Der
lang angekündigte Tod der cristlicen Mission
Auf
der Spurensuce seines Absterbens-Der Appell von Baden1
In
wohl nicht unbeabsichtigter Anspielung zum „Krefelder Appell“,
dem Kuliminationspunkt der längst verstorbenen Friedensbewegung, der
Kampfansage gegen den sogenannten Natonachrüs-tungsbeschluß
kommt jetzt im Jahre 2006 der Appell von Baden und auch ihm geht es
um den Weltfrieden, der jetzt gefährdet ist einerseits durch den
islamistischen Terrorismus und andrersseits durch das
imperialistische Hegemoniestreben Amerikas. Dieses durch ein Vorwort
des evangelischen Landesbischofes Dr. Ulrich Fischer präludierte und
damit quasi amtliche Schreiben präsentiert nun im Rahmen der Sorge
um den Weltfrieden Erwägungen, was der Beitrag des Christentumes,
der christlichen Kirchen zur Wahrung des Friedens sein könnte.Unter
dem Punkt 9 unter der Überschrift: „Gespräche vor allem mit dem
Islam“2
heißt es:daß die Unterschiede, die theologischen zwar anerkannt
werden sollen, die zwischen dem Christentum und dem Islam, aber es
müsse einen unmißverständlichen Verzicht „auf
Alleinvertretungsansprüche und Missionierungsversuche“3
geben als Voraussetzung eine friedlichen und gerechten Miteinanders
von Muslimen und Christen! Es wird eine Ökumene der Religionen
gefordert in Hinsicht auf die ethische Verantwortung für eine
künftige Weltgesellschaft.Diese humane Weltgesellschaft sei das Ziel
aller Religionen und um dieser Weltverantwortung willen sei auf alles
Missionieren zu verzichten4.
Der
Begriff der Mission wird dabei geschickt kontaminiert, indem er in
den Vorstellungsraum von extrem fundamentalistischen Gruppen und
Bewegungen“ eingezeichnet wird, die nicht mal vor der Möglichkeit
„gewaltsamer Durchsetzung je eigener Positionen“ zurückschrecken
würden. Von eder Art von Mission müsse so Abschied genommen werden,
um des Weltfriedens willen, lautet so die theologische Kernbotschaft
dieses protestantischen Appelles.
Daß
kein Frieden auf Erden ist, ein Teil dieses Problemes seien die große
Religionsgemeinschaften selber. Selbstkritisch heißt es vor der
Kritik des Islam und des Judentumes: „Die Christen haben war
Zwangschristianisierungen, Kreuzzüge, Hexen- und Ketzerverbrennungen
inzwischen überwunden. Aber fundamentalistische Strömungen sind
nach wie vor bereit, im Namen Gottes Absolutheits- und
Dominanzansprüche zu erheben und Gewaltmethoden dabei nicht
auszuschließen.“5Absolute
Wahrheitsansprüche6
und Gewaltmethoden verhalten sich in dieser protestantischen
Vorstellungswelt wie Ursache zu Wirkung: wo die Wahrheit als
offenbarte im Besitz befindliche geglaubt wird, da generieren sich
Gewaltmethoden der Missionierung. Missionieren ist schon ein Akt der
Gewalt wird man wohl interpretierend diesen Grundgedanken
zusammenfassen dürfen.Und, dieser Friedensappell kennt und benennt
den Feind des Friedens: da wo Religionen ihre jeweilige eigene
Wahrheit verabsolutieren. Neben diesem Feindbild wird in gut
protestantischer Manier noch die Kirchenhierachie als zusätzliches
Feindbild in einer zustimmenden Leserzuschrift angemahnt: „Der
Wettbewerb der Religionen verleitet führende Kirchenvertreter dazu,
Differenzen zwischen den Religionen zu betonen und Gemeinsamkeiten zu
vernachlässigen.“7
Aus einem bureaukratischen Selbsterhaltungswillen heraus versuchen so
Kirchenführungen Differenzen groß zu machen. Missionierende
Fundamentalisten und um den Erhalt des Status Quo besorgte
Kirchenleitungen verhindern so die längst überfällige Ökumene
aller Religionen auf dem Wege zur universal globalisierten
Friedensweltgesellschaft.8
So
oberflächlich appellativ dieser Appell auch daherkommen mag, so naiv
schlicht seine dualistische Weltsicht der Unterscheidung von den
Guten und den Bösen auch ist und wie aggressiv auch die Forderung
des Ausschließens aller fundamentalistisch- missionarischen Kräfte
aus der Weltfrierdensordnung ist so daß der Ausschluß die Gefahr
des zu bannenden Krieges reproduziert, so bedenklich ist doch das
diese Vorstellungswelt stützenden Paradigma.Und es lohnt sich,
dieses Paradigma zu eruieren, denn die Zustimmung dazu beschränkt
sich nicht auf den protestantischen Raum! Und es ist ein offenes
Geheimnis, daß dieser hier so kraftvoll geforderte Verzicht auf die
Mission schon längst die Praxis auch der Katholischen Kirche
geworden ist! Es sei nur en passant an das Votum Kardinal Lehmanns
erinnert, daß die Kirche auf jede Art von Judenmission zu verzichten
habe9.
