Determination
und Freiheit
Gottes Regieren und die menschliche Freiheit
oder
gefährliche Gedanken
Wer
kennt nicht diesen Satz des Römerbriefes? „Wir
wissen, daß Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten
führt“,wobei meist weggelassen wird: bei
denen, die nac seinem ewigen Plan berufen sind;“ Röm 8,28.
Aber verstehen wir diese Aussage auch? Zur Veranschaulichung der
Problematil nehmen wir den Fall einer vergewaltigten Frau. Nehmen wir
an, daß sie eine praktizierende Katholikin ist. Unter „Alles“
fällt nun auch dieses Widerfahrnis, daß sie vergewaltigt worden
ist. Wenn das „Alles“ alle Negativererignisse ausschlösse, dann
wäre diese Aussage ja ziemlich trivial, daß alles Gute Gott uns zum
Guten führe. Allerdings schreibt Paulus im Hohen Lied der Liebe, daß
die Liebe alles glaubt, (1.Kor.13,7.) Hier müssen wir wohl ergänzen
zu allem Wahren, denn was wäre das für eine Liebe, wenn sie auch
allen Unwahrheiten Glauben schenken würde. Hier kann Paulus mit dem
Alles nicht alles gemeint haben!
Führt
allso ihr Vergewaltigtsein ihr zum Guten? Bekannt sind solche
Geschichten: ich bewarb mich um die Stelle A, es wäre mein Traumjob
gewesen, aber ich wurde abgelehnt. 2 Monate später bekam ich eine
andere-und die war für mich viel besser als die erste. Als ich
abgelehnt wurde, da fing ich an zu zweifeln, ob mein Gott mich
verlassen habe, denn ich brauchte doch als Familienvater unbedingt
die Stelle, weil es mit dem Hartz 4 einfach so nicht weiterging..aber
jetzt sehe ich, daß Gott es gut mit mir und meiner Familie gemeint
hatte, daß er mir die erste Stelle nicht gab, weil er mir die zweite
geben wollte. Die Moral von solchen Beispielgeschichten: auch wenn du
es jetzt noch nicht begreifst, warum dir so ein Unglück widerfahren
ist, Gott wird sich dabei etwas für dich Gutes dabei gedacht haben,
sonst hätte er dies Unglück nicht zugelassen oder gar selbst
gewirkt.
Aber
ist das auch auf diesen Exremfall der Vergewaltigung anwendbar? Zu
beachten ist dabei ja, daß es nicht heißt, daß jedes Widerfahrnis
aus sich heraus zum Guten gedeiht, sondern daß diese Frucht erst
durch Gottes Wirken aus den Widerfahrnissen erwächst. Aber was für
eine gute Frucht sollte und könnte Gott einer Frau aus ihrem
Vergewaltigtwordensein erwachsen lassen? Das soll jetzt keine
rhetorische Frage sein, aber sie soll erstmal so in der Luft stehen
bleiben, uns ratlos vor ihr stehen lassend.
„Allen,
die ihn(Gott) lieben“-diese kleine
Einschränkung überlesen wir gern. Nur denen, die Gott lieben gilt
diese Verheißung. Jetzt nähern wir uns einem gefährlichen
Gedanken. Ich könnte so urteilen: wenn die Frau Gott wirklich
geliebt hätte, wäre sie nicht vergewaltigt worden, denn Gott hätte
ein so großes Unglück von ihr ferngehalten, weil aus einem
Verbrechen wider diese Frau nichts Gutes für die Frau erwachsen
kann. Die Selbstbefragung der betroffenen Frau hätte dann das
Resultat: wenn ich Gott wirklich geliebt hätte, wäre mir das nicht
widerfahren; weil es mir widerfahren ist, war meine Liebe zu Gott
nicht eine wahre Liebe, eine in Gottes Urteil genügende. Es geht in
dieser Aussage ja nicht um die Liebe, die Gott zu uns Menschen hat,
sondern um die unserige zu ihm! Und niemand wird doch wohl behaupten
wollen, daß alle Menschen Gott lieben!
Ja,
wem gilt dann diese Verheißung? Schaue ich auf mich und befrage
mich: liebe ich Gott? Und wenn die Johannesoffenbarung von der lauen
Liebe zu Gott zu sprechen weiß, dann muß hinzugefügt werden: liebe
ich Gott genug oder doch nur lau und reicht eine laue Liebe? Was
wissen wir über die, die Gott lieben? Paulus sagt über sie:die,
die er im Vorau+ dazu bestimmt hat, an Wesen und Gestalt seine+
Sohne+ teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern
sei.“ (Röm 8,29). Das Gott Lieben ist
damit gemeint, an Wesen und Gestalt Jesu teilzuhaben! Also: Gott hat
Menschen dazu erwählt, Gott zu lieben und die er dazu erwählt hat,
die lieben Gott auch, sodaß ihnen diese Verheißung gilt-den
Nichterwählten gilt sie nicht. Und woran erkenne ich, daß ich ein
Erwählter Gottes bin? An meiner Liebe zu Gott-und woran erkenne ich,
daß ich Gott liebe? Daran, daß mir nichts widerfährt, das mir
nicht -durch Gottes Wirken-zum Guten gereichen würde! Jetzt sind wir
-konfessionskundlich gesprochen-im amerikanisierten Calvinismus
gelandet, der besagt: wen Gott erwählt hat, den bewahrt er vor
Niederlagen und hilft ihm zum Erfolg, so daß ich an meinem
weltimmanent erkennbaren Erfolg mein Erwähltsein erkennen kann.
