Sonntag, 11. Januar 2015

Krise der Theologie

Wenn das Wahre zur Ware wird!

Der Apostelfürst Paulus schreibt uns dazu: „Denn e+ wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nict erträgt, sondern sic nac eigenen Wünscen immer neue Lehrer suct, die den Ohren scmeiceln; und man wird der Wahrheit nict mehr Gehör scenken, sondern sic Fabeleien zuwenden.“ (2. Timotheus, 4,3f).Der Philosoph Sloterdijk könnte uns diese Zeit, was damit gemeint ist, näher bringen durch eine kleine, aber sehr tiefsinnige Anmerkung: „[...]daß Religionen wie Theorien und Kunstwerke im Lauf des 20.Jahrhunderts Handelsgüter und Dienstleistungen geworden sind und sich als solche auf allgemeine Marktbedingungen einlassen müssen. Man muß Theologien mit Verlagsprogrammen vergleichen.“1Der Fundamentaltheologe Magnus Striet sagt etwa in seinem Vortrag: „Den Glauben erneuern“: „Überhaupt gelte es dringend, mit „dem verkrusteten Erscheinungsbild von Kirche aufzuräumen“. Da dürfe man auch mit Traditionen-wie zum Beispiel Zölibat, kirchliche Ämter für Frauen-mutig umgehen.“ Und: „So sollte es beispielweise heute eigentlich selbstverständlich sein, dass auch wiederverheiratete Geschiedene die Euvcharistie empfangen können.“2 Selbstverständlich sind diese Aussagen mit der „gesunden Lehre“ der Kirche unvereinbar. Die Kirche verfügt über ein komplexes Regelwerk, das sagt, welche Bedingungen eine Aussage zu erfüllen hat, damit sie als wahr gelten kann. Die Kernpunkte sind: die Schriftgemäßheit, die Übereinstimmung mit der Tradition und dem Lehramt und selbstverständlich, daß eine Aussage nicht den anderen Aussagen der kirchlichen Lehre widersprechen darf.
Wenn man nun wie dieser Fundamentaltheologe statt der gesunden Lehre den Ohren Schmeichelndes als Wahrheit lehren will, muß man also die Theologie selbst revolutionieren! Die traditionellen Bedingungen dafür, daß eine Aussage als wahr gilt, muß als nichtig erklärt werden. Striet geht hier radical vor: „Das, was wir Gott und Religion nennen, ist ein Menschenwerk. Der erhoffte Gott ist eine Projektion des Menschen“ verkündete er in diesem Gemeindevortrag!3 „Die Kirche ist ein weltlich Ding“, setzt er noch drauf, hier Luthers Desavouierung der Ehe auf die Kirche übertragend. Wenn die Kirche und ihre gesunde Lehre nur ein menschlich-allzumenschliches Produkt ist, dann kann es auch von den Menschen geändert werden! Und das Produkt Kirche mitsamt ihrer gesunden Lehre kommt eben heuer bei den potentiellen Konsumenten nicht mehr gut an; es ist nicht mehr verkaufbar! Darum muß die verkrustete Kirche modernisiert werden, also dem Konsumentengeschmack angepaßt werden. Daß die Kirche nicht in Ordnung ist, das beweist ihm, daß bei jedem Heimspiel des Bundesligafußballvereins Borussia Dortmund genauso viele Besuche kämen, wie zum Papstbesuch in Deutschland, nämlich 80000.Für Striet ist die Kirche so ein Unternehmen, daß seine Wahrheit am Verkaufserfolg mißt: wie viele nehmen die kirchliche Dienstleistung in Anspruch! Die Kirche müsse anders funktionieren, damit sie eben mit ihren Dienstleistungen mehr Menschen erreicht! Und für das Mehrereichen muß man halt den Ohren der potentiellen Kunden mehr entgegenkommen als es die traditionelle kirchliche Lehre tut.
Die kirchliche Tradition wird so von ihm umgedeutet als ein „Lernprozeß“, in der die Kirche immer bemüht war. Ihre potentiellen Konsumenten gut zu erreichen. Es ist der Ohrendienst der Kirche. Aber der moderne Konsument ist eben ein schwieriger Konsument. „Die Menschen dächten neuzeitlich, seien autonom und weitestgehend frei in ihrer Entscheidung“. Diesem modernen Selbstbildnis des Menschen müsse nun der Gott der Kirche angepaßt werden. Das kirchliche Produkt muß eben marktgemäß sein. Das marktgemäße Gottesbild sei das der unbedingten Barmherzigkeit und das, der dem Menschen Freiheit zumutet und Gerechtigkeit will.