Um
einen ersten Eindruck der Auflösung des Auftrages zur Mission zu
bekommen, soll hier nun auf die Katholische Synode zu Würzburg
geschaut werden10,
auf den Beschluß zur Mission, in dem Grundelemente dieses Neins zur
Mission fundierenden Paradigmatas sich manifestieren. Es ist ein
wahrlich ökumenisches Paradigma.
Die
Perhorreszierung der christlichen Mission
„Die
Mission sei ein Überrest kolonialen Denkens. Sie wolle nur den
Einflußbereich der Kirche erweitern.-Die Mission sei Ausdruck
christlicher und westlicher Überheblichkeit. Sie mißachte die
religiösen Überzeugungen der Andersgläubigen und die hohen Werte
fremder Kulturen. -DieMission sei nur auf Bekehrungen aus. Sie
übersehe, daß die Menschen auch in den anderen Religionen Gott
begegnen und ihr Heil gewinnen können. -Die Mission lenke von den
eigentlichenProblemen der heutigen Welt ab. Sie solle sich lieber
darum kümmern, daß die Menschen genug zu essen haben, frei leben
können und ihr Recht bekommen.“11
-Dieses Kompendium reinster Antichristlichkeit entstammt
nicht einem freimaurerischen Verschwörungstreffen, sondern wird als
„Das Unbehagen an der Mission, das viele Christen äußern“ in
der Präambel des Beschlusses des gemeinsamen Synode der Bistümer
Westdeutschlands angeführt. Das, was viele Christen äußern, ist
nun im Zeitgeiste der Demokratisierungsforderung der Kirche ein
starkes Argument, denn die Quantität dieser Meinungs-äußerung
erhöht sie zur zeitgemäßen Wahrheit.12
Und
die weitere Erörterung und Beschlußfassung zum Thema der Mission
steht dann ganz im Banne dieser Perhorreszierung und zeigt, wie sehr
der Beschluß sich mit diesem Horrorbild kirchlicher Mission
identifiziert, um sich dann davon zu distanzieren unter der Maxime
einer zeitgemäßen Gestaltung. „In Treue gegen Gottes Wort fragt
sie nach dem Sinn und der Gestalt der Mission in der Gegenwart“13.
Die Gegenwartsgemäßheit avanciert hier zu dem Kriterium der
Sachgemäßheit und das Zeitgemäße koinzidiert unter den Conditonen
der Massendemokratie zum Übereinstimmen mit dem, was der Zeitgeist
artikuliert in dem, was man so sagt, eruiert aus repräsentativ
erhobenen Umfragewerten. Interessant ist, daß die katholische Lehre,
das traditionell normativ Vorgegebene reduziert wird auf: „das Wort
Gottes“. Diese Punktualisierung ermöglicht im ideengeschichtlichen
Horizont der damals aktuellen Wort Gottes Theologie, deren Geburtsort
in der sogenannten „dialektischen Theologie“ des
Protestantismuses zu verorten ist und die über Karl Barth nach 1945
in der Ökumene reüssierte, sich von der Tradition zu entbinden, um
dann das so entkleidete abstrakt gewordene Wort Gottes im Mahlstrom
der Zeitge-mäßheit untergehen zu lassen, es vom Geist der Zeit
ausfüllen zu lassen.
