„Was ihr für einen
meiner geringsten Brüder getan habt....“
eine theologische
Legitimierung der Politik der offenen Grenzen?
- Wie mit der Bibel umgehen?
Professor
Zulehner bezeichnete diese Aussage: „Was ihr für einen meiner
geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40)
als den Kern einer christlichen Kriteriologie zur Beurteilung der
Frage des Umgehensweise mit Flüchtlingen und Asylanten im Rahmen
seines Vortrages: „Entängstigt euch“ in Vilshofen. Dem Vortrag
lag sein gleichnamiges Buch zu Grunde. Hier soll nun nicht der
Vortrag diskutiert , sondern sich auf diese eine Aussage kapriziert
werden unter dem Aspekt des Wieumgehens mit der hl. Schrift. Was
niemanden verblüffen wird, bekannte der Professor sich in
antifundamentalistischer Intention zur Historisch-Kritischen Methode,
um gleich unter breiter Zustimmung der Hörerschaft zu urteilen, daß
nur noch Fundamentalisten etwa die Aussage, die Frau schweige in der
Gemeinde, als ein echtes Pauluswort annehmen, oder gar ihm heute noch
eine Bedeutung zukommen ließen. Reden wir Klartext: Jedem ist klar,
daß das Ergebnis einer korrekt durchgeführten historisch korrekten
Ausdeutung dieser Stelle uns Heutigen sagt: Nur da, wo Frauen zu
Worte kommen, ist die wahre Gemeinde Jesu.
Aber wie
verhält es sich nun mit der Aussage von Mt 25,40? Erstaunlicherweise
wird diese Stelle nun geradezu biblizistisch-fundamentalistisch auf
Flüchtlinge appliziert und der Text sagt nun uns: „Wer einen
Flüchtling aufnimmt, der nimmt Christus auf und wer ihn nicht
aufnimmt, nimmt auch Christus nicht auf.“ Ja, die Frage, wie stehe
ich zur Regierungspolitik in der Flüchtlingsfrage hat nun
eschatologische Bedeutung. Sie entscheidet über unser Seelenheil!
Aber
Professor Zulehner mußte konstatieren, daß selbst dies biblische
Argument christliche Kritiker der Regierungspolitik nicht überzeuge,
so uneinsichtig seien die. Das läge aber daran, daß diese Kritiker
von Angst sich bestimmen lassen, die so vernünftigen Argumenten
nicht zugänglich seien. Deshalb müssen diesen Menschen geholfen
werden, sich zu entängstigen, ihr defizitäres Grundvertrauen in das
Leben zu überwinden. Aber dies Entängstigungsprogramm können wir
hier auf sich beruhen lassen, zumal es auf die Trivialität
hinausläuft, daß in persönlichen Kontakten zu Flüchtlingen,
insbesondere zu Flüchtlingskindern diese rein irrationale Angst
therapierbar seien.
Aber was ist
denn nun von dieser : Was sagt uns das heute Auslegung dieser
Mt-Stelle zu halten?, die da so energisch uns vorgetragen wird als
für jeden doch ad hoc einsichtige allein selig machende Exegese.
Augenfällig ist, daß gar keine Exegese geleistet wird sondern
sofort aktualisiert wird: Die geringsten Brüder sind die
Bootsflüchtlinge des Mittelmeeres. So sieht das ja auch Kardinal
Woelki mit seiner spektakulären Fronleichnamsprozession mit dem
eigens dazu herbeigeschafften Flüchtlingsboot: Jesus Christus sitzt
mitten unter den Bootsflüchtlingen und er ertrinkt auch mit ihnen im
Meer!
- Auslegung oder ideologische Interpretation?
