Die Feinde töten- ein Anachronismus für die heutige Zeit oder politische Realität und was hat die Religion damit zu tuen?
Wer aufmerksam die politischen Ereignisse studiert, dem muß es auffallen, mit welcher Selbstverständlichkeit heute das Töten von politischen Feinden gefordert wird: „Nazis töten, AfDler töten, Nazis keulen= massenhaft abschlachten“ diese Kampfparolen gehören heutzutage zur Realität des Politischen. Das soll nun hier zum Anlaß genommen werden, über den Begriff des Feindes nachzudenken, seine Bedeutung für den theologischen und politischen Gebrauch zu erhellen: Der Feind- eine vergessene und doch aktuelle Größe des theologischen und politischen Denkens?
Carl Schmitt bietet sich für eine solche Erwägung an, stammen doch von ihm zwei dazu sehr geeignete Thesen: a) daß die wesentlichen Begriffe des politischen Diskurses ihren Ursprung in der Theologie haben und daß b) die Unterscheidung von Feind und Freund das Wesentliche des Politischen ausmache, wie die Unterscheidung von Gut und Böse das Wesen des Moralischen und die von Schön und Häßlich das Wesen des Ästhetischen ausmache. Ist also das Verständnis des Feindes bei Schmitt vom theologischen Verständnis des Feindes her rekonstruierbar? Schließlich heißt sein Hauptwerk ja: „Politische Theologie“!
Reinhard Mehring formuliert nun Bedenken, Carl Schmitt als einen durch seinen katholischen Glauben bestimmten Denker aufzufassen: „Lässt sich sein Freund-Feind-Denken wirklich aus dem >Gehorsam des Glaubens< verstehen.Ist es mit religiösem,christlichen und katholischem Denken vereinbar?“ (R.Mehring, Carl Schmitt zur Einführung, 2001, S.9)
Die Bedeutung des Feindes in der christlichen Religion:
Der Apostelfürst Paulus schreibt von dem „letzten Feind“, der vernichtet werden muß, damit endgültig das Reich Gottes sich durchsetzen könne. Der „letzte Feind“, meint im 1.Korintherbrief 15,26 den „Tod“.Diese Aussage über den „letzten Feind“animiert aber dazu, grundsätzlich nach der Bedeutung des „Feindes“,des „letzten“ in der christlichen Religion zu fragen. Paulus kennt keine Versöhnung mit diesem „Feind“ und damit stellt er ihn in eine Reihe mit dem Antigott, dem Teufel. Die Kirche reprobiert die Idee einer Allversöhnung stets mit dem Verweis, daß dann ja auch der Teufel von Gott erlöst werden müßte.
Meine 1.These: Für jede monotheistische Erlösungsreligion und damit auch für die christliche ist der Begriff des Feindes konstitutiv. Der Feind erfüllt dabei die Funktion, zu erklären, warum die Welt, obschon von einem allmächtigen guten Gott erschaffen und regiert wird, doch eine erlösungsbedürftige ist und warum sie erlöst werden kann. Alle Übel der Welt werden auf das Einwirken des einen letzten Feindes zurückgeführt, wie ja auch eine monotheistische Religion alles Gute auf Gott als die Erstursache zurückführt.Von Gott wird dann ausgesagt, daß er eine befristete Zeit das Wirken des Feindes zuläßt, das ist die Zeit der Menschheitsgeschichte, bis Gott dann selbst am Ende den letzten Feind besiegt, sodaß so die Menschheitsgeschichte enden wird. Der Feind ist so nicht einfach etwas Vorgefundenes sondern das Produkt eines theologisch-metaphysischen Denkens, wie das Gute so auch das Böse auf eine Erstursache zurückzuführen.
Meine 2.These: Die Aufklärung säkularisierte die Religion nicht einfach als einen bloßen Negationsakt sondern hob sie hegelanisch auf (und nicht nur in der Philosophie Hegels) indem sie die Erlösungshoffnung zu einer Aufgabe des Menschen umformulierte. Damit entstand erst die Politik in einem emphatischen Sinne. Unter der Politik sollte nun nicht mehr die Kunst des staatlichen Regierens verstanden werden, so etwa in Aristoteles Lehre vom Staat, sondern als etwa Vorstaatliches, daß der Staat das Politische voraussetzt, so Carl Schmitt. Die Politik meint jetzt große Erzhlungen von der Emanzipation des Menschen (Lyotard, Das postmoderne Wissen), die von dem politischen Handeln die Erwirkung einer Welt der Gerechtigkeit und des ewigen Friedens erwartet. Deshalb muß der Feind markiert werden als die Ursache aller Übel, der besiegt werden muß, damit dies Endziel erreicht werden kann.
