Du
siehst nur, was Du kennst-
oder:
was könnte ich in der Eucharistiefeier sehen?
Ja, es gibt wohl Heilige,
oder irgendwie sonst von Gott Begünstigte, die erleben etwas
Außergewöhnliches in der Eucharistie, wenn der Priester die
Wandlungsworte spricht oder sie machen intensive beglückende
Erfahrungen vor dem Tabernakel. Einst offenbarte sich Gott dem Mose
gar im brennenden Dornbusch, Menschen begegneten Jesus und erlebten
in ihm Gottes Liebe.
Aber ich nicht! Warum
erlebe ich nicht, was anderen vergönnt ist? Und lese ich
authentische Berichte solcher Erlebnisse von anderen Menschen, was
nützt es mir, stellt sich bei mir nichts davon ein? Was tun? Hier
soll nun ein Weg aufgezeigt werden für die, die ihrem eigenen
Empfinden nach, immer leer ausgehen. Es soll mit fast Null angefangen
werden, um dann Schritt für Schritt zum Reichtum der Eucharistie
voranzuschreiten.
1. Der
Verlust
Ein evangelischer
Abendmahlsgottesdienst. Der Vikar der Gemeinde teilt Brot und Wein an
die um den Abendmahlstisch im Kreis stehenden Gläubigen aus. Jeder
sei eingeladen, am Abendmahl teilzunehmen, egal welcher Konfession
er angehöre. Jeder empfängt so ein Stück Brot und danach aus dem
einen Kelch den Wein. Beim Austeilen sagt der Vikar nichts; die
Handlung soll für sich sprechen.
Ja, früher habe er beim
Austeilen, „Leib Christi“, „Blut Christi“, gesagt, aber da
habe ihm gesagt der Ausbildungspfarrer kritisiert: das wäre nicht in
Ordnung. Da könnte man ja meinen, daß Jesus irgendwie da
gegenwärtig sei, gar in dem Brot und dem Wein. Da die
Austeilungsformel, Blut Christi, Leib Christi nicht eindeutig sei,
sei auf sie zu verzichten. Sonst müßte ja erklärt werden, daß uns
das Brot und der Wein nur an Jesu Abendmähler und insbesondere an
sein letztes Abendmahl erinnern solle. Früher, in voraufklärerischen
Zeiten, meinten Christen ja noch, Jesu sei realiter von den Toten
auferstanden, er säße zur Rechten Gottes, und dann könne er,
obwohl er zur Rechten Gottes im Himmel säße, irgendwie auch in der
Gemeindefeier seines letzten Abendmahles gegenwärtig sein. Ganz
vulgär meinte Thomas von Aquin gar: in, Brot und Wein würden
gewandelt in den Leib und das Blut Christi..Aber das haben wir hinter
uns! Inzwischen sei man ganz auf der Höhe der Aufklärung angelangt.
Deshalb seien die mythologischen Vorstellungen abzustreifen, wie ein
aus der Mode geratenes Gewand. Wir konzentrieren uns nun auf das
Leben Jesu, das was sein Leben bestimmte. Wir erinnern uns an Jesu
Lebensideale in dieser Feier. So wollen auch wir leben. Mehr sei die
Abendmahlsfeier nicht für moderne evangelische Christen. Es ist eine
-leider unbestreitbare Tatsache-daß dies Unverständnis des
Abendmahles Christi, forciert durch die Ökomene auch in das
katholische Christentum eingedrungen ist und so zu unserem Problem
geworden ist. Der Weg zur Tradition ist uns versperrt worden durch
modernistische Ideen.
2.
Wa+ bleibt vom letzten Abendmahl Jesu übrig?
Nichts, außer einem
entleerten Ritual mit einem moralischen Appell: lebe anständig
gemäß dem Vorbild Jesu. Es war ein langer Irrweg, den uns im
christlichen Glauben Verbundene gingen, bis am Ende nichts mehr übrig
blieb. Am Anfang standen Zweifel und Fragen: Kann den Jesus in Brot
und Wein gegenwärtig sein? Reicht es nicht, zu glauben, daß er
irgendwie da ist, wenn seine Gemeinde an ihn denkt, indem sie sein
Abendmahl nachfeiert. Das Abendmahl soll ein Opfer sein, von der
Kirche Gott dargebracht-gar zur Sühne? Wie abscheulich ist doch
diese Vorstellung! So eine Opfervorstellung paßt nicht zu uns
Christen. Ach,und einst konnten nur von Gott besonders talentierte
Männer das Opfer, das Meßopfer darbringen. Das ist diskriminierend
gegen Frauen und alle Laien! Weg damit! Jeder, der will, kann
Vorsteher der Abendmahlsfeier sein, auch ein nichtgeweihter und
nichtordinierter evangelischer Vikar. So wird uns die
Eucharistiefeier zu einem substanzlosen Etwas. Als Katholliken
verlieren wir, was wir einst hatten, indem wir so blind werden für
das, was da in dieser Feier wirklich sich ereignet.