Nur, ist das
eine legitime Auslegung oder bestimmen hier die ideologischen
Vorgaben der politischen Korrektheitsideologie die aktualistische
Auslegung des Textes? Die Auslegung steht und fällt mit der Frage:
Wer ist Jesu Bruder? Und hier gibt uns Jesus Christus eine eindeutige
Antwort. „Dem, der ihm das gesagt hatte, erwiderte er:Wer ist meine
Mutter, und wer sind meine Brüder?Und er steckte die Hand über
seine Jünger aus und sagte:Das hier sind meine Mutter und meine
Brüder.Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der
ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“ (Mt 12,49f) Jesu
Antwort ist eindeutig: Es sind die, die den Willen Gottes erfüllen
und somit nicht alle Menschen. Diskussionswürdig ist zwar die Frage,
ob von allen Jüngern, besser wäre die Übersetzung:von allen
Schülern ausgesagt werden kann, daß sie den Willen des Vaters
erfüllen und es kann auch gefragt werden, ob es denkbar ist, daß
auch von Nichtchristen aussagbar ist, daß sie den Willen des
himmlischen Vaters erfüllen können, wenn es ihnen objektiv
unmöglich war, Christ zu werden, wie etwa dem Philosophen Platon,
aber eindeutig ist, daß hier auf keinen Fall Jesus sich als der
Bruder von allen Menschen versteht.
Der Prolog
des Johannesevangeliums verdeutlicht dies noch einmal prinzipiell:
Jeder Mensch ist durch den göttlichen Logos geschaffen, („und ohne
das Wort wurde nichts, was geworden ist“ Joh 1,3) und das gilt auch
für jeden Menschen, aber es gilt nur für die Christen, daß sie
Kinder Gottes sind: „Allen aber, die ihn aufnahmen [Jesus
Christus]gab er die Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an
seinen Namen glauben.“ (Joh 1,13). Es muß also distinguiert werden
zwischen der Schöpfungslehre, daß jeder Mensch ein Geschöpf Gottes
ist und der Erlösungslehre, nach der nur der Christ Kind Gottes oder
Bruder Jesu Christi ist.
- Die Brüder Jesu und ihr Lohn
Nun gibt es
nach Jesu Lehre aber unter den Christen geringe und somit auch nicht
geringe Christen.
Wer nur
einen geringen Christen aufnimmt, der nimmt mich auf, lautet dazu
Jesu Verheißung.Was kann das meinen? Lesen wir dazu Mt 10,40-42:„Wer
euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den
auf, der mich gesandt hat. Wer einen Propheten aufnimmt, weil er ein
Prophet ist, wird den Lohn eines Propheten erhalten. Wer einen
Gerechten aufnimmt, weil er ein Gerechter ist, wird den Lohn eines
Gerechten erhalten.Und wer einen von diesen Kleinen auch nur einen
Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil er ein Jünger ist-amen,
ich sage euch: Er wird gewiß nicht um seinen Lohn kommen.“
Propheten, Gerechte und Kleine, drei Gruppen von Christen führt hier
Jesus an. Was immer nun die Gruppe der Kleinen von der der Propheten
und Gerechten unterscheidet, auch sie sind Christen. Wer einen dieser
drei Gruppen aufnimmt, dem verheißt Jesu hier Lohn. Aber es muß
dabei eine Bedingung seitens des Aufnehmenden erfüllt sein, damit
sie Lohn empfangen werden. Es muß der Prophet aufgenommen werden,
weil er ein Prophet ist und der Gerechte, weil er ein Gerechter ist
und der Kleine, weil er ein Christ ist. Es liegt nun nahe, zu
urteilen, daß die Kleinen die sind, die nur als Christen sich
auszeichnen, während die Anderen eben im Besonderen sich durch ihre
Prophetie oder ihre besondere Gerechtigkeit auszeichnen. Es sei daran
erinnert, daß nach Matthäus Gerechtigkeit ein quantifizierbarer
Begriff ist: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als
die der Schriftgelehrten und der Pharisäer“. Man kann mehr oder
weniger gerecht sein. Die Gerechten zeichnen sich dann von den
anderen Christen durch ein Mehr an Gerechtigkeit aus.
Die
Aufnehmer sind also Christen, die andere Christen, weil sie Propheten
oder Gerechte oder weil sie „nur“ Christen sind, aufnehmen. Aber
was meint nun hier das Verb: Aufnehmen? Hier kann uns ein Umweg
weiterhelfen: „Wer euch hört, der hört mich, und wer euch
ablehnt, der lehnt mich ab, wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab,
der mich gesandt hat.“ Lk 10,16. Hier haben wir eine Aussage Jesu,
in der ein Verhalten seinen Schülern gegenüber als ein Verhalten
dem Lehrer der Schüler gegenüber gewertet wird. Wie man sich den
Schülern Jesu gegenüber verhält, so verhält man sich ihm
gegenüber und so auch dem gegenüber, der Jesus Christus gesandt
hat,Gott selbst. Wie begründet sich nun diese Identifizierung, daß
das Verhalten dem Schüler gegenüber das dem Lehrer gegenüber ist?
