Die
Verheißung des Naturalismus: Alles sei weltimmanent erklärbar,
Gott überflüssig
Vorab,
hierzu sei auf den guten Artikel zu dieser Causa der Internetseite
„Communio“ vom 14.10.2024 verwiesen. Gott würde somit für
nichts mehr gebraucht. In einer Hinsicht muß dieser These zugestimmt
werden, daß viele Heutige ganz auf eine Vorstellung von Gott
verzichten, da alle ihnen relevante Fragen ohne einen Rückgriff auf
Gott als respondierbar scheinen. Die Welt sei eben ein sich
geschlossenes und abgeschlossenes System,in dem alle seine Elemente
hinreichend erklärt werden können. Manch moderne Theologie,sich
dabei gerne auf D.Bonhoeffer berufend erwidert dann, daß Gott eben
kein Lückenfüllergott sei, der nur dann noch ins Gespräch gebracht
werden könne, wenn die Theologie etwas weltimmanent nicht
Erklärbares aufgefunden habe: Da bräuchten wir Gott noch zum
Erklären!
Es
sollen nun trotzdem versucht werden, Gott als Lückenfüller zu
rechtfertigen oder doch zumindest in dieser Funktion zu
plausibilisieren. Gesetz den Fall, daß das Ganze ein in sich
geschlossene System ist, in dem alle seine Elemente, daß sie sind
und wie sie in dem System agieren, aus dem System selbst deduzierbar
sind, woher kommt dann das Ganze und woher seine Ordnung?
Denknotwendig muß immer ein letzter oder erster Grund angegeben
werden, aus dem heraus dann alles andere ableitbar ist.Das heißt
aber, daß jedes gründliche Denken ein metaphysisches ist, da es
diesen Urgrund angeben können muß, aus dem dann alles andere
deduzierbar ist.
Der
in seiner Bedeutsamkeit kaum überschätzbare Philosoph Fichte hat
das in seinem Werk: „Über den Begriff der Wissenschaftslehre“
auf den Punkt gebracht, daß eine Wissenschaft, die alles zu erklären
habe, mit einem Grundsatz anzufangen habe, aus dem sie dann das Ganze
konstruiert und somit die ganze Wirklichkeit begreift. Dieser
Grundsatz kann nun wieder selbst nicht von etwas anderem abgeleitet
werden, denn dann wäre er kein Grundsatz sondern nur ein Derivat.
Der Grundsatz muß also in sich selbst evident sein.Es bliebe so nur
die Wahl zwischen einer theologischen Metaphysik mit Gott als dem
Urgrund und einer atheistischen Metaphysik. Aber der Naturalismus
verwirft jede Metaphysik - siehe den Communioartikel. Er verzichtet
so auf eine Antwort nach dem Grund von allem.
Das
Ganzes, die Welt besteht nun aber nicht nur aus mit indikativischen
Aussagen Aussagbarem, sondern auch aus Realitäten, die durch den
Konjunktiv ausgesprochen werden. „Ich las gestern einen Roman, ich
hätte mir auch einen Film ansehen können.“ Wie ist eine
konjunktivische Aussage als eine wahre in der Welt, wenn sie ein
geschlossenes Ganzes ist, in dem jedes Ereignis aus der Welt
deduziert werden kann, zu erklären.Die naturalistische Sicht auf das
Ganze kann genau genommen keine Ereignisse als kontingent geschehen
erklären und für ihn kann es dann auch keinen freien Willen des
Menschen geben. Die Willensfreiheit ist nämlich nach Kant kein
Element der durch die theoretische Vernunft erkennbaren Welt. Der
Kausalnexus der Welt verunmöglicht die Vorstellung von kontingenten
Ereignissen und eines freien Willens. Das Ganze ist somit mehr als
die Welt, die in den indikativischen aussagbare.
Daß
es eine Moral gibt, die uns imperativisch auffordert, setzt voraus,
daß es einen freien Willen gibt, der den moralischen Gesetzen
gehorchen kann oder auch nicht. Die Naturgesetze determinieren den
Lauf der Dinge der Welt, das ist die naturalistische Welt, aber die
Moralgesetze konstituieren noch eine andere Welt, die der Freiheit,
des so oder so auch nicht Wollenkönnens, der Kontingenz. Nur diese
Welt der Freiheit ist nicht enthalten in der Welt des Naturalismus.
Das Ganze ist also größer als die Welt des Naturalismus.
Eine
menschliche Handlung hat ihren Sinn in sich oder außer sich, sodaß
sie sinnvoll darauf bezogen vollzogen wird. Ich lese um des
Lesevergnügens willen, oder um mich für eine Prüfung
vorzubereiten. In der Welt sind nun viele Handlungen wahrnehmbar, die
so sinnhaft erklärt werden können und wenn nicht, dann fehlen dem
Interpreten der Handlung die Informationen, um den Sinn der Handlung
zu verstehen. Denken wir an ein Theaterstück:Die Handlungen in ihm,
alle zusammen haben einen Sinn, es reicht nicht aus, die eine
Handlung eines Schauspielers zu verstehen, das ganze Theaterstück
will verstanden werden. So drängt diese simple Tatsache einen
gründlich die Welt als Ganzes Bedenkender die Frage auf, ob auch das
Ganze einen Sinn hat oder nur eine Serie von Dingen und Ereignissen
sei. Wer den Anspruch erhebt, das Ganze zu verstehen, muß auch hier
eine Antwort geben. Die Theologie kann das, aber auch Metaphysiken
geben darauf Antworten, nur der Naturalismus kann das nicht.Er
kapituliert vor dem Ganzen, das aber nicht verstanden ist, solange um
es mit Aristoteles zu sagen weder die Wirkursache noch die
Zweckursache erfaßt ist. Auf Gott ist so nur zu verzichten, wenn der Anspruch des Erklärens sehr reduziert würde. Man stelle sich einmal vor, jemand beschriebe exakt jeden Spielzug einer Schachpartie aber könnte den Sinn keines Zuges erklären, da er das Regelsystem des Schachspieles nicht kennte.
