Samstag, 12. Oktober 2024

Wie die Kirche sich selbst aufgibt: ein Musterbeispiel der Selbstsäkularisation

 

Zensierte Geschichten von Gott  - ein Musterbeispiel der Selbstsäkularisation der Kirche (aus meinem Buch:" Der zensierte Gott")


Die Götter standen vor einem Problem! Da schauten sie hernieder auf ihre Schöpfung, die gute mit all den Menschen: unerträgliches Geschrei drang zu ihnen empor. Der ewige himmlische Frieden-vorbei war es mit ihm. Die Sünden der Menschen, als übler Geruch stieg er in ihre Nasen. Bilder von Mord und Totschlag verfinsterten das Angesicht der Erde, die Tränenflüsse der Gequälten und Leidenden, das Geschrei der Mörder...eine einzige Kakophonie des Grauens. „Schluß damit!“ -Denkpause- „Wir irrten, als wir die Welt mit den Menschen schufen. Nur Böses im Sinne haben sie.“ Ach, wie gerne hörten wir nun als Einrede die Mär von der Krönung der Evolution, dem Menschen, oder frömmer: vom Menschen als der Krönung der Schöpfung. Stattdessen: die Sintflut beschloß der Götterrat. Die große Reinigung. Es herrschte wieder Ruhe und Frieden im Himmel.

Nur, plötzlich-ein Aufschrei: „Da schwimmt ja eine Arche, ein Mann und eine Frau steuern das Schiff. Werden die sich etwa vermehren, und alles fängt wieder von vorne an!“ „Wie konnte das nur passieren?“ Ratlose Götter. Da erhob der kleinste der Götter seine bittende Stimme: „Wartet doch,urteilt nicht zu schnell!“ Alle Götteraugen schauten auf Noah. Er betrat das Festland, eine einstige Bergspitze wohl und- er brachte Gott ein Dankopfer dar, daß Gott ihn aus der Sintflut gerettet hatte. Welch ein Wohlgeruch war dies Brandopfer den Göttern.

Liebe Götterkollegen, wir stehen vor einer schweren Entscheidung! Wollen wir in Frieden und Ruhe leben, dann müssen wir den Menschen auslöschen. Nur, wer bringt uns dann die uns so lieben Opfer dar? Wollen wir weiter Opfer genießen, dann müssen wir die Menschen weiterhin hinnehmen. Sie sind wie sie sind, dunkel ist ihr Herz und heimtückisch ihr Trachten. No woman,no cry, nein auch: no man, no cry! Aber wie kommen wir da zu unseren Opfern?Betretendes Schweigen im Götterrat. Der kleinste hatte gehandelt und Noah angewiesen, die Arche zu bauen. „Es geht nicht anders!“ „Wir setzen den Regenbogen als Merkzeichen für uns an den Himmel, daß wir beschlossen haben, die Menschen nie mehr auszurotten, um der Opfer willen. Und überkommt uns der göttliche Zorn, dann schauen wir auf dies Himmelszeichen, damit es uns an unseren Götterbeschluß erinnert.“Und so geschah es dann.

So kennen wir diese Geschichte nicht. Eventuell wurde sie so erzählt, bevor sie umgeschrieben wurde für die jüdisch-monotheistische Vorstellungswelt. Aus Noah wurde dann der vor Gott Gerechte, der deshalb gerettet wurde. Warum, wenn er doch wieder Kinder hervorbringt, die sich in nichts von den Geschlechtern vor und während der Sintflut unterschieden?, könnten wir jetzt fragen. Das weist uns dann doch wieder zurück zur eigentlichen Pointe der Geschichte. Diese Geschichte will uns nämlich , nicht dogmatisch ergründend, sondern narrativ zeigen, warum Menschen Gott Opfer darbringen. Es ist eine Kultätiologie: warum gibt es den Kult, in dem Gott geopfert wird. Das einmalige Opfer ist hier der legitimierende Grund für die vielen Opfer des Kultes.

Zur Vereinfachung erzählte ich hier die Geschichte polytheistisch. Eventuell war das auch die Ursprungsgestalt der Sintflutgeschichte. Gibt es nur einen Gott, dann muß ja die äußere Spannung zwischen den Göttern, wollen wir unsere Ruhe und nichten das Experiment Mensch oder lassen wir ihn leben ?in ein göttliches Subjekt hineingedacht werden. Gott kann sein Wollen ändern, ersetzt nun die Vorstellung von verschiedenen Göttern, die Gegensätzliches wollten. Jetzt steht nicht mehr ein Götterwille gegen den anderen, die vielen wollten den Tod der Menschen und der eine das Weiterleben.

Nun soll eine zeitgeistgemäße Neuinterpretation dieser Erzählung vorgestellt werden. In etwa wurde diese wirklich so in einen evangelischen Gottesdienst gehalten.


