Mittwoch, 23. Oktober 2024

Aus dem großen Kampf wider die Liturgie. Ein Liturgiewissenschaftler demontiert den Gottesdienst.

 

Aus dem großen Kampf wider die Liturgie. Ein Liturgiewissenschaftler demontiert den Gottesdienst.

So liest sich das auf der quasi offiziellen Internetsauftrittsseite der deutschen Bischöfe: „Kranemann: Für mich wäre entscheidend, dass es sonntags Gottesdienst vor Ort gibt, dass sich Menschen versammeln und sich dadurch Kirche konstituiert. Wenn das in Form der Eucharistiefeier geschieht, wird eine intensive Form des Mahls mit und um Christus gefeiert, das ist lange Tradition. Wo das aber nicht mehr möglich ist, feiert man Christus-Gegenwart in anderer Form, etwa in der Wortgottesfeier. Und das ist dann ebenfalls Sonntagsliturgie.“, zitiert nach Kath de vom 21.10.2024:“Kranemann: Wortgottesfeiern am Sonntag sind keine Mangelverwaltung“.

Nun könnte eingewandt werden, daß ob der Vehemenz, mit dem dieser Theologe ich für die kirchliche Segnung homosexueller Paare einsetzt, das hier Geäußerte ein Nebenkampfgebiet sei. Wenn nun aber diese Passage des Interviews genau gelesen wird, wird feststellen müssen, daß hier das Herzzentrum der Liturgie attackiert wird. Der schlichte Subjektivismus fällt zuerst auf: „Für mich wäre entscheidend“.Die Liturgiewissenschaft frägt aber, was objektiv entscheidend für die Liturgie ist. Damit präjudiziert dieser Liturgieker aber schon ein Verständnis der Liturgie als primär auf die Konsumenten auszurichtende Tätigkeit der Kirche. Der Kunde hat König zu sein. Das hier skizzierte Gottesdienstverständnis ist nun rein protestantisch. Denn nach dem katholischen Verständnis ist der Ort, wo der Gottesdienst stattfindet ein heiliger Ort, er ist es ob der Realpräsenz Jesu Christi im Tabernakel und darum, daß dieser Ort ausschließlich für gottesdienstlichen Zwecke verwendet wird, er also nicht durch profane Tätigkeiten desakralisiert wird. Für den Protestantismus dagegen gilt, daß erst durch das Sichversammeln der Gemeinde ein hl. Ort entsteht ob der Gegenwart Jesu Christi unter den Gläubigen.Es ist sozusagen eine Aktualpräsenz, eine sich immer wieder neu ereignende im Kontrast zum katholischen Verständis der dauerhaften Gegenwart Jesu Christi unabhängig vom Glauben der Gottesdienstteilnehmer.

Die Kirche konstituiert sich auch nicht durch ihre Gottesdienstversammlungen. Die Kirche existiert als der Leib Christi und dieses ihr Sein geht ihrem Tuen, daß sie hl.Messen feiert, voraus. Es gilt zudem, daß für die Gültigkeit der hl. Messe nur ein Priester notwendig ist, er kann und darf kirchenrechtlich allein die Messe zelebrieren. In den Coronazeiten, als teilweise die öffentliche Feier der Messe untersagt worden ist, erwies sich diese Bestimmung der Kirche als sehr bedeutsam: Die hl. Messen konnten gültig gelesen werden, auch wenn kein Gottesdienstteilnehmer dabei war außer dem Priester. Die Versammlung ist so nicht konstitutiv, daß ist sie nur im Protestantismus.Die Eucharistie ist auch nicht nur ein Mal sondern in erster Linie eine kultische Opferhandlung. Ganz arg mißverstanden wird dann die Liturgie, wenn sie auf die Feier der Chritusgegenwart reduziert wird. Im Wortgottesdienst wird das Evangelium verkündet und das ist nicht einfach die Feier seiner Präsenz im Gottesdienst. Das Evangelium lehrt nämlich das Wie seiner Präsenz, was er für uns ist und was wir für ihn sind und sein sollen.

Außerdem ist ob der starken Betonung der Präsenz Jesu Christi die Frage zu stellen, ob der Sohn Gottes nicht überall präsent ist und nicht nur in seiner Kirche. Es wäre also zu unterscheiden zwischen der Präsenz Jesu Christi an allen Orten und seiner besonders qualifizierten in der Kirche in dem Tabernakel. Wenn das allerheiligste Sakrament zur Anbetung ausgesetzt wird an einem Tage der Anbetung, ereignet sich da ein Gottesdienst, wenn auch nur ein Gläubiger gekommen ist, um ihn anzubeten. Es wäre aber nicht katholisch, in den Wald spazieren zu gehen, um dort Jesus Chritus als Gegenwärtigen zwischen Büschen und Sträuchern anzubeten, obzwar er da auch ob seiner Göttlichkeit präsent ist.

Diesem Liturgieverständnis fehlt einfach das Verständnis der spezifischen Gegenwart Jesu Christi im Altarsakrament. Und in ganz protestantischer Manier wird das Faktum, daß die Eucharistie eine kirchliche Opferhandlung ist, vergessen. Die Bedeutung des Sichversammelns zum Gottesdienstes wird dann maßlos übertrieben, weil eben das Zentrum des Gottesdienstes, daß da Gott gedient wird, außer Acht gelassen wird. Es scheint fast so, als wenn Jesus Christus der Gottesdienst eigentlich gleichgültig sei und daß es deshalb auch nicht schlimm sei, wenn kein Meßopfer dem dreieinigen Gott dargebracht würde, weil es doch primär um das Feierbedürfnis der Gläubigen ankäme. Dieser Anthropozentrismus ist wohl das Signifikante dieses Liturgieverständnisses: Das Sichversammeln tritt in den Vordergrund. Dann war der Gottesdienst, den Noah nach der Rettung aus der Sintflut abhielt, ein Irrtum, da da von keiner Gemeindeversammlung die Rede ist. Nun ist aber die Sintflutgeschichte eine Kultätiologie, sie erzählt uns, warum der Gottesdienst zu halten ist.

Es muß hier daran erinnert werden, daß die ursprüngliche Form des Gottesdienstes der jerusalemische Tempelkult war und daß erst im babylonichen Exil der Synagogengottesdienst erschaffen worden ist, weil man Gott im Exil keinen richtigen Gottesdienst feiern konnte, da der nur in dem Tempel zu Jerusalem möglich war ob des deuteronomistischen Kultzentralisierungsgebotes. In der Diaspora entstand so der Synagogengottesdienst, dessen christliche Gestalt dann der Wortgottesdienst wurde, während die Eucharistiefeier die christliche Gestalt des Tempelkultes ist. Demzufolge ist ein reiner Wortgottesdienst ein defizitärer Gottesdienst, der ja seinen Ursprung in dem Synagogengottesdienst hat, der als das Surrogat für den nichtmöglichen Tempelgottesdienst ja erst kreiert worden ist.

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