Mittwoch, 4. September 2024

Ein vielleicht leichtfertig, zu schnell gelöstes Problem der Theologie oder ein erschreckender Verdacht

 

Ein vielleicht leichtfertig, zu schnell gelöstes Problem der Theologie oder ein erschreckender Verdacht


Eigentlich ist es gar kein Problem: Wir lesen über den Brudermord Kains: „Nach einiger Zeit brachte Kain dem Herrn ein Opfer von den Früchten des Feldes dar; auch Abel brachte eines dar von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett.Der Herr schaute auf Abel und sein Opfer,aber auf Kain und sein Opfer schaute er nicht.“ (1.Mose, 4,3-5) Schauen bedeutet hier: annehmen. Gott Opfer darzubringen ist die religiöse Praxis schlechthin und darum wird sie hier an so exponiert.Es wird aber hierbei auch das Problem dieser Praxis artikuliert: Gott kann das Opfer annehmen, er kann es aber auch verwerfen. Das heißt, daß Gott nicht durch die kultische Praxis des Opferns manipuliert werden kann: Wenn wir ihm opfern, nimmt er immer das Opfer an und nun muß ergänzt werden: in der Intention, in der es Gott dargebracht wird. Gott die Erstlinge darzubringen ist eben auch die Bitte an Gott, wieder dafür zu sorgen, daß ihm weiterhin die Erstlinge dargebracht werden können.Es wird menschlich-allzumenschlich gedankt im Vertrauen darauf, daß der so Bedankte dann wieder eine gute Ernte geben wird, sodaß ihm die Erstlinge davon geopfert werden können.

Warum hat Gott nun das Opfer des Abels angenommen und das des Kains verworfen?Der Text gibt uns darüber keinerlei Auskunft! Aber wir finden in der Bibel dann dazu klare Antworten: Im Hebräerbrief (11,4) steht geschrieben: „Aufgrund des Glaubens brachte Abel Gott ein besseres Opfer dar als Kain.“ Wenn nun aber das Opfer Kains nur ein weniger gutes war, warum reprobierte Gott es dann?Das muß irritieren.In dem 1.Johannesbrief 3,12 heißt es über Kain, daß er „von dem Bösen stammte und seinen Bruder erschlug.“ Ist nun sein vom Bösen Stammen, daß er seinen Bruder erschlug, dann ist dies keine Aussage über das Warum der Verwerfung des Opfers Kain. Oder dysqualifizierte sein vom Bösen Stammen schon sein Opfer, sodaß es deshalb Gott reprobierte und Kain dann aus Eifersucht auf seinen Bruder, weil dessen Opfer Gott angenommen hatte, seinen Bruder getötet hat. Klar wäre im zweiten Falle die Intention, eine akzeptable Antwort auf die Frage zu geben: Warum verstieß Gott das Opfer Kains? Kain war von Anfang an böse. Die Aussage von Judas 11, sie gingen die Wege Kains, daß Kain habgierig gewesen sei, kann als Konkretion und Bestätigung der Aussage, Kain wäre ein böser Mensch gewesen sein, gelesen werden:Weil Kain habgierig gewesen sei, habe Gott sein Opfer nicht angenommen.

