Anmerkungen zu den drei großen Katastrophen der Moderne
Der Soziologieprofessor Eßbach entfaltet in seiner Vorlesung über die Postmoderne diese drei Katastrophen, den Achipel Gulag, Auschwitz und den Abwurf der Atombombe über Japan als die radicale Infragestellung des Pojektes der Moderne.Die Postmoderne sei dabei eine Haltung, die die Moderne als als ob sie zuende oder besser wohl als zugrunde gegangen wäre,betrachtet, um sie so zu begreifen zu versuchen. Der Philosoph Habermas dagegen polemisiere gegen dies postmoderne Denken, um die Moderne als ein noch unvollendetes Projekt anzusehen, das auf seine Realisierung noch warte. Dann können diese drei Großkatastrophen nur an uns appellieren, daß so etwas nie wieder sich ereignen dürfe und daß gerade die Moderne selbst das Potential in sich trüge, eine Wiederholung socher Katastrophen zu verhindern. Einfacher gesagt: Die drei Katastrophen sind nicht als Elemente des Projektes der Moderne zu begreifen sondern eher als katastrophale Entgleisungen des Fortschrittszuges.
Abweichend von der Interpretation Eßbachs möchte ich hier eine andere skizzieren. Ich möchte vorschlagen, diese drei Katastrophen vom Begriff des Feindes her zu verstehen zu versuchen. Der Feind ist nämlich eine Kategorie, ohne die das Projekt der Moderne nicht zu begreifen ist. Carl Schmitts Verstehensbemühungen um das Wesen des Politischen verdanken wir den Verweis auf die Bedeutsamkeit des Feindverständnisses. Die drei Katastrophen stellen in diesem Lichte betrachtet nämlich drei Versionen der Vernichtung des Feindes dar.
Meine Ausgangsthese dazu lautet, daß die Moderne ein politisches Konzept war, daß also das Projekt des christlichen Abendlandes, das der Verchristlichung der Welt ersetzt wurde durch das der Humanisierung der Welt als der Aufgabe der Politik.Damit verändert sich notwendigerweise das Verständnis der Politik. Es soll darunter nicht mehr die Kunst des Regierens verstanden werden, sondern als der Wille zur Humanisierung der Welt. Dazu erstrebt dieser Wille, den Staat für diese Aufgabe zu instrumentalisieren und deswegen ist dieser Wille immer auch ein Wille zur Macht. Die erstrebte Macht soll dann aber keine despotische sein, sondern ein Geburtshelfer zur Errichtung der humanisierten Welt.
Dem politischen Diskurs, Politik im emphatischen Sinne und nicht im Sinne des Regierenkönnens liegt also die christliche Erlösungserzählung vom Fall und von der Errettung des Menschen zugrunde, die nun „säkularisiert“ wird, wenn unter der Säkularisierung nicht eine einfache Negation der christlichen Religion verstanden wird sonderen deren Aufhebung im heglschen Sinne, daß nun die von Gott erhoffte Erlösung zu einer, nein der menschlichen Aufgabe schlechthin mutiert.In der religiösen Erzählung erfüllt nun der Feind als der Satan benannt die Funktion, zu erklären, warum der Mensch erlösungsbedürftig ist und auch durch die endgültige Besiegung dieses Feindes auch erlösbar ist.Alles Elend und Leid wird auf eine Erstursache zurückgeführt, deren Besiegbarkeit die Allmacht Gottes garantiert. Wird diese Erlösungserzählung nun aufgehoben im Sinne Hegels muß sowohl das Subjekt, das die Erlösung bewirken kann und soll wie auch der Feind, der der Grund allen Elendes und der Erlösungsbedürftigkeit neu bestimmt werden. Daraus resultiert eine Pluralität von Emanzipationserzählungen mit ihren differenten Bestimmungen des Subjektes der Erlösung und des zu vernichtenden Feindes, denn die endgültige Besiegung des Feindes ist die denknotwendige Voraussetzung jeder Art von Erlösung.
Im Archipel Gulag bekämpfte der Stalinismus so den letzten Feind des Aufbaues des Sozialismus bzw Kommunismus. Die dabei applizierte Moral ist die des: Das Ziel heiligt die Mittel. Der Nationalsozialismus sah nun im Judentum den Feind schlechthin, den es zu vernichten galt. Die Genese seines Antisemitismus ist aber komplexer, denn ursprünglich ist er antikommunistisch ausgerichtet und dann sekundär antisemtisch, da er in den Juden die Hintergrundsmacht der kommunistischen Bewegung erblickte. Für A. Rosenberg ist so die bolschewistische Revolution die faktische Machtübernahme jüdischer Kreise über das russische Volk, das nun von diesen ausgebeutet wird.In der Schrift: „Wofür kämpfen wir“ 1944 trägt der Antisemtismus geradezu paranoide Züge: Die ganze Welt habe sich unter der Führung von Juden gegen Deutschland verschworen, um es zu vernichten.
Der Wille zur Endlösung des Feindes stammt so aus der religiösen Erlösungserzählung, die dann politisch aufgehoben wurde. Somit gehören der Archipel Gulag wie auch Auschwitz konstitutiv zum Projekt der Moderne, des Glaubens an die Notwendigkeit der Beseitigung des einen Feindes.