Der Grund ist der, daß der Schüler nichts anderes lehrt und
verkündet, als das, was er von seinem Lehrer gelehrt bekommen hat.
Darum gilt: Wer euch, meine Schüler hört, hört mich, denn als
Schüler lehren sie das, was ihnen ihr Lehrer gelehrt hat. Die
Identität der Lehre bewirkt, daß gilt: wer meine lehrenden Schüler
aufnimmt, der nimmt mich auf!
Das
Aufnehmen meint also, daß christliche Gemeinden Christen, die nicht
zu ihrer Gemeinde gehörten, in ihre Gemeinde aufnehmen, damit sie da
lehren,was der Lehrer ihnen gelehrt hat. Und den Aufnehmenden
verheißt Jesus Christus Lohn, selbstredend himmlischen. So sammeln
sie Schätze im Himmel. Aber der Lohngedanke verweist uns nun doch
noch auf eine andere Spur: Wo vom himmlischen Lohn im Urchristentum
die Rede ist, da fehlt selten der Oppositionsbegriff des irdischen
Lohnes. Auch hier gibt es eine eindeutige Aussage Jesu: Zu den von
ihm zum Verkündigungsdienst Erwählten und Ausgesandten sagt er, daß
wenn sie in dem Gebiet ihrer Aussendung ein Haus finden, das sie gut
aufnimmt: „Bleibt in diesem Haus, eßt und trinkt, was man euch
anbietet; denn wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn.“ Lk
10,7. Langsam wird es klarer: Von Christus zum Verkündigen
Ausgesandte finden eine gute Aufnahme. Dort wirken sie dann als
Verkünder und sie werden dann auch dort versorgt mit dem
Lebensnotwendigen. Das ist ihr Lohn für ihr Verkündigungswerk. Weil
sie als von Christus Ausgesandte aufgenommen werden,gilt nun dem so
sie Aufnehmenden die Verheißung des himmlischen Lohnes. Gott belohnt
sie dafür, daß sie die Boten Gottes aufnahmen und daß heißt nun
einerseits, sie da wirken lassen als Verkünder und sie solange sie
sich um ihres Dienstes willen da aufhalten, so versorgen.
Hören wir
nun Paulus zu dieser Causa. Ihm war nämlich in der korinthischen
Gemeinde der Vorwurf gemacht worden, daß er von seinem Recht als
Apostel, von der Gemeinde, in der er nun wirkte, versorgt zu werden,
keinen Gebrauch mache. Das führte zur Anfrage, ob er vielleicht gar
kein rechter Apostel sei, da er das Recht des Amtes des Apostels
nicht in Anspruch nimmt! Paulus respondiert darauf so: Es ist Recht,
daß die anderen Apostel, die in Korinth gewirkt haben, dies Recht
des Versorgtwerdens in Anspruch nahmen. „Aber wir haben von diesem
Recht keinen Gebrauch gemacht.“ (1.Kor 9,12). Paulus legitimiert
dies apostolische Recht dann noch ausdrücklich durch einen Verweis
auf den Alten Bund mit seiner Priesterordnung! „“Wißt ihr nicht,
daß alle, die im Heiligtum Dienst tun, vom Heiligtum leben, und daß
alle, die am Altar Dienst tun, vom Altar ihren Anteil erhalten?“
(9,13) um dann die Konsequenz zu ziehen: „ So hat auch der Herr
denen, die das Evangelium verkündigen, geboten, vom Evangelium zu
leben.“ (9,14). Bedenkenswert ist hier der Schluß von der
Versorgung der Priester des Alten Bundes auf die Versorgung der
Verkünder des Evangeliums: Sie haben wie die Priester ein Recht auf
eine Versorgung, sodaß sie keinem weltlichen Beruf nachzugehen
haben, um ihren Lebensunterhalt sich zu verdienen. Sie bekommen ihn
als Lohn für ihren Evangeliumsdienst.