3.
Betrieb+blindheit
Den Wert von etwas
begreifen wir erst, wenn wir ihn verloren haben. Meint wer, das wäre
wohl eine etwas zu überspannte Aussage, der möge sich dies
vorstellen: Morgen erwachst du, wie immer, wenn es Zeit für dich
ist. Du machst die Augen auf, verschlafen und siehst nichts. Es
dauert bis du vor der entsetzlichen Tatsache stehst: ich bin -über
Nacht-blind geworden. Nichts kann ich mehr sehen! Wer zweifelt, das
dem Betroffenem nun: Wieder sehen können!, das schönste und
wunderbarste Geschenk Gottes wäre. Aber er ist blind. Und jetzt erst
begreift er, wie wunderbar es ist, mit den Augen sehen zu können!
Gerade das hier grob skizzierte Verständnis des Abendmahles Christi
im modernen Protestantismus könnte uns so behilflich sein, daß
wieder zu sehen, was wir in dieser Feier wirklich haben. Nur, wir
Katholiken sind so reich, daß wir die tägliche Eucharistiefeier in
der Kirche haben, daß wir vor lauter Reichtum den Reichtum nicht
mehr sehen! Das ist unser Sehproblem.Es ist uns zu
selbstverständlich, daß da auf dem Altar Brot in den Leib Christi
und Wein in das Blut Christi gewandelt wird durch den dazu geweihten
Priester, als daß wir dies Wunder noch sehen könnten! Die Gewöhnung
an das Wunder ist der Tod für seine Wahrnehmbarkeit!
4.Eine
Scule de+ Sehen+
Aus unserer
Betriebsblindheit aufwachen, damit wir wieder sehen, welch ein großes
Wunder Gott uns in jeder Meßfeier bereitet, das ist unsere Aufgabe.
Ursprünglich nannte man das „Exerzitien“.
Übung macht den Meister.
Soldaten exerzieren und exerzieren, damit sie im Ernstfall können,
was sie sollen. Und so ist es kein Zufall, daß ein Exsoldat, der
Ignatius, nachdem er Soldat Christi wurde, der Schöpfer der
Exerzitien wurde, die auch heute noch die meist praktizierten in der
Kirche sind.
Ginge es nicht einfacher?
Daß da ein Gläubiger zu mir tritt, mir authentisch erzählt, wie er
im Glauben Jesu Dasein in Brot und Wein erfahren hat, ja, daß da
nicht mehr Brot und Wein ist, sondern unter den Gestalten von Brot
und Wein der Leib Christi und sein Blut wahrhaftig ist? Wenn mir
jemand ganz authentisch und ergriffen erzählte, wie bedeutsam für
ihn die Eucharistie ist, müßte mich das nicht anstecken: das möchte
ich so auch erleben? Das erzählte Erlebnis bleibt aber das des
Erzählers. Mag er dies noch so wortgewaltig und kraftvoll zum
Ausdruck bringen, es wird nicht zu meinem Erlebnis. Zudem: die
Enttäuschung ist vorprogramiert: denn warum sollte ich das so
erleben, wie es der authentische Zeuge darlegt, sehe und erlebe ich
das dann doch nicht mit seinen sondern mit meinen Augen! Mit diesem
Einwand stünden wir auch nicht alleine dar. So fragte schon der
ungläubige Thomas: Was nützt es mir, wenn ihr den Auferstandenen
gesehen habt, ich aber nicht? Dürfte ich da so nicht auch mit dem
ungläubigen Thomas fragen: Was nützt es mir, wenn das nur eine
Erfahrung von Anderen ist und nicht die meine! Wenn ich nichts erlebe
außer dem mir ausgeteilten Brot, was hilft mir da das
Glaubenszeugnis anderer, daß für sie das alles ganz und gar anders
ist. Wenn ich, obgleich ich katholisch bin, die Eucharistie nur
evangelisch als ritualisiertes Einnehmen von Brot und Wein erlebe?
