Samstag, 19. Oktober 2024

Über die vergessende Differenz zwischen der Kirche und der Welt- oder über ihren Identitätsverlust

Über die vergessende Differenz zwischen der Kirche und der Welt


Um mit einem einfachen Bild zu starten: Die Kirche ist die neue Arche Noahs, die Welt geht unter in dem Endgericht Gottes, aber die in der Arche ihre Zuflucht genommen habenden Menschen werden gerettet werden. Wer gehört nun wirklich zur Kirche, avancierte so zu der Zentralfrage: jeder Getaufte oder vielleicht auch Ungetaufte außerhalb der sichtbaren Kirche, die aber doch Erwählte sein könnten oder nur die praktizierenden Christen? Die Differenz ist die zwischen dem Gerettetwerden und dem Untergang im Endgericht.

Jeder aufmerksame Beobachter der heutigen Kirche wird von dieser Differenz nichts mehr zu hören bekommen. Was tritt nun an die Stelle dieser Differenz?

Meine 1.These dazu heißt: Es soll nur noch eine noetische Differenz geben: In der Kirche wird geglaubt, daß Gott als der Schöpfer alle und jeden Menschen bejahe, daß das die unverlierbare Würde jedes Menschen sei und daß demgemäß wir unser Leben mit allen anderen zusammen zu gestalten haben. In der Welt würde die Menschenwürde, als die Menschenrechtsideologie ausgelegt geglaubt werden und das sei auch die christliche Praxis, nur daß wir dann noch an den Gott glaubten, der die Menschenwürde letztbegründe.Die Differenz ist dann wirklich nur eine der Erkenntnis, denn die Praxis der Kirche unterscheide sich im Wesentlichen nicht von der jedes Menschenrechtsgläubigen.

Meine 2.These lautet nun: Alle monotheistischen Religionen glauben auch an einen Schöpfergott und deswegen auch an die Würde jedes Menschen. Ob dieser allen monotheistischen Religionen gemeinsamen Substanz erübrigt sich jede Art von Mission. Auch Atheisten, wenn sie nur an die Würde des Menschen glaubeSn, bedürfen der christlichen Religion. Die Kirche, die monotheistischen Religionen und die atheistischen Humanisten sind in der Substanz eins, denn der Glaube an den einen Schöpfergott hat ja nur noch die Funktion einer (nicht notwendigen) Letztbegründung der Menschenwürde. Es kann so nur noch eine Bedrohung geben, Kräfte, die dem allgemeinen Humanitarismus sich widersetzen, etwa die Fundamentalisten, die es in jeder Religion gäbe und die zu bekämpfen seien.

Meine 3.These lautet nun, daß der Glaube an einen Gott, der nur noch das große Jawort zu allen Menschen ist,die Vorstellung einer Rettung durch die Kirche verunmöglicht. Das hat dann auch direkte Folgen für das Verständnis der Kirche mit ihren Sakramenten, daß sie nur noch in Worten und symbolischen Handlungen dieses Ja verkündet und zum Humanitarismus aufruft als der christlichen Praxis,, die sie mit allen Menschen guten Willens vereint. Die Kirchenkritiker monieren nun nur noch, daß die Kirche in ihrem Innenleben sich noch nicht hinreichend genug humanisiert habe, daß es in ihr noch nicht demokratisch zugehe, daß die Frauengleichberechtigung noch nicht verwirklicht sei und die Sexualmorallehre inhuman sei.


 

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