Zusatz:
„Wir alle sind Schauspieler auf dieser großen Bühne, die sich Erde nennt“ Shakespeare. Der Naturalismus kann so dem Ganzen nicht gerecht werden, dem Sinn des Erdentheaters. Wo etwas Ganzes ist, sieht der Naturalismus nur eine Vielzahl von Ereignissen ohne einen sinnhaften Zusammenhang.
Ratzinger
als ein Prophet: Zur Krise der Kirche
1958
prophezeite Ratzinger ein Neuheidentum,das in der Kirche sich
ausbreiten werde. Auf Kath info wurde dankenswerter Weise dieser
prophetische Text des späteren Papstes vollständig abgedruckt am
14.10.2024 und sei hiermit eindringlichst zur Lektüre empfohlen. Da
ist zu lesen: „Dieses dem Namen nach christliche Europa ist seit
rund vierhundert Jahren zur Geburtsstätte eines neuen Heidentums
geworden, das im Herzen der Kirche selbst unaufhaltsam wächst und
sie von innen her auszuhöhlen droht. Das Erscheinungsbild der Kirche
der Neuzeit ist wesentlich davon bestimmt, daß sie auf eine ganz
neue Weise Kirche der Heiden geworden ist und noch immer mehr wird“.
Die
rund vierhundert Jahre könnten auf die Reformation bezogen
verstanden werden, aber in dem Gesamttext findet sich keine und auch
nur die kleinste Anspielung auf die Reformation. Dabei wäre die
These, daß durch die Zerspaltung des Christentumes in die
Katholische Kirche und den Protestantismus der Anfang des Zerfalles
des damals noch existierendem christliche Abendlandes gesetzt worden
sei, sehr plausibel.Wer den Text aber sehr genau liest, könnte eher
den Eindruck bekommen, daß die staatliche Anerkennung der
christlichen Religion durch den Kaiser Konstantin die
Neuverheidnisierung der Kirche eingeleitet hätte. In der
Konstantinischen Epoche sei eben die Differenz zwischen der Kirche
und der Welt nivelliert worden, indem die christliche Religion zu der
Staatsreligion avancierte.In dem Text wird ja antithetisch die Zeit,
als die Menschen Christen wurden, indem sie sich persönlich zu
Christus bekehrten von der Zeit unterschieden, in der man in die
Kirche hineingeboren und hineingetauft wurde als ein Kind
christlicher Eltern. Jetzt gälte es also, daß die Kirche sich in
ihrer Differenz zur Welt begreifen müsse, damit sie sich nicht
völlig verweltliche durch das Konzept der Staatsreligion, in dem
tendenziell nicht die Welt verchristlicht sondern die Kirche
verweltlicht würde. So habe hier der Theologe Ratzinger die Einsicht
des Papstes Benedikt XVI, daß die Kirche sich zu entweltlichen habe,
vorweggenommen.
Die
Wahl des Begriffes des Neuheidentumes ist aber mehr als unglücklich.
Denn die Heiden waren ja weder theoretische noch praktische
Atheisten, sondern sie glaubten an ihre Götter und auch
praktizierten sie ihre Religion,lebten also nicht so, daß sie zwar
an ihre Götter glaubten, aber ihr Leben so führten, als existierten
sie nicht. Unsere Gegenwart ist aber durch einen massenhaften
Atheismus geprägt, bzw durch einen Gottglauben, ein Höheres wird es
schon geben, der aber keine Relevanz für das Leben besitzt.Davon
wäre ein neues Interesse an den heidnischen Religionen zu
distinguieren, in der Romantik anhebend als das Interesse an den
volkstümlich ursprünglichen Religionen, die dann die Katholische
Kirche verdammt hätte. Die Verweltlichung der Kirche kann so auf
keinen Fall als eine Selbstverheidnisierung aufgefaßt werden. Es ist
stattdessen ihre Selbstversäkularisierung, daß sie nur noch eine
Sozialdienstagentur sein will.
Auch
ist wohl die pointierte Gegenüberstellung von der Kirche, der nur
die sich zu Christus Bekehrten angehören zur Volkskirche, in die man
hineingetauft wird, sehr problematisch, verkennt sie doch, daß wie
der Alte Bund ein Bund Gottes mit einem Volke war, dem jüdischen, so
auch der Neue Bund der mit einem Volke ist, dem Kirchenvolke. Zum
Volkssein gehört nun aber konstitutiv,daß man in es hineingeboren
wird und nicht in es eintritt wie in einen Verein. Das Problem ist
deswegen nicht das Hineingeboren- und Hineingetauftwerden, sondern
daß die Vermittelung des christlichen Glaubens an die so
Hineingetauften nicht gelingt.
In
dem Text wird die These aufgestellt, daß es selbst den Christen
nicht mehr vorstellbar sei, daß es die eine wahre Religion gäbe,
die als solche heilsnotwendig zu glauben sei, daß es doch wohl
ausreiche, anständig zu leben, um gottefällig zu sein. Alle
Religionen seien so gleichgültig für das Heil, wenn man denn
überhaupt noch an eine Erlösung glaube.Heiden war ihre Religion
aber nie so gleichgültig. Diese Vergleichgültigung kann wirklich
nicht unter dem Begriff eines Neuheidentumes subsumiert werden. Wir
erleben und erleiden eine Selbstsäkularisation, die so es vordem
noch nie in der Menschheitsgeschichte gegeben hat.