Fangen wir beim Nullpunkt
an: da ist dann nur noch eine Feier,in der Brot und Wein ausgeteilt
wird, damit wir Jünger Jesu uns an ihn erinnern. Weil Jesus so gern
mit seinen Freunden aß und trank, denken auch wir jetzt an ihn, wenn
wir essen und trinken. Jesus ist dann für mich nur ein Abwesender,
an den ich mich erinnere, wie an einen lieben Verstorbenen. Ich sehe
etwas, was ihm wichtig war und das erinnert mich an ihn.
5.
Der Ort: der Tempel-die Kirce
Aber sollte Jesus nicht
mehr für mich und seine Gläubigen übrig haben als ein bloßes
Sich-In-Erinnerung -Bringen durch eine Gemeindefeier? Ja, die hl.
Schrift und die Kirche sagt: Jesus Christus will bei euch, mitten
unter euch sein und nicht nur in eurem Sicherinnern an mich! Wie war
es im Alten Bund? Da sagte Gott zu Salomon, als der König den neu
erbauten Tempel einweihte: dies ist der Ort, an dem ich meinen Namen
wohnen lassen werde. Hier bin ich für dich da. Hier bin ich für
dich erreichbar, weil ich hier mit meinem Namen für dich anrufbar
bin. Einmalig offenbarte sich Gott dem Mose im Dornbusch. Aber was
nützt das dem Volk Israel, daß er da einmalig für Mose war. Im
Tempel ist Gott immer da für jeden Gläubigen, der ihn anruft. Und
im Neuen Bund? Sollen wir da ärmer dran sein, als das Volk Israel im
Alten Bund? Sollte Gott uns Christen nicht gewähren, was er seiner
ersten Liebe gewährte: daß er uns einen Ort gibt: Hier bin ich für
dich da?
Schon haben wir die
ersten Schritte der Schule des Sehens beschritten! „Du siehst nur,
was Du kennst!!“ Damit warb ein Reiseführer auf recht intelligente
Art für sich. Das geschulte Auge kennt die Verheißung Gottes an den
Tempel: hier lasse ich meinen Namen für dich wohnen. Und dann sieht
es in jedem Tabernakel den Ort des Neuen Bundes, wo Gott seine
Verheißung erfüllt. Hier wohnt meine Name für euch, damit ihr hier
mich anrufen könnt
.Das Zentrum des
Tabernakels ist die konsekrierte Hostie, das in den Leib Christi
gewandelte Brot der Eucharistiefeier. Das ewige Licht verkündet es:
hier läßt Gott seinen Namen für dich wohnen.Nicht an einem
beliebigen Ort ist der Tabernakel. In der Kirche ist er. Und die
Kirche ist das, was im Alten Bund der Tempel war. Gott läßt sein
Volk nicht tempellos sein.
Schaute ich nur auf die
Abendmahlsfeier mit dem Priester, den Ministranten und dem Volk und
sähe den Ort des Ereignisses nicht, nie könnte ich das Ereignis
wirklich sehen. Der Ort des Ereignisses gehört unbedingt dazu. Wie
der Tempel so ist auch die Kirche der Ort der Gegenwart Gottes für
uns. Da wohnt Gottes Name für uns. Was ist Gottes Name? Sein Name
ist:Jesus Christus. Sehe ich den Ort der Eucharistie nicht, weil ich
ganz unmittelbar nur die Eucharistie sehen und erleben möchte, sehe
ich das Wesentliche nicht. Zu nah bin ich dann, um noch etwas
erkennen zu können! Ein Tempel ohne einen dort anwesenden Gott, das
wäre kein Tempel, sondern ein Museum toter Exponate. Nur, Gott ist
kein toter Gegenstand, sondern ein sich als lebendiger Gott
Exponierender!