- Wanderprediger und urchristliche Gemeinden
Was haben
wir nun erreicht? Wir haben nun urchristliche Gemeinden vor Augen, in
denen Evangeliumsverkünder auftraten und es nun galt, wie die
Verkünder zu unterhalten sind! Die Regel lautete nun- sehr komplex:
Wer einen Evangeliumsverkünder aufnimmt, weil er das Evangelium
verkündet, dem verheißt Jesus Christus himmlischen Lohn. Zu dieser
Aufnahme gehört aber nicht nur das Wirkenlassen der Verkünder
sondern auch, daß sie unterhalten werden, damit sie frei von
weltlicher Erwerbstätigkeit ganz sich in den Dienst der Verkündigung
stellen konnten. Der theologische Spitzensatz lautet dabei: Wer
Schüler als Lehrer und Verkünder des vom göttlichen Lehrer
Gelehrten aufnimmt, der nimmt den Lehrer auf ob der Identität des
Gelehrten bzw. Verkündeten. Das soll nun nicht nur für prophetische
Verkünder gelten und für solche, die im besonderen Rufe der
Gerechtigkeit steht wie etwa der Herrenbruder Jakobus, der den
Ehrentitel: der Gerechte führte, sondern für jeden Verkünder, also
auch für die kleinen, die nicht prophetisch waren oder besonders
gerecht!
Ein kurzer
Blick in die Didache zeigt uns, daß diese Ordnung nicht problemlos
war! Da diese Causa wirklich ein Problem für die sich herausbildende
Kirche war, zeigt aufs ausdrücklichste die Didache, in der das
Problem der Aufnahme von Wanderpredigern expliziert wird. „Aber
hinsichtlich der Apostel und Propheten verfahrt nach der Weisung des
Evangeliums so: Jeder Apostel, der zu euch kommt, soll aufgenommen
werden wie der Herr.“ (Didache,12,3) Der darauf folgende Punkt
verdeutlicht das Problem. „4. Er soll aber nur einen Tag lang
bleiben; wenn aber eine Notwendigkeit besteht, auch den zweiten. Wenn
er aber drei bleibt, ist er ein Pseudoprophet.“Die Didache
unterscheidet zwischen Propheten und Pseudopropheten.
Erstaunlicherweise wird nun aber diese Unterscheidung nicht mit dem
Inhalt der Verkündigung begründet, daß ein Falschprophet ein
anderes Evangelium verkündet, wie es der Apostel Paulus in dem
Galaterbrief vor Augen hat!
Die Didache
hat also Prediger vor Augen, die sich ihren Lebensunterhalt in der
Gemeinde durch sie verdienen möchten. Sie stehen dabei in einer
Konkurrenz zu den Episkopen vor Ort, die die Gemeinde schon zu
unterhalten hatte. Im 1.Timoteusbrief wird über sie gesagt:
„Älteste, die das Amt des Vorstehers gut versehen, verdienen
doppelte Anerkennung, besonders solche, die sich mit ganzer Kraft dem
Wort und der Lehre widmen. Denn die Schrift sagt: Du sollst dem
Ochsen zum Dreschen keinen Maulkorb anlegen und: Wer arbeitet, hat
ein Recht auf seinen Lohn.“ (1.Tim 5,17f). Hier geht es wirklich
um den irdischen Lohn. Damit der Gemeindevorsteher sich mit ganzer
Kraft dem Wort und der Lehre widmen kann, soll er von den
Notwendigkeiten eines Broterwerbes befreit werden. So kann er gerade
seiner Gemeinde dienen, die ihn dafür unterhält.
Aber nun
kamen in eine von einem Vorsteher schon geleiteten Gemeinde Propheten
und Lehrer mit dem Anspruch, daß auch sie von dieser Gemeinde für
ihren Predigt- und Lehrdienst zu unterhalten sind! Sie treten auf mit
dem Anspruch, daß, wer sie aufnimmt, den Herrn aufnimmt und wer sie
nicht aufnimmt, den Herrn verstößt. Es bedarf keiner großen
Phantasieanstrengung, daß das so mancher Gemeinde ein Zuviel an
Unterhaltsleistungen für Propheten war. Der Apostel Paulus hatte ja
schon aus solchen Erwägungen heraus auf sein Recht, von der von ihm
besuchten Gemeinde, unterhalten zu werden, verzichtet.