Er konstatiert zwar eine steigende Nachfrage religiöser Sehnsüchte, aber der Gott der Kirche, der Gott der gesunden Lehre entspräche eben nicht dieser Nachfrage. Deutlich wird dabei, daß das einfache Faktum, daß der heutige Konsument eben neuzeitlich dächte zu dem Normativen für die Theologie avanciert. Nicht die Schrift, nicht die Tradition, nicht das Lehramt, sondern das neuzeitliche Denken soll so die Norm sein, der alle Lehrbestände der Kirche zu unterwerfen sind. Und da muß für ihn selbstverständlich das Zölibat fallen und wohl das Frauenpriestertum eingeführt werden-nicht weil das wahr wäre im Sinne von: Gott will das so!, sondern weil daß den Konsumwünschen zeitgenössischen Denkens entspricht.
Unbedingte Barmherzigkeit meint dann: wie Gott zu denken ist, daß all das, was er als verbindliche Wahrheit offenbart hat, von uns Modernen als nicht mehr zeitgemäß abgelehnt werden darf, ohne daß Gott dagegen einen Einspruch erhöbe. Unter der menschlichen Freiheit ist dann die Konsumentenfreiheit zu verstehen, kaufen zu dürfen, was ich will, sofern es die Kaufkraft zuläßt. Und Gerechtigkeit? Gerecht ist es, wenn alle gleichberechtigt frei konsumieren dürfen.
Und damit erblicken wir nun ein zweites wesentliches Moment dieser Ohrenschmaustheologie. Frug der Philosoph Leibniz, ob wir in der denkbar bestmöglichen aller Welten leben, denn Gott hätte ob seiner Vollkommenheit ja nur die bestmögliche Welt erschaffen können, so zeigt Striet, daß es zur Aufgabe der Ohrenschmaustheologie gehört , nachzuweisen, daß wir in der Gegenwart wirklich in der bestmöglichen Welt leben. Denn die Moderne ist die Welt der Freiheit und dazu hat Gott den Menschen bestimmt. Wenn der autonome Mensch zum Weltbürger wird, wenn also jeder frei ist, dann ist die Gerechtigkeit realisiert.Diese Theologie sucht so nicht einfach nur die Konsumwünsche der Privatkondsumenten zu befriedigen, sondern auch das gesellschaftliche Bedürfnis nach einer Legitimierung der modernen Gesellschaft. Sie darf sich nun, statt als Abfall vom christlichen Abendland als die Realisierung der gottgewollten Freiheit verstehen. Warf man einst einem Eusebius von Caesarea vor, Hoftheologe des Kaisers Konstantin zu sein und eine politische Theologie der Verklärung des Thron und Altarbündnisses zu betreiben, so ist Striet der Apologet der Moderne als die Gesellschaftsformation, in der der Mensch die Freiheit realisiere, auch und gerade weil diese ihm immer auch als Aufgabe gegeben ist. Es ist somit eine eminent politische Theologie der reinen Affirmation der Moderne.Und die Kirchenkritik reduziert sich auf die Polemik, daß die Katholische Kirche noch nicht in der Moderne angekommen ist, sich ihr noch nicht gänzlich eingepaßt hat.
Für Luther war die Ehe kein Sakrament sondern ein rein weltlich Ding. Und darum kann die Lutherkirche auch den Wandel der Ordnung der Ehe mitvollziehen. Als die Welt es gefiel. Ehen für scheidbar zu erklären, sagte sie dazu Ja; wenn jetzt die Homosexehe die Welt begehrt, kann sie auch dazu Ja sagen, Wenn die Katholische Kirche erst sich selbst wie Luther die Ehe verweltlichte, sich selbst auch verweltlichen würde, dann könnte sie sich auch stromlinienförmig der Welt gleichschalten und sich ganz den autonomen Konsumwünschen öffnen, befreit von allen heteronomen Ansprüchen Gottes an die Kirche. Daß Paulus ein wahrer Prophet war, wer wollte und könnte das noch bezweifeln:
Denn e+ wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nict mehr erträgt, sondern sic nac eigenen Wünscen Lehrer suct, die den Ohren scmeiceln.“
Als Jesus seine Bergpredigt beendet hatte, reagierte die Hörerschaft so: daß sich das Volk über seine Lehre entsetzte! Mt 7,28

P:.S.: Wir Menscen sind immer auc Glieder unserer Zeit. Die Causa Striet ist so nict einfac ein individueller Fall, sondern demonstriert, wie man denkt in der Zeit de+ Primate+ der Ökonomie, in der da+ ideologisce Denken die Verklärung der Grundprinzipien der marktwirtscaftlic gestalteten Ökonomie ist. Vom: man denkt zum Ic denke ist die Emanzipation au+ dem Zeitgeist, aber da+ ist da+ Privilegium der Unzeitgemäßen   

1Sloterdijk, P., Heinrichs, H.H., Die Sonne und der Tod. Dialogische Untersuchungen, 2001, S.33.
2Striet, M. „Und dann wird auch die Frage nach Gott spannend“, in: Münsterländische Volkszeitung, 3.5.2013.


3Striet, a.a,O.

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