6.Der
Tempel, der Priester und da+ Opfer
Ich sehe und versehe
mich. Jede will sehen, wie es wirklich ist, und doch versehen wir uns
oft. Einen heiligen Priester, der im Tempel Gott wohlgefällige
Opfer darbringt, da sehen unsere Augen. Ein Gnerallverdach drängt
sich auf: die Erzählung vom Priesterbetrug. Priester hätten einen
zornigen Gott erfunden, dem Opfer darzubringen seien, um ihren Beruf
und die Abgaben an sie zu rechtfertigen. Priester wollten Macht für
sich und erfanden dann den dazu passenden Gott. Unter Christen wird
dazu noch ergänzend das Märchen vom Jesus von Nazareth erzählt,
der ein Gegner des Priestertumes gewesen wäre, ja der den Tempel,
das Opfer und die Priester abschaffen wollte. Er habe uns in seiner
Person gezeigt, daß sein Gott, der allein der wahre ist, der Gott
der Liebe sei,der so Opfer, Tempel und Priester verabscheue.
So verbildet kann ich
nicht mehr wahrnehmen, was in der Feier der Eucharistie wirklich
geschieht.Mit der falschen Brille sehe ich Trugbilder. Mir entsteht
ein Zerrbild. Entweder, daß ich Menschen sehe, die sich ein Amt
anmaßen, daß ihnen nicht zusteht, weil Jesus es abgeschafft hat und
die etwas tun, was wider Gottes Willen ist, nämlich, daß sie Opfer
simulieren. Oder ich sehe einen Gemeindevorsteher, liturgische Farben
tragend, der einer Abendmahlsfeier vorsteht, die uns an die Liebe
Gottes erinnern soll. Alles andere wäre für mein verbildetes Auge
ein Rückfall ins dunkelste Mittelalter.
Der Augenblick der
Eucharistie verlangt so von mir die Kunst der Unterscheidung der
Geister! Welcher Geist gibt mir die Erzählungen vom Priesterbetrug
ein? Wer flüstert mir ein, daß Tempel, Priester und Opfer
mittelalterliche Vorstellungen seien, die uns modernen Menschen
nichts mehr angingen? Wer sagt mir, daß ich zu wählen hätte
zwischen der Vorstellung eines primitiven Gottes, der Priester und
Opfer will und der Vorstellung, daß Gott nur die Liebe sei und so
keine Priester und kein Opfer wolle?
Hier gilt es für mich:
reinige deine Gedanken! Asketische Gedankenarbeit ist gefordert. Wir
müssen üben, exerzieren. Man sage jetzt nicht, daß Gott aus Gnade
oder Liebe uns all das schon gratis geben werde, daß es dagegen
unsere höchste Tugend wäre, nichts zu tun und einfach darauf zu
warten, daß Gott uns begnade und beschenke. Nein, Gott will uns als
Mitwirkende, nicht einfach als rein passiv Empfangende.
Lassen wir uns durch die
Bibel belehren. Es ist kein Zufall, sondern ein Akt der göttlichen
Pädagogik, daß zuerst im Alten Bund der Tempel, die Priester und
das Opfer waren und uns vor Augen gestellt werden, lesen wir die
Bibel von Anfang an, der Reihe nach. Das ist der
Vorbereitungsunterricht für uns, damit wir danach die Eucharistie
begreifen können, nicht als Anfänger der Glaubens, sondern als
schon Fortgeschrittene. Wer nun stattdessen, auf der Überholspur
fahrend, gleich mit dem Höhepunkt anfangen will, der wundere sich,
daß er vor der Feier der Eucharistie steht und sieht und doch nichts
sieht!
Erst wenn ich in der
Feier der Eucharistie das alte Bild des Tempels, des Priesters und
des Opfers wiedererkenne, dann erst kann ich sehen und erleben, was
die Eucharistie wirklich ist. Die Eucharistie ist nichts für eilige
Leser, die nur das Ende eines Romanes lesen wollen, hoffend so Zeit
einsparend doch das Ganze begreifen zu können.
7.
Wa+ sehe ic, wenn der Priester die konsekrierte Hostie emporhebt?
Jetzt stehen wir vor dem
Höhepunkt der Eucharistiefeier: der Elevation. Der Priester bringt
Gott das wohlgefällige Opfer dar. Sehe ich das, erlebe ich das?
Eines müßte mich, frage ich so, stutzig machen. Hörte ich nicht,
daß wir im Glauben und noch nicht im Schauen leben? Der Glaube
vertraut auf das, was er noch nicht sieht. Er hofft darauf, daß er
einst sehen wird, was er jetzt nichtsehend doch schon glaubt!
Ja, zu unserem
christlichen Glauben gehört das Enttäuschtwerden notwendig dazu.