Es galt also
nun, das Unterhaltsrecht der Wanderprediger zu limitieren. Ein, zwei
Tage soll und muß die Gemeinde sie unterhalten, länger nicht, denn
wollen sie länger bleiben und von der Gemeinde versorgt werden,
erweisen sie sich als Pseudopropheten. Der Begriff bedeutet hier, daß
sie keinen Anspruch auf eine Versorgung durch die Gemeinde haben.
Nicht wird auf eine falsche Lehre dieser Propheten verwiesen. Ihre
Motivation, in eine Gemeinde hineinzugehen, um dort sich den
Lebensunterhalt zu verdienen durch ihr Predigen und Lehren läßt sie
zu Pseudopropheten werden!
„Wenn aber der Apostel weggeht, soll er nichts mitnehmen außer Brot, bis er übernachtet; wenn er aber um Geld bittet, ist er ein Pseudoprophet.“ macht diese Tendenz überdeutlich. Es ist eine Abwehregel gegen die Gemeinde überfordernde Versorgungsansprüche von auswärtigen Predigern. Warum überprüft nun die Gemeinde nicht die Lehre der Propheten und unterscheidet dann zwischen falsch lehrenden Propheten und echten Propheten? Der nächste Punkt der Didache gibt darüber Auskunft: „Und jeden Propheten, der im Geist redet, stellt keinen auf die Probe und fällt kein Urteil über ihn; denn jede Sünde wird vergeben werden, diese Sünde aber wird nicht vergeben werden. Nicht jeder, der im Geist redet, ist ein Prophet; sondern wenn er die dem Herrn entsprechenden Verhaltensweisen hat. An den Verhaltensweisen also werden der Pseudoprophet und der Prophet erkannt werden.
Der
Anspruch, aus dem Geist, dem Hl. Geist zu reden, verunmöglicht eine
Prüfung des so Vorgetragenen. Man kann hier die Grundspannung
zwischen dem ortsansässigen Episkopen, der lehrt, was die Kirche
lehrt, und dem auswärtigen Charismatiker erkennen: „Weil das mir
der Hl. Geist eingibt, ist meine Rede wahr“ in Spannung zur Lehre
der Kirche, die sich auf Schrift und Tradition beruft in der Gestalt
der ortsansässigen Amtsautorität des Episkopen. Aber man kann das
Verhalten der Charismatiker beurteilen: Wenn sie nicht gemäß den
Weisungen des Herrn leben, dann sind sie keine wahren Propheten!
Wir sehen:
Stand am Anfang die Maxime: Wer einen Propheten oder Lehrer oder
Verkündiger des Evangeliums aufnimmt, der nimmt Christus selbst auf
und damit auch Gott, der Christus gesandt hat,und beinhaltete die
Aufnahme, daß die Gemeinde den Auswärtigen dann seinen
Lebensunterhalt gewährte auch angesichts der Verheißung des
himmlischen Lohnes dafür, so zeigt schon die Didache realistisch
orientiert den Versuch, einem Mißbrauch dieser Praxis zu wehren.
Paulus Polemik gegen die, denen ihr Bauch ihr Gott ist, verweist
hier sehr realistisch auf ein gravierendes Problem, daß die
Gastfreundschaft der Gemeinden für Wanderprediger ausgenutzt wurde.
In der Didache wehren sich so die Lokalgemeinden gegen die
Versorgungsansprüche von Wanderpredigern! Keine unlimitierte
Willkommenskultur bestimmt die Didache, sondern der Wille, Propheten
von Menschen zu unterscheiden, die nur die Gemeinden ausnutzen
wollten. Den Ausnutzern kam dabei zu Gute, daß sie sich auf das
Wirken des Hl. Geists berufen konnten, sodaß ihr Prophezeien und
Lehren sich einer Überprüfbarkeit entzog: „Weil wir aus dem
Geiste lehren, ist unser Zeugnis wahr!“ Es fehlt der Didache noch
eine theologische Lehre vom Hl. Geist, um Prophetie von unwahrer
Wahrsagerei unterscheiden zu können. Das gelang der Kirche erst
durch die Bestimmung, daß der Hl. Geist vom Vater und vom Sohne
ausgeht, sodaß nichts als vom Hl. Geist inspiriert angesehen werden
kann, was nicht im Einklang mit dem Wort, der hl. Schrift und der
Lehre der Kirche sich befindet. Das hat die Subordination des
Prophetischen unter das Episkopenamt zur Folge, gerade in den
Auseinandersetzungen mit den vielen Wanderpredigerbewegungen in der
Kirchengeschichte.