Um
der Ausgewogenheit willen wird in Punkt 0.4.2 der Präambel darauf
insistiert, daß die traditionelle Mission auch auf positive Früchte
verweisen könnte. „So wurden vielen ein Weg aus Angst, Aberglauben
und Magie eröffnet“14
und das wäre die positive Seite der Katholisierung. Das Positive ist
also die Aufklärung der Menschen, in der sie ihre angestammte
Religion überwinden und nicht die Neubeheimatung in der wahren
Religion. Aber der positiv besetzte Alternativbegriff zur Mission ist
nicht die Religionskritik als Herausführung aus der Knechtung durch
magisch- abergläubische Religionen hin zur westlichen Säkularität
sondern der Begriff des Zeugnisses. Um diese Antithetik von Mission
und Zeugnis, die hier in diesem Synodenbeschluß präfiguriert wird,
zu verstehen, müssen diese beiden auf den ersten Blick nicht
oppositionell zueinander stehenden Terme in ihrem jeweiligen
kontextuellen Vorstellungsraum begriffen werden.Es wäre ein
Trugschluß, zu meinen, daß einfach dem Term unabhängig von dem
Vorstellungs-raum, in dem er eingezeichnet ist, eine stetige
Gleichbedeutung zukommt, als bedürfte es jetzt nur einer
lexikalischen Eruierung: was meint im NT, isb.im Johannesevangelium
dieser Begriff, um zu meinen, daß nun diesem einmal so begriffenen
Term immer diese Bedeutung innewohnen würde. Die Bedeutung des
Termes: Zeuge im Synodenbeschluß dagegen erschließt sich nur aus
einer synchronen Lektüre des Textes, in dem er als der
Oppositionbsbegriff zum Begriff der traditionell ausgelegten Mission
fungiert.
Dem
könnte entgegen stehen, daß in der Grundlegung die Überschrift
heißt: „Voraussetzung für Mission: Der Glaube. 1.1. Zeugnis von
Jesus Christus. Deshalb ist die Ausgangsthese differenzier-ter zu
explizieren: Durch die Entgegenstellung von Zeugnis und Mission wird
ein neuer Missionsbegriff kreiert, der zum Synonym für das
Begriffsfeld des Zeugnis Gebens wird, so daß unter der Fassade des
traditionellen Begriffes ein neuer Kerngehalt sich verbirgt.
Abgekürzt wird das mit der Formulierung: „Mission heute“, wobei
die Heutigung des Verständnisses des Begriffes seine Identifizierung
mit einem spezifischen Verständnis von Zeugnis ist. Zur
Veranschaulichung der normativen Bedeutung des Verständnisses von
„Heute“ für den theologischen Diskurs sei hier en passant
verwiesen auf den Lexikonartikel von Bernhard Lang zum Thema:
Proohetie: „Dem von der Religionswissenschaft bevorzugten modernen,
rationalen Weltbild gibt es Prophetie nicht als übernatürliche
Gabe; wie alle sozialen Erscheinungen erfordert auch das Prophetentum
eine `immanente`,religions- und kulturgeschichliche Erklärung.
`Ekstasen und Visionen gibt es nicht, es sei denn als Naturvorgänge“
erklärte der Bischof von Paris 1277 zur unerlaubten Lehre, „heute
ist sie Gemeingut.“15.
Um zeitgemäß zu sein müsse so die Theologie den Begriff der
Prophetie verheutigen: „Der heutige Prophet wirkt und redet nicht
mehr als religiös legitimierter und inspirierter, sondern als
sachlich arbeitender, inspierender Intellektueller.“16
Damit ist auch geurteilt, daß die vormoderne Vorstellung des
übernatürlich inspirierten Propheten nur eine zeitbedingte
Vorstellung und Verzeichnung des damaligen Intellektuellen ist.