Wir möchten sehen, Gott selbst verheißt uns, daß wir ihn schauen
werden, aber diese Verheißungen erfüllt er uns im Regellfall nicht
in unserem Erdenleben. Wenigen Heiligen ist es gegeben, hier auf
Erden schon schauen zu dürfen, was uns für den Himmel verheißen
ist.
8
Wa+ können wir dann sehen?
Wir müssen unser Auge
zuerst reinigen von den falschen Bildern, die uns den Zugang zur
Eucharistie verwehren. Das ist das Zerrbild eines Jesus, der halt
gerne Brot und Wein zu sich nahm und der uns gebot: denkt an mich,
wenn ich nicht mehr unter euch bin, wenn ihr das Abendessen zu euch
nimmt in der feierlichen Form des letzten Abendmahles. Wir müssen
unsere Augen frei machen von den Zerrbildern des Priesters, daß der
Priester etwas ist, was Gott nicht will. Unsere Augen sollen, wenn
sie so den Priester sehen, nach dem Opfer Ausschau halten. Denn nur
wo ein Opfer ist, da ist auch ein Priester. Dann werden wir in der
konsekrierten Hostie das Opfer des Alten Bundes wiedererkennen, im
Pfarrer den Priester des Alten Bundes und im Tisch, hinter dem der
Pfarrer agiert , den Altar. Diese kraftvollen Bilder des Alten
Bundes, das sind unsere Sehhilfen für die Eucharistie. Darum gab sie
uns Gott.
Und jetzt erst wollen und
sollen wir unser Augenmerk auf die konsekrierte Hostie richten. Nicht
unmittelbar, sondern wie ein Bergsteiger, der hinaufklettert, bis er
am Ende die Spitze des Berges erreicht. Und jetzt gilt uns, was der
hl. Thomas so wunderbar vollkommen so formuliert: „Jesus, den
verborgen jetzt mein Auge sieht, stille mein Verlangen, das mich
heißt durchglüht: laß die Schleier fallen einst in deinem Licht,
daß ich selig schaue, Herr, dein Angesicht.“
Mein Auge sieht und
schaut noch nicht. Das ist die Verheißung und auch die notwendige
Enttäuschung in jeder Eucharistiefeier. Wir können in der Feier,
geschult durch die Bilder des Alten Bundes den Priester sehen, der in
der Kirche, dem Tempel des Neuen Bundes, Gott das wohlgefällige
Opfer darbringt, sehen und dies Opfer kann und ist niemand anders als
Jesus Christus. Aber wir können ihn noch nicht schauen. Das ist uns
für den Himmel verheißen!
Warum sehen wir da in der
Hostie, in der Gestalt des Brotes Jesus Christus? Verführerisch
könnte uns der Gedanke überkommen: das Brot, das da erhoben wird,
solle uns nur an Jesus erinnern, der so gern Brot mit seinen Freunden
aß zum Abendmahl! Ich nehme nur an einer Erinnerungsfeier an den
längst Verstorbenen fest. Nur, jetzt kann ich diesen Gedanken
befragen. Wenn du recht hättest, was brächte denn dann der Priester
Gott als Opfer dar? Er brächte nichts da, nur erinnerte er an das
Opfer Christi. Dann wäre er aber kein Priester sondern nur ein
Geschichtenerzähler, der seine Erzählung mit anschaulichen
Handlungen unterstützte! Dann wäre die Kirche auch keine Kirche
mehr, denn Kirche ist nur der Begriff für den Tempel des Neuen
Bundes. Wir wären nur eine Versammlung von Nostalgikern, die sich an
eine bedeutsame religiöse Persönlichkeit erinnerten, die jetzt noch
für uns irgendwie bedeutsam ist.
9.Aber
sehe ic auc, wa+ ic sehen könnte?
Denken wir daran: man
sieht nur, was man kennt. Ist mir mein Wissen um Tempel, Priester,
Opfer präsent, vergegenwärtige ich es mir, dann sehe ich in der
Eucharistiefeier das Bild des Opfers, daß hier ein geweihter
Priester Jesus Christus Gott als Opfer darbringt. Dies Bild kann ich
sehen. Nicht sehe ich schon das Opfer Christi selbst. Das ist mir für
den Himmel verheißen.Aber sein Bild kann ich hier in der Kirche
schon sehen. Das meint der hl. Thomas, wenn er vom Sehen in der
Eucharistie spricht.