5.Gemeindeordnung- kein allgemeiner Humanitarismus
Eines ist
nun aber klar: Mit einem allgemeinen Humanitarismus, daß allen
Armen und Zukurzgkommenen zu helfen sei, hat Jesu Votum: „Was ihr
einem meiner geringsten Brüder getan hat“ nichts zu tun! Ja, schon
die Didache mußte um der Mißbrauchsmöglichkeiten willen dies Votum
relativiern: Nur wer wirklich ein Bruder Jesu Christi ist, und das
ist nicht der, der in eine Gemeinde kommt, um sich von ihr
unterhalten zu lassen als Lohn für sein Verkündigen, soll wie
Christus aufgenommen werden.
Wer dem
Anliegen Jesu Christi mit seinem Votum der Aufnahme der Brüder
wirklich gerecht werden wollte, der müßte Numeri 18, 1-32 als
Basistext zu Grunde legen, überschrieben mit: „Der Dienst und die
Entlohnung der Priester und Leviten! Im Zentrum steht das Anliegen,
daß das Priestergeschlecht, um sich ganz dem priesterlichen Dienst
widmen zu können, von einer Erwerbtstätigkeit befreit werden
sollen, sodaß sie von der Gemeinde versorgt werden müssen. Diese
Regel ist nun selbst aber auch der Emergenzpunkt so mancher
Priestertumskritik, auch der plumpesten, daß die Priester Gott
erfanden, um so ihren Anspruch auf Unterhalt zu legitimieren. Jesus
Christus aktualisiert also diese göttliche Ordnung für den
besonderen Evangeliumsverkündigungsdienst der Wanderprediger, daß
auch diese Diener Gottes einen Anspruch auf eine Versorgung durch die
Gemeinden haben.
Nun könnte
eingewandt werden, daß man dies Votum Jesu Christi deuten müsse im
Kontext des jesuanischen Humanismus und seiner allgemeinen Liebe zu
den Armen und Entrechteten.Nur das führt nun zu grotesken Folgen.
Nehmen wir mal an, wir überlesen in der Seligpreisung: „Selig, die
arm sind vor Gott“...das „vor Gott“, und deuten es von Lukas
her: Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes“ und
verstehen dann: Selig, die ihr jetzt hungert“, als Konkretion des
Armseins, dann könnte geurteilt werden: Gott liebt insbesondere die
Armen, (im ökonomisch-sozialen Sinne) und darum verheißt er ihnen
den Eintritt in das Reich Gottes. Pointiert formuliert: Weil Menschen
arm sind, (im ökonomisch-sozialen Sinne) verheißt Gott ihnen das
Reich Gottes. Lassen wir das soteriologische Problem, ob das Armsein
allein eine hinreichende Bedingung für das Eintreten in das Reich
Gottes ist, jetzt mal außer Acht. Das Anliegen der christlichen
Caritas wie des aus dem Geiste des Christentums geborenen
Sozialstaates ist es, daß Armen geholfen wird, daß sie ihre Armut
überwinden als Hilfe zur Selbsthilfe. Armut soll nicht sein. Daraus
folgern christliche Apologeten der „Willkommeskultur“, daß das
„reiche Deutschland“ verpflichtet wäre, jeden Armutsflüchtling
aufzunehmen, um ihm hier ein gutes, zumindest ein Leben außerhalb
von Armut zu ermöglichen.