Der
perhorreszierte Begriff der Mission, oder, was traditionell darunter
verstanden und praktiziert worden ist und warum dies Verständnis zu
modernisieren ist. Die Grundstruktur der traditionellen
Missionspraxis ist gekennzeichnet durch die Opposition von Unheil und
Heil und fragt nach dem Wie der Überführung des sich im
Unheilszustand Befindenen in den Heilszustand. Adressat ist der
Mensch außerhalb der Kirche in einem geographischen Raum außerhalb
des Einflußbereiches der alleinig wahren Kirche. Sein Unheil ist
sein Sein außerhalb der wahren Kirche und Religion, so daß das
Telos der Mission die Eingliederung des Außenstehenden in die Kirche
ist, da die Gliedschaft verstanden wird als die notwendige
Voraussetzung der Teilhabe am ewigen Heil, des Seelenheiles, wie es
traditionell die Missions-sprache formulierte. Klassisch hat der
Heidenapostel Paulus dies Missionskonzept theologisch fundiert und
exponiert in seinem Römerbrief: der Unheilszustand aller, der Juden
wie Heiden und die Rettung aller durch die apostolische
Kreuzespredigt und das neue Leben aus dem kirchlich vermittelten
Geist Gottes. Römerbrief Kapitel 1,18- 3,19: der Mensch unter dem
Zorne Gottes, das ist sein Unheilszustand, 3,19- 5, der Grund des
Heiles: das Kreuz Christi und die Aneignung des
Heiles
durch den Glauben und die Applikation des Heiles durch das
Taufsakrament (Römer 6) und das Kapitel 7 und 8 als das neue Leben
im Corpus Christi. Das Augenmerk ist dabei auf die
Vermittlungstätigkeit des objektiv im Kreuz geschehenen Heils hin
zur subjektiven Aneignung zu richten: erst durch den Dienst der
Kirche wird das objektiv Wahre für den Einzelnen zur Wahrheit,
insofern er das in Predigt und Sakrament dargereichte Kreuzesheil
sich aneignet. Diese Vermittlungstätigkeit ist die Aufgabe der
Kirche und dies Tun im noch nicht von der Kirche geprägtem Raume ist
das missionarische Tun der Kirche.
Wie
nimmt nun der Synodenbeschluß diese kirchliche Praxis wahr?
Die
Aufmerksamkeit kapriziert sich ganz auf den Vermittlungsakt
zwischen-kommunikationstheo-retisch ausgedrückt: Sender und
Empfänger und kritisiert nun das hierachische Gefälle dieser
Kommunikation in der Opposition von der wissenden Kirche und dem
unwissenden zu Bekehrenden, wobei das Wissen als wahrer und
heilsnotwendiger Glaube wahrgenommen wird, der so, um des Heiles
aller Willen zu vermitteln ist. Das Ziel ist, daß der zu bekehrende
Heil diesen Wissensglauben annimmt, um aus ihm heraus zu leben.
Die
Synode nimmt diese kommunikative Struktur wahr und unterzieht sie
einer radikalen Kritik. Entfaltet wird diese Kritik als Kritik der
Motivation der missionierenden Kirche:Mission sei ein Ausdruck
kolonialen Denkens. Nicht ginge es um das Heil der Adressaten der
Mission sondern ausschließlich um ein Machtinteresse der Kirche. Der
Adressat wird dabei als ein zu Kolonisierender angesehen, also nicht
als Dialogpartner wahrgenommen.Dies wird ergänzt durch die Kritik
des Zieles der Mission: es sei einseitig auf das Seelenheil
ausgerichtet und verkenne so die Ganzheitlichkeit des Menschen.