Was ich kann, das kann
ich auch verfehlen. Und wie oft verfehle ich es! Und warum? Ich sehe
nur, was ich kenne. All meine Kenntnisse nützen mir nichts,
vergegenwärtige ich meine Kenntnisse nicht und wende sie nicht an
auf das von mir Gesehene. Nicht verschließt Gott mir meine Augen,
daß ich nichts sehe, noch müßte ich Gott um eine außergewöhnliche
Gnade bitten! Nein, Gott gibt mir alles durch die Kirche, die Bibel
und die Tradition und das Lehramt, damit ich in jeder Eucharistie das
sehen kann, was mein Glaube zu sehen ersehnt: meinen Heiland als das
Gott wohlgefällige Opfer. Nur, wenn ich diese Sehhilfen nicht nutze,
ungeübt in der Handhabung bin, dann sehe ich nichts außer dem
täuschenden Schein einer bloßen Eß-und Trinkfeier in sehr
ritualisierter Gestalt.
Das größte Hindernis
für unser Sehen ist aber die Konsumentenhaltung. Da soll es nichts
geben, was ich erst durch mein Tun aktiv in mir aufnehme. Da soll mir
alles gut aufbereitet, bequem einfach einnehmbar serviert werden.
Wird mir die Messe dann nicht zu einem wahren Erlebnis, dann war der
religiöse Service nicht gut genug. Der Gottesdienst müsse dann
„menschennäher“ gestaltet werden, zeitgemäßer, so lautet das
dann in Reformerkreisen. Wir kennen diese Parolen der
Religionskonsumenten. Aber das Heilige ist nicht konsumierbar und ist
schon gar kein Event. Sehen ist eine Kunst, die eingeübt sein will,
wie jede Kunstpädagogik weiß! Autozufahren, einen Computer benutzen
zu können, all das verlangt vom Anfänger viel üben, bis es klappt.
Wie komme ich nur auf die Idee, daß Gott zu begegnen dagegen etwas
ganz Einfaches wäre? Ist es nicht so in unserem Leben, daß uns nur
das Unwichtige zufällt und alles Bedeutsame errungen sein will?
Sprechen wir also ganz bewußt von der Kunst der Gotteserfahrung.
Der Apostelfürst Paulus
schreibt, daß das Gesetz der Pädagoge auf Christus hin ist. Es ist
hier nicht der Ort, Paulus komplexe Lehre vom Gesetz darzulegen.
Jetzt soll nur auf dies geachtet werden. Nicht gibt es einen
unmittelbaren Zugang zu Christus. Wenn die Hörer Jesus sich frugen,
ob dieser Jesus wirklich der Messias ist, dann wußten sie schon aus
der religiösen Tradition, was der Messias ist, um dann zu fragen:
ist er der Erhoffte? Jesus erkennen, heißt, in ihm die schon
gekannte und vorausgewußte Größe wiederzuerkennen. Wer die
religiöse Tradition der Messiasvorstellung gar nicht kennen würde,
wie sollte er dann die Aussage Jesu: Ich bin der Messias“
verstehen. Er könnte mit ihr nichts anfangen, er verstünde nur
Bahnhof. Nur wenn mir die Tradition vertraut und bekannt ist, kann
ich das sehen, was ein Ereignis im Strom der Tradition ist. Wem das
unverständlich vorkommt, der mache dies einfache Experiment. Er
nehme einen beliebigen Roman, schlage in der Mitte auf, das nächste
Kapitel des Romanes und versuche das jetzt Gelesene zu verstehen. Den
Höhepunkt der religiösen Entwicklung, das Meßopfer der Kirche
begreifen zu wollen unter Absehung und Mißachtung aller
Vorbereitungslektionen, das geht in der Regel daneben wie der
Versuch, mitten in einem Roman mit dem Lesen anzufangen! Aber statt
auf unsere unzureichende Vorbereitung zu schauen, sehen wir die
Schuld lieber bei den Anderen!