Aber was für
Folgen! Wenn dem Armen nach der jesuanischen Armenfrömmigkeit die
Verheißung des Reich Gottes gelten würde, weil und insofern er arm
ist, dann würde eine erfolgreiche Sozialarbeit der Caritas oder des
Sozialstaates dazu führen, daß der Arme, nun nicht mehr arm, dieser
Verheißung verlustig geht. Eine effektive Armenfürsorge würde so
den Armen ihres wahren Reichtumes, der ihnen gegebenen Verheißung
des Reich Gottes berauben!
Faktisch
verstehen die christlichen Apologeten der Regierungspolitik der
offenen Grenzen die Seligpreisung Jesu auch ganz anders: Jesus sagt
damit, daß Armut nicht sein soll und es die Aufgabe der Christen
sei, Armut zu beseitigen. Die Verheißung des Eintrittes in das
Reich Gottes wird dabei eben ersetzt durch die sozialpolitische
Vorstellung einer Gesellschaft ohne Arme. Zudem wird von dem
Nationalstaat verlangt, daß er sich nun für das Wohlergehen aller
Menschen einzusetzen habe, daß er sich also als Staat für ein Volk
zu negieren habe, um zum Staat für alle armen Menschen zu werden.
Das ist so, als verlangte man von der Familienmutter, daß sie nicht
mehr die Mutter für ihre eigene Kinder sein dürfe, weil das ihr
Muttersein für alle Kinder der Welt ausschlösse und dazu wäre sie
als Christin verpflichtet. Die Zerstörung der Ordnung der Familie,
die der Ehe wie des Volkes, die des Staates ist so die Negativseite
der Propagierung eines universalistischen Humanitarismus, daß wir
alle Armen der Welt in unseren Staat aufzunehmen und zu versorgen
hätten.
Und dabei
hat das Urchristentum schon sich genötigt gesehen zum Schutz der
Ordnung der Gemeinde, sie vor überzogenen Versorgungsansprüchen von
auswärtigen Wanderpedigern zu schützen! Der religiös verkleidete
Humanitarismus ist, wie Arnold Gehlen es darlegt in seinem Essay:
„Hypermoral und Moral“ die Zerstörung aller Ordnungen, weil sie
die zum Leben konstitutiv gehörenden Ordnungen nivelliert, die
Ordnung der Unterscheidung von Christen und Nichtchristen, die der
von zur Familie und zum Volke Dazugehörenden und
Nichtdazugehörenden. Jesu Christi Votum, wer einen meiner geringsten
Brüder aufnimmt, der nimmt mich auf, bezieht sich eben
ausschließlich auf Christen und dabei eigentlich nur auf christliche
Wanderprediger und Propheten, die in eine ihnen fremde Gemeinde
kommen, um dort zu verkündigen!
Nun könnte
noch erwidert werden, daß das Gebot der Nächstenliebe bei dieser
theologischen Auslegung nicht berücksichtigt wurde. Aber:
Widerspricht die Liebe der Mutter zu den eigenen Kindern etwa dem
Gebot der Nächstenliebe, weil die Mutter nicht Mutter für alle
Kinder der Welt ist und sein will, sondern für ihre eigenen? Der
Begriff der Nächstenliebe setzt immer eine Ordnung, die der
Differenz von Nah und Fern. Dadurch, daß ein Mensch an einem
bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zur Welt kommt, konstituiert
sich für ihn Nähe und Ferne, und wo er berufen ist, die
Nächstenliebe zu leben. Eine unlimitierte Verantwortung für alle
Menschen würde dagegen die Idee der Nächstenliebe destruieren, weil
dann sie nicht mehr lebbar wäre. Eine Mutter kann nicht Mutter für
alle Kinder sein und ein Volkssozialstaat kann nicht der Sozialstaat
für alle Menschen der Welt sein. Der Idee der Nächstenliebe wohnt
so selbst notwendigerweise ein Moment der Selbstlimitierung inne. Wo
das nicht mehr anerkannt wird, werden die Ordnungen, in denen die
Nächstenliebe gelebt werden kann, selbst destruiert. Die
Verabsolutierung, die Entgrenzung der Idee der Nächstenliebe führt
dann dazu, aus ihr eine nicht mehr lebbare Utopie zu machen. Aber
schon die Didache limitierte Jesu Votum auf das Lebbare und
Praktizierbare für die urchristlichen Gemeinden!
Uwe C.Lay