Beiträge zur
Versachlichung des öffentlichen Diskurses: wider den inflationären
Gebrauch des Begriffes der „Diktatur“. Ein Zuviel an Polemik!
Diktatur, da kann jeder mitreden, denn Diktatur das ist Hitler und Stalin, und manchmal wird noch der Name Mao hinzugefügt: Alles, was denen ähnlich ist, das ist eben eine Diktatur,wobei dann die westliche Demokratie die einzig wahre Alternative dazu bildet. Ein klares und simples Schwarz-Weißbild, das eben ausreicht, um kompetent erscheinend am politischen Diskurs teilnehmen zu können. Wer dies simplifizierende Weltbild nicht teilt, darf sich aber auch nicht verwundern, wird er vom Diskurs ausgeschlossen.
Jede ordentliche Betrachtung eines politischen Begriffes hat nun mit einem Bedenken des Dazugesagten von Platon und Aristoteles zu beginnen, denn mit ihnen begann ja das Projekt des vernünftigen Denkens . Übereinstimmend sagen sie, daß es drei Regierungsformen gibt, die, daß Einer regiert, die Monarchie, daß Einige regieren, die Aristokratie und daß viele,alle Regieren, die Demokratie. Alle diese drei Formen können sich nun pervertieren, die Monarchie zur Diktatur, die Aristokratie zur Oligarchie und die Demokratie zur Ochlokratie= Pöbelherrschaft.
Dann ist eine Diktatur als eine pervertierte Monarchie zu begreifen: Einer regiert willkürlich, statt seine ihm allein zukommende Machtfülle zum Guten der Zuregierenden zu gebrauchen. Gott selbst als der Allmächtige ist ja der Urtypus des guten weltlich regierenden Monarchen.Die Diktatur wäre dann die Perversion dieser Regierungsweise. Er regierte wie der Teufel sein Reich regiert.
Ist aber die monarchische Regierungsform die Voraussetzung der pervertierten Diktatur, dann kann weder das Hitler- noch das Stalinregime als eine Diktatur bezeichnet werden, denn beiden gingen Demokratien voraus. Dann läge die Qualifizierung als eine Ochlokratie näher. Zur Díktatur gehört konstitutiv die Vorstellung der Herrschaft von Einem. Aber herrschte nicht in Deutschland wie in der Sowjetunion eine Partei und somit nicht einfach ein einzelner? Man möge sich einmal vorstellen: Wie viele politische Entscheidungen werden nur an einem einzigen Tage in so einem großen Staatsgebilde wie dem Rußlands unter Stalin und Deutschlands unter Hitler getroffen werden, um es als unvorstellbar anzusehen, daß jede politische Einzelentscheidung von einem Einzigen getroffen wurde,sodaß alle anderen subordiniert nur noch diese Entscheidungen auszuführen hätten. In einem kleinen Staatswesen mag das noch möglich sein, für moderne Staaten des 19.20. und 21. Jahrhundertes ist das aber eine pure Unmöglichkeit. Eine Diktatur kann so höchstens die einer Partei sein, nicht aber einer Einzelperson. In der propagandistischen Selbstdarstellung mögen dann die jeweiligen Parteiführer als die Alleinregierer inszeniert werden, faktisch können sie es nicht sein.
Die nationalsozialistische wie auch die kommunistische Partei Rußlands waren nun eindeutige Weltanschauungsparteien.Die Vorstellung eines Willküregimentes etwa im Stile eines Fürsten im Geiste Machiavellis ist nun unvereinbar mit der Konzeption einer ideologischen Partei. Die Ideologie limitiert nämlich die Möglichkeiten politischer Entscheidungen. So wie das Regelsystem des Schachspieles für Weiß nur 20 Möglichkeiten für den ersten Zug zuläßt, so läßt auch eine Ideologie zur Lösung von politischen Problemen nur begrenzte Möglichkeiten zu. Schon wie ein Problem wahrgenommen wird, bestimmt die Parteiideologie und somit präfiguriert es auch die Lösungsmöglichkeiten. Nur wenn man meinen würde, die Parteiführung zumindest glaubte selbst nicht an ihre eigene Ideologie, wäre es denkbar, daß sie willkürlich in allem entschiede. Aber für so einen Nihilismus der Parteiführung gibt es bei diesen 3 Diktatoren keinen Beleg: Sie waren alle gläubige Parteimenschen. (Rauschniggs Gespräche mit Hitler, die solch ein Hitlerbild vermitteln, gelten heute rechtens als Fälschung, und Trotzkis Stalinkritik ist in dieser Hinsicht auch nicht überzeugend.)
Mit der Vorstellung einer Alleinherrschaft der Partei ist notwendig das Problem des Verhältnisses der Partei zu dem Staate verbunden. Zwei Machtzentren existieren nun, die der Partei und die des Staates. Auch wenn in der jeweiligen Ideologie das Verhältnis eindeutig geklärt sein sollte, was aber für die nationalsozialistische nicht zutrifft, wird es im praktischen Leben zu Differenzen zwischen der alleinregierenden Partei und dem Staate kommen, sodaß auch so statt von einer Alleinherrschaft von einem komplexen Mit- und auch Gegeneinander von der Partei und dem Staate auszugehen ist. Man denke nur an das diffizile Verhältnis der Waffen SS zur Reichsarmee. Die Alleinherrschaft der jeweiligen Partei scheint so auch eher eine Produkt der Propaganda als etwas Reales zu sein. (Abstrakter formuliert: Die Herrschaft einer ideologischen Partei wird immer durch die Eigengesetzlichkeit des Wesens des Staates limitiert. Maos „Kulturrevolution“ war so auch der Kampf der Partei gegen das Übergewicht und die Machtfülle stattlicher Bureaukratie.)
So gibt es gute Gründe, auf den Gebrauch der Diktatur für moderne Staaten gänzlich zu verzichten und eher von totalitären Staaten zu sprechen, vorbehaltlich einer Klärung dieses Begriffes. Nur für Polemiken ist so der Begriff der Diktatur sinnvoll!Theologisch geurteilt ist aber jede Regierung negativ zu beurteilen, die sich von Gottes Geboten abwendet.
1.Zusatz:
Unangemessen wäre es nun, die Diktatur von der Nichtdiktatur durch die Frage der Einhaltung der Menschenrechte zu unterscheiden, denn in nichtdiktatorisch regierten Ländern können sehr wohl die Menschenrechte nicht eingehalten werden,, durch das Recht auf Abtreibung in Deutschland etwa.
2.Zusatz
Kann wirklich gesagt werden, daß Hitler 1933 bis 1945 von einer großen Mehrheit des deutschen Volkes abgelehnt wurde, sodaß er diktatorisch das Volk regierte,um an der Macht zu bleiben?