Irrwege der Theologie, die die Kirche gefährden
„Der große Papst Benedikt XVI. hat immer wieder auf den alles entscheidenden Unterschied zwischen Glauben und Ideologie aufmerksam gemacht. Das Christentum ist nicht eine abstrakte Theorie über die Entstehung des Kosmos und des Lebens oder eine Ideologie für eine bessere Gesellschaft, sondern die Beziehung zu einer Person. So wie der irdische Jesus vor 2000 Jahren direkt zu den Jüngern gesprochen hat, so spricht der auferstandene Christus auch heute jede einzelne Person direkt an vermittels der Predigt der Kirche.“ So sagt es Kardinal Müller, zitiert nach dem Kath net Artikel: „Bauen Sie das Haus Ihres Lebens auf dem Felsen der persönlichen Freundschaft mit Christus.“ am 29.10.2024. Das klingt nicht nur fromm sondern ist es auch,aber trotzdem verbirgt sich hierin ein Gift, das die Frömmigkeit verderben kann.
Die Begeisterung für die polemische Gegenüberstellung von dem christlichen Glauben und der Ideologie, die dann noch als eine abstrakte Theorie verunglimpft wird, verkennt völlig, daß keine Theologie, wenn sie denn wirklich eine Wissenschaft sein will und nicht nur eine fromme Rede, auf eine Ideologie verzichten kann, denn die Ideologie ist eine Lehre von den Ideen. Die Lehre von den Ideen ergründet das Verhältnis von Aussagesätzen zu dem von ihnen Ausgesagtem, ob und wie sie wahr sind. Nimmt man es genauer, müßte zwischen indikativischen, imperativischen und kojunktivischen Aussagen unterschieden werden, denn diese drei verschiedenen Aussagesätze verlangen jeweils eine andere Weise ihrer Verifikation. So ist die Aussage: „Jetzt regnet es“ für jeden Hörer dieses Satzes leicht überprüfbar durch einen Blick aus dem Fenster: Regnet es da? Die Aussage; „Du sollst nicht töten!“dagegen ist nicht so leicht verifizierbar, denn sie ist eine normative Aussage, die nicht durch eine Faktizität begründet werden kann. Die konjunktivische Aussage: „Ich hätte das auch nicht tuen können!“, verweist auf die Willensfreiheit des Menschen und die ist nun keine Tatsache des empirisch vorfindlichen Lebens.
Eine Theologie, die auf eine Überprüfung ihrer Aussagen in dieser dreifachen Hinsicht verzichtete, kann nicht als eine Theologie angesehen werden. Es existieren nun im theologischen wie im philosophischen Diskurs sehr verschiedene Erkenntnistheorien, aber eines geht nicht, sich für keine zu entscheiden, gut begründet und stattdessen einfach los zu theologisieren.
Selbstverständlich enthält die christliche Theologie ausgehend von der Schöpfungserzählung auch eine Lehre von der Schöpfung und das ist eine Kosmologie. Die Natur wird dabei gerne als das erste Buch Gottes bezeichnet, durch das Gott zu uns spricht, wenn wir ihre Zeichen recht zu lesen verstehen. Die gesamte natürliche Gotteserkenntnis fundiert sich darin. Wenn nun auch die Kosmologie, die darin enthaltende Ontologie manchem Theologiestudierenden als abstrakt und für die Praxis irrelevant erscheinen mag, ohne das würde die Theologie zu einem Torso oder einer Ansammlung von erbaulichen Traktätchens.
Daß die Kirche keinen Anspruch erhebte, zumindest Beiträge zu einer besseren Gesellschaft erbringen zu können, ist eine These, die in der Konstantinischen Epoche kein Theologe vertreten hätte. Erst die Verprivatisierung der christlichen Religion ermöglicht so eine Depotenzierung des Glaubens, der eben nur noch in der Privatinnerlichkeit gelebt wird.
Die Substanz der´christlichen Religion soll stattdessen eine Person sein, und zwar Jesus Christus und diese Religion soll nun nichts anderes als meine Privatbeziehung zu dieser Person sein. Das Fundament der christlichen Erlösungsreligion bildet aber nicht einfach eine Person sondern eine große Erzählung, die vom Fall und von der Erlösung des Menschen, seines Einsseins mit Gott, seines Abfalles und seiner Erlösung durch Jesus Christus vermittels der Kirche und der Verheißung des eschatologischen Heiles. Die Bedeutung der Person Jesu Christi ergibt sich erst aus dieser Unheils- und Heilsgeschichte, ohne sie wird diese Person entsubstantialisiert.