Wichtig: nicht weil ich erfolgreich bin, bin ich erwählt-sondern:
weil ich ein Erwählter bin, gewährt mir mein Gott Erfolge und
bewahrt mich vor wirklichenUnglücksfällen, aus denen mir nichts
Gutes erwachsen kann! Nebenbei:ohne diesen veramerikanisierten
Calvinismus wird Amerika nie begriffen werden mit seiner uns
Kontinentaleuropäern so selbstverständlichen Gleichsetzung von
Erfolg haben und Recht haben.Gott ist mit Amerika, weil es eben die
erfolgreichste Nation ist und in ihr sind die Erfolgreichen die
Erwählten Gottes und die Armen eben nicht. Amerikanisch ist dabei
die Identifizierung des „zum Guten mit
einem weltimmanent erkennbaren Erfolg bzw dem Ausbleiben von
wirklichen Mißerfolgen. Das Zum Guten könnte
Paulus ja auch rein eschatologisch gemeint haben!
Aber
jetzt sind wir doch noch etwas oberflächlich geblieben! Wie ist denn
Gott zu denken, daß diese Verheißung wahr sein kann? Gott erwählt
bestimmte Menschen-nicht alle. Für diese Erwählten soll nun gelten:
egal, was ihnen widerfährt, es gedeiht ihnen zum Guten -durch Gott.
Das könnte so gedeutet werden: Gott regiert so die Welt, daß seinen
Erwählten nur das an Negativem widerfährt, woraus ihnen dann etwas
Gutes erwächst. Dem hl Ignatius von Loyola zerschmetterte eine
Kanonenkugel das Knie-bettlägrig las er Heiligenviten, in
Ermangelung von weltlichen Romanen, die er hätte lesen wollen, aber
sie gab es nicht im Spital-er las also und dadurch wurde er bekehrt!
Zwei Widerfahrnisse gereichten ihm zum
Glück: die Kanonenkugel und das Fehlen der Wunschliteratur.Gott
wirkte aber nicht nur äußerlich, durch diese zwei Widerfahrnisse,
sondern er erleuchtete ihn auch innerlich, sodaß so erst das
äußerlich Gelesene ihm zum Heil wurde. (Nachlesbar in dem nicht
hoch genug zu würdigendem Meisterwerk: „Maria, meine Zuflucht und
mein Trost, von M. Sintzel, 1919, S.668)
Nur,
die Geschichte ist uns doch eine komplexe Serie von zufälligen,
kontingenten Ereignissen, daß die Kanonenkugel ihn traf und zwar so
traf, und daß gerade in diesem Spital der Verletzte keine weltlichen
Romane vorfand! Sollen wir jetzt urteilen: was uns als zufällig
erscheint, ist durch Gott so gewirkt, daß es so geschah?
Determiniert Gott die menschliche Geschichte, sodaß deshalb gilt,
daß den Erwählten nichts wirklich Negative trifft? Gilt dies
göttliche Determinierung der Gesamtgeschichte der Menschheit und
jedem Einzelereignis oder nur besonderen Geschichten in der
Geschichte? Also: alle Kanonenkugeln trafen oder trafen auch nicht,
aber die eine, die den Ignatius treffen sollte, die traf, weil Gott
sie so gelenkt hat?
Und
wie verhält es sich nun das Erwähltsein durch Gott zu dem Gott
Lieben? Offenkundig war Ignatius schon ein Erwählter, bevor er sich
bekehrte-aber daß er sich bekehrte, das war die Frucht seines
Erwähltseins, denn deshalb erleuchtete Gott ihn, als er die frommen
Bücher las, sodaß sie ihm zum Heile wirkten!
Hiermit
stoßen wir auf eines der größten Probleme der Theologie: wie
verhält sich das Erwähltsein durch Gott zu unserer Freiheit! Könnte
es den Fall geben, daß ein Mensch zur Liebe zu Gott von Gott erwählt
und bestimmt ist und daß dieser kraft seiner Freiheit sich gegen
diese Erwählung zur Nichtliebe selbst bestimmt? Könnte es den Fall
geben, daß ein Nichterwählter anfängt, Gott zu lieben oder können
das nur von Gott Erwählte? Kann ich selbst erkennen, ob ich ein
Erwählter oder ein Nichterwählter bin?