Gern schieben wir so die
Schuld, wenn uns die Eucharistiefeier zu keinem großen religiösen
Erlebnis wird, gar zu keinem Event, auf die Priester, die Gemeinde,
die Gestalt der Kirche und die unfrommen Glaubensbrüder-und
Schwestern. Nur unseren Fehler sehen wir nicht: daß wir die
Sehhilfen nicht recht benutzen. Uns fehlt die Praxis der Sehschule,
die Exerzitien des Sehens. Selbstredend muß eingeräumt werden, daß
durch die Liturgiereform uns das Sehen erschwert worden ist.Dadurch,
daß der Priester selbst im Akt des Opferns der Gemeinde zugewendet
ist, evoziert das den Eindruck, daß auch dies priesterliche Tun
eines für die Gemeinde ist. Das Wesen der Handlung, daß Gott
geopfert wird, und die äußerliche Gestalt treten so wider
einander. So ist für den Anfänger der Schule des Sehens die alte
Messe vielleicht eine Hilfe, um so später auch in der reformierten
Gestalt das Wesentliche sehen zu können. Aber da nun die Reformmesse
die Regelgestalt ist, verlangt sie umso mehr unser Einüben in das
rechte Sehen!
Wie macht man das? Das
Üben des Sehens? Die Bibel ist uns da der erste und beste
Lehrmeister. Lassen wir uns in der Schule des Alten Bundes einweisen
in die Kunst, in der Eucharistiefeier das Opfer Jesu Christi zu
erkennen. Lektion für Lektion. Was ist der Tempel? Er ist der Ort,
wo Gott seinen Namen wohnen läßt. Wo Gott anrufbar ist für uns, da
bringen Priester ihm das wohlgefällige Opfer dar.Was ist das Gott
wohlgefällige Opfer? Die Opfer des Alten Bundes sind die Vorbilder
des wahren Opfers Jesu Christi. In der Kirche bringt dies Opfer der
Priester des Neuen Bundes dar. Das geschieht in der Eucharistie.
Diese einfachen Lektionen sind vertiefbar durch ein solides Studium
der hl. Schrift und der Tradition: was sagt die Kirche über die
Eucharistie.Eines ist aber gewiß: unvorbereitet, ohne Kenntnis
dessen, was die Eucharistie ist, sehe ich nichts außer dem
trügerischen Schein. Aber die Wahrheit ist verborgen unter dem
äußerlichen Schein. Die religiöse Haltung ist immer eine
metaphysische. Das meint, daß das Eigentliche verborgen hinter dem
Schein zu suchen ist. Wo der Konsument, der Adressat der
Unterhaltungsindustrie immer nur auf den Schein konzentriert ist, er
immer nur Events möchte, als intensivst unterhalten werden, weiß
der religiöse Mensch, daß ohne die Fähigkeit zum Dahintersehen,
zum Ergründen ihm die Welt nur eine Täuschung ist.
„Das Wort wurde
Fleisch und wohnte unter uns- und wir sahen seine Herrlichkeit“
heißt es im Anfang des Johannesevangeliums. Unsere Augen sehen nur
das Fleisch der Eucharistie, damit wir die Herrlichkeit sehen können,
bedarf es der Sehhilfen, damit auch wir Sehende werden.Und der Weg
dazu: üben! Exerzitien! Für den Anfänger der Schule des Sehens sei
angemerkt, daß die Werktagsmesse oft geeigneter ist als die
Sonntagsmesse. Hier bleibt er häufiger von kreativen Einfallen der
Gestaltung des Gottesdienstes verschont. Die Messe ist, gerade auch,
wenn sie nur gelesen wird und kein Gemeindegesang ablenkt, aufs
Wesentliche konzentrierter. Auch das Fehlen der Predigt führt dazu,
daß dem Anfänger es leichter wird, sich auf den Kern der Messe zu
konzentrieren. Wer dann von dieser konzentrierten Messe wieder zur
üppiger ausgestaltenen Messe zurückkommt, dem gelingt es dann auch
leichter, hier sich aufs Eigentliche zu konzentrieren, auf das
Meßopfer.
Ist das nur Theorie,oder
klappt das auch. Als Anfänger dieser Exerzitien kann ich sagen: mein
Üben bringt Frucht! Ich sehe schon, oft noch verschwommen, aber mein
Sehen wird klarer! Aber diese Beteuerung wird dem Leser nicht viel
nützten. Warum sollte er auch dem Schreiber dieser Zeilen Glauben
schenken. Nein, es gibt einen besseren Weg: es selbst mit Exerzitien
zu versuchen, mit ihnen anzufangen: was sehe ich, wenn ich die
Eucharistiefeier sehe? Was könnte ich sehen, machte ich mich frei
von den falschen Bildern und Vorstellungen? Welche Sehhilfen nehme
ich mit zum Gottesdienst! Es gibt für uns eine große Verheißung:
wer sucht, der wird Gott auch finden! Aber suchen sollen wir.