Anders gesagt, die streng eschatologische Ausrichtung, die auf das
Seelenheil, die auf das jenseitige Reich Gottes wird in Frage
gestellt und als Alternative wird das Ideal der kulturellen und
sozialen Entwickelung der Völker propagiert. Indem die Kirche vom
Seelenheil rede, verdränge sie die wirklich relevanten Probleme der
Menschen, die die ihres irdischen Weltlebens sind. Genug zu haben,
Recht zu bekommen, in Freiheit zu leben, das seien die wahren Ziele
kirchlichen Dienstes. Diese Aufgabe welttranszendierender Ziele
zugunsten des Ideales der Humanisierung der Welt verändert das
Christentum zu einem religiösen Humanitarismus, dessen summum bonum
die Eudaimonie des Erdenlebens ist.17Ergänzt
wird diese Kritik des Zieles der Mission mit der These, daß die
christliche Mission die Heilsrelevanz der anderen Religionen nicht
wahrnimmt. „Sie übersehe, daß die Menschen auch in den anderen
Religionen Gott begegnen und ihr Heil gewinnen können.“18
Geschickt wird das Vertrauen auf den universalen Heilswillen Gottes
gegen die Partikularität der Ausbreitung der Kirche ausgespielt, um
zu folgern, daß auch außerhalb der christlichen Kirche ob des
Heilswillens Gottes überall das Heil für jeden erreichbar sei. Dies
sei durch oder in den anderen Religionen möglich. Jede Religion sei
so ein Ort möglicher für das Heil notwendiger und hinreichender
Gottesbegegnung. Und daraus erübrige sich jede Mission, dessen Ziel
das Seelen-heil wäre. Die Mission trüge so nur Eulen nach Athen,
vermittelte etwas, was längst schon da wäre: die Möglichkeit des
Heiles. M. Quèguiner, der Generalobere der Gesellschaft der
Auswärtigen Missionen von Paris urteilte, „dass die sich
verbreitende Meinung, dass alle nichtchristlichen Religionen
effiziente und hinreichende Wege zum Heil seien und dass die Kirche
bloß eine kleine Herde sei und bleiben werde, die Lehre des
Evangeliums vernichte und selbst die Grundlagen der Kirche
zertrümmere.“19
Anders
formuliert: da, wo der paulinisch- missionarische Blick20
den außerhalb des christlichen Glaubens Stehenden im Zustand des
Unheiles sieht, im Stande der Erlösungsbedürftigkeit, sieht die
„Gemeinsame Synode“ zu Würzburg nur noch Menschen, die schon auf
dem Wege zu ihrem Heile sind, anonyme Christen, würde Rahner sagen,
die so keiner Mission bedürfen. Die einzige Not dieser Menschen ist
so ihre soziale Lage in den unterentwickelten Ländern, so daß jetzt
die Aufgabe der Kirche die der sozialen Humanisierung der Welt sei!
Pathetisch heißt dies als Verständnis des umfassenden Heiles: das
Streben nach „einer Welt, in der die Liebe den Haß,die Freiheit
jede Knechtschaft, der Friede den Krieg, die Gerechtigkeit das
Unrecht und Brüderlichkeit jede Unterdrückung überwinden.“21
Dieses Utopiebild, ganz im Geiste chiliastischer Tradition ausgemalt
soll nun unter der Behauptung seiner Ganzheitlichkeit das Ziel des
Seelenheiles verdrängen, indem es einerseits als ein hochwertigeres
Ziel behauptet wird und andererseits indem das Seelenheil als sowieso
schon gesichertes Ziel thematisiert wird. Um das Seelenheil bräuchte
die Kirche nicht sich bemühen, da jeder Heide dies in seiner
Religion schon realisieren könne ohne Beihilfe der Kirche.
Das
asymetrische Kommunikationsgefälle in der missionarischen Praxis,
daß die Kirche das Sakrament des Heiles ist, das das Heil dem
außerhalb des Heiles Stehenden vermittelt, soll so genichtet werden
zugunsten einer symetrischen Kommunikationsstruktur, in der zwei
gleichrangige Dialogpartner, beide auf verschiedenem Wege sich
befindend zum selben Heil, sich über ihre Wege austauschen und
gemeinsam nach Wegen zur Humanisierung der Welt suchen. Und damit
haben wir schon die Grundstruktur der nachkonziliaren Dialogkirche
erfaßt.