Jede politische Erlösungsideologie bringt so ihren Feind hervor, denn es zu vernichten gilt, von der Guillotine bis zum Archipel Gulag und wolte man den Nationalsozialismus auch als eine Erlösungsideologie auffassen, dann gründen sich die Konzentrationslager auch in diesem politischen Feindbegriff.
Es ist nun der politische Wille so einer Erlösungserzählung, sich des Staates zu bmächtigen, um dann durch ihn den Feind zu liquidieren. Der Begriff des Feindes gehört so konstitutiv zu dem emphatischen Begriff der Politik, nicht aber zu dem Verständnis der Politik im Sinne der staatlichen Regierungkunst.
Die Politik im emphatischen Raum wird getragen durch ideologisch fundierte Organisationen, die als solche auch staatsunabhängig ideologische Kriege führen können. Das expliziert Carl Schmitt in seinen Ausführungen zum „Partisan“ und über die „Tyrannei der Werte“. Ideologien kämpfen widereinander um die Macht, die jeweils im Namen ihrer höchsten Werte die anderen zu vernichten suchen. Bis 1989 galt so dem Westen der sozialistische Ostblock und die Kommunisten im eigenen Lager als der Feind schlechthin!
Meine 3. These: Mit dem Ende der sozialistischen Staaten endete der letzte Versuch, eine politische Erlösungslehre in die Praxis umzusetzen. Damit endet auch die Epoche der emphatischen Politik mit ihren zwei Höhepunkten, der Französischen Revolution und der Bolschewistischen. Somit gibt es auch den Feind nicht mehr. Das ist die Epoche der Postmoderne. Ein anderes Problem wird nun virulent: Was verbindet die jetzigen Gesellschaften noch, wenn alle früheren Bindungskräfte sich auflösen, die der ethnischen oder kulturellen Homogenität, wenn der Pluralismus, das Konzept der Multiethnisierung und Multikultivierung alle Gemeinsamkeiten, alles Gemeinschaftliche auflöst? Es bedarf eines Feindes, durch den die sich atomisierenden westlichen Gesellschaften wieder zu einer Einheit zusammengeschweißt werden: Der gemeinsame Feind erwirkt eine Gemeinschaft und dazu bedarf es eines inneren Feindes und oder eines äußeren. Der Kreuzzung gegen Rechts, nicht nur in Deutschland inszeniert, ist dann die praktische Folge der postmodernen Feinderklärung.
(Diese Feinderklärung hat ihren Ursprung in der Reaktion der Siegermächte auf die Ostdeutschen, die „Wir sind ein Volk!“ riefen. Man sah darin eine Renaissance eines deutschen Patiotismuses, denn sie unbedingt bekämpft sehen wollten durch die Regierungen des wiedervereinten Deutschlandes.)
Die außenpolitische Feindschaft gegen Rußland und China ist dagegen keine politische im emphatischen Sinne sondern eine realpolitische, mit etwas Propaganda dekoriert: Amerika und der freie Westen wollen einfach die Weltherrschaft für sich. Jetzt gehört der Begriff des Feindes in die Kunst des Regierens, wobei an Machiavelli als den effektivsten Politikberater zu erinnern ist.
Meine 4. These: Der Islamismus stellt eine vormoderne Version des Feindes dar, da nun wieder religös der Feind bestimmt wird, als der Falschgläubige. Er bestimmt den Feind nicht politisch, im emphatischen Sinne sondern ursprünglich religiös.
1.Zusatz:
Werte sind Zerfallsprodukte der großen Emanzipationserzäählungen, die ihre Glaubwürdgkeit verloren haben,(Lyotard,Das postmoderne Wissen) Die C-Parteien ersetzten die christliche Erlösungserzählung durch "christlche Werte" und die SPD verabschiedete sich von der marxistischen Erlösungserzählung durch die Proklamation sozialdemokratischer Werte auf ihrem Parteitag zu Godesberg. Jetzt stehen sich keine feindlichen Ideologien mehr gegenüber,ihre Konflikt ist neutralisiert (vgl:Carl Schmitt) zugunsten verschiedener Auffassungen über die Kunst des Regierens.
2.Zusatz
Die Entmenschlichung des politischen Feindes gehört heutzutage zur Alltagspraxis: "Florian Schroeder, der wertvolle Kabarettist des öffentlich-rechtlichen-Rundfunks, hat für Spiegel Online eine Satire verfasst, eine Wählerbeschimpfung. Er schimpft auf AfD-Wähler. Zitat: „Und wenn ich dann eben Putin-Klatschvieh wie AfD und BSW die Stimme gebe, dann bedeutet das, dass ich mit dem Prinzip Freiheit offensichtlich überfordert bin.“ Sächsische Zeitung vom 22.9.2024. Die Wähler dieser 2 Parteien seien keine Menschen sondern eine Art "Vieh".
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