Eine große Umweltkatastrophe drohte. Alles Eis der Pole taute ab, und Unmengen von Wassern ergossen sich über die bewohnte Erde. Aber Gott rief aus, durch seine Propheten: „Rettet euch vor der Flut! Baut Archen der Rettung!“ Nur einer hörte auf die Mahnung Gottes. Er baute seine Arche, nahm Tiere in das Boot und so rettete er sich und seine Familie. Die anderen aber, verstockt wie sie waren, ertranken in den Fluten.“

Der geistige Hintergrund dieser Fassung der Erzählung ist offenkundig die kurzfristige Ökologiebewegung, der sich diese Predigt verpflichtet wußte. Der Zeitgeist diktierte hier die Umdeutung. Den Hörern sollte die Vorstellung eines zornigen Gottes nicht mehr zugemutet werden. Nein, hier ist Gott nur noch die Liebe und die zürnt niemals. Schon gar nicht verhängt der „Liebe Gott“ ein Gericht über die Menschheit, ein sie vernichtendes gar. Diesen Tag des göttlichen Zornes darf es nicht mehr geben. Er wird wegzensiert. Aus dem göttlichen Strafgericht wird eine Naturkatastrophe. Diese hat mit Gott nichts zu tun. Sie ereignete sich einfach unabhängig von Gott.

Das ökologisch sensibilisierte Denken hört hier natürlich verborgen die Botschaft, daß es die Menschen sind, die durch ihr Fehlverhalten diese Naturkatastrophe verschuldet haben. Die moderne christliche Religion trägt somit zur Säkularisation in dem Sinne mit: wo einst Gott das Handlungssubjekt war: er verursachte die Katastrophe als Gericht, tritt nun die von Menschen mißhandelte Natur, die Katastrophen hervorruft. Propheten treten auf. Sie verkünden keine göttlichen Offenbarungen mehr, sondern warnen vor dem, was jedes kritisch urteilende Auge auch hätte sehen können: daß der Mensch die Umwelt zerstört und daß das so nicht weitergehen darf, will der Mensch auf Erden überleben. Einst hörte nur einer auf die Mahnung, jetzt schon eine ganze Bewegung, die sogenannte Ökopaxbewegung, der sich wohl die christlichen Predigtzuhörer spontan-beim Hören der Predigt-zugehörig fühlen. Aber die Anderen, die noch nicht sensibilisiert sind für die Anliegen der Ökopaxbewegung, die sind schuld an allem.

Wegfallen mußte natürlich auch die göttliche Zusage, daß es keine weitere Sintflut geben wird. Stattdessen die Mahnung: auch jetzt drohen uns Umweltkatastrophen, die für die ganze Menschheit lebensbedrohend sein werden,kehren wir nicht um! In der religiösen Erzählung kehrte Gott um, er verheißt uns, daß eine solche Katastrophe nie wieder geschehen wird. Die zeitgenössische Moralisierung macht daraus: nicht Gott kehrte um, sondern es kommt allein auf den Menschen an, daß er von seinen falschen Wegen umkehrt. Ihm muß es reuen. Aus dem Menschen der religiösen Erzählung, daß das Trachten seines Herzens zum Bösen neigt, wird der umkehrbereite und umkehrwillige Mensch, wird er nur über die die Folgen seines Fehlverhaltens genügend aufgeklärt. Aufklärung tut Not und ersetzt die religiöse Prophetie. Gott wird dabei ganz zum Verschwinden gebracht. Er ist, weil er nicht mehr der Urheber der Katastrophe sein darf auch nicht mehr der Retter vor der Katastrophe. Daraus wird nun eine rein menschliche Aufgabe.

Somit haben wir jetzt schon einiges über das Wie der Zensur Gottes gesehen. Halten wir die Punkte fest.

Gott und die Übel: wo der religiöse Mensch gerade auch Gottes Wirken sieht, naturalisiert die Zensur diese Strafgerichte Gottes zu rein weltimmanent erklärbaren Ereignissen. Weil das religiöse Auge Gott auch in den Katastrophen des Lebens wirksam sieht, ist für dies Auge Gott auch die Instanz, die das Eintreten solcher Katastrophen verhindern kann. Die Zensur macht unsere Augen dafür blind. Gott wird geschwärzt, heraus geschwärzt und es bleibt nur noch die Geschichte von Menschen übrig, die aufgerufen werden, umzukehren. Das Zentrum der Religion, das Opfer verschwindet ganz. Aber auch die göttliche Verheißung verschwindet. An ihrer statt muß der Mensch treten, der nun sich das zur Aufgabe macht, was einst Gottes Aufgabe war: er will nun die Rolle des Welterhalters übernehmen. Das Gebet zu Gott, erhalte uns die Welt, wende ab deinen Zorn, wird ersetzt durch die Belehrung: lebt vernünftig, lebt umweltbewußt! Das ist die Kehrseite der Zensur Gottes. Je mehr Gott beschnitten wird, desto mehr tritt der Mensch in den Vordergrund als der Macher, auch noch im weichgezeichneten Bildes des Hüters des Lebens und des Bewahrers der Schöpfung.

Halten wir nun ein Bild uns vor Augen: Noah, aus der Arche getreten, er bringt seinem Gott sein Dankopfer dar. Stellen wir uns dazu einen geöffneten Himmel vor, Gott majestätisch thronend und Gottes Freude über dieses Opfer.


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