Die
uns nun interessierende Frage ist nicht, wie nun diese Praxis des
interreligiösen Dialoges mit dem Ziele der Humanisierung der Welt
gestaltet wird, sondern nur die: Was bedeutet darin nun der Begriff
des Zeugnisses? Kommunikationstheoretisch formuliert setzt sich jeder
kommunikativer Akt aus drei Momenten zusammen: Der Aussage über
etwas, dem Sachbezug, dem Appell an den Adressaten und dem
Selbstbezug, einer Aussage des Sprechaktes über den Sprecher. In der
missionarischen Praxisist die Appellfunktion der Aufruf zur
Bekehrung, der Sachgehalt der des wahren Glaubens und die
Selbstaussage, daß der Missionar dies auch für sich als Wahrheit
bekennt. In der dialogischen Praxis ist das Zeugnisgeben eine Aussage
des Dialogpartners über sich selbst: er offenbarte seine innere
Einstellung, das was ihm der Grund seines Lebens und Wirkens ist.
Diese Selbstaussage appelliert nun an den so angesprochenen
Dialogpartner, selbst auch sein Interieur zu offenbaren, das was
seine spirituelle Basis ist, um so durch den wechselseitigen
Austausch sich besser zu verstehen mit der Abzweckung einer
Optimierung des gemeinsamen Wirkens an der Aufgabe der Humanisierung
der Welt.
Richard
Friedl erfaßt in seinem Lexikonartikel: „Mission und
Missionswissenschaft“ diesen Bruch mit der Tradition prägnant,
indem er die traditionell christliche Mission bestimmt sieht durch
ihren exklusiven Wahrheitsanspruch, dem Ziele der Bekehrung und der
Verweigerung der Koexistenz mit den anderen Religionen22,
um diesen mit agressiven Konzept von Mission entgegenzusetzen eine
politische Verkündigungspraxis, deren Adressat der materiell Arme,
der politisch Entrechtete ist, dem die „ankommende
Menschenfreundlichkeit Gottes zugesagt“23
wird. Allen gelte Gottes Liebe und das ist der metaphysisch
gesprochen letzte Grund dafür, daß jeder Mensch das unverlierbare
Recht auf ein menschenwürdiges Dasein besäße und diesem Ziele
diene diese Zeugnisrede vom christlich- menschenfreundlichen Gotte.
Das irdische Leid in seiner reinen Weltimmanenz ist so das Gebiet,
auf dem die christliche Verkündigung ihre Relevanz zu erweisen hat.
Das Seelenheil, die Sorge darum kann dann ruhig den anderen
Religionen
überlassen
werden, denn dazu ist jede hinreichend qualifiziert. Das das
Christentum Auszeichnende ist so gesehen sein Impetus zur
Weltverbesserung. Die vielzitierte Maxime: „Die Welt gibt die
Tagesordnung“24
meint so diese radicale Weltdiesseiigkeit der kirchlichen
Verkündigung. Es ist der Tod des Jenseites in zweierlei Hinsicht:
- das irdische Weltleben wird als wichtiger als das eschatoligische angesehen und
- ist nur das irdische mit seinen Sorgen und Nöten Gegenstand kirchlicher Verkündigungspraxis, da das andere Ziel, das des ewigen Lebens kein Ziel von besorgtem Heile sein kann, da es sozusagen selbstverständlich von jedem erreicht wird.
