Sonntag, 13. Oktober 2024

Rigorismus im Urchristentum und bei Jesus? Sagte Jesus etwa nicht Ja zu allen?

 

Rigorismus im Urchristentum und bei Jesus? Sagte Jesus etwa nicht Ja zu allen?


Die Geschichte ist unter Christen wohlbekannt, wie ein reicher Jüngling frug, was er zu tuen hätte,um das ewige Leben zu erlangen und er die Antwort erhielt, daß er die Gebote Gottes zu halten hätte und dann kommt das völlig Unerwartete:“Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe,was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben.“ (Mk 10,21). Bedeutet nun einen Schatz im Himmel zu haben das ewige Leben zu haben, sodaß der, der nicht seinen Reichtum verschenkt, nicht in das ewige Leben eingehen wird? Jesus sagt danach, daß es ja fast unmöglich für einen Reichen sei, in das Reich Gottes einzugehen. Als den Grund muß wohl angenommen werden, daß diese nicht bereit seien, ihren Reichtum wegzugeben.


Die Reaktion der Schüler Jesu ist nun aber noch irritierender: „Wer kann dann noch gerettet werden?“(8,26). Denn wie immer man nun den Begriff des Reichen bestimmen mag,es ist damit doch stets eine kleine Personenmenge gemeint, die sich von der Mehrheit durch ihr Mehrbesitzen von dem Durchschnittsbürger unterscheidet. Dann müßte aber von der Mehrheit gelten, daß sie, da sie nicht reich sind,sie in das ewige Leben eingehen könnten.Die Bedeutung des Begriffes des Reichen unterliegt hier also einem Wandel: War zu erst an Reiche im Sinne einer Minderheit gemeint, daß sie eben überdurchschnittlich Besitzende seien, so ist jetzt gemeint, daß alle, oder fast alle reich seien, sodaß sie nicht in das ewige Leben eingehen können, da sie nicht zum völligen Besitzverzicht bereit seien. Hier könnte man es so deuten: Sie wollen etwas nicht aufgeben, um in das ewige Leben eingehen zu können. Der irdische Besitz ist ihnen so wichtiger als der Himmelsschatz und deshalb können sie den ewigen Schatz nicht erlangen, sie haften nämlich am Irdischen.Diese Verhaftung verhindert dann den Aufstieg in den Himmel.

Was ursprünglich als ein Partikularproblem von Reichen erscheinen konnte, wird so zu einem Problem für jeden, der sich in das Irdische so verwurzelt, daß er den Himmel nicht mehr erreichen kann.

Es drängt sich aber nun noch eine Frage auf: Was,wenn der Reiche Jesus geantwortet hätte: „Verheiratet bin ich, 3 Kinder haben wir gemeinsam. Wenn ich alles verschenkte, wovon soll dann zukünftig meine Familie leben?“ In diesem Falle wäre doch ein Verschenken von allem ein grober Verstoß gegen das Gebot der Nächstenliebe, und gar ein Verstoß gegen die Liebe zu den eigenen Kindern und seiner Ehefrau. Könnte denn nach Jesu Christi Urteil jemand in das ewige Leben eingehen, der so grobianisch gehandelt hätte wider seine eigenen Kinder und seine Frau? Nehmen wir mal an, dieser Reiche hätte viele Weinberge besessen und wäre durch sie reich geworden.Was wenn er dann so Jesus gefragt hätte: „So viele verdienen ihren Lebensunterhalt durch ihre Arbeit in meinen Weinbergen. Was soll denn aus all ihnen werden, verkäufte ich alles? Liefen sie dann nicht in die Gefahr, ihren Broterwerb zu verlieren?“Alles weggeben, den Armen verschenken kann doch so nur der, der keine Verpflichtungen Mitmenschen gegenüber hat, für der er zu sorgen hat, wozu er sein Vermögen braucht.

Jesus kann doch hier nicht fordern, daß man um das ewige Leben zu erlangen, gegen das Gebot der Nächstenliebe zu verstoßen habe,daß man um Armen zu helfen,man seine Nächsten, der eigenen Familie etwa schaden solle. Das: „Eines fehlt dir“kann ja nun nicht beinhalten, daß man gegen das Grundgesetz der Nächstenliebe zu verstoßen habe, denn dadurch würde ja das, was schon gehabt wird, dem nur noch etwas fehle, selbst destruiert.

Jesu Christi Antwort, daß es für Menschen unmöglich sei,aber für Gott sei alls möglich, stellt uns nun vor ebenso große Verstehensprobleme:Ist damit gemeint,daß Gott es Menschen ermöglicht, auf alles zu verzichten,um in das ewige Leben einzugehen oder meint es, daß es Gott möglich ist,Menschen das ewige Leben zu gewähren, auch wenn sie nicht diese Condition zum Erlangen des ewigen Lebens erfüllen? Beide Deutungen sind möglich, da sie sich wechselseitig nicht ausschließen.Gottes Allmacht legt es deshalb nahe, daß beide Weisen Gott auch praktizieren kann.

Petrus frägt dann ja auch: Wir haben nun alles verlassen. Jesus antwortet ihm, daß er und alle die es so getan haben, dafür reichlich belohnt werden, jetzt schon auf Erden und dann im Himmel. Also gibt es doch ihm so Nachfolgende. So konnten die aber nur nachfolgen, weil Gott die Fähigkeit dazu ihnen gegeben hatte. Aber es bleibt doch das moralische Problem, daß nicht jeder so alles abgeben kann, weil er damit gegen das Gebot der Nächstenliebe grob verstieße.

Als einen möglichen Ausweg böte sich dann eine geistliche Ausdeutung an: Der Besitz, egal ob viel oder wenig besessen wird, wird genau dann zur Fessel an das irdische Leben und verhindert so den Aufstieg in das ewige, wenn er seinem Besitzer zu dem Wichtigsten seines Lebens wird. Durch die Liebe zu seinem Besitz verwurzelt sich der Besitzende so sehr an das Irdische, daß ihm ein Ausrichten auf das Himmlische nicht mehr möglich würde. In der stoischen Philosophie wird die Haltung des „als ob nicht“ gelehrt, also zu besitzen als ob man nicht besäße. Man solle sich nicht an vergängliche Güter hängen, denn dann ginge man mit ihnen unter, da sie den an sie Hängenden mit in ihren Untergang zögen. Dieses Besitzen als wenn man nicht besäße, wäre dann ein spirituelles Weggeben des Besitzes.Wer nun meinte, das wäre doch nur etwas Philosophisches und nichts Christliches, der muß sich vom Apostelfürsten Paulus eines besseren belehren lassen: "Die Zeit ist kurz. Daher soll,wer eine Frau hat, sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine.Wer weint, als weine er nicht,wer sich freut,als freue er sich nicht, wer kauft, als würde er nicht Eigentümer, und wer sich die Welt zunutze macht,als nutze er sie nicht, denn die Gestalt dieser Erde vergeht." (1.Kor 7,29-31) Wer sein Herz an Vergängliches bindet,der geht mit dem Veränglichen selbst unter, vergänglicht sich selbst.

Eines ist nämlich auffällig: Das Weggeben an die Armen ist hier nicht als ein sozialpolitisches Reformprogramm gemeint sondern ist die Antwort auf die ganz individualistische Frage: Was muß ich tuen,um für mich das ewige Leben zu erlangen? Das ist nun kein Votum wider die Idee des Sozialstaates, nur sollte man diese Idee nicht von dieser Lehraussage Jesu her begründen.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen