Der
Kampf um die Gewissensfreiheit
Unglaublich, aber wahr
Eine
Besprechung in einem Seelsorgeteam in einem bayrischen Spital. Der
Krankenhauspfarrer regte an, regelmäßig das Allerheiligste
auszusetzen zur stillen oder gestalteten Anbetung zur Bereicherung
des religiösen Lebens der Patienten. Empört stand der ständige
Diakon auf und erklärte: er könne es mit seinem Gewissen nicht
vereinbaren, statt für die Patienten da zu sein, Zeit vor dem
ausgesetzten Allerheiligsten zu verbringen. Er sei um der Menschen
willen hier als Diakon! Für diesen katholischen Diakon ist die
eucharistische Anbetung mit seinem Gewissen nicht vereinbar!
Szenenwechsel:
Irgendwo in
England beantragt ein englischer Soldat eine Dienstbefreiung, um an
einer religiösen Veranstaltung teilzunehmen. Das Recht auf eine
befristete Dienstbefreiung steht Soldaten zu,um ungehindert ihre
Religion ausüben zu können, soweit dies mit den Dienstpflichten
vereinbar ist. Das ist eine der vielen Früchte der Religions-und
Gewissensfreiheit. Kein Problem-oder doch? Der Soldat wollte als
aktiver Satanist an satanistischen Veranstaltung teilnehmen. Das
wurde ihm gestattet, denn auch der Satanismus ist eine Religion, die
so frei ausgeübt werden darf.1
Kann und darf es das Anliegen der Kirche Jesu Christi sein, sich für
die Religionsfreiheit von Satanisten einzusetzen?
Die
Verurteilung der Gewissensfreiheit
Angesichts
solcher absurden aber wirklich vorfallender Gebräuche der
Gewissens-und Religionsfreiheit: wer dächte da nicht an Papst Gregor
XVI. Erkenntnis, daß die Gewissens-wie die Religionsfreiheit
Wahnsinn ist, ja eine Erfindung des Leibhaftigen.“Aus dieser
modrigen Quelle der Gleichgültigkeit, die den Glauben
betrifft,fließt jene törichte und falsche Ansicht,die man besser
als Wahnsinn bezeichnet, für jeden die Gewissensfreiheit zu fordern
und zu verteidigen. Der Wegbereiter für diesen überaus
verderblichen Irrrtum ist diese vollkommen übermäßige
Meinungsfreiheit, die auf weiten Gebieten zum Verderben der Kirche
und des Staates verbreitet ist, Einige behaupten hierbei mit großer
Unverschämtheit, daß sich daraus Vorteile für die Religion
ergeben. Der heilige Augustin sagt dagegen, was ist tödlicher für
die Seele,als die Freiheit des Irrtums:“2
Will man aber diese vernichtende Kritik des Papstes in seiner
Enzyklika: „Mirari vos arbitramur“ im Denzinger-Hünermann
nachlesen, der fast offiziellen Dokumentensammlung des Katholischen
Glaubens, wird man feststellen müssen, daß diese päpstliche
Verurteilung der Gewissensfreiheit dort wegszensiert worden ist! Und
man wird ebenso verwundert feststellen, daß die Festlegung, daß das
2. Vatikanische Konzil in der Erklärung: „Dignitatis humanae“
in Hinsicht auf die Lehre von der Religions-und Gewissensfreiheit
nicht beabsichtige, etwas zu lehren, was der verbindlichen Tradition
widerspräche, ebenso im Denzinger-Hünermann der Zensur zum Opfer
fällt. Aber das Wegszensierte ist weiterhin in Kraft gegen alle
Modernisten.
Aber so wird
die Causa: Gewissensfreiheit doch nur einseitig betrachtet?
Irgendwo in
Europa oder Amerika, den Ländern der praktizierten Gewissens-und
Religionsfreiheit: überall ist die Tötung ungeborener Kinder -unter
bestimmten Auflagen -erlaubt oder wie in Deutschland zwar weiterhin
unerlaubt aber strafffrei, wenn bestimmte Konditionen erfüllt werden
und dort stehen christliche Ärzte vor diesem Problem: darf ich als
Arzt eine vom Gesetzgeber erlaubte Abtreibung, bzw, Beteiligung an
einer Abtreibung verweigern unter Berufung auf mein christliches
Gewissen? Darf eine Agentur zur Vermittlung von Kindern an
adoptionswillige Eltern die Vermittlung an homosexuelle Paare
verweigern, wenn der Staat eine Adoption Homosexuellen erlaubt ?
Dürfen staatlich genehmigte Maßnahmen zur Euthanasie von
christlichen Ärzten verweigert werden mit der Begründung der
Unvereinbarkeit solcher Handlungen mit dem christlichen Gewissen?
Palko nennt diesen Kampf den Kampf um den Gewissensvorbehalt. Wenn
staatliche Gesetze demokratisch legitim verabschiedet werden, die
Handlungen in einem Beruf erlauben oder vorschreiben, denen die
Menschen, die davon betroffene Berufe ausüben, mit derem Gewissen
unvereinbar sind, dann haben die Betroffenen das Recht, diese
Handlungen zu verweigern auf Grund des Rechtes ihres Gewissens.
Diesen Gewissensvorbehalt zu erkämpfen sei die Aufgabe konservativer
Christen im politischen Tagesgeschäft. Das führt Palko in seinem
wirklich lesenswerten Buch: „Die Wölfe kommen“ aus.
Vorausgesetzt
wird dabei, realpolitisch angemessen, daß die nationale wie die
europäische Gesetzgebung regelmäßig Gesetze verabschiedet,
demokratisch formal legitim, die unvereinbar sind mit der
christlichen Moral. Gerade in den Bereichen der Euthanasie, der
Abtreibung und der Anerkennung und Förderung der Homosexualität ist
dies die gängige Praxis der heutigen Gesetzgebung, auch wenn
christlich sich nennende Parteien aktiv daran beteiligt sind. Bekannt
ist ja die deutsche Gesetzeslage, daß vom Staat nur solche
Schwangerschaftskonfliktberatungs-organisationen anerkannt und
staatlich finanziert werden, die Lizenzen zur Tötung von ungeborenen
Kindern ausstellen. Weil die katholischen Beratungsstellen solche
Tötungslizenzen nicht ausstellen, wird ihnen die staatliche
Anerkennung verweigert und damit auch die finanzielle Förderung. Um
weiterhin staatliche Gelder zu bekommen, ist dann ja „Donum
Vitae“gegründet worden, die dafür Tötungslizenzen ausstellen.
Der Kampf um
den Gewissensvorbehalt
Es gibt, wie
Palko aufweist, eine Tendenz in Europa wie in Amerika, diesen
„Gewissensvorbehalt“ abzuschaffen. Vermittlungsagenturen, die
sich weigern, zur Adoption freigegebene Kinder an Homosexpaare zu
vermitteln, wird die Anerkennung aberkannt, sodaß ihnen keine Kinder
mehr zugewiesen werden. „2004 verpflichtete der Chef der
Legeslative, der Gouverneur von Massachusetts Mitt Romney, alle
Beamten der Schiedsgerichte müssen auch gleichgeschlechtliche Paare
trauen. Eine Berufung auf das Gewissen sei nicht zulässig.“3
Aber auch in Europa schlägt die Homosexlobby zu: „ 2012 kam ins
niederländische Parlament ein Gesetztesentwurf,mit dem verhindert
werden soll, dass sich Standesbeamte auf ihr Gewissen berufen, wenn
sie gleichgeschlechtliche Paare zu trauen haben.“4
Ja, adoptionswilligen Eltern wird das Recht zur Adoption vom Staat
abgesprochen, wenn sie im Geiste der Kirche Bedenken gegen die
moralische Legitimität gelebter Homosexualität nur äußern! „Laut
dem Urteil des Londoner High Courth ist der Ausschluss der Johns von
der Pflege wegen ihrer Einstellung zur Homosexualität berechtigt und
keine Diskriminierung ihres Glaubens.“ Denn: „Pflegeleute müssten
den Kindern beibringen, dass homosexuelles Verhalten in Ordnung
ist.“5
Wenn es
nicht genug abtreibungswillige Ärzte gibt, dann wird zusehens Druck
auf die Ärzte ausgeübt. Als angehender Arzt hätte man ja wissen
können, daß Tötungen von noch nicht geborenem Leben zu den
Aufgaben eines Krankenhausarztes gehören, sodaß Christen dann einen
anderen Beruf hätten ergreifen können! „Im Herbst 2011 klagten
zwölf Krankenschwestern gegen die Leitung des Krankenhauses in New
Jersey in den USA. Auch sie hatte man gezwungen, unter der Drohung
der Entlassung sich an Abtreibungen zu beteiligen:“6
Die zu erwartende Liberalisierung der bisherigen Verbote von
Sterbehilfe und Tötung auf Verlangen für Ärzte und medizinisches
Fachpersonal wird diese Problematik noch verschärfen.
Der
Gesetzgeber will, demokratisch legitimiert, bestimmte Handlungen
gesetzlich erlauben, die unvereinbar sind mit der christlichen
Moral. Es gehört nun auch zu den Aufgaben des Staates, den
potentiellen Nutzern dieser Rechte an Handlungen, wie etwa
Abtreibungen und Sterbehilfe , dies auch zu ermöglichen. Wenn nun
viele die Ausübung solcher mit ihrem Gewissen unvereinbarer
Handlungen verweigern, kann es aus staatlicher Sicht zu dem Problem
kommen, daß eine erlaubte Handlung in einem Krankenhaus nicht
realisiert werden kann, weil es an Ärzten fehlt, die diese
Handlungen bereit sind auszuüben. Hier setzt nun der politische
Diskurs ein, Ärzten und auch anderen zu Handlungen zwingen zu
wollen, die die Betroffenen als unvereinbar mit ihrem Gewissen
ablehnen.
Totalitäre
Demokratie?
Der
demokratische Staat bekommt so eine totalitäre Tendenz, indem er um
der Realisierbarkeit von Gesetzen willen, die Christen als
unvereinbar mit ihrem Gewissen ansehen, die Gewissensfreiheit
einzuschränken. Bekannt ist der demokratiekritische Ausspruch
Benjamin Franklins: Was ist Demokratie? Wenn zwei Wölfe und ein Lamm
darüber abstimmen, was es zum Mittagessen gibt. Romig notiert dazu:
„Aus sich heraus kennt die Demokratie keine Begrenzung der
Herrschaft: Wo die Mehrheit diktiert ,hat die Minderheit keine
Rechte.“7
Papst Johannes Paul II. Warnte so ja, daß eine Demokratie so in der
Gefahr stehe, sich leicht in einen offenen oder hinterhältigen
Totalitarismus zu verwandeln.8
Gemeint ist damit, daß wenn alles dem formaldemokratischen
Entscheidungsprozeß unterworfen ist, es keine Werte und Normen mehr
gibt, die nicht selbst wieder demokratisch entwertet werden könnten.
Die Form löst so alle Gehalte auf. Der viel zitierte Ausspruch des
Bundesverfassungsrichters Böckenförde: „Der freiheitliche,
säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht
garantieren kann,“,9
verkennt ja, daß diese Voraussetzungen nur so lange lebendig
bleiben, wie die Demokratie sie als vordemokratische Voraussetzungen
nicht selbst zum Gestanstand der demokratischen Entscheidung macht
und sie so aufhebt. Ist alles demokratisiert, nichten sich diese
Voraussetzungen.
Den
Christen droht es, Lämmer in den westlichen Wolfsdemokratien zu
werden. Als Ausweg bietet sich da nur die Einpassung in den
Zeitgeist an als unbedingte Anerkennung des positiven Rechtes des
Staates, auch wenn dieses fundamental dem Naturrecht und der
christlichen Moral widerspricht. Diesen Anpassungsweg gingen und
gehen die C-Parteien in Europa. Und sie finden dafür breite
Unterstützung in der kirchlichen Basis und den vielfältigen
kirchlich-antikirchlich ausgerichteten-Reformbewegungen. Man denke
hier nicht nur an: „Wir sind Kirche“ sondern auch an den
„Dialogprozeß“ in der katholischen Kirche Deutschlands mit ihren
sattsam bekannten Früchten.
Es ist wohl
einer der größten Illusionen europäischer Christen nach dem
Erleiden zweier totalitärer Staatsformen, der des
Sozialismus/Kommunismus und der des Nationalsozialismus, daß die
demokratische Staatsform im Kontrast dazu eine antichristliche
Gesetzgebung ausschlösse und ob der in dieser Staatsform anerkannten
Menschenrechte auch es unmöglich mache, daß Christen durch
staatliche Gesetze zu widerchristlichen Handlungen genötigt werden.
Aber in einer postchristlichen Gesellschaft ist gerade, wenn und weil
sie demokratisch ist, mit Gesetzen zu rechnen, die so postchristlich
und auch widerchristlich sind wie die Mehrheitsmeinung der
wahlberechtigten Staatsbürger! Gerade die faktische
Außerkraftsetzung des Rechtes auf Leben bei ungeborenen Kindern
durch die jetzige Abtreibungspraxis zeigt, daß die demokratische
Staatsform gerade kein Garant für die Wahrung der Menschenrechte
ist. Ganz demokratisch können Menschenrechte Menschen aberkannt
werden, jetzt faktisch schon in der staatlichen Abtreibungspraxis und
zukünftig zusehens in der Euthanasiepraxis, indem Menschen selbst
ohne ihre Einwilligung getötet werden dürfen in der Gestalt der
sogenannten Sterbehilfe!
Eine
Orientierungsskizze:
Es soll nun
versucht werden, die aktuelle Debatte in die Geschichte des Kampfes
um die Anerkennung der Gewissensfreiheit einzuzeichnen.
Versimplifiziert kann gesagt werden, daß in einem Staate der guten
Gesetze es kein legitimes Recht auf das Insistieren einer
Gewissensfreiheit geben kann. Wenn das Gesetz auf das Gute
ausgerichtet ist als dem jus naturae oder dem offenbarten Guten, dann
kann es kein Recht geben, gegen das Gute sich zu entscheiden. Ein
Gewissen, das sich irrte und das Nichtgute dem Guten vorzöge, wäre
keines, das im Recht wäre. Die Idee der Konstantinischen Epoche mit
seinem Thron-und Altarbündnis sollte garantieren, daß das
öffentliche Leben durch gute Gesetze bestimmt wird. Diesen gegenüber
kann es kein Recht auf ein Handeln gemäß dem eigenen Gewissen wider
das staatliche und kirchliche Gesetz geben. Aus kirchlicher Sicht
galt dabei als Ideal die Überordnung der Kirche über den Staat,
mustergültig entfaltet in der Bulle des Papstes Bonifatius VIII.Unam
sanctam“ aufgrund der dem staatlichen Ziel übergeordnetem
kirchlichen Ziel des ewigen Heiles und der Einsicht, daß die
natürliche Vernunft ihre Vollendung erst in der Offenbarung findet.
Es ist jetzt nicht vonnöten, die Versuche,die mehr oder weniger
gelungenen Realisierungen dieser Idee in der Zeit der
konstantinischen Epoche darzulegen. Es reicht der Verweis, daß erst
mit dem Pauschalverdacht, daß die Kirche Gottes Wille und Gebote
verfälsche, das individuelle Gewissen als Opposition zu der
Verbindlichkeit der öffentlichen staatlichen und kirchlichen Gesetze
propagiert wurde. Luther mag hier exemplarisch für viele
Kirchenkritiker stehen.
Das
Zeitalter der innerchristlichen Religionskriege des 17.Jahrhundertes,
kumulierend im 30 jährigen Kriege schuf erst die Voraussetzungen für
das Reüssieren des Gewissens als der letztgültigen Instanz des
Entscheidens: was darf ich und was darf ich nicht. Die Aufklärung
ist dabei am besten zu begreifen, wenn sie als Domestikationsversuch
der Religionen und insbesondere der christlichen begriffen wird. Die
Religionen sollen so umgeformt werden, daß sie nicht mehr einen
legitimen Grund für Kriege in sich tragen. Die Installation des
Gewissens als der Letztinstanz des moralischen Urteilens soll so
jeder kirchlichen Morallehre übergeordnet werden. Nicht irgendeine
Kirchenlehre, sondern das Gewissen ist die Instanz, die entscheidet
über gut und böse. Die Forderung nach der Anerkennung der
Gewissensfreiheit verbindet so zwei divergierende Intentionen. Sie
soll den Menschen, der zwischen den verschiedenen Morallehren der
christlichen Konfessionskirchen steht, sagen, daß er, wenn er nicht
sich entscheiden kann, welcher er als wahr anerkennen will, es auch
vor Gott ausreiche, das zu tun, was seinem Gewissen entspricht.Und
die Forderung nach der Gewissensfreiheit fordert eine Öffentlichkeit,
in der die Gesetze und Morallehren der Kirche nicht das letzte Wort
haben. Diese können nur noch Angebote auf dem freien Markt der
Moraldiskurse anbieten und der Konsument entscheidet sich dann für
das ihm Genehme. Die Entkirchlichung der gelebten Moral ist so das
Ziel des Ideales des nach seinem Gewissen Lebenden. Dies meinte auf
der Höhe der Aufklärung noch nicht ein rein subjekjtiv
willkürliches Gewissen und auch noch nicht die Abkehr von Gott.
Nein, vielmehr war es zuerst das Nein zur Vermittlung dessen, was
wahr und gut ist, durch die Kirche mit der Behauptung eines
unmittelbaren Wissens des Guten im Gewissen des Menschen. Die These
der Unmittelbarkeit ist der Angriff auf die Kirche.
Ganz anders
sieht die Gefechtslage um den Kampf der Gewissensfreiheit aus durch
die Romantisierung der Aufklärung. Eine Verhältnisbestimmung von
Aufklärung und Romantik kann hier ob der Komplexität der Materie
nicht geleistet werden. Es soll deshalb nur abbreviaturhaft
konstatiert werden, daß die Romantik das Gewissen individualisierte
und so erst die Gleichsetzung von Gewissen und Subjektivismus
erzielte.
Und gegen
diesen romantisch-subjektivistisch geprägten Gewissensbegriff und
der Forderung nach der Gewissensfreiheit, auf diesem Verständnis
basierend, erhob das kirchliche Lehramt aufs entschiedenste sein:
Nein!. Die Moral darf nicht der Willkür der subjektiven
Gewissensbeliebigkeit aufgeopfert werden. Die Moderne bietet so ein
eigentümliches Schauspiel. Einerseits will sie die Instanz des
Gewissens als die letztendlich gültige des Entscheidens über gut
und böse proklamieren.
Andererseits
wird gerade diese Instanz in ihrer geschichtlich-sozialen Bedingtheit
entwertet, weil sie nun nur noch die Wiederspiegelung der
zeitgenössischen Moral sein soll. K,Marx würde sagen, daß der
Gehalt des Gewissens nur die individuierte Aufnahme der Gedanken der
Herrschenden der jeweiligen Zeit ist. Aber in antikirchlicher
Intention wird dieser so soziologisch und psychologisch, man denke an
Freudes Rekonstruktion des Gewissens als Gestalt des Überiches,
entwertete Instanz wieder in Stellung gebracht.
Diese
Abbreviatur des Wandels der Vorstellung vom Gewissen in seiner
antikirchlichen Intention stellt uns nun vor die Frage: wie konnte es
dazu kommen, daß die Kirche die Forderung nach der Anrerrkennung der
Gewissensfreiheit positiv aufnahm, wie es im 2. Vaticanum geschah?
Diese Frage ist leichter beantwortbar, wenn wir uns die
Rezeptionsgeschichte des Begriffes der Subsidarität in der
Katholischen Soziallehre vergegenwärtigen.
Die Idee der
Subsidarität ist eine Erfindung reformierter Christen 1517 auf einer
reformierten Synode in Emden/ Ostfriesland.10
. Als Antimodell zur Katholischen Kirche und zum organisierten
Luthertum mit seiner Tendenz zur Bureaukratisierung entwickelten sie
für die reformierten Gemeinden eine Art Basisdemokratie. Alles solle
in und von der Gemeinde entschieden werden und nur wenn eine Gemeinde
überfordert wäre, soll eine übergeordnete Instanz der
Gemeindenorganisation Entscheidungen über Gemeindeanliegen treffen
dürfen. Soviel Gemeinde wie möglich, so wenig Kirche wie unbedingt
nötig. Darauf kann dies antikatholische Aufbauprinzip des
Reformiertentums reduziert werden. Wie konnte nun aber ein so
antikatholisch geartetes Organisationsprinzip positiv von der
Katholischen Kirche rezipiert werden? Übertrüge die Kirche dies
Prinzip auf sich selbst, wäre dies die Selbstauflösung der Kirche
in einen losen religiösen Gemeindenverband. Zuerst: dies Prinzip
wendet die Kirche nur gegen den Staat und vermeidet es tunlichst,
dies Prinzip auf sich selbst anzuwenden. Im Kampf um die
Verhältnisbestimmung von Kirche und Staat dient dies Prinzip einzig
und allein dazu, dem staatlichen Regeln Bereiche zu entziehen, damit
diese Freiräume dann kirchlich ausgestaltet werden können.
Ein
strategischer Rückzug der Kirche?
Die
Herausbildung des Nationalstaates, der sich die Religionen
unterordnete evozierte eine kirchliche Strategie der Begrenzung des
Staates. Er solle Freiräume zulassen, die dann von dezentralen
selbstständigen Handlungsträgern gestaltet werden. Die Kirche
versteht sich nun nur noch als ein potentieller Träger unter vielen
in einer Ziviligesellschaft, die durch freie Bürger und bürgerliche
Vereinigungen gestaltet wird. Der Staat solle dafür nur die
Rahmenordnung setzen, darauf sich limitieren, um so diese Freiräume
zur Gestaltung zu gewähren. Implizit steht hier der Staat unter dem
Generalverdacht der schlechten Gesetze, des Verdachtes, daß sein
positives Gesetz nicht mehr kompatibel ist mit dem Naturrecht und
der christlichen Moral. Weil der Kirche die Macht und
Durchsetzungskraft fehlt, staatliche Gesetze gemäß der kirchlichen
Lehre zu erwirken, limitiert sie sich darauf, Freiräume
einzufordern, die dann von der Kirche oder christlichen Trägern im
Sinne der kirchlichen Morallehre ausgestaltet werden können. Einfach
gesagt: statt staatlich einheitlich gestalteter Schulen und
Kindergärten kirchliche Kindergärten und Schulen, die dann
innerlich in der vom Staat vorgesehenen Rahmenordnung gestaltet
werden können. Es ist der Rückzug auf Freiräume im staatlichen
Rahmenplan. Dem korrespondiert als kleinster von staatlicher
Reglementierung freier Raum das Gewissen. Hier soll der Staatsbürger
sozusagen eine staatlich anerkannte und respektierte Intimsphäre
erhalten, in der er nach seiner Fasson selig zu werden versuchen
darf. Die Königsherrschaft Christi wird so limitiert auf den
Intimraum des Gewissens und den staatlich anerkannten Freiräumen in
der Zivilgeselschaft.
Der
Pluralismus und die Kirche
Damit ordnet
sich die Kirche der weltanschaulichen Vorgabe der pluralistisch
verfaßten Gesellschaft unter. Anstelle der Unterscheidung von wahrer
und falscher Religion, tritt das Postulat der Gleichgültigkeit aller
Religionen und Weltanschauungen. Der Staat habe jede Religion und
jede Weltanschauung als reine Privatangelegenheit zu respektieren.
Die privatisierten Religionen und Weltanschauungen dürfen dann ihre
Anliegen auch in den öffentlichen Diskurs einbringen. Sie dürfen
dann auch im Sinne des bürgerlichen Vereinslebens vereinsintern oder
in Einrichtungen ihrer Trägerschaft das dortige Leben gestalten.
Es kann nur einen christlichen Kindergarten in einer pluralistischen
Gesellschaft geben, weil es auch den islamischen oder den
anthroposophischen gibt. Es gibt christliche Beerdigungen, weil der
Staat auch satanische erlaubt! So der Fall Crammer im Rechtsstreit
mit der englischen Kriegsmarine:„Wegen der Ideologie über die
Gleichheit von Religionen waren die Streitkräfte einverstanden, und
Crammer wurde der erste registrierte Satanist in der Marine ihrer
königlichen Hoheit. Falls Crammer zufällig bei einer Kampfaktion
fällt, werden für ihn die britischen Streitkräfte eine Bestattung
nach den Regeln der `Kirche des Satans`veranstalten.“11
Die Kirche
zahlt damit einen hohen Preis. Darf sie das?, lautet die Anfrage
manches Katholiken. Und nicht nur Traditionalisten fragen besorgt so!
In loser Anlehnung an C. Schmitts Essay: „Römischer Katholizismus
und politische Form“ könnte man sagen, daß die Gestaltung der
Beziehung der Kirche zum Staat, die Kirchenpolitik der Kirche
sozusagen kirchliche Realpolitik ist.
Wenn die
Kirche nicht die Macht und den Einfluß auf den Staat hat, daß er
gute Gesetze, das heißt mit der christlichen Religion kompatible
Gesetze macht, dann muß sich die Kirche darauf beschränken,
Freiräume zu erkämpfen, in denen es Christen in einer zusehens
widerchristlich verfaßten Gesellschaft möglich bleibt, gemäß der
wahren Religion zu leben. Tritt ihr in den totalitären Staaten ein
Weltanschauungsstaat gegenüber, der im Namen seiner Wahrheit, etwa
des wissenschaftlichen Sozialismus die Unterdrückung jeder anderen
Weltanschauung legitimiert, weil es kein Recht für den Irrtum und
die Unwahrheit geben kann, dann zieht sich die Kirche,
kirchenpolitisch klug handelnd auf die liberalen Standpunkt zurück,
daß der Staat nicht das Recht habe, Weltanschauungen zu
diskriminieren ob der allgemein anerkannten Menschenrechte. Es ist
eine äußerliche Anpassung an die realen Machtverhältnisse einer
postchristlichen Gesellschaft. Wer meinte, die Kirchenpolitik allein
aus der Dogmatik des Glaubens deduzieren zu können, der verkennt,
daß im kirchenpolitischen Handeln die Kirche in der Welt agiert und
somit auch weltgemäß handeln muß.
Aber was sie
im Außen bejaht, etwa das Subsidaritätsprinzip und die
Gewissensfreiheit und die Meinung der Gleichwahrheit aller Religionen
kann sie intern nicht bejahen. Wenn eine werdende Mutter es mit ihrem
Gewissen in Einklang bringen kann, ihr Kind töten zu lassen, dann
kann und darf die Kirche diese Gewissensentscheidung einer Christin
nicht akzeptieren. Sie darf es auch Pfarrern nicht gestatten,
Homosexpaare zu segnen, wenn der Geistliche das für sich in Ordnung
empfindet, das könne er vor seinem Gewissen verantworten. Und die
Gemeinde darf dann auch nicht gemäß dem Subsidaritätsprinzip
entscheiden, Homosexehen zu segnen. Denn in der Katholischen Kirche
ist für jede Gemeinde das päpstliche Lehramt zuständig, und nicht
ist die letztgültige Instanz der Auslegung des Willens Jesu Christi
die Gemeindeleitung vor Ort, wie es dem Subsidaritätsprinzip
entspräche. Und selbstverständlich muß die Kirche darum kämpfen,
daß sie als Arbeitgeber Menschen ob ihrer Religion diskriminieren
darf. Denn sonst müßte sie auch Islamistin als Kindergärtnerin
einstellen mit der Begründung, sie dürfe einer Frau ob ihres
islamischen Glaubens nicht eine Anstellung verwehren. Das wäre ein
sie diskriminierender Akt.
