„Wer hat mein Lied so zerstört?“ Auch Jesu Klage?
Über das Gleichnis vom „barmherzigen Samariter“ ist nun schon so viel geschrieben worden, daß nichts mehr darüber schreibbar ist, wenn der Skandalon dieses Textes einfach überlesen wird, daß es da heißt: „Was muß ich tuen, um das ewige Leben zu erlangen?“ Lk 10,25. Eine Laudatio auf die Nächstenliebe als der christlichen Praxis schlechthin ist leicht gepredigt. Einen Nebenton könnte dann eine liberale Predigt noch auf die Tatsache legen, daß ein als Nichtrechtgläubiger Diskriminierter sich richtig verhielt, wohingegen die Rechtgläubigen dem unter die Räuber Gefallenen nicht halfen: Jesus käme es so nicht auf eine Orthodoxie an, sondern allein auf die rechte Tat!
Aber was machen mit dem Ärgernis dieser Ausgangsfrage? In der Sonntagspredigt zum „barmherzigen Samariter“ fand der Prediger im Dom zu Köln eine bemerkenswert typische Lösung dafür. Es ginge bei diese Ausgangsfrage gar nicht um das ewige Leben, sondern es würde nach ewigen Leben gefragt. Das meine nun nicht etwas Jenseitiges und Postmortales sondern das gute, intensive Leben, das wir hier und jetzt schon führen und erleben könnten. Was interessiere uns auch das so ferne jenseitige Leben, wir wollten doch jetzt leben.
Die zu praktizierende Nächstenliebe sei also nicht eine zu erfüllende Bedingung, die zu erbringen sei, damit Gott uns dann dafür mit dem ewigen Leben belohne. Mitnichten, denn die Praxis der Nächstenliebe sei schon das gute Leben. Damit wird nebenbei eine utilitaristische Ausdeutung dieses Gleichnisses verworfen: Helfe Menschen in ihrer Not, damit auch Dir geholfen wird, wenn Du in einer Not sein wirst! Nein, die Nächstenliebe zu leben, das sei schon das erfüllte gute Leben.
Im Zentrum der Verkündigung Jesu Christi steht das Reich Gottes: Der alte Äon wird untergehen, Gott wird sein Reich errichten. Wie muß ich sein und leben, um in dies Reich aufgenommen zu werden durch Gott, dem Herrn dieses Reiches. In 2 Perspektiven wird dies Reich Gottes thematisiert: auf der Zeitachse als das zukünftig Kommende und auf der Raumachse als das Reich „oben“ als Reich des Himmels, dem oppositionell gegenübergestellt wird das Leben auf der Erde, das irdische Leben. Wo nach dem „ewigen Leben“ explizite gefragt wird, wie hier, wird auf der Raumachse gedacht, es wird also nach dem Jenseitsleben im Himmel „oben“ gefragt. Jesus als der Lehrer ist nun genau der Lehrer, der die Frage nach den Einlaßconditionen kompetent zu beantworten weiß. Darum lautet ja auch die Zentralaussage seiner Bergpredigt: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ Mt 5,20
(Kein Witz, aber eine evangelische Diplomtheologin erklärte mir, daß das Jesus unmöglich ernst gemeint haben könne, weil so lieblos Jesus nicht sein könne: Jesus lieben jeden Menschen und darum kämen auch alle in den Himmel, wenn sie es denn wollten.)
Das Zentrum Jesu Christi Verkündigung wird so in dieser Dompredigt zum Verschwinden gebracht.Das ewige Leben ist nun auch nicht mehr eine Gabe Gottes sondern wir verschaffen es uns selbst in der Praxis der Nächstenliebe. Der Sinn des Lebens, das was das Leben erfüllt und so zu einem guten werden läßt, wäre unser Engagement für die in einer Not sich befindenden Nächsten. In dem Sichausrichten auf den Anderen würde so das Leben des sich so Ausrichtenden zu etwas Sinnvollem und Erfülltem. Ist das nun eine Realität oder muß der so Lebende das glauben, um so sein Leben als ein erfülltes zu erleben? Und was hätte dieser Glaube dann noch mit dem christlichen gemein? Es ist doch bedenkswert, daß so Gott, den Gott uns Jesus Christus verkündigt, gar keine Rolle mehr spielt, denn dies erfüllte Leben kann ja jeder nur durch eine rein humanistische Praxis erlangen. Jeder Mensch, der einen Beruf ausübt, der anderen dient, könnte sich so als Nachfolger dieses Samariters verstehen, ob er nun Kranke als Arzt therapiert oder Semmeln für seine hungrigen Kunden bäckt. Um das uns mitzuteilen, wäre also Gott Mensch geworden: Es tue gut, anderen zu helfen.
Es wundert nicht, daß angesichts einer solchen Banalisierung der christlichen Religion die Kirche in Deutschland und nicht nur hier am Absterben ist.
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