Nun schleicht sich angesichts dieser Befunde ein Verdacht ein, daß die ursprüngliche Erzählung, daß Gott das Opfer Abels annahm und das Kains reprobierte, ohne daß dafür ein Grund angegeben wird, als inakzeptabel empfunden wurde. Gott nimmt nicht grundlos das eine Opfer an und verstößt grundlos das andere. Für dies differente Verhalten Gottes müsse es für uns Bibelleser nachträglich akzeptable Gründe nachgeliefert werden. Aus Praktibilitätsgründen muß doch gewußt werden, wie ein Opfer Gott darzubringen ist, sodaß es Gott wohlgefällig sei und wie es nicht dargebracht werden dürfe. Der 1.Johannes- und der Judasbrief sagen: Auf die Moralität des Opfernden käme es an, der Hebräerbrief, daß es auf den Glauben ankäme. Der Verdacht lautet nun, daß somit nachträglich das Verhalten Gottes, daß er das eine Opfer annahm und das andere zurückwies, rationalistisch erklärt werden soll, damit die Opfernden wissen, wie sie zu opfern haben, damit Gott ihr Opfer annimmt.Vorausgesetzt wird dabei, daß Gottes Verhalten so vernünftig ist, daß es für uns verstehbar ist. Gott kann nicht als irrational handelnd gedacht werden, da Gott eben spätestens seit der griechischen Aufklärung durch Platon als das Gute und rein Vernünftige gedacht wurde. Er darf eben nicht anders gedacht werden, denn wie sollten die Menschen zu einem sittlichen Handeln erzogen werden, wenn man schon von den Göttern sich Unsittliches erzählte in den griechischen Göttergeschichten etwa. Der bekannte Spruch: „Was einem Jupiter erlaubt ist, ist Menschen nicht erlaubt“, diente ja auch dazu, einem Mißbrauch solcher Göttergeschichten zu wehren: Wenn Götter schon so unsittlich handeln, dann dürfen wir Menschen das doch wohl auch!

So könnte sich der Verdacht verhärten, daß die nachträgliche Deutungen der Nichtannahme des Opfers Kains Rationalisierungsversuche darstellen, um Gott nicht als unbegreiflich Handelnden akzeptieren zu müssen. Eine Opferpraxis verlangt doch nach der Sicherheit, daß, wenn ich richtig opfere, Gott mich erhören wird und wenn Gott mich nicht erhört, mein Opfern oder Beten, dann habe ich irgendwie falsch geopfert oder gebetet. Könnte die ursprüngliche Erzählung aber vielleicht der Wahrheit näher kommen? Ersetzen wir einmal das Annehmen bzw Nichtannehmen durch die Liebe bzw Nichtliebe. Ist es irgendwie vernünftig zu begründen, warum ein Mann eine bestimmte Frau liebt und dann eine andere nicht? Ein Mann steht vor 2 Frauen, Zwillinge, die sich so ähnlich sind, daß sie kaum unterscheidbar sind.Jetzt sagt die eine: „Warum liebst Du mich nicht sondern meine Zwillingsschwester!“ Die Anklage, die darin verborgene ist unüberhörbar:Es gibt keinen vernünftigen Grund, daß Du mich nicht liebst, aber meine Schwester. Daß dieser Mann die eine liebt und die andere nicht, erklärt der Mythos vom Amorengel, der die Liebespfeile in die Herzen der Menschen schießt, indem er diese Liebe für unerklärbar erklärt. Es kann ein vernünftiger Grund eruiert werden, warum der Mann diese eine Frau liebt und die andere nicht. Heiraten mögen Menschen dann aus vernünftigen Gründen, ihr Lieben: Nur Dich liebe ich!, ist etwas rein Irrationales, das aber so konstitutiv zum Menschen dazugehört.(Die Erfolgsserie: „Sturm der Liebe“ demonstriert gerade dies in seinen über 4000 Folgen.) Könnte es nicht sein, daß Gottes Liebe auch irrational ist, daß es so keinen vernünftigen Grund dafür gab, daß Gott das Volk Israel erwählte und nicht die Chinesen oder uns Deutsche, daß auch Gott liebt, wen er lieben will, weil er ihn lieben will? Nur das mag eben eine vernünftig denkende Theologie nicht wahrhaben, denn sie will alles vernünfteln.Ist etwa die Theologie das Produkt des Kommodmachenwollens Gottes?

Da aber vernünftige Deutungen der Nichtannahme des Opfers Kains schon das Neue Testament offeriert, können wir sie auch als wahre bejahen und das Problem als gelöst ansehen.




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