Zum Projekt der Moderne gehört konstitutiv der Herrschaftsaftrag des Menschen über die Natur. Wenn ursprünglich Gott den Menschen dazu berufen hatte, so verandelt die Moderne diese Berufung zu einer Bestimmung des Menschseins. Die Atombombe zeigt nun auf, daß die Technik als das Mittel der Naturbeherrschung sich transformierte in ein Mittel, daß die Natur völlig zerstören kann und dem Menschen ein Weiterleben auf der Erde verunmöglichen kann. Das Mittel zur Beherschung der Natur mutiert so zu einer Selbstvernichtungstechnologie. Aber noch in dieser Perversion der Technik ist sie ein Kind des ursprünglichen Beherrschungsauftrages, daß der Mensch die Natur zu beherrschen habe, daß das seine Bestimmung sei.Nur daß die Atombombe als die radicalste technische Möglichkeit der Vernichtung des Feindes, seit dem der Feind sie auch besitzt, zur Konsequenz die eigene Vernichtung hat und dadurch die Intention der Beherrschung der Natur durch die Technik selbt negiert.
Mit dem Scheitern des letzten Großversuches der Welthumanisierung durch die kommunistische Revolution 1989f, endete das Projekt der Moderne. Lyotard bezeichnet das als das Unglaublichgewordensein aller großen Emanzi-pationserzählungen. Der Glaube an die eine Menschheitsgeschichte, die ein unaufhaltsames Fortschreiten der Humanisierung der Welt ist, hat sich aufgelöst. Deshalb gibt es auch kein Subjekt mehr, daß diesen Prozeß voranbringen und vollenden kann. Jede Geschichtsphilosophie aber auch jede Subjektsphilosophie verliert so ihre Geltungsansprüche. Gern wird so Rene Descartes: „Cogito, ergo sum“ als der Anfang aller Subjekt-Weltbeherrschungskonzeptionen verworfen. Der Mensch sei weder der Herr im eigen Hause noch weltbeherrschungsfähig, außer in destruktiver Weise und es gibt kein Subjekt, das die Welt humaniseren könne. Daß es eine Erkenntnis der Wahrheit gäbe, wobei dann darunter jede Theorie verstanden wird, die die Erlösbarkeit des Menschen begründe, wird dann als ein Herrschaftswissen, das nur wieder einer Unterdrückung der vielen im Namen der wahrhaft Erkennenden ist, reprobiert. Galt für das ganze Abendland und mit ihr für die Moderne, daß die Wahrheit, die zu erkennende und somit die erkannte den Menschen frei machen werde, so gilt nun, daß eine erkannte Wahrheit bzw der Besitz der Wahrheit nur zu einer Unfreiheit der vielen führe, die von den Priestern der Wahrheit unterdrückt würden. Hierbei vermengeln sich die Tradition der Priesterfeindschaft, das Narrativ vom Priesterbetrug mit dem Antiintellektualismus, der Abneigung gegen die Intellektuellen, daß der gesunde Menschenverstand lebensförderlicher ist als alles intellektualistische Denken.
Damit sind jetzt ein paar tragende Elemente der postmodernen Weltsicht skizziert, aber das Wesen der Postmoderne ist noch nicht auf den Begriff zu bringen, weil sei Wesen sein Gewesensein voraussetzt. (Hegel). Die Postmoderne ermöglicht so ein Begreifen des Projektes der Moderne, die als unvollendbare gescheitert ist, endgültig aber erst mit dem Zusammenbruch des Real existierenden Sozialismus, aber sie kann sich selbst noch nicht begreifen, weil sie noch lebendig ist.
Alexander Dugin bestimmt die Postmoderne als den Sieg des Liberalismus, der nun zur einzigen Ideologie der Welt avanciert sei, die aber doch neue Feinde hervorbringt. In Anlehung an der Historiker Ernst Nolte könnte man den Islamismus als die Widerstandsbewegung gegen den Globalismus charakterisieren, dem Versuch die liberalistische Ideolgie mit mit ihrer Marktwirtschaft als ihren realen Kern zu globalisieren. Aber es gilt, daß mit der Postmoderne die Politik im emphatischen Sinne aufgehört hat, sie ist wieder zur Regierungskunst sich zurückverwandelnd. Sie aber kennt auch den Feind, aber im Sinne der Regierungskunst. Es gälte nun, Teile des Volkes zum Feind zu erklären, um so eine Homogenität im Staatsvolke zu erwirken, die auf dem Ausschluß des verfehmten Feindes beruht. Dies politsche Konzept des Feindes ist die Antwort auf den Verlust der religiös-kulturellen oder ethnischen Homogeniät postmoderner Gesellschaften. „Spalte und herrsche“ diese alte römische Regierungsweisheit aktualisiert sich eben in der postmodernen Kampagne des Kampfes gegen Rechts.Machiavellis "Der Fürst" wird wieder aktuell. Die Politik wird wieder zu einer Herrschaftstecchnik.