Man
könnte sich das nun einfach machen, indem geurteilt wird, daß Gott
alle Menschen liebe und so jeden dazu bestimmt habe, daß er Gott
liebe, sodaß ihm alles zum Guten gereichen wird, nur daß der Mensch
dann sich gegen seine Erwählung entscheidet und es so allein auf
sein Sichentscheiden ankäme, ob er Gott lieben wolle oder nicht,
denn Gott gibt jedem die Möglichkeit, sich für oder gegen Gott zu
entscheiden!
Oder
wollen wir denn nun doch calvinistisch werden und sagen: am Erfolg
erkennen wir das?
Ein
Mensch kann Gutes erleben oder Böses erleiden. Wie nun, wenn wir das
„Alles“ so deuten, daß was auch immer mir zufällig, oder besser
gesagt kontingent geschieht, ob es gut oder böse ist, mir zum Guten
wird, weil Gott das kontingente Widerfahrnis mir immer zum Guten
werden läßt. Das hieße, daß das Unglück, das mich traf, mich
auch nicht hätte treffen müssen,daß zur indikativischen Aussage,
das geschah, die konjunktivische, es hätte sich auch anders ereignen
können, hinzutritt, weil die Geschichte nicht determiniert ist, Nur,
daß Gott nun mir verheißt, daß, egal, was mir geschieht, er es mir
zum Guten werden läßt und daß dies in der Regel etwas Gutes in
Hinsicht auf das ewige Leben meint.
Nur,
das könnte nun doch Gott deistisch verflüchtigen, daß Gott zwar
die Welt geschaffen habe, aber nun nur noch ein Zuguckgott ist, der
das Welttheater sich anschaut, um am Ende alle Schauspieler zu
belohnen oder auch nicht.
Bleiben
wir im Bilde des Welttheaters, daß Gott die Welt als Theater
geschaffen hat und jedem Menschen eine Rolle in dem Theater gegeben
hat mit all dem, was er laut dem Regieplan des aufzuführenden
Stückes zu tun und zu erleiden habe. Die Erwählten wären dann die,
die nach der göttlichen Regie die wären, die dazu bestimmt sind,
die Rolle der Gläubigen zu spielen und das Theaterstück sieht dann
vor, daß ihnen im Stück alles zum Guten gedeiht. Das wäre eine
Welt, in der alles durch den göttlichen Regisseur determiniert
wäre-eine Welt ohne Freiheit, so wie es Luther und Calvin sich
gedacht haben als Reformatoren. (Für Luther nachlesbar in seiner
seiner Meinung nach wichtigsten Schrift, die wider den freien Willen
und Calvin in seinem Unterricht der christlichen Religion-das zur
Kenntnisnahme isb. für ökomenisch Engagierte!) Wenn aber der Mensch
als zur Freiheit Bestimmter gedacht sein soll, dann müßte dies Bild
des Welttheaters anders gedacht werden: daß Gott Rollen den Menschen
gibt, die der Mensch dann frei interpretieren kann als Schauspieler.
Der Mensch spielte frei seine Rolle, so wie er sie spielen will.
Das
macht dann die Aussage aus dem Römerbrief sehr kompliziert.Ob ich
ein Gott Liebender bin, hängt dann davon ab, ob Gott mich dazu
bestimmt hat und ob ich mich dann auch gemäß dieser göttlichen
Bestimmung selbst dazu bestimmt habe! Und ich stehe somit immer auch
vor der Anfrage: liebe ich wirklich Gott so, daß mir diese
Verheißung auch gilt? Jetzt einfach in den Himmel springen und zu
sagen: ich weiß aber, daß Gott mich erwählt hat, das ist kein
erlaubter Sprung, denn ich kann, solange ich hier auf Erden lebe,
nicht wissen, ob ich wirklich ein Erwählter bin! Weder weltimmanente
Erfolge noch weltimmanente Mißerfolge zeigen mir mein Erwähltsein
noch mein Nichterwähtsein!
Eines
kann aber gesagt werden: diese Verheißung verlangt keinen göttlichen
Determinismus, um wahr zu sein. Selbst wenn alles sich in der
Geschichte kontingnt ereignete, könnte Gott alles seinen Erwählten
zum Guten gedeihen lassen, sofern das Gute dann streng eschatologisch
gedacht wird. Aber es kann auch nicht wegdiskutiert werden, daß es
für Paulus Menschen gibt, dcnen diese Verheißung nicht gilt, weil
sie Gott nicht lieben, auch wenn der letzte Grund ihrer Nichtliebe zu
Gott dann ihr Nichterwähltsein ist, es sei denn, man meinte, daß
auch ein Nichterwählter auch Gott lieben könne.
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