sei.

Banal, aber das gibt es: Was macht eine Frau, die entweder keinen Mann findet, der sie heiraten möchte oder daß der, den sie heiraten will, sie nicht ehelichen will? Die rigoristische Antwort lautet, daß sie dann auf ihren Kinderwunsch verzichten muß. Das heißt aber moraltheologisch, daß es ihr so verunmöglicht wird, das 1. Gebot zu erfüllen. Ein anderer Lösungsansatz wäre, zu analysieren, welcher Schaden als der größere einzuschätzen ist, wenn sie entweder das 1. Gebot nicht erfüllt oder wenn sie gegen die Ausführungsbestimmungen verstößt, wenn sie unverheiratet ein Kind bekommt.

Diese 2 Möglichkeiten gibt es nun auch in der Causa der Zulässigkeit einer künstlichen Befruchtung. In der Regel dürfte die Unmöglichkeit, auf natürliche Weise schwanger zu werden irgendwie krankheitsbedingt sein oder Folge eines organischen Defektes, entweder beim Mann oder der Ehefrau sein. Das evoziert die Frage: Darf die Kirche Menschen die Fortpflanzung verbieten, wenn die Unfähigkeit zur natürlichen Fortpflanzung nicht selbstverschuldet ist? Anders wäre der Fall zu erörtern, wenn etwa der Mann oder die Frau sich durch einen medizinischen Eingriff unfruchtbar gemacht haben und nun doch noch eigene Kinder sich wünschen.

Nahe liegt es doch nun, zu eruieren, wie in der hl.Schrift selbst diese Problemlage gelöst wird, daß das 1.Gebot von Menschen nicht erfüllt werden kann, weil sie nicht in der Lage sind, den Ausführungsbestimmungen zu genügen. Der bekanteste Fall: die Kinder Adams und Evas. Wen hätten den die Töchter heiraten dürfen, wenn es nur Männer zum Heiraten gab, die alle leibliche Brüder von ihnen sind? Heirateten sie, führten sie eine Inzestehe. Das ist eine Sünde, keine läßliche. Also hätten sie auf die Fortpflanzung verzichten müssen, da eine Inzestehe unerlaubt ist. Die Menschheit wäre so mit dem Tode der Kinder Evas und Adams ausgestorben. Um das zu verhindern durften und mußten sie sogar Inzestehen führen. Das taten sie dann auch, denn sonst wäre die Erde menschenlos.

Moraltheologisch reflektiert heißt das: Das 1.Gebot ist so wichtig, daß wenn es nur um des Verstoßes gegen eine Ausführungsbestimmung des 1.Gebotes befolgt werden kann, gegen eine Ausführungsbestimmung verstoßen werden darf.

Wie wichtig ist dann überhaupt die Ausführungsbestimmug, daß die Zeugung natürlich durchzuführen ist? Es darf ja nicht einfach präsumiert werden, daß alle Ausführumgsbestimmungen gleich gewichtig sind. Wer gesunde Augen hat, sieht ohne eine Brille oder eine Kontaktlinse. Wessen Augen nicht mehr ganz gesund sind, nutzt zum Sehen künstliche Sehhilfen. Das ist eine so große Selbstverständichkeit, daß keinem Christen das als ein Problem erscheint. Wo Natürliches nicht mehr hinreichend funktioniert, werden künstliche Hilfsmittel eingesetzt, um der defekten Natur auszuhelfen. Nebenbei: Damit ist aber auch schon der Anfang der Cyborgisierung des Menschen mitgesetzt, wenn die Technikhilfen in den Menschen dann inkorperiert werden, etwa als künstliche Augen, als künstliche Organe.

Warum soll dann, wenn die natürliche Fortpflanzung nicht funktioniert, ihr nicht künstlich zum Erfolg verholfen werden oder gar durch eine rein künstliche ersetzt werden? Daß die menschliche Natur, der menschliche Körper krankheitsanfällig ist, ist zwar nun eine Folge der erbsündlichen Verfaßtheit des Menschen, aber das entbindet den Menschen nicht davon, Krankheiten zu heilen und wenn es nicht anders geht,Defektes durch Künstliches zu ersetzen: etwa die allseits bekannten künstlichen Hüftgelenke.

Wenn nicht prinzipiell alles Technich-Künstliche perhorresziert wird, kann es keinen einsichtigen Grund geben, wenn eine natürlich entstehende Schwangerschaft nicht möglich ist, diese künstlich zu erwirken. So werden ja auch Schwererkrankte, wenn sie sich nicht mehr selbst ernähren können, künstlich ernährt.

Auch ist nicht zu vermuten, daß die Einstellung der Eltern zu ihrem Kinde darunter leiden sollte, wenn es künstlich erzeugt wurde, weil die natürliche Fortpflanzung nicht funktionierte.

Grundlegender für diese Causa ist aber die Beachtung dieser Differenz, daß nur der Leib des Menschen sich der natürlichen Fortpflanzung verdankt, Gott aber selbst die Seele jedes Menschen erschafft und dann inkarniert.Die Seele des Menschen verhält sich also indifferent gegenüber den 2 Möglichkeiten der Erzeugung des menschlichen Leibes, ob er natürlich oder künstlich erzeugt wird.


Ich vermute nun, daß das Nein zur künstlichen Befruchtung sich den Einflüssen der Philosophie des Personalismus verdankt, die den Menschen primär auch Ich-Du- Beziehungen heraus begreifen will. Als Negativfolie dienten dabei die Philosophien Hegels und Marx, denen gegenüber der Vorwurf erhoben wurde, dem Einzelnen und dem Individuum nicht gerecht zu werden, weil in diesem Denken alles Einzelne dem Denksystem unterworfen würde. Kirkegaard und Max Stirner bilden dann den Gegenpol, die aber kaum noch in der Lage sind, die Intersubjektivität zu erfassen: Der Mensch wird, überspitzt formuliert zur Monade ohne eine Außenrelation.Die Kaprizierung auf die Ich-Du- Struktur sollte so den Menschen wieder in die soziale Wirklichkeit zurückführen, aber das Soziale blieb unbegreiflich, weil es nur als Summe von Ich-Du-Relationen begriffen werden sollte.

Wird der Mensch erst so mißverstanden, nicht mehr als Zoon politikon (Aristoteles) verstanden, dann ist es auch verständlich, daß das Problem der künstlichen Fortpflanzung nicht adäquat behandelt werden kann,denn bei der Fortpflanzung geht es primär nicht um eine Frage der individuellen Lebensführung sondern um Fragen des Erhaltes der menschlichen Gattung.