Das
klassische Paradigma der christlichen Missionspraxis, bestehend aus
den Elementen des außerhalb des Heiles Stehenden, dem durch die
Kirche der einzige Weg zum ewigen Heil vermittelt wird, dem Element
der heilsnotwendigen missionarischen Verkündigung mit dem Ziele der
Inkorporation in die wahre Kirche wird so abglöst durch ein
Paradigma,wo a) gilt: es gibt keinen Menschen außerhalb des Heiles,
weil Gottes Heilswille universal ist,und wo b) es nur noch
weltimmanente Sorgen und Nöte gibt, die c) durch das diakonische
Handeln der Kirche in dialogischer Kooperation mit anderen Religionen
zu beheben sei, wobei das Zeugnis Christ nun die Doppelaufgabe
erhält, den Grund des Rechtes jedes Menschen auf ein humanes Leben
zu benennen und im Dialog die innere Motivation zum diakonischen
Handeln offenzulegen. So formuliert es ganz im Geiste dieses
Paragimas der Appell von Baden, daß das summum bonum der
christlichen Verkündigung die humanisierte Weltgesellschaft sei und
daß alle Religionen an diesem Ziele mitarbeiten sollten. Das
eigentliche Ziel des Seelenheiles wird dabei dann als Marginalie
abgetan, als ein Ziel, das sowieso jeder Mensch erreichen wird, weil
Gott die Liebe ist. Ein relevantes Handlungsziel kann nur ein solches
Gut sein, von dem ausgesagt werden kann, daß es erreichbar ist, daß
es aber nicht selbstverständlich ist,daß es erreicht wird. Erst,
wenn der Begriff des Zeugnisses wahrgenommen wird in seiner
Einschreibung in dieses posttraditionelle Missionsverständnis mit
einem grundlegenden Paradigma der faktischen Option zur Allversöhnung
und dem Urteil, daß nur noch die Weltsorgen das
Beschäftigungsmaterial der Kirche sein kann, wird er in seiner
modernen Bedeutung verstanden und wird die radicale Differenz zur
Tradition deutlich. Daß dieses Paradigma faktisch der Tod der
Mission ist, ist offenkundig. Was heute noch unter dem Firmenschild
der Mission getrieben wird, ist nichts anderes mehr als rein
innerweltlich orientierte Diakonie, motiviert aus einem christlichen
Glauben in der Bereitschaft, auf eine Anfrage hin, den inneren Grund
dieses Tuns zu bezeugen. Und diese hier in wenigen Pinselstrichen
dargestellte Paradigma der innereligiösen Dialogkultur scheint
zumindest ein in Katholischen wie in Protestantischen Kreisen
gleichermaßen lebendiges Konzept zu sein, ja es darf wohl gefragt
werden, ob nicht der Glaube an die Allversöhnung selbst der letzte
Grund der innerchristlichen wie der innerreligiösen Ökumene ist.
Versimplifiziert: Gott ist Liebe, wird so expliziert, daß Gott als
ob
seiner Allliebe als letztlich allen Religionen gleichgültig
gegenüberstehender Gott zu glauben ist. Papst Pius IX erklärt im
Syllabus als Irrlehre: „Die Menschen können im Kult jedweder
Religion den Weg zum ewigen Heil finden und das ewige Heil
erlangen.“25
Das als unzeitgemäß für die Heutigen zu erklären ist der letzte
Grund des Todes der christlichen Mission. „Wenn die Völker im
Tiefinneren ihrer Religiösität die zum Heil führende Wahrheit zu
eigen haben, wird die Verkündigung dieser Wahrheit durch das
Christentum unbegründet und überflüssig.“26
1
Appell von Baden, in: epd Dokumentation 26/2006 Eine Herausforderung
und ein Appell aus Baden.Was ist jetzt dringlich. Zur christlichen
Weltverantwortung am Anfang des 21. Jahrhundertes.
2
„Appell von Baden“ S.9.
3
„Appell von Baden“ S.9
4
H. Vorgrimmler sagt zum nachkonziliaren Missionsverständnis, dem
Sendungsauftrag der Katholischen Kirche: „Die Sendung der Kirche
umfaßt auch die `irdische`Verwirklichung des Willens Gottes, den
Frieden in
der Menschheit u. die Sorge um die Schöpfung,
so daß die primären Aufgaben in der friedensfördernden Begegnung
der Religionen zu sehen sind.“ Vorgrimmler: Mission in: Neues
Theologisches Wörterbuch 2.Auflage 2000 S.419. Zu beachten ist, daß
die primäre Aufgabe der zeitgenössischen Mission der Weltfriede
ist und nicht mehr, wie Vorgrimmler es ausdrücklich sagt die Sorge
um das Seelenheil der Heiden. Die Motivation zur Mission „wird
nicht mehr aus der Sorge um das ewige Heil der Nichtbekehrten
genommen.“a.s.O. S.419.
5
„Appell von Baden“ S.6.