Aber auch
dieser Freiraum ist nicht unumkämpft. Der Kampf gegen die Freiheit
der Kirche und des Rechtes von Christen, in Übereinstimmung mit
ihrem Glauben zu leben, ist schon längst eröffnet. Dabei ist nicht
in erster Linie an totalitäre Staaten zu denken, sondern gerade, wie
es Palko in seinem Buch, „Die Löwen kommen“ detailreich
aufzeigt, der sogenannte freie Westen! Es bedarf keiner prophetischen
Begabung, um die zukünftigen Konfliktfelder gerade in Deutschland
vorauszusehen. Die gesetzliche Regelung der finanziellen Förderung
gemäß dem Subsidaritätsprinzip von sog. Freien Trägern für
soziale Dienstleistungen in der Kinder-Jugend- und Seniorenarbeit
und vielfältigster anderer sozialer Handlungsfelder ist immer auch
ein Hebel zur Beeinflussung der von den Freien Trägern geleisteten
Arbeit. Eine einfache Frage drängt sich deshalb auf: werden
katholische Kindergärten, Schulen und sonstige Bildungseinrichtungen
weiterhin vom Staat gemäß dem Subsidaritätsprinzip mitfinanziert,
wenn ihre Arbeit nicht gemäß der Genderideologie, nicht als
Hinführung zur Akzeptanz der Pluralität gelebter Sexualität
ausgerichtet ist? Wird eine katholische Eheberatung noch finanziert
durch den Staat, wenn in ihnen keine Eheberatung für Homosexpaare
geleistet wird? Und wie lange wird der Staat noch kirchliche
Kindergärten finanzieren, die ihre Arbeit christlich ausrichten,
wenn auch dort die Mehrheit der Kinder nichtchristlich ist? Donum
Vitae zeigt: als der Staat die Arbeit der kirchlichen
Schwangerschaftskonfliktberatung nicht mehr mitfinanzieren wollte,
weil diese keine Tötungslizenzen mehr auszustellen bereit waren auf
die Initiative des Papstes hin, da verließen Mitarbeiter die
kirchliche Beratungsstellen, gründeten Donum Vitae, um weiterhin die
Staatsgelder zu bekommen! Die Deutsche Caritas steht dem leider in
nichts nach. Auf ihrer offiziellen Homepage lobt sie das Buch:
„Gender Mainstream im Kindergarten“. Man könne gar nicht früh
genug mit der sexuellen Umerziehung der Kinder beginnen12.
Schwere Zeiten drohen so auch den letzten christlichen Freiräumen
von außen und durch die innere Bereitschaft, opportunistisch sich
dem dominierendem Zeitgeist zu unterwerfen! Vom eigentlichen Ideal,
daß der Staat, damit er ein guter Staat ist, gemäß der in der
Kirche präsenten Offenbarung Gottes regieren sollte, haben wir uns
so weit entfernt. Die implizite Voraussetzung des kirchlichen Jas zur
Forderung nach der Gewissensfreiheit ist ja die realpolitisch nicht
bezweifelbare Einsicht, von demokratischen Staaten eher mit dem
christlichen Glauben unvereinbare Gesetze zu erwarten, gerade weil
unsere jetzigen demokratisch verfaßten Gesellschaften postchristlich
und in ihrer hedonistischen Ausrichtung schon widerchristlich
orientiert sind.
1Vgl:
Palko, F., Die Wölfe kommen, 1.Auflage, 2014, S.361f.
2Zitiert
nach: Wikipedia, Artikel: Gewissensfreiheit.
3Palko,
V., Die Löwen kommen, 1,Auflage 2014, S.322.
4Palko,V.a.a,O.
S.324.
5Palko,
F.,a.a.O.S. 360.
6Palko,F.,
a.a,O, S.374.
7Romig,
F., Der schöne Schein und die Demokratie, in: Romig, F.,Der Sinn
der Geschichte, 2011, S.119.
8Vgl:Johannes
Paul II., Enzykika: Centensimus annus, n.46.
9Zitiert
nach: Romig, F.,Der schöne Schein der Demokratie, in: Romig, Der
Sinn der Geschichte, 2011, S.116.
10Vgl:
Wikipedia, Artikel: Subsidarität.
11Palko,
F, a.a.O.S. 361f,
12Vgl:
Kath net, 18.3.2014, 18Uhr, Caritas befürwortet Gender Mainstream
im Kindergarten
Für diesen katholischen Diakon ist die eucharistische Anbetung mit seinem Gewissen nicht vereinbar!
AntwortenLöschenGenau das ist der Grund warum die römisch-katholische Lehre immer unglaubwürdiger und unwichtiger wird.
Weil die Menschen für die römisch-katholische Kirche unwichtig sind.