Einen Verdacht hege ich nun, wie es zu dieser Verpersonalisierung des christlichen Glaubens kam. Am Anfang stand die reformatorische Unterscheidung zwischen einem „Für-wahr-Halten“ Glauben und dem „Vertrauensglauben“. Der „Für-wahr-Halte“ Glaube, hält die Aussagen der christlichen Theologie für wahr, daß Gott die Welt erschaffen habe, daß er dreieinig sei usw aber all diese für wahr gehaltenden Glaubensaussagen rechtfertigen Niemanden vor Gott. Wer aber der Verheißung, dem Evangelium glaubt, daß Jesus für ihn am Kreuze gestorben sei, der wird ob dieses Vertrauensglaubens gerechtfertigt. Wahre Glaubensaussagen sind wahr, unabhängig davon, ob sie geglaubt werden oder nicht. Darum verlangen sie ein „Für wahr Halten“. Die Verheißung gilt aber nur dem, der sie glaubt. Luther bringt das auf den Punkt: Wie Du Jesus Christus glaubst, so ist er Dir!“ Nur wer sein ganzes Vertrauen auf Jesus setzt und nicht mehr auf seine guten Werke, dem allein gilt die Verheißung, daß er für Deine Sünden gestorben ist. Der Vertrauensglaube ergreift so das Heil, und hält es nicht einfach für etwas objektiv Wahres.
Damit wird tendenziell die gesamte Lehre der Kirche als unwesentlich herabgestuft, kommt es doch nun nur noch auf den perönlichen Vertrauensglauben an. Aber es ist ein bestimmter Vertrauensglaube, daß auf Jesu Kreuzestod geschaut wird, daß dieses Kreuz im Zentrum steht.
Die Lehre Jesu Christi als Genitivus subjectivus wie auch als Gemitivus objectivus verstanden bildete so das Zentrum der Theologie, aber nicht einfach seine Person. Der Vertrauensglaube hat einen konkreten Inhalt, daß Jesus für mich am Kreuze gestorben ist. Es ist nun aber leicht nachvollziehbar, wie in der Folge der Aufklärung und des modernen historisch kritischen Bewußtseins dieser ursprüngliche Vertrauensglaube sich umformte zu einem privaten: „Ich vertraue Dir, mein Jesus“. Was die Kirche über Jesus von Nazareth lehrte und was in der Bibel über ihn geschrieben steht, wird als zeitgeschichtlich bedingt dekonstruiert, um dann nach dem Zeitenthobenen, für uns noch Verbindlichem zu fragen. Da bleibt dann der von aller Lehre entkleidete Jesus übrig, dessen außergewöhnliche Persönlichkeit Menschen zu allen Zeiten begeistert oder doch wenigstens beeindruckt.
Denn mit seinen Lehren kann man als ein moderner Mensch kaum noch was anfangen und was die Kirche dann aus ihm gemacht hat, diese ganze Dreifaltigkeitslehre, daß Jesus wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich sein solle, das sind doch nur Exzesse eines spekulierenden metaphysischen Denkens, die uns nur den Zugang zu Jesu Persönlichkeit versperre. In einer gewissen Ähnlichkeit zur Maxime der Phänomenologie: „Zurück zu den Sachen“, „hinweg mit der spekulativen Philosophie“ hieß im Protestantismus die Maxime: „Hin zur Perönlichkeit Jesu, hinweg mit dem verdogmatisierten Christus!
Dieser Reduktionismus entkernt die christliche Religion zu einer Fangemeinde der Persönlichkeit Jesu, die danach strebt,daß nun auch jeder für sich ein persönliches Leben führt um nicht als ein Massenmensch gelebt zu werden.
Aber die christliche Religion, wenn sie über ihre Glaubensinhalte reflektiert, kann sich nicht auf so einen simplen Personenkult reduzieren. Sie muß als in sich reflektierte Religion notwendigerweise auch eine metaphysische Weltanschauung, eine Kosmologie, eine Ontologie und vor allem eine Erkenntnistheorie in sich enthalten haben. Dies theologische Denken muß nun aber auch notwendigerweise dem frommen Gemüt abstrakt vorkommen, da es die Unmittelbarkeit des Glaubens etwa an Jesus Christus negiert durch die Reflexion, wie gewiß ist denn das, was wir von ihm glauben. Was ist überhaupt eine Person und was ist sein Gottes Sohnsein? All das übersteigt eben ein einfaches personalitisch vorgestelltes Befreundetsein mit Jesus, aber ist doch eine Notwendigkeit, wenn wir als Erwachsende Glaubende sein wollen.
Warum gefährdet diese personalistische Konzeption nun die Kirche? Weil sie es der Kirche fast unmöglich macht, Jesus Christus zu vermitteln.Denn der Glaube an die Persönlichkeit Jesu ist etwas Irrationales, nicht denkerisch Vermittelbares. Das Fundament der christlichen Religion ist auch nicht die Person Jesus sondern das Glaubensbekenntnis, daß er der Messias ist, den das Alte Testament verheißen hat.
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