6
Zum Verhältnis von dem Verzicht auf den Wahrheitsanspruch der
Katholischen Religion und des Willens zum
Dialogisieren vgl: Heinz Lothar Barth,
Keine Einheit ohne Wahrheit 1999: „Das Wesen des Ökumenischen
Dialoges“. Die Präsumption des
ökumenischen wie des interreligiösen Dialoges ist, „daß noch
keine der Par-
teien die Wahrheit im vollen Umfange
besitze,“.a.s.O. S.185. Das Offenbarsein der in Jesus Christus
offen-
barten Wahrheit wird so negiert und
surrogiert durch die Vorstellung einer unendlichen Such- und
Annäher-
ungsbewegung an die letztlich nicht
erkennbare und begreifbare Wahrheit.
7
„Appell von Baden“ S.19.
8
Vgl dazu: Arnold Gehlen: „Die Religion wurde, vor allem in den
letzten Jahrzehnten, immer ausschließlicher
bloß humanitär, und die Säkularisation
neuen Stills verläuft heute nicht mehr über die Verführungen der
Weltlichkeit und Macht, sondern über die
Moral und das Soziale.“ In: Arnold Gehlen, Moral und Hypermoral
- Auflage 1981 S.129. Gehlen spricht von einem Huminaitarismus und meint damit, daß die Kirchen
ihre
welttranszendenten Zielvorstellungen (Seelenheil, Reich Gottes)
aufgeben zugunsten der Idee der
Weltverbesserung.
.
9
Vgl: IK- Nachrichten Pro Sancta Ecclesia 11/2006 S.6.
10
Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland
Beschlüsse der Vollversammlung
Offizielle Gesamtausgabe I 2.Auflage 1976.
Zukünftig: Beschlüsse.
11
Beschlüsse 0.2 S.821.
12
Die Einleitung, verfaßt von Dr. L. Wiedemann SJ enthüllt den
demokratischen Charakter dieser Synode:
weil nur knapp 30 Prozent das Thema der
Mission für relevant hielten, 70 Prozent nicht, demonstriere,daß
die traditionelle Form der Mission
modernisiert werden müsse, damit sie neu Relevanz gewönne.
13
Gemeinsame Synode 0.4.3. S.823.
14
Beschlüsse 0.4.2 S.822.
15
Bernhard Lang, Prophetie in: Neues Handbuch theologischer
Grundbegriffe Bd 3 Neuausgabe 2005 S.417.
16
a.s.O: S.428.
17
Vgl: Americo, Romano, Jota Unum Kritik am sekudären Christentum
Kapitel XXXII 2000.
18
Beschluß: Missionarischer Dienst 0.2. In 0.3.3. wird die
traditionelle Theologie kritisiert: „Die Theologie
rechnete nicht ernst genug mit der
Möglichkeit, daß der allgemeine Heilswille Gottes Menschen auch
außer-
halb der sichtbaren Kirche rettet.“
19
zitiert nach: Leo Eldersa: Karl Rahner und die nicht- christlichen
Religionen, in: Karl Rahner Kritische
Annäherungen Hrsg. David Berger 2004
S.163. Vgl: Karl Rahner: Das Christentum und die nichtchristlichen
Religionen, in: Schriften zur Theologie
1972.
20
Bernhard Lang entwertet dieses paulinische Missionsverständnis,
indem er urteilt: „Die Idee, dass sich ein Mensch ausschließlich
der Missionsarbeit unter den Heiden zur Verfügung stellt und, im
Wesentlichen für seinen Unterhalt durch Gelegenheitsarbeit selbst
sorgend, als Propagandist und Organisator von Ort zu Ort
reist, ist offenbar eine persönliche
Erfindung des Paulus.“ Lang, Bernhard: Mission Biblisch in: Neues
Handbuch Theologischer Grundbegriffe Neuausgabe 2005 Bd 3 S.71.
21
Beschluß: Missionarischer Dienst 2.1.1 S. 824.
22
Vgl: Friedl, Richard: Mission/ Missionswissenschaft S.119 in: Neues
Handbuch theologischer Grundbegriffe Bd 3 Hrsgb: Peter Eicher 1985
S.118- 123.
23
A.s.O. S.121.
24
A. s. O. S.122.
25
DH40 2916.
26
Romano Amerio, Jota Unum 2000 S.553.
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