"Wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt. Denn die Gebote, Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen du sollst nicht begehren! und alle anderen Gebote sind in dem einen Satz zusammengefaßt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst", schreibt der Apostelfürst Paulus auch uns in seinem Römerbrief, 13, 9. Zum Biblizismus Neigende meinen gern, es bräuchte eigentlich gar keiner Moraltheologie, denn die Bibel sage uns doch so klar und eindeutig, wie wir zu leben hätten- wozu da noch eine Moralllehre! Und liberal Gesonnene meinen, daß uns im Zweifelsfalle ja noch unser Gewissen gegeben ist, daß dann letzte Unklarheiten beseitige. Die Stimme des Gewissens verüberflüssige so jede Moraltheologie.
Es soll nun mal die Probe aufs Exempel gemacht werden. Frägt man einen Ehemann, warum er denn nun seine Frau regelmäßig betrüge, kann die Antwort lauten: weil ich meine Frau nicht mehr liebe, aber die Andere liebe ich jetzt. Ist diese Aussage wahr, und das kann sie sein, dann handelt dieser Ehemann aus Liebe und doch sündigt er, denn der Ehebruch ist auch dann eine Sünde, wenn der Mann aus Liebe zu einer Frau fremdgeht! Aber wie viele würden jetzt urteilen, eingedenk der rhetorischen Frage, kann denn Liebe Sünde sein?, daß der Ehemann nicht sündigt, weil er mit der Frau intim ist, die er wirkich liebt, auch wenn das nicht seine Ehefrau ist? Und wie viele, auch Katholiken rieten dann dem Manne zur Scheidung, damit er dann die eheliche, die er wirklich liebt.Es ist nun die Aufgabe der Moraltheologie, diese Causa zu analysieren und zu beurteilen! Eines ist aber klar: Nur jetzt Paulus zitierend, wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt zu urteilen, daß der Ehebruch aus wirklicher Liebe zu einer anderen Frau keine Sünde sei, greift zu kurz. In diesem Falle gilt nicht, daß ein Tun aus Liebe zu einem Anderen schon die Erfüllung des Gesetzes sei, nein man kann gerade liebend sündigen! Hier hilft es dann auch nicht weiter, eine reguläre von einer ungeordneten Liebe zu distinguieren, um zu sagen, daß wenn ein Mann eine Frau liebt, der er nicht lieben darf, dann liebe er nicht wahrhaftig, sondern irregulär. Auch die Liebe, die unerlaubt liebt, liebt wahrhaftig!
Du sollst nicht töten! Ja, tötet der Soldat im Kriege nicht den feindlichen Soldaten aus Liebe zum eigenen Vaterland? (Es greift zu kurz, in Anlehnung an Thomas von Aquin das Töten des Soldaten auf eine Serie von Notwehren zu reduzieren- ein Soldat tötet in der Schlacht auch, wenn er mit seiner Truppe angreift und nicht einen Angriff abwehrt.) Biblizisten nehmen dies Gebot gern zur Begründung eines christlichen Pazifismuses und geraten so in unlösbarem Widerstreit zur christlichen Lehre vom Staate (Röm 13, 1-7). Und was ist, wenn eine Tochter aus Miteid zu ihrer Mutter, die im Sterben liegt Todesqualen erleidend, sie tötet auf den flehentlichen Wunsch der Mutter hin? Daß sie aus Liebe zur eigenen Mutter sie dann tötet, wird man in diesem Falle der Tochter nicht absprechen können und dürfen- und doch verurteilt die Kirche diese Tötung auf Verlangen als schwere Sünde. Ergo: Die Tochter handelt aus ihrer Liebe zur eigenen Mutter und sündigt dabei.
Karl May behandelt in einem seiner Heimatromane (die Stelle finde ich jetzt aber leider nicht)den Fall, daß ein Armer, in Angst, daß seine Kinder die Winternacht nicht überleben könnten, weil sie nichts zum Heißen haben, ob er Holz aus dem Wald stehlen dürfe. Im Roman gibt es dann eine gute Lösung- er kommt zu seinem Brennholz, ohne zu stehlen, gerade weil er der Anfechtung widerstand, zu stehlen, aber moraltheologisch gefragt: Dürfte dieser Mann Brennholz stehlen, wenn er sonst nicht heizen kann und um die Gesundheit seiner Kinder sich dann ernstlich sorgen muß? Darf man aus Liebe zu den eigenen Kindern etwas stehlen, was diese Kinder dringendst brauchen zum Überleben? Handelt er da, wenn er ein Brennholz stiehlt, nicht wahrhaftig aus väterlicher Liebe?
Und was ist mit: Du darfst nicht begehren? Darf der arme Lazarus nicht begehren, etwas von den Speisen und Getränken des Reichen abzubekommen, damit er einmal im Leben auch mal gut essen und trinken kann? Darf er aus Liebe zu sich nicht einen Anteil am guten Essen für sich begehren?
Man sieht: So schwierig ist diese Materie, daß ein einfaches Bibelzitieren, so steht es geschrieben, eben für das praktische moralische Leben nicht ausreicht! Dem Christen reicht die Bibel und sein Gewissen nicht aus für